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PAPST FRANZISKUS

FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTAE"

 

Die Treue zu Gott kann nicht verhandelt werden 

Montag, 18. November 2013

aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 48, 29. November 2013

 

Es gebe eine Gefahr, die weltweit lauere. Es handele sich dabei um die »Globalisierung der hegemonialen Einförmigkeit«, die sich durch »einheitliches Denken« auszeichne. Dies führe dazu, dass man im Namen eines Fortschrittsdenkens, das sich dann als pubertär erweise, nicht zögere, die eigenen Traditionen und die eigene Identität zu verleugnen. Was uns allerdings trösten solle, sei, dass wir immer den Herrn vor uns haben, der seiner Verheißung treu sei, der auf uns warte, uns liebe und uns beschütze, so die Reflexion von Papst Franziskus am Montag, 18. November, im Verlauf der Messe in Santa Marta. Es konzelebrierte Erzbischof Pietro Parolin, der Staatssekretär, der heute seinen Dienst im Vatikan angetreten hat.

Der Papst begann seine Überlegungen mit der Schriftlesung aus dem 1. Buch der Makkabäer (1,10-15; 41-43; 54-57; 62-64), »einer der traurigsten Stellen der Bibel«, wie er kommentierte, wo »ein Großteil des Volkes Gottes es angesichts eines Angebots der Weltlichkeit vorzieht, sich vom Herrn zu entfernen«. Wie der Papst bemerkte, handelte es sich um ein typisches Verhaltensmuster jener »geistlichen Weltlichkeit, die Jesus nicht für uns wollte, so, dass er den Vater darum bat, uns vor dem Geist der Welt zu bewahren.«

Diese Weltlichkeit habe ihren Ursprung in einer perversen Wurzel, »in ruchlosen Menschen, die zu intelligenter Überredung fähig sind: ›Wir wollen einen Bund mit den fremden Völkern schließen, die rings um uns herum leben; denn seit wir uns von ihnen abgesondert haben, geht es uns schlecht.‹« Diese Art zu argumentieren, erinnerte der Papst, wurde für so gut gehalten, dass einige »die Initiative ergriffen, zum König zu gehen, um mit dem König zu verhandeln, um zu unterhandeln. « Diese Männer, so fügte er hinzu, »waren begeistert, sie glaubten, dass die Nation, das Volk Israel dadurch zu einem großen Volk werden würde.«

Gewiss, so bemerkte der Papst, stellten sie sich nicht das Problem, ob es richtig wäre oder nicht, dieses Fortschrittsdenken anzunehmen, das als ein Vorwärtsstreben um jeden Preis zu verstehen sei. Nein, sie sagten vielmehr: »Wir verschließen uns nicht. Wir sind fortschrittlich.« Es sei ein wenig so, wie es auch heute geschähe, bemerkte der Bischof von Rom, mit der Ausbreitung dessen, was er als den »Geist des pubertären Fortschrittsdenkens« bezeichnete, demzufolge man angesichts jeder Entscheidung, die man treffen müsse, denke, dass es richtiger sei, vorwärtszugehen als den eigenen Traditionen treu zu bleiben.

»Diese Leute«, fuhr der Papst fort, indem er zur Schriftlesung zurückkehrte, »verhandelten mit dem König, führten Unterhandlungen. Aber sie haben nicht etwa über Gewohnheiten verhandelt … Sie haben über ihre Treue zum immer treuen Gott gefeilscht. Und das bezeichnet man als Apostasie, als Abfall. Die Propheten nennen es – im Hinblick auf die Treue – einen Treubruch, ein treuloses Volk. Jesus sagt es: ›"eine böse und treulose Generation‹, die um etwas feilscht, das ein essentieller Bestandteil der eigenen Identität ist: die Treue zum Herrn.« Vielleicht gab es einige Werte, über die sie nicht verhandelt haben, auf die sie nicht verzichteten; aber es handle sich dabei um Werte, so merkte der Papst an, die am Ende dann so sinnentleert seien, dass sie nur noch »nominelle, aber keine realen Werte mehr sind.«

Für all das trage man dann aber die Konsequenzen. Unter Verweis auf die Schriftlesung erinnerte der Papst daran, dass sie »die Sitten und Gebräuche der Heiden« annahmen und den Befehl des Königs akzeptierten, der »seinem ganzen Reich vorschrieb, alle sollten zu einem einzigen Volk werden, und jeder solle seine Eigenart aufgeben.« Und mit Sicherheit, so sagte der Papst, handelte es sich nicht um die »schöne Globalisierung «, die sich in der »Einheit aller Nationen« ausdrücke, die aber jeweils ihre eigenen Gebräuche beibehielten. Das, wovon in der Schriftlesung die Rede sei, sei vielmehr die »Globalisierung der hegemonialen Einförmigkeit«. Um das »Einheitsdenken, das ein Frucht der Weltlichkeit ist.«

Nachdem er zunächst an die Folgen für jenen Teil des Volkes Israel erinnerte, der dieses »Einheitsdenken « akzeptiert hatte und sich soweit hatte gehen lassen, Sakrilegien zu begehen, betonte Papst Franziskus, dass man auch heute noch vergleichbaren Verhaltensweisen begegne, »weil der Geist der Weltlichkeit uns auch heute dazu verführt, fortschrittlich sein zu wollen und uns zum Einheitsdenken verführt.« Ja, genau wie es damals geschah, als diejenigen, die im Besitz der Bundesrolle angetroffen wurden, zum Tod verurteilt wurden, so geschehe es auch heute in zahlreichen Gegenden der Welt, »wie wir in den vergangenen Monaten in den Zeitungen gelesen haben.«

Die eigene Treue Gott gegenüber zu verhandeln  sei, als verhandle man über seine eigene Identität. Und im Hinblick hierauf erinnerte der Papst an das Buch Der Herr der Welt von Robert Hugh Benson, einem Sohn des Erzbischofs von Canterbury Edward White Benson, in dem sich der Verfasser mit dem Geist der Welt auseinandersetzt und sich »fast wie in einer Prophezeiung ausmalt, was geschehen wird. Dieser Mann, der Benson hieß, trat dann zum Katholizismus über und hat viel Gutes getan. Er sah genau diesen Geist der Weltlichkeit, der uns zur Apostasie führt.« Es werde auch uns gut tun, so schlug der Papst vor, an das zu denken, was im Buch der Makkabäer erzählt wird, an das, was geschehen ist, Schritt für Schritt, wenn wir uns entscheiden, dem »pubertären Fortschrittsdenken« zu folgen und das zu tun, was alle tun. Und es werde uns auch gut tun, an das zu denken, was anschließend geschehen sei, an die folgende Geschichte, an die »Todesurteile, die Menschenopfer «, die darauf folgten. Und auf die Frage: »Denkt ihr, dass heutzutage keine Menschenopfer mehr gebracht werden?« antwortete der Papst: »Es werden viele gebracht, sehr viele. Und es gibt Gesetze, die sie schützen.«

Was uns trösten sollte, schloss der Papst, sei, dass »angesichts des Wegs, den der Geist der Welt, der Fürst dieser Welt, einschlägt«, ein Weg der Treulosigkeit, »immer der Herr bleibt, der sich selbst nicht verleugnen kann, der treu ist. Er wartet immer auf uns; er liebt uns sehr«, und er sei dazu bereit, uns zu verzeihen, selbst wenn wir einen kleinen Schritt auf diesem Weg gehen, und uns an der Hand zu nehmen, wie er es mit seinem auserwählten Volk getan hat, um es aus der Wüste zu führen.

 

 



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