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PAPST FRANZISKUS

FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"
 

Vorsicht vor den Feuerwerken

Donnerstag, 10. November 2016
 

(aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 48, 2. Dezember 2016)

 

In der Frühmesse, die der Papst am Donnerstag, 10. November, in der Kapelle des Hauses Santa Marta feierte, warnte er vor der Versuchung, sich auf der Suche nach stets »neuen Dingen, Offenbarungen, Botschaften« vom »Feuerwerk einer Religion des Spektakulären« verlocken zu lassen. Und Franziskus lud auch ein, das Gewissen zu prüfen, um festzustellen, ob wir wirklich »Hoffnung haben«: die richtige Einstellung derer, die sich einsetzen, damit »das Reich Gottes, das bereits mitten unter uns ist«, wachse.

Der Papst ging vom Tagesevangelium nach Lukas (17,20-25) aus und machte gleich eingangs darauf aufmerksam, dass »es zu jener Zeit die Neugier gab, zu wissen, wann das Reich Gottes anbrechen werde: wann die Befreiung von den Römern, die Befreiung des Gottesvolkes erfolgen würde.« In Wirklichkeit hätten jene Menschen »nicht so recht gewusst, was das Reich Gottes sei, und so fragten sie Jesus danach«. Und »er antwortete ganz klar und deutlich: ›Das Reich Gottes ist (schon) mitten unter euch.‹« Weiter erläutere Jesus, dass »das Reich Gottes unter uns einem  Senfkorn gleicht, welches das kleinste von allen Samenkörnern ist, die man in die Erde sät. Ist es aber gesät, dann geht es auf und wird größer als alle anderen Gewächse, aber es braucht Zeit.«

Und »ebenso ist es mit dem Weizen«. Im Evangelientext, so der Papst, werde in diesem Zusammenhang »das Bild des Samens« benutzt, aber »auch jenes des Sauerteigs, den die Frau gut durchknetet, um Brot zu machen, und das, was ganz klein war, wächst und wächst und wächst, und wir wissen nicht, wie das geschieht «. Als Jesus »das erläutert, sagt er, dass wir nicht wissen, wie der Same wächst und aufkeimt. Wir wissen nicht, wie der Sauerteig die Teigmasse aufgehen lässt, aber genau so ist das Reich Gottes: Es ist mitten unter euch, genau so, wie ein wachsender Same, wie der Sauerteig im Teig.«

Unsere Aufgabe bestehe darin, »ihn gut zu hüten und zu hoffen, dass er wachse, dass er Frucht bringe«. Ja: »Die Hoffnung bewahren, damit das Reich Gottes in der Hoffnung stark wird.« Auch »Paulus sagte das zu den Römern: ›Denn wir sind gerettet, doch in der Hoffnung."‹« Im Übrigen, so erläuterte der Papst, »ist unsere Rettung immer der Wille zu hoffen: sie ist nicht unser Besitz, jetzt«, als wolle man sagen, »ich bin gerettet, ich bin gerecht«. Nein, so fuhr der Papst fort, »es ist der Wille zu hoffen, und so wächst das Reich Gottes durch unser Zutun: Denken wir an die Arbeit, das Saatkorn gut zu hüten, damit es wächst, und das aufkeimt, auch während wir ruhen.«

Denn »Jesus lehrt uns, dass das Reich Gottes wie der ausgesäte Weizen ist: der Mensch geht, und selbst während er schläft, wächst er von allein weiter«, da »Gott derjenige ist, der sein Wachstum gewährleistet«. Und so »lassen sowohl unsere Arbeit als auch unsere Ruhe das Reich Gottes wachsen und aufkeimen«. Aber »es bedarf der Hoffnung, um dieses Wachstum zu sehen«. Und genau »das ist das erste, was Jesus uns heute sagt: Das Reich Gottes ist (schon) mitten unter uns«.

In Wirklichkeit sage uns Jesus auch noch »etwas anderes, nämlich wie das Reich kommt, auf welche Art und Weise«. Tatsächlich »kommt das Reich Gottes ›nicht so, dass man es an äußeren Zeichen erkennen könnte. Man kann auch nicht sagen: ›Seht, hier ist es!‹ oder: ›Dort ist es!‹« Nein, das Reich Gottes »›ist (schon) mitten unter euch‹: Es ist keine Religion des Spektakulären«, weswegen »wir unablässig neue Dinge, Offenbarungen, Botschaften« suchen müssten. »Gott hat durch Jesus Christus gesprochen: das ist das letzte Wort Gottes«, bekräftigte der Papst. Alles andere sei »wie die Feuerwerke, die dich einen Augenblick lang erleuchten. Was bleibt davon zurück? Nichts, kein Wachstum, kein Licht, nichts: ein kleiner Augenblick.« Allerdings, so räumte Franziskus ein, »sind wir oft von dieser Religion des Spektakulären in Versuchung geführt worden, seltsame Dinge in der Offenbarung zu suchen, in der Sanftmut des Reiches Gottes, das mitten unter uns ist und wächst«.

