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PAPST FRANZISKUS

FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"

 

Für Überraschungen offen

Dienstag, 28. April 2015

 

aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 19, 8. Mai 2015

 

Den Herrn »um die Gnade bitten, keine Angst zu haben, wenn der Heilige Geist mir mit Bestimmtheit sagt, dass ich einen Schritt nach vorn tun soll«. Und um »den apostolischen Mut« bitten, »Leben zu bringen, statt unser christliches Leben zu einem mit Erinnerungen angefüllten Museum werden zu lassen«. So lautete die doppelte Empfehlung, mit der Papst Franziskus am Dienstag, 28. April, seine Predigt bei der Frühmesse in der Kapelle des Hauses Santa Marta abschloss.

Bei seiner Auslegung der Lesungen zum Tage verweilte der Papst vor allem bei der ersten Lesung, die der Apostelgeschichte (11,19-26) entnommen war. In ihr, so sagte er, werde davon berichtet, dass »es in der Kirche nach einer ersten Zeit der Freude, nach der Ausgießung des Heiligen Geistes schöne Augenblicke gab, aber auch zahlreiche Probleme«. Eines dieser Probleme habe darin bestanden, dass einige Mitglieder der Gemeinde auch »den Griechen, den Heiden, das Evangelium« verkündet hätten, »Menschen also, die keine Juden waren«. In der Tat, so erläuterte Franziskus, »war das sehr merkwürdig, es schien eine neue Lehre zu sein«. Im Übrigen, so bemerkte er, habe es zuvor bereits »diese Episode mit Petrus im Hause des Kornelius« gegeben, die große Empörung hervorgerufen habe: »Du hast das Haus von Unbeschnittenen betreten! Du bist unrein geworden«, so hätten sie ihm vorgeworfen. Nun sei etwas Vergleichbares geschehen: »Nach der Verfolgung, nach dem Martyrium des Stephanus« seien die Jünger versprengt worden und nur die Apostel seien in Jerusalem zurückgeblieben.

Einige dieser Jünger seien »nach Antiochien gekommen und verkündeten in den Synagogen nur den Juden das Wort Gottes«. Aber »andere, die aus Zypern und Zyrene stammten, begannen damit, auch den Griechen zu verkünden, dass Jesus der Herr ist: ›Die Hand des Herrn war mit ihnen, und viele wurden gläubig und bekehrten sich zum Herrn.‹«

Daher hätte es, »als ›die Nachricht davon der Kirche von Jerusalem zu Ohren kam‹, dagegen Bedenken gegeben«. Das sei soweit gegangen, dass die Jünger »eine Art ›Kanonischer Visitation‹ angeordnet hätten, wobei sie zu Barnabas sagten: ›Geh, statte denen dort einen Besuch ab, und dann entscheiden wir über unser weiteres Vorgehen.« Aber »als Barnabas ankam und die Gnade Gottes sah, freute er sich und brachte wieder Ruhe und Frieden in die Kirche von Jerusalem zurück«.

Den Worten des Papstes zufolge spreche die Episode aus der Apostelgeschichte  also erneut von »Neuerungen«, die sich »in dieser Mentalität« einen Weg gebahnt hätten, wonach Jesus einzig und allein dazu gekommen sei, »sein eigenes Volk zu erlösen, das auserwählte Volk des Vaters«. Eine Mentalität, die es noch nicht habe begreifen können, »dass auch andere Völker Teil« des göttlichen Heilsplans seien.

Aber, so warnte der Papst unter Verweis auf das Buch Jesaja, »in den Prophezeiungen war das schon enthalten«. Aber sie »verstanden nicht. Sie verstanden nicht, dass Gott der Gott der Neuerungen ist: ›Ich mache alles neu‹, so sagt er uns«; sie hätten nicht verstanden, »dass der Heilige Geist gerade dazu gekommen ist, uns zu erneuern, und dass er unablässig darauf hinwirkt, uns zu erneuern«. Ja, er konstatierte: »Das erregt Furcht. In der Geschichte der Kirche können wir von damals bis auf den heutigen Tag sehen, wie viele Ängste die Überraschungen des Heiligen Geistes erregt haben. Er ist ein Gott der Überraschungen.« Und denen, die den Einwand vorbringen könnten: »Aber Vater, es gibt solche und solche Neuerungen! Bei manchen Neuerungen sieht man, dass sie von Gott herrühren, bei anderen hingegen nicht«, antwortete Franziskus mit den Worten, die Petrus an die Brüder in Jerusalem gerichtet hatte, als er dafür getadelt worden war, das Haus des Kornelius betreten zu haben: »Kann jemand denen das Wasser zur Taufe verweigern, die ebenso wie wir den Heiligen Geist empfangen haben?«

