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PAPST FRANZISKUS

GENERALAUDIENZ

Audienzhalle
Mittwoch, 28. Oktober 2020

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Liebe Brüder und Schwestern guten Tag!

Heute, bei dieser Audienz, werde ich hier an meinem Platz bleiben, wie wir es bei den vorigen Audienzen gemacht haben. Ich würde sehr gerne hinuntergehen, jeden begrüßen, aber wir müssen Abstand halten, denn wenn ich hinuntergehe, entsteht gleich eine Menschentraube, um zu grüßen, und das geht gegen die Achtsamkeit, die Vorsicht, die wir gegenüber dieser »Dame«, die Covid heißt und die uns viel Schlechtes antut, walten lassen müssen. Verzeiht mir daher, dass ich nicht hinunterkomme, um euch zu begrüßen: Ich begrüße euch von hier aus, aber ich trage euch alle im Herzen. Und tragt ihr mich im Herzen und betet für mich. Auf Abstand kann man füreinander beten. Danke für das Verständnis.

Nachdem wir in unserer Katechesereihe über das Gebet das Alte Testament durchlaufen haben, kommen wir jetzt zu Jesus. Und Jesus betete. Sein öffentliches Wirken beginnt mit der Taufe im Jordan. Und die Evangelisten schreiben diesem Ereignis übereinstimmend grundlegende Bedeutung zu. Sie berichten, dass das ganze Volk im Gebet versammelt war, und erläutern, dass diese Zusammenkunft einen deutlichen Bußcharakter hatte (vgl. Mk 1,5; Mt 3,8). Das Volk ging zu Johannes, um sich taufen zu lassen für die Vergebung der Sünden: dies hat einen Charakter der Buße, der Umkehr. Das erste öffentliche Handeln Jesu ist also die Teilnahme an einem gemeinsamen Gebet des Volkes, einem Gebet des Volkes, das hingeht, um sich taufen zu lassen, ein Bußgebet, wo alle sich als Sünder bekennen. Daher möchte der Täufer sich widersetzen und sagt: »Ich müsste von dir getauft werden und du kommst zu mir?« (Mt 3,14).

Der Täufer versteht, wer Jesus war. Aber Jesus besteht darauf: Sein Handeln geschieht aus Gehorsam gegenüber dem Willen des Vaters (V. 15), aus Solidarität mit unserem menschlichen Dasein. Er betet mit den Sündern des Gottesvolkes. Das müssen wir uns merken: Jesus ist der Gerechte; er ist kein Sünder. Aber er wollte zu uns Sündern herabkommen, und er betet mit uns, und wenn wir beten, dann betet er mit uns; er ist mit uns, weil er im Himmel für uns betet. Jesus betet immer mit seinem Volk, er betet immer mit uns: immer. Nie beten wir allein, immer beten wir mit Jesus. Er bleibt nicht am anderen Ufer des Flusses – »Ich bin gerecht, ihr seid Sünder« –, um sein Anderssein und seine Distanz vom ungehorsamen Volk zu betonen, sondern er taucht seine Füße in dasselbe Wasser der Reinigung. Er macht sich gleichsam zu einem Sünder. Und das ist die Größe Gottes, der seinen Sohn gesandt hat, der sich selbst entäußert hat und wie ein Sünder erschien. Jesus ist kein ferner Gott, und er kann es nicht sein.

Die Menschwerdung hat es in ganzer Fülle und auf menschlich undenkbare Weise offenbart. So eröffnet Jesus seine Sendung, indem er sich an die Spitze eines Volkes von Büßern stellt und es gleichsam übernimmt, eine Bresche zu schlagen, durch die zu gehen wir alle, nach ihm, den Mut haben müssen. Die Straße, der Weg ist schwierig; aber er geht und öffnet den Weg. Der Katechismus der Katholischen Kirche erläutert, dass dies die Neuheit der Fülle der Zeiten ist. Dort heißt es: »Das kindliche Gebet, das der Vater von seinen Kindern erwartete, wird endlich vom einzigen Sohn in seiner Menschennatur mit den Menschen und für sie gelebt« (Nr. 2599).

