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PAPST FRANZISKUS

FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"

 

Hinausgehen, um Leben zu schenken

 Dienstag, 9. Dezember 2014

 

aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 1/2, 9. Januar 2015

 

Eine Kirche, die nur noch »Museum« ist, nützt nichts. Sie darf aber auch nicht zur bloßen Struktur mit »einem perfekten Stellenplan« werden, in der »alles an seinem Platz, alles makellos« ist, in der es aber »an der Freude, am Fest, am Frieden mangelt«. Daran erinnerte Papst Franziskus in der Frühmesse, die er am 9. Dezember in Santa Marta feierte.

Den Anstoß zu den Überlegungen des Papstes gab die erste Lesung, in der der Prophet Jesaja (40,1-11) Gottes Trost für Israel verkündet. Diese prophetische Verheißung ziehe sich durch die gesamte Geschichte und dauere bis in unsere Tage. Wann aber werde sie innerhalb der Kirche Wirklichkeit? Papst Franziskus erinnerte daran, dass »gerade so, wie ein Mensch dann getröstet wird, wenn er die Barmherzigkeit und die Vergebung des Herrn erfährt, auch die Kirche dann ein Fest feiert und glücklich ist, wenn sie aus sich selbst hinausgeht«. Die Freude der Kirche bestehe also darin, »zu gebären« und »aus sich selbst hinauszugehen, um Leben zu schenken«, darin, »hinzugehen und die verlorenen Schafe zu suchen« und dadurch, »gerade diese Zärtlichkeit des Hirten, die Zärtlichkeit einer Mutter« zu bezeugen.

In Bezug auf das Tagesevangelium aus Matthäus (18,12-14) hob der Papst den dynamischen Ansporn des Hirten hervor, der »hinausgeht«, der »auf die Suche geht« nach dem fehlenden Schaf, dem verlorenen Schaf. Und das, obwohl, wie der Papst betonte, dieser eifrige Hirte »eine Rechnung hätte aufstellen können wie ein guter Kaufmann«: Er hatte noch 99 Schafe, also wäre selbst beim Verlust des einen die Bilanz zwischen Gewinn und Verlust höchst gewinnträchtig ausgefallen. Er aber, so betonte Franziskus, »hat das Herz eines Hirten, er geht hinaus, bis er es findet und sich darüber freut, er ist voller Freude«.

Auf dieselbe Weise komme es auch »zur Freude darüber, hinauszugehen und nach den Brüdern und Schwestern zu suchen, die ihr fern stehen: das ist die Freude der Kirche.« Gerade dann werde die Kirche »Mutter und werde fruchtbar«. Wenn die Kirche »das nicht tut«, warnte der Papst, dann »bleibt sie stehen, verschließt sich in sich selbst«, auch wenn sie »vielleicht gut organisiert ist«. Und auf diese Weise werde sie zu »einer mutlosen, ängstlichen, traurigen Kirche, zu einer Kirche, die mehr einer alten Jungfer denn einer Mutter gleicht; und diese Kirche ist nutzlos, sie ist eine Kirche, die zum Museum geworden ist.«

Das Ende der Lesung aus Jesaja greife wieder das Bild des Hirten auf, der »seine Herde zur Weide führt, er sammelt sie mit starker Hand. Die Lämmer trägt er auf dem Arm, die Mutterschafe führt er behutsam.« Das sei »die Freude der Kirche: aus sich selbst hinausgehen und fruchtbar werden«. Wie zur Zeit Israels, als Jesaja dem Volk die tröstenden Worte des Herrn übermittelte, so öffne sich auch die Kirche bei der erneuten Lesung dieser Worte für die Freude, sie werde gestärkt. Denn das Volk »bedarf des Trostes«. Die bloße Gegenwart des Herrn »tröstet, sie tröstet immer, sei es nun ein starker oder ein schwacher Trost, aber sie tröstet immer«. In der Tat, so bekräftigte der Papst, gebe es da, wo der Herr sei »Trost und Frieden«. Auch im Leid, so fügte er hinzu, »existiert dieser Friede, der die tröstende Gegenwart des Herrn ist«.

