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PAPST FRANZISKUS

ANGELUS

Petersplatz
Sonntag, 25. Oktober 2020

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Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag!

Im heutigen Abschnitt aus dem Evangelium (vgl. Mt 22,34-40) fragt ein Gesetzeslehrer Jesus, welches »das wichtigste Gebot« (V. 36) sei, also das Hauptgebot des ganzen göttlichen Gesetzes. Jesus antwortet einfach: »Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit deinem ganzen Denken« (V. 37). Und er fügt sofort hinzu: »Ebenso wichtig ist das zweite: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst« (V. 39).

Die Antwort Jesu greift zwei grundlegende Gebote auf, die Gott seinem Volk durch Mose gegeben hat, und verbindet sie miteinander (vgl. Dtn 6,5; Lev 19,18). Und so weicht er der Falle aus, die ihm gestellt worden war, »um ihn zu versuchen« (vgl. V. 35). Sein Gesprächspartner versucht in der Tat, ihn in den Disput zwischen den Fachmännern des Gesetzes über die Hierarchie der Vorschriften hineinzuziehen. Doch Jesus setzt zwei wesentliche Eckpfeiler für die Gläubigen aller Zeiten, zwei wesentliche Eckpfeiler unseres Lebens. Der erste lautet, dass sich das moralische und religiöse Leben nicht auf einen ängstlichen und erzwungenen Gehorsam reduzieren kann. Es gibt Menschen, die versuchen, die Gebote auf ängstliche oder zwanghafte Weise zu erfüllen, und Jesus macht uns verständlich, dass das moralische und religiöse Leben nicht auf ängstlichen und erzwungenen Gehorsam reduziert werden kann, sondern die Liebe als Prinzip haben muss. Der zweite Dreh- und Angelpunkt besteht darin, dass die Liebe zugleich und untrennbar auf Gott und den Nächsten ausgerichtet sein muss. Dies ist eine der wichtigsten Neuerungen in der Lehre Jesu und lässt uns verstehen, dass das keine wahre Gottesliebe ist, was nicht in der Nächstenliebe zum Ausdruck kommt; und analog ist das keine wahre Nächstenliebe, was nicht aus der Beziehung zu Gott schöpft.

Jesus schließt seine Antwort mit den Worten ab: »An diesen beiden Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten« (V. 40). Das bedeutet, dass alle Gebote, die der Herr seinem Volk gegeben hat, in Beziehung zur Gottes- und Nächstenliebe gesetzt werden müssen. Tatsächlich dienen alle Gebote dazu, diese doppelte unteilbare Liebe umzusetzen, auszudrücken. Die Liebe zu Gott drückt sich vor allem im Gebet aus, insbesondere in der Anbetung. Wir vernachlässigen die Anbetung Gottes sehr. Wir sprechen das Dankgebet, das Bittgebet, um etwas zu erbitten…, aber wir vernachlässigen die Anbetung. Der Kern des Gebets ist gerade die Anbetung Gottes. Und die Nächstenliebe, die auch als geschwisterliche Nächstenliebe bezeichnet wird, besteht aus Nähe, aus Zuhören, aus miteinander Teilen, aus Fürsorge für andere. Und oft versäumen wir es, dem anderen zuzuhören, weil er auf die Nerven geht oder weil er mir Zeit raubt, oder ihn mitzunehmen, ihn in seinen Sorgen, in seinen Prüfungen zu begleiten… Aber für das Geschwätz finden wir immer Zeit, immer! Wir haben keine Zeit, die Betrübten zu trösten, aber viel Zeit zum Schwätzen. Seid vorsichtig! Der Apostel Johannes schreibt: »Wer seinen Bruder nicht liebt, den er sieht, kann Gott nicht lieben, den er nicht sieht« (1 Joh 4,20). So sieht man die Einheit dieser beiden Gebote.

