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PREDIGT VON PAPST FRANZISKUS 
ZUM LITURGISCHEN GEDENKTAG
 DES HL. IGNATIUS VON LOYOLA

Jesuitenkirche "
Il Gesù", Rom
Mittwoch, 31. Juli 2013

 

In dieser heiligen Messe, in der wir unseren Vater Ignatius von Loyola feiern, möchte ich im Licht der eben gehörten Lesungen drei einfache Gedanken vorlegen, geleitet von den folgenden drei Aussagen: Christus und die Kirche in den Mittelpunkt stellen; sich von Ihm ergreifen lassen, um zu dienen; die Scham über unsere Grenzen und Sünden spüren, um vor Ihm und den Brüdern demütig zu sein.

1. Das Wappen von uns Jesuiten ist ein Monogramm, das Akronym für »Iesus Hominum Salvator « (IHS). Jeder von euch könnte mir sagen: das wissen wir sehr gut! Aber dieses Wappen erinnert uns beständig an eine Realität, die wir niemals vergessen dürfen: die Zentralität Christi für jeden von uns und für die ganze Gesellschaft, die der hl. Ignatius eben deshalb »Gesellschaft Jesu« nennen wollte, um auf ihren Bezugspunkt hinzuweisen.

Im Übrigen stellt er uns auch am Beginn der Geistlichen Exerzitien vor unseren Herrn Jesus Christus, unseren Schöpfer und Erlöser (vgl. EB, 6). Und das führt uns und die ganze Gesellschaft Jesu dazu, »dezentriert« zu sein, den »immer größeren Christus«, den »Deus semper maior«, den »intimior intimo meo« vor Augen zu haben, der uns zu einer gewissen kenosis führt, dazu herauszugehen aus »Eigenliebe, Eigenwillen und Eigennutz« (EB, 189). Die Frage ist für uns, für uns alle nicht selbstverständlich: Ist Christus der Mittelpunkt meines Lebens? Stelle ich wirklich Christus in den Mittelpunkt meines Lebens? Denn es besteht immer die Versuchung zu denken, dass wir der Mittelpunkt sind. Und wenn ein Jesuit sich selbst in den Mittelpunkt stellt und nicht Christus, dann irrt er.

In der ersten Lesung schärft Mose dem Volk nachdrücklich ein, den Herrn zu lieben, auf seinen Wegen zu gehen, »denn er ist dein Leben« (vgl. Dtn 30,16.20). Christus ist unser Leben! Der Zentralität Christi entspricht auch die Zentralität der Kirche: es sind zwei Brennpunkte, die man nicht trennen kann: ich kann Christus nur in der Kirche und mit der Kirche folgen. Und auch in diesem Fall sind wir Jesuiten und die ganze Gesellschaft nicht der Mittelpunkt, wir sind sozusagen »verschoben«, wir stehen im Dienst Christi und der Kirche, der Braut Christi unseres Herrn, die unsere heilige Mutter, die hierarchische Kirche, ist (vgl. EB, 353). In der Kirche verwurzelte und auf sie gegründete Menschen sein: so will uns Jesus. Es gibt keine parallelen oder isolierten Wege. Ja, es gibt Wege der Suche, kreative Wege, ja, das ist wichtig: in die Randgebiete gehen, die vielen Randgebiete. Dafür ist Kreativität notwendig, aber immer in Gemeinschaft, in der Kirche, mit dieser Zugehörigkeit, die uns Mut gibt, um weiter zu gehen. Christus dienen und diese konkrete Kirche lieben, und ihr mit Großherzigkeit und im Geist des Gehorsams dienen.

2. Welches ist der Weg, um diese zweifache Zentralität zu leben? Blicken wir auf die Erfahrung des hl. Paulus, die auch die Erfahrung des hl. Ignatius ist. Der Apostel schreibt in der zweiten Lesung, die wir gehört haben: Ich strenge mich an, der Vollkommenheit Christi entgegenzulaufen, »weil auch ich von Christus ergriffen worden bin« (Phil 3,12). Für Paulus geschah es auf dem Weg nach Damaskus, bei Ignatius in seinem Haus in Loyola, aber das Grundlegende ist ihnen gemeinsam: sich von Christus erobern, ergreifen lassen.

Ich suche Jesus, ich diene Jesus, weil er mich zuerst gesucht hat, weil ich von Ihm ergriffen worden bin: und das ist die Mitte unserer Erfahrung. Aber Er ist der Erste, immer. Auf Spanisch gibt es ein Wort, das sehr grafisch ist, was das gut erklärt: »primerea«, »El nos primerea«. Er ist immer der Erste. Wenn wir ankommen, dann ist er bereits angekommen und wartet auf uns. Und hier möchte ich an die Meditation über das Königreich in der zweiten Woche erinnern. Christus, unser Herr, der ewige König, beruft jeden von uns und sagt: »Wer mit mir kommen will, hat sich anzustrengen mit mir, damit er, wie er mir in der Mühsal folgte, so auch mir in der Glorie folge« (EB, 95): Sich von Christus erobern lassen, um diesem König unsere ganze Person und all unsere Mühen anzubieten (vgl. EB, 96); dem Herrn sagen, alles zu seinem größeren Dienst und Ruhm tun zu wollen, ihn auch im Ertragen des Unrechts, der Schmach und der Armut nachzuahmen (vgl. EB, 98). Aber in diesem Augenblick denke ich an unseren Bruder in Syrien. Sich von Christus erobern lassen bedeutet, immer nach dem ausgestreckt zu sein, was vor mir liegt, nach dem Ziel, nach Christus (vgl. Phil 3,14) und sich in Wahrheit und Aufrichtigkeit zu fragen: Was habe ich für Christus getan? Was tue ich für Christus? Was soll ich für Christus tun? (vgl. EB, 53).