Das sei derselbe Grundgedanke wie jener in der Tageslesung über Barnabas, der als »ein trefflicher Mann« bezeichnet wird, der »vom Heiligen Geist erfüllt« gewesen sei. Wobei betont werde, dass »der Heilige Geist, der die Wahrheit erkennen lässt, in beiden wirkt«. Etwas, das wir hingegen »von uns heraus« außerstande sind zu tun. »Mit unserem Intellekt können wir das nicht tun«, so bekräftigte der Papst und erläuterte: »Wir können die gesamte Heilsgeschichte studieren, wir können die gesamte Theologie studieren, aber ohne den Heiligen Geist können wir nicht verstehen. Es ist gerade der Heilige Geist, der uns die Wahrheit erkennen lässt oder – um die Worte Jesu zu gebrauchen – es ist der Geist, der uns dazu verhilft, die Stimme Jesu zu erkennen: ›Meine Schafe hören auf meine Stimme; ich kenne sie und sie folgen mir.‹«

Letztlich ist für Franziskus »das Vorankommen der Kirche Werk des Heiligen Geistes. Da ist er am Werk.« Jesus selbst »hat den Aposteln gesagt: ›Der Beistand aber, der Heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern.‹ « Auf welche Art und Weise? Indem er an das erinnern werde, was Jesus gesagt hat, und im Hinblick auf die Prophezeiungen: »Deshalb gibt es in den ersten Ansprachen, auch in jener des Stephanus, einen neuen Lektüreschlüssel«, so klärte der Papst, »für alle Prophezeiungen. Es ist das Werk des Heiligen Geistes, der dazu verhilft, die Geschichte mit dem auferstandenen Jesus als Lektüreschlüssel zu lesen: ›Und er wird euch den Weg zeigen‹«.

In diesem Kontext gab der Papst auch Empfehlungen dafür, »wie man es anstellen« könne, sich sicher zu sein, dass die Stimme, die wir vernähmen, tatsächlich diejenige Jesu sei, und dass das, was wir spüren, tun zu müssen, tatsächlich das Werk des Heiligen Geistes sei. Man müsse, so bekräftigte er, »beten«. »Ohne das Gebet ist kein Raum für den Geist«; man müsse »Gott darum bitten, uns diese Gabe zu schicken: ›Herr, schenke uns den Heiligen Geist, damit wir allzeit herausfinden können, was wir tun sollen.‹« Wobei wir genau achtgeben müssten, dass das »nicht etwa heißt, dass man immer dasselbe wiederholen soll. Die Botschaft ist immer die gleiche: Aber die Kirche geht voran, die Kirche geht weiter mit diesen Überraschungen, mit diesen Neuerungen des Heiligen Geistes.‹«

Man müsse also »gut unterscheiden, und um zu unterscheiden, muss man beten, um diese Gnade bitten«. So wie es Barnabas getan habe, der »vom Heiligen Geist erfüllt war und sofort verstand«, und Petrus, der »gesehen hat und sagte: ›Wer bin ich, dass ich hier die Taufe verweigern könnte?‹« In der Tat lasse uns der Heilige Geist »nicht fehlgehen«.

Auch in diesem Fall sagte der Papst, dass er sich der Einwände wohl bewusst sei, die seiner Argumentation entgegengebracht werden könnten: »Aber Vater, warum soll man so viele Skrupel haben? Machen wir die Dinge so, wie wir sie von jeher gemacht haben, das ist sicherer.« Und die Antwort hierauf lautete, dass diese Hypothese »eine Alternative« darstellen könne, es handle sich dabei allerdings um »eine sterile Alternative; eine Alternative ›des Todes‹«. Wohingegen es sehr viel besser sei, so schloss er, »ein Risiko einzugehen, begleitet vom Gebet, von der Demut, und das zu akzeptieren, was der Geist uns gemäß der Zeit, in der wir leben, an Veränderungen abverlangt: das ist der Weg«.

 



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