Im heutigen Evangelium hilft uns Jesus wieder einmal, zur lebendigen und sprudelnden Quelle der Liebe zu gehen. Und diese Quelle ist Gott selbst, der vollkommen in einer Gemeinschaft geliebt werden muss, die nichts und niemand zu zerstören vermag. Eine Gemeinschaft, die ein Geschenk ist, das jeden Tag erfleht werden muss, aber auch persönliches Engagement dafür, damit unser Leben sich nicht von den Götzen der Welt versklaven lässt. Und der Prüfstein unseres Weges der Umkehr und Heiligkeit besteht immer in der Liebe zu unserem Nächsten. Das ist der Prüfstein: Wenn ich sage: »Ich liebe Gott« und meinen Nächsten nicht liebe, dann stimmt da was nicht. Der Beweis, dass ich Gott liebe, ist, dass ich meinen Nächsten liebe. Solange es einen Bruder oder eine Schwester gibt, denen wir unser Herz verschließen, sind wir noch weit davon entfernt, Jünger zu sein, wie Jesus von uns verlangt. Aber seine göttliche Barmherzigkeit gestattet uns nicht, den Mut zu verlieren, ja sie ruft uns vielmehr auf, jeden Tag neu anzufangen, um das Evangelium konsequent zu leben.

Möge die Fürsprache der seligsten Jungfrau Maria unsere Herzen öffnen, um das »große Gebot« zu empfangen, das doppelte Gebot der Liebe, das alle Gesetze Gottes zusammenfasst und von dem unser Heil abhängt.


Nach dem Angelusgebet:

Liebe Brüder und Schwestern!

Mit besonderer Besorgnis verfolge ich die Nachrichten aus Nigeria über die jüngsten gewalttätigen Zusammenstöße zwischen den Ordnungskräften und einigen jungen Demonstranten. Wir beten zum Herrn, dass bei der ständigen Suche nach sozialer Harmonie durch die Förderung der Gerechtigkeit und des Gemeinwohls stets alle Formen von Gewalt vermieden werden.

Ich grüße euch alle, die Römer und die Pilger aus verschiedenen Ländern: Familien, Pfarrgruppen, Vereinigungen und einzelne Gläubige. Insbesondere grüße ich die Gruppe »Zelle der Evangelisierung« der Pfarrei »San Michele Arcangelo« in Rom; und auch die Jugendlichen der Unbefleckten Empfängnis, von denen heute sehr viele hier sind!

Am kommenden 28. November, am Vorabend des ersten Adventssonntags, werde ich ein Konsistorium für die Kreierung von dreizehn neuen Kardinälen halten. Hier sind die Namen der neuen Kardinäle:

Bischof Mario Grech, Generalsekretär der Bischofssynode;

Bischof Marcello Semeraro, Präfekt der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse;

Antoine Kambanda, Erzbischof von Kigali, Ruanda;

Wilton Gregory, Erzbischof von Washington;

José Advincula, Erzbischof von Capiz, Philippinen;

Celestino Aós Braco, Erzbischof von Santiago, Chile;

Cornelius Sim, Titularbischof von Puzia di Numidia und Apostolischer Vikar von Brunei, Kuala Lumpur;

Augusto Paolo Lojudice, Erzbischof von Siena-Colle di Val d'Elsa-Montalcino;

P. Mauro Gambetti, Konventualer Franziskaner, Kustos des Heiligen Konvents von Assisi.

Zusammen mit ihnen werde ich unter die Mitglieder des Kardinalskollegiums aufnehmen:

Felipe Arizmendi Esquivel, emeritierter Bischof von San Cristóbal de las Casas, Mexiko;

Silvano M. Tomasi, Titular-Erzbischof von Asolo, Apostolischer Nuntius;

P. Raniero Cantalamessa, Kapuziner, Prediger des Päpstlichen Hauses;

Enrico Feroci, Pfarrer der Pfarrei Santa Maria del Divino Amore in Castel di Leva.

Lasst uns für die neuen Kardinäle beten, dass sie mir bei meinem Amt als Bischof von Rom helfen, indem sie ihre Zugehörigkeit zu Christus bestätigen, zum Wohl des ganzen heiligen und gläubigen Volkes Gottes.

Ich wünsche euch allen einen schönen Sonntag. Bitte vergesst nicht, für mich zu beten. Gesegnete Mahlzeit und auf Wiedersehen!

 



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