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PAPST FRANZISKUS

GENERALAUDIENZ

Audienzhalle
Mittwoch, 8. August 2018

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Liebe Brüder und Schwestern,
guten Tag!

Heute wollen wir weiter über den Dekalog nachdenken und das Thema des Götzendienstes vertiefen; wir haben in der vergangenen Woche bereits darüber gesprochen. Heute greifen wir das Thema wieder auf, weil es sehr wichtig ist, es kennenzulernen. Und wir setzen beim Götzen schlechthin an, beim Goldenen Kalb, von dem das Buch Exodus (32,1-8) berichtet – wir haben gerade einen Abschnitt daraus gehört. Diese Episode hat einen bestimmten Kontext: die Wüste, wo das Volk auf Mose wartet, der auf den Berg gestiegen ist, um die Weisungen von Gott zu empfangen. Was ist die Wüste? Sie ist ein Ort, an dem Mangel und Unsicherheit herrschen – in der Wüste gibt es nichts –, wo Mangel an Wasser, Mangel an Nahrung und Mangel an Schutz herrscht. Die Wüste ist ein Bild für das menschliche Leben, das ungewiss ist und keine unantastbaren Garantien besitzt. Diese Unsicherheit ruft im Menschen Grundängste hervor, die Jesus im Evangelium erwähnt: »Was sollen wir essen? Was sollen wir trinken? Was sollen wir anziehen? « (Mt 6,31). Es sind Grundängste. Und die Wüste ruft diese Ängste hervor.

Und in jener Wüste geschieht etwas, das den Götzendienst in Gang setzt: dass »Mose noch immer nicht vom Berg herabkam« (Ex 32,1). Er ist 40 Tage dortgeblieben, und die Menschen sind ungeduldig geworden. Es fehlte der Bezugspunkt, der Mose war: der Anführer, das Oberhaupt, der beruhigende Leiter, und das wird unerträglich. Da verlangt das Volk einen sichtbaren Gott – das ist die Falle, in die das Volk gerät –, um sich damit identifizieren und daran orientieren zu können. Und sie sagen zu Aaron: »Mach uns einen Gott, der vor uns herzieht!«. »Mach uns ein Oberhaupt, mach uns einen Anführer.« Um der Unsicherheit zu entfliehen – die Unsicherheit ist die Wüste – sucht die menschliche Natur sich eine »Selfmade-Religion«: Wenn Gott sich nicht sehen lässt, machen wir uns einen Gott nach Maß. »Vor dem Götzen geht man nicht das mögliche Risiko eines Rufes ein, der einen aus den eigenen Sicherheiten herausholt, denn die Götzen ›haben einen Mund und reden nicht‹ (Ps 115,5). So begreifen wir, dass der Götze ein Vorwand ist, sich selbst ins Zentrum der Wirklichkeit zu setzen, in der Anbetung des Werkes der eigenen Hände« (Enzyklika Lumen fidei, 13).

Aaron kann sich der Forderung des Volkes nicht widersetzen und stellt ein Goldenes Kalb her. Das Kalb hatte im Alten Orient eine zweifache Bedeutung: Einerseits stand es für Fruchtbarkeit und Fülle, andererseits für Energie und Kraft. Vor allem aber ist es aus Gold, daher ist es Symbol für Reichtum, Erfolg, Macht und Geld. Das sind die großen Götzen: Erfolg, Macht und Geld. Es sind die Versuchungen, die es schon immer gegeben hat! Das ist also das Goldene Kalb: das Symbol aller Wünsche, die zwar die Illusion der Freiheit geben, in Wirklichkeit aber versklaven, denn der Götze versklavt immer. Du fühlst dich von ihm angezogen und gehst hin. Dieselbe Anziehungskraft hat die Schlange, die den Vogel anstarrt: Der Vogel kann sich nicht rühren, und die Schlange fängt ihn. Aaron konnte sich nicht widersetzen.

Alles kommt jedoch aus der Unfähigkeit, vor allem auf Gott zu vertrauen, auf ihn unsere Sicherheiten zu setzen, ihn unseren Herzenswünschen wahre Tiefe geben zu lassen. Das lässt auch die Schwäche, die Ungewissheit und die Unsicherheit ertragen. Die Bezugnahme auf Gott macht uns stark in der Schwäche, in der Ungewissheit und auch in der Unsicherheit. Ohne den Primat Gottes gerät man leicht in den Götzendienst und gibt sich mit armseligen Beruhigungen zufrieden. Aber das ist eine Versuchung, von der wir immer in der Bibel lesen. Und denkt gut darüber nach: Es hat Gott keine große Mühe gekostet, das Volk aus Ägypten zu befreien; er hat es mit Zeichen der Macht, der Liebe getan. Die große Mühsal Gottes bestand vielmehr darin, Ägypten aus dem Herzen des Volkes zu entfernen, also den Götzendienst aus dem Herzen des Volkes zu entfernen. Und noch immer ist Gott darum bemüht, ihn aus unserem Herzen zu entfernen.

Das ist die große Mühsal Gottes: jenes »Ägypten«, das wir ins uns tragen und das die Anziehungskraft des Götzendienstes ist, zu entfernen. Wenn man den Gott Jesu Christi annimmt, der reich war und unseretwegen arm wurde (vgl. 2 Kor 8,9), dann entdeckt man, dass die Anerkennung der eigenen Schwachheit nicht das Unglück des menschlichen Lebens ist, sondern die Voraussetzung, sich demjenigen gegenüber zu öffnen, der wahrhaft stark ist. Durch die Tür der Schwachheit tritt also das Heil Gottes ein (vgl. 2 Kor 12,10); kraft der eigenen Unzulänglichkeit öffnet der Mensch sich gegenüber der Vaterschaft Gottes. Die Freiheit des Menschen entsteht daraus, dass man den wahren Gott den einzigen Herrn sein lässt. Und das lässt uns die eigene Schwäche annehmen und die Götzen unseres Herzens ablehnen.

Wir Christen wenden den Blick dem gekreuzigten Christus zu (vgl. Joh 19,37), der schwach, verachtet und allen Besitzes beraubt ist. In ihm offenbart sich jedoch das Antlitz des wahren Gottes: die Herrlichkeit der Liebe und nicht die der glitzernden Täuschung. Jesaja sagt: »Durch seine Wunden sind wir geheilt« (53,5). Wir sind geheilt durch die Schwachheit eines Menschen, der Gott war, durch seine Wunden. Und durch unsere Schwächen können wir uns öffnen für das Heil Gottes. Unsere Heilung kommt vom ihm, der arm wurde, der das Scheitern angenommen hat, der bis ins Tiefste unsere Unsicherheit angenommen hat, um sie mit Liebe und Kraft zu füllen. Er kommt, um uns die Vaterschaft Gottes zu offenbaren; in Christus ist unsere Schwachheit kein Fluch mehr, sondern ein Ort der Begegnung mit dem Vater und Quelle einer neuen Kraft aus der Höhe.

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Gerne heiße ich die Pilger aus den Ländern deutscher Sprache willkommen. Diese Urlaubszeit lädt uns ein, die Schönheit der Schöpfung Gottes zu bewundern und im Gebet unsere Beziehung zum Herrn wachsen zu lassen. Gott allein kann den Wünschen unseres Herzens echte Tiefe schenken. Der Heilige Geist erfülle euch mit seiner Freude. Schönen Aufenthalt in Rom.

 



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