3. Ich komme zum letzten Punkt. Im Evangelium sagt uns Jesus: »Wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, der wird es retten… Wer sich meiner schämt…« (Lk 9,23). Und so weiter. Die Scham des Jesuiten. Jesus fordert dazu auf, sich niemals seiner zu schämen, sondern ihm immer mit vollkommener Hingabe nachzufolgen und dabei auf ihn zu vertrauen und sich ihm anzuvertrauen.

Aber wenn wir auf Jesus blicken, wie es uns der hl. Ignatius in der ersten Woche lehrt, vor allem auf den gekreuzigten Christus, dann spüren wir das sehr menschliche und sehr edle Gefühl der Scham, nicht auf der Höhe zu sein: Wir blicken auf die Weisheit Christi und auf unsere Ignoranz, auf seine Allmacht und unsere Schwäche, auf seine Gerechtigkeit und unsere Ungerechtigkeit, auf seine Güte und unsere Boshaftigkeit (vgl. EB, 59). Um die Gnade der Scham bitten, einer Scham, die dem beständigen Dialog der Barmherzigkeit mit ihm entspringt; einer Scham, die uns vor Jesus Christus erröten lässt; einer Scham, die uns in Einklang bringt mit dem Herzen Christi, der für mich zur Sünde geworden ist; einer Scham, die unser Herz unter Tränen zur Harmonie führt und die uns begleitet auf dem Weg der täglichen Nachfolge »meines Herrn«.

Und das führt uns immer, als Einzelne und als Gesellschaft, zur Demut, es führt uns dazu, diese große Tugend zu leben. Eine Demut, die uns jeden Tag bewusst macht, dass nicht wir es sind, die das Reich Gottes errichten, sondern dass es immer die Gnade des Herrn ist, die in uns wirkt; eine Demut, die uns dazu treibt, unser ganzes Selbst nicht in unseren eigenen Dienst oder den unserer Ideen zu stellen, sondern in den Dienst Christi und der Kirche, als tönerne, zerbrechliche, ungeeignete, unzureichende Gefäße, in denen wir aber einen unermesslichen Schatz tragen und weitergeben (2 Kor 4,7). Ich habe immer gerne an den Abend des Jesuiten gedacht, wenn ein Jesuit sein Leben beendet, wenn er vergeht.

Und mir kommen dabei immer zwei Bilder dieses Lebensabends des Jesuiten in den Sinn: ein klassisches, das des hl. Franz Xaver, der nach China blickt. Die Kunst hat diesen Lebensabend, dieses Ende Xavers sehr häufig dargestellt. Auch die Literatur in diesem schönen Stück von Pemán. Am Ende, ohne Alles, aber vor dem Herrn; das tut mir gut, daran zu denken. Der andere Abend, das andere Bild, das mir als Beispiel einfällt, ist Pater Arrupe bei seinem letzten Gespräch im Flüchtlingslager, als er uns gesagt hatte – etwas, das er selbst sagte –: »das sage ich euch, als wäre es mein Schwanengesang: betet«. Das Gebet, die Einheit mit Jesus. Und nachdem er das gesagt hatte, hat er das Flugzeug genommen und ist in Rom mit einem Schlaganfall angekommen, der der Beginn jenes langen und beispielhaften Abends war. Zwei Lebensabende, zwei Bilder, auf die zu blicken uns allen gut tut und auf die wir immer wieder zurückkommen sollten. Und um die Gnade bitten, dass unser Lebensabend wie der ihre sein möge.

Liebe Brüder, wenden wir uns an »Nuestra Señora«, an Sie, die Christus in ihrem Schoß getragen und die ersten Schritte der Kirche begleitet hat, damit sie uns helfen möge, Christus und seine Kirche immer in den Mittelpunkt unseres Lebens und unseres Dienstes zu stellen. Sie, die die erste und vollkommenste Jüngerin ihres Sohnes war, möge uns helfen, uns von Christus erobern zu lassen, um ihm nachzufolgen und ihm in jeder Situation zu dienen. Sie, die mit tiefster Demut auf die Verkündigung des Engels geantwortet hat: »Ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast« (Lk 1,38), lasse uns Scham empfinden über unsere Unzulänglichkeit gegenüber dem uns anvertrauten Schatz, damit wir die Demut vor Gott leben. Es begleite uns die väterliche Fürsprache des hl. Ignatius und aller heiligen Jesuiten, die uns weiterhin lehren, alles in Demut zu tun »ad maiorem Dei gloriam«.

 



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