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PAPST FRANZISKUS

FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"
 

Fünf Minuten Weisheit

Donnerstag, 28. Februar 2019

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(aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 13, 29. März 2019)

Im Strudel eines Lebens, in dem der Mensch dazu neigt, »auf Macht, Gesundheit und Wohlstand« zu vertrauen, geht er »tollkühn« in dem Glauben voran, dass er tun könne, was er wolle, und verliert das Bewusstsein für die »Relativität des Lebens«. Dagegen müsse man die Weisheit besitzen, jeden Tag auch nur fünf Minuten innezuhalten, um in einer Gewissenserforschung die korrekte Hierarchie der Werte wiederherzustellen und wieder mehr »Herr seiner selbst« zu werden.

Die Betrachtung des Papstes am 28. Februar ging vom Tagesevangelium aus (Mk 9,41-50), in dem Jesus »eine Reihe von Ratschlägen« anbietet. Der letzte Ratschlag, so betonte Franziskus, »ist besonders schön: ›Habt Salz in euch und haltet Frieden untereinander!‹« Mit dem Ausdruck »Habt Salz«, erklärte der Papst, »will der Herr sagen: Habt Weisheit, euer Leben sei weise«. Eine notwendige Aufforderung, weil »die Weisheit nicht selbstverständlich ist«. Sie sei beispielsweise nicht dadurch gewährleistet, dass man »zur Universität gegangen ist«. Nein, »die Weisheit ist etwas Alltägliches«, das sich aus dem Nachdenken über das Leben ergebe sowie aus den »Konsequenzen, die man aus der Lebenserfahrung « ziehe. Dies sei ein Aspekt, auf den auch die erste Lesung eingehe (Sir 5,1-10). Der Abschnitt beginne mit dem Ausdruck: »Verlass dich nicht…« »Auf was?«, fragte sich der Papst: »Auf deine Macht, auf deine Gesundheit, auf deinen Reichtum, auf die Dinge, die du hast… Das ist sehr gut, aber verlass dich nicht darauf, denn diese Dinge allein werden dich nicht zum Erfolg führen.« Die Schrift sage: »Verlass dich nicht auf deinen Reichtum und sage nicht: mir genügt er.« Es ist, als lese man »einen Ratschlag eines Vaters an seinen Sohn, eines Großvaters an seinen Enkel«, es handle sich um »einen weisen Rat«, nämlich: »Halte jeden Tag ein wenig inne und denke darüber nach, wie du diesen Tag gelebt hast. Folge nicht deinem Instinkt, deiner Kraft, indem du den Leidenschaften und Begierden deines Herzens nachgibst.«

In der Tat, so der Papst in einer Vertiefung dieses Gedankens: »Wir alle haben Leidenschaften. Aber sei vorsichtig, beherrsche die Leidenschaften. Nimm sie in die Hand, die Leidenschaften sind keine schlechten Dinge, sie sind sozusagen das ›Blut‹, um viele gute Dinge voranzutreiben, aber wenn du nicht in der Lage bist, deine Leidenschaften zu beherrschen, werden sie dich beherrschen.« Daher also der eindringliche Appell: »Halt ein, halt ein!« Man dürfe sich nicht vom Hochmut überwältigen lassen: »Sage nicht: ›Wer wird mich beherrschen? Wer wird es schaffen, mich aufgrund dessen, was ich getan habe, zu unterwerfen?‹ « Denn: »Man weiß nie, was im Leben geschieht.« Der Papst wandte anschließend seine Aufmerksamkeit dem Gedanken der »Relativität des Lebens« zu und erinnerte an die Verse eines Psalms, der ihn »sehr beeindruckt« (37,35-36): »Ich sah einen Frevler, bereit zur Gewalttat; er reckte sich hoch wie eine grünende Zeder. Wieder ging ich vorüber und er war nicht mehr da.« Und Franziskus schlug vor: »Denken wir an unsere Großeltern. Vielleicht haben nur wenige von uns noch Großeltern. Sie lebten einmal das konkrete alltägliche Leben, und heute sind sie nicht mehr da.« Und genauso sei es in Bezug auf uns selbs. »Unsere Enkel werden sagen: ›Ah, unsere Großeltern‹, das heißt wir. Und wir werden nicht mehr da sein…« Franziskus fügte einen Rat für jeden Menschen hinzu: »Halt inne, denk nach. Du bleibst nicht ewig.« Das sei »die Weisheit des Lebens«.