Jesus betet mit uns. Behalten wir das im Kopf und im Herzen: Jesus betet mit uns. An jenem Tag, am Ufer des Jordan, befindet sich also die ganze Menschheit, mit ihren unausgesprochenen Gebetswünschen. Dort ist vor allem das Volk der Sünder: jene, die meinten, sie könnten nicht von Gott geliebt sein; jene, die es nicht wagten, die Schwelle des Tempels zu überschreiten; jene, die nicht beteten, weil sie sich nicht würdig fühlten. Jesus ist für alle gekommen, auch für sie, und er beginnt, indem er sich ihnen anschließt, sich an die Spitze stellt. Vor allem das Lukasevangelium macht die Atmosphäre des Gebets deutlich, in der die Taufe Jesu geschehen ist: »Es geschah aber, dass sich zusammen mit dem ganzen Volk auch Jesus taufen ließ. Und während er betete, öffnete sich der Himmel« (3,21). I

ndem er betet, öffnet Jesus das Tor zum Himmel, und durch diese Bresche kommt der Heilige Geist herab. Und aus der Höhe verkündet eine Stimme die wunderbare Wahrheit: »Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen gefunden« (V. 22). Dieses einfache Wort enthält einen enormen Schatz: Es lässt uns etwas verstehen vom Geheimnis Jesu und seines Herzens, das immer dem Vater zugewandt ist. Im Wirbel des Lebens und der Welt, die ihn am Ende verurteilen wird, auch in den härtesten und traurigsten Erfahrungen, die er ertragen muss, auch wenn er die Erfahrung macht, dass er keinen Ort hat, wo er sein Haupt hinlegen kann (vgl. Mt 8,20), auch wenn um ihn herum Hass und Verfolgung entfesselt werden, ist Jesus nie ohne einen Zufluchtsort: Er wohnt auf ewig im Vater. Das ist die einzigartige Größe des Gebets Jesu: Der Heilige Geist ergreift Besitz von seiner Person, und die Stimme des Vaters bezeugt, dass er der geliebte Sohn ist, in dem er sich in ganzer Fülle widerspiegelt. Dieses Gebet Jesu, das am Ufer des Jordan vollkommen persönlich ist – und so wird es sein ganzes irdisches Leben hindurch sein –, wird an Pfingsten aus Gnade zum Gebet aller Getauften in Christus. Er selbst hat uns dieses Geschenk erlangt, und er lädt uns ein, so zu beten wie er gebetet hat.

Darum müssen wir, wenn wir uns an einem Gebetsabend matt und leer fühlen, wenn uns das Leben völlig nutzlos gewesen zu sein scheint, in jenem Augenblick darum bitten, dass das Gebet Jesu auch zu unserem Gebet werde. »Ich kann heute nicht beten, ich weiß nicht, was ich tun soll: Ich fühle mich nicht danach, ich bin unwürdig.« In jenem Augenblick muss man sich ihm anvertrauen, damit er für uns betet. Er steht in diesem Augenblick vor dem Vater und betet für uns, er ist der Fürsprecher; er zeigt dem Vater die Wunden, für uns. Vertrauen wir darauf! Wenn wir Vertrauen haben, dann werden wir eine Stimme vom Himmel hören, die stärker ist als jene, die aus unseren Untiefen kommt, und wir werden diese Stimme zärtliche Worte wispern hören: »Du bist von Gott geliebt, du bist sein Kind, du bist die Freude des himmlischen Vaters.« Für uns, für einen jeden von uns hallt das Wort des Vaters wider: Auch wenn wir von allen zurückgewiesen sein sollten, Sünder der schlimmsten Sorte. Jesus ist nicht für sich selbst in das Wasser des Jordan hinabgestiegen, sondern für uns alle. Das ganze Gottesvolk kam zum Jordan, um zu beten, um Vergebung zu bitten, jene Taufe der Buße zu empfangen. Und wie jener Theologe sagt, kamen sie zum Jordan »mit nackter Seele und mit nackten Füßen«.

So ist die Demut. Um zu beten bedarf es der Demut. Er hat den Himmel geöffnet, wie Mose die Wasser des Roten Meeres geöffnet hatte, damit wir alle hinter ihm hindurchgehen können. Jesus hat uns sein eigenes Gebet geschenkt, seinen liebevollen Dialog mit dem Vater. Er hat es uns geschenkt als ein Samenkorn der Dreifaltigkeit, das in unserem Herzen Wurzeln schlagen will. Nehmen wir es an! Nehmen wir dieses Geschenk an, das Geschenk des Gebets. Immer mit ihm. Und wir werden nicht in die Irre gehen.

* * *

Von Herzen grüße ich die Gläubigen deutscher Sprache. Danken wir dem Herrn für die Gnade der Taufe, durch die wir Kinder Gottes und Glieder des mystischen Leibes Christi geworden sind, der die Kirche ist. Leben und teilen wir diese unaussprechliche Gnade in geistlicher Freude und bleiben wir in der väterlichen Liebe Gottes allzeit tief verwurzelt.

 



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