Die Menschen seien leider geneigt, vor dem Trost zu fliehen. »Wir spüren Misstrauen, es ist bequemer für uns«, so merkte Franziskus an, »in unseren Dingen zu bleiben, bequemer, auch in unseren Verfehlungen, in unseren Sünden zu verharren«. Das sei das Terrain, auf dem der Mensch sich am behaglichsten fühle. Dagegen, so betonte der Papst, »versetzt uns der Heilige Geist, wenn er kommt und wenn der Trost kommt, in einen anderen Zustand, den wir nicht kontrollieren können: es ist gerade die Hingabe an den Trost des Herrn.« Und gerade dann »kommt der Frieden, die Freude«, woran uns die »sehr schönen« Worte »des Königs Hiskija« erinnerten: »›Du hast mich aus meiner bitteren Not gerettet‹, denn der Herr ist hingegangen und hat ihn getröstet.« Und so laute auch »jener Psalm der Gefangenen in Jerusalem, in Babylon: ›Als der Herr das Los der Gefangenschaft Zions wendete, da waren wir alle wie Träumende‹ – sie konnten es kaum glauben! – ›Da war unser Mund voll Lachen und unsere Zunge voll Jubel.‹«

In der Tat, wenn »der Trost des Herrn kommt, sind wir erschüttert. Er ist es, der alles in der Hand hat, nicht wir.« Und der allerstärkste Trost sei jener »der Barmherzigkeit und der Vergebung«, wie Jesaja sage: »Redet Jerusalem zu Herzen und verkündet der Stadt, dass ihr Frondienst zu Ende geht; dass ihre Schuld beglichen ist, denn sie hat die volle Strafe erlitten von der Hand des Herrn für all ihre Sünden.« Daher forderte der Papst auf, darüber nachzudenken, dass Gott an Großzügigkeit nicht überboten werden könne. »Du hast hundert mal gesündigt, nimm dafür zweihundert mal Freude: aber so ist die Barmherzigkeit Gottes, wenn er kommt, um uns zu trösten.«

Dessen ungeachtet versuche der Mensch, sich dem zu entziehen, denn »das macht uns ein wenig Angst, es flößt uns ein wenig Misstrauen ein: ›Aber Herr, das ist zu viel!‹« Um verständlich zu machen, wie grenzenlos die Barmherzigkeit Gottes sei, griff der Papst auf die Worte des Propheten Ezechiel zurück, auf Kap. 16, wo er im Anschluss an »diese Auflistung der vielen, ja wirklich sehr vielen Sünden des Volkes sagt: ›Aber ich will meines Bundes gedenken, den ich mit dir in deiner Jugend geschlossen habe, und will einen ewigen Bund mit dir eingehen. Du sollst dich schämen, weil ich dir alles vergebe, was du getan hast.‹« So sei unser Gott, der Gott, der uns »tröstet in Barmherzigkeit und Vergebung«. Daher sei es gut zu wiederholen: »Lasst euch vom Herrn trösten, er ist der Einzige, der trösten kann.«

Sehr oft, so fügte Franziskus hinzu, »sind wir daran gewöhnt, uns kleine, ein wenig selbstgemachte Tröstungen ›zu mieten‹. Aber sie bringen nichts, sie helfen, aber sie bringen nichts.« In der Tat nütze uns nur das, was »vom Herrn kommt, mit seiner Vergebung und unserer Demut. Wenn das Herz demütig wird, dann kommt dieser Trost und lässt sich von dieser Freude, von diesem Frieden vorantragen.«

Abschließend bat der Papst den Herrn um die Gnade, »dafür zu arbeiten, freudige Christen in der Fruchtbarkeit der Mutter Kirche zu sein«, und dass er uns vor der Gefahr bewahre, »in die Haltung dieser traurigen, ungeduldigen, mutlosen, ängstlichen Christen zu verfallen, die alles in der Kirche in perfekter Ordnung haben, die aber keine ›Kinder‹ haben«. Der Papst lud ein, Gott darum zu bitten, uns mit »dem Trost einer Kirche zu trösten, die Mutter ist, die aus sich selbst herausgeht «, sowie mit »dem Trost der Zärtlichkeit Jesu und mit seiner Barmherzigkeit, mit der er unsere Sünden vergibt«.

 


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