Der Mensch dürfe sich nicht von der Versuchung überwältigen lassen, zu sagen: »Aber man kann von allem etwas tun. Denn ich habe gesündigt … und was ist mir passiert?« Man dürfe nicht »so tollkühn sein, so risikobereit, dass man glaubt«, dass man da schon wieder rauskommen werde: »Man darf sich nicht darauf verlassen, dass es gut gehe. ›Ah, ich habe es bisher geschafft, ich werde es schaffen…‹ Nein. Du bist da rausgekommen, ja, aber jetzt weißt du es nicht… Sag nicht: ›Gottes Mitleid ist groß, die Menge meiner Sünden wird er verzeihen.‹ Und so mache ich weiter, was ich will. Rede nicht so!«

Was tun? Der Rat stammt aus dem Buch Jesus Sirach, gleichsam der »letzte Ratschlag dieses Vaters, dieses ›Großvaters‹«: »›Zögere nicht, dich zum Herrn zu bekehren!‹ Warte nicht darauf, dich zu bekehren, dein Leben zu ändern, dein Leben zu vervollkommnen, das Unkraut auszureißen, das wir alle haben…« Ein Aufruf, der klar aus der Schrift an den Menschen ergehe: »Zögere nicht, dich zum Herrn zu bekehren, und verschieb es nicht Tag um Tag! Denn plötzlich wird der Zorn des Herrn hervorbrechen.« Dasselbe sagten die Worte: »Ich sah einen Frevler, bereit zur Gewalttat; er reckte sich hoch wie eine grünende Zeder. Wieder ging ich vorüber und er war nicht mehr da.« Oder: »Verlass dich nicht auf die ungerechten Reichtümer, sie werden dir am Tag des Unheils keinen Nutzen bringen.«

Es handle sich um »ein positives Wort, das uns sehr helfen wird: ›Zögere nicht, dich zum Herrn zu bekehren!‹ Verschieb’ nicht Tag für Tag die Veränderung in deinem Leben!« Denn »wenn du weißt, dass du diesen Fehler hast, dann halte eine Minute inne, bevor du zu Bett gehst. Erforsche dein Gewissen und leg dem Pferd die Zügel an, befehle du.« Jeder Mensch sei aufgerufen, sein Gewissen zu prüfen und zu sich zu sagen: »Ja, ich habe gefehlt, ich bin so oft gescheitert, war so oft erfolglos, aber morgen möchte ich, dass dies nicht geschieht.« Es sei notwendig, »sich der eigenen Niederlagen bewusst zu werden. Wir alle haben sie, und jeden Tag und viele. Doch erschrecke nicht, glaube einfach nicht, dass sie das Übliche sind, dass sie das Salz eines jeden Tages sind, nein.«

Der Papst fügte hinzu: »Wenn ich diese Leidenschaft zügle und ihrer Herr sein werde, werde ich für meine Handlungen verantwortlich sein.« Es genügten »fünf Minuten vor dem Schlafengehen «, um sich zu fragen: »Was ist heute passiert? Was ist in meiner Seele passiert?« und so zu »lernen, am nächsten Tag ›souveräner‹ über mich selbst zu sein«. Franziskus schloss seine Predigt mit einer Mahnung: »Wir wollen jeden Tag diese kleine Gewissenserforschung vornehmen, um uns zum Herrn zu bekehren. ›Aber morgen werde ich versuchen, dass diese bestimmte Sache nicht mehr geschieht.‹ Es wird vielleicht ein bisschen weniger geschehen, aber du hast es geschafft, die Leidenschaften zu beherrschen und nicht von ihnen, von den vielen Dingen beherrscht zu werden, die geschehen. Denn keiner von uns weiß sicher, wie sein Leben enden wird und wann dies sein wird.« Es handle sich nur um »fünf Minuten am Ende des Tages«, die »uns aber helfen werden. Sie werden uns eine große Hilfe sein, nachzudenken und die Veränderung des Herzens und die Bekehrung zum Herrn nicht aufzuschieben. Möge der Herr uns mit seiner Weisheit lehren, diesen Weg zu beschreiten.«

 

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