Diese Religion des Spektakulären »ist keine Hoffnung: es ist der Wunsch, etwas in der Hand zu haben«. Aber »unser Heil wird am Maßstab der Hoffnung gemessen, jener Hoffnung, die der Mann hegt, der den Weizen aussät, oder die Frau, die Brot zubereitet, indem sie Sauerteig und Mehl vermengt«. »Diese künstliche Helligkeit« hingegen »dauert einen Augenblick, und dann verschwindet sie wieder, wie Feuerwerke: sie dienen nicht dazu, ein Haus zu erleuchten, sie sind ein Schauspiel«.

Der Papst unterstrich erneut: »Das Reich Gottes ist da, aber die Frage bleibt: Wann wird der Menschensohn kommen?« Das »ist die zweite Frage, die er der ersten zugrunde liegt«. Jesus erkläre dazu: »Denn wie der Blitz von einem Ende des Himmels bis zum andern leuchtet, so wird der Menschensohn an seinem Tag erscheinen.« Das sage auch Paulus zu den Thessalonichern: »Alles wird blitzartig verwandelt, ganz plötzlich, und alles wird anders sein. Das wird das Ende sein.« Das »wird die Fülle des Reiches Gottes sein, wenn der Herr wiederkommt, und er wird so wiederkommen. Bevor aber diese Fülle kommt, so sagt der Herr, muss er, der Menschensohn, vieles erleiden und von dieser Generation verworfen werden: Das ist das Leid des Kreuzes, der Arbeit, all dessen, was wir voranbringen.«

Franziskus warf in seiner Meditation eine weitere Frage auf: »Wenn das Reich Gottes bereits mitten unter uns ist und wir uns nicht vom Spektakulären anziehen lassen dürfen, weil es ein Feuerwerk und zu nichts nütze ist: Was müssen wir dann tun, während wir auf das Kommen des Gottesreiches, auf das Kommen des Herrn warten?« Als Antwort verwies der Papst auf ein Schlüsselwort: »bewahren«. »Geduldig bewahren: Geduld in unserer Arbeit, in unseren Leiden «. Wir sollten auf eine Weise bewahren und hüten, »wie das der Mann tut, der einen Samen gepflanzt hat und die Pflanze hütet, sich bemüht, dass kein Unkraut in ihrer Nähe ist, damit die Pflanze wachsen kann«. Konkret gehe es darum, »die Hoffnung zu bewahren«.

In diesem Zusammenhang stellte der Heilige Vater eine weitere Frage: »Wenn das Reich Gottes mitten unter uns ist, wenn wir alle diesen Samen in uns tragen, wenn ich dort den Heiligen Geist habe, wie bewahre ich ihn? Wie kann ich den guten Weizen vom Unkraut unterscheiden?« Kurz gesagt, das »Reich Gottes wächst, und wir, was müssen wir tun?« Die Antwort sei klar: »Bewahren, in der Hoffnung wachsen, die Hoffnung wahren.« Denn »wir sind gerettet, doch in der Hoffnung«. Genau dies sei »der rote Faden«: die Hoffnung sei »der rote Faden der Heilsgeschichte, die Hoffnung auf die endgültige Begegnung mit dem Herrn«. Dazu forderte Franziskus zu einer persönlichen Gewissenerforschung auf. »Wir können uns fragen: In welcher Weise bewahre ich die Hoffnung? Ziehe ich das Schnelle vor, Feuerwerke? Habe ich Geduld und auch die Demut, das Kreuz, jene Hoffnung zu bewahren, die in der Taufe in unser Herz gesät wurde? Jene Hoffnung, die nicht enttäuscht«, weil »die Hoffnung niemals enttäuscht!«

Die Wahrheit, dass »das Reich Gottes mitten unter uns ist«, stellt uns vor die Frage, »wie wir das Reich Gottes bewahren, diese Hoffnung?« Jemand könnte »sich auch fragen wollen: Habe ich Hoffnung?« Das sei angebracht, man solle »sich selbst fragen: Habe ich Hoffnung oder gehe ich voran, wie ich gerade kann, und weiß das Gute nicht vom Schlechten zu unterscheiden, den Weizen vom Unkraut, das Licht, das milde Licht des Heiligen Geistes vom künstlichen Leuchten?« Franziskus gab den Anwesenden mit auf den Weg, sich die Frage »nach unserer Hoffnung auf diesen Samen« zu stellen, »der in uns wächst«, und danach, »wie wir unsere Hoffnung bewahren: das Reich Gottes ist mitten unter uns, aber in der Ruhe, in der Arbeit, in der Unterscheidung müssen wir die Hoffnung auf dieses Reich Gottes bewahren, das wächst bis zu jenem Augenblick, in dem der Herr kommen und alles verwandelt werden wird«. Das werde »in einem kurzen Augenblick geschehen: alles, die Welt, wir, alles« werde dann verwandelt. Und »wie Paulus zu den Christen von Thessaloniki sagt, werden wir in jenem Augenblick alle bei Ihm bleiben«.



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