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ZWEITE VESPER AM FEST DER BEKEHRUNG DES PAULUS

HOMILIE VON PAPST FRANZISKUS


Basilika St. Paul vor den Mauern
Donnerstag, 25. Januar 2018

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Die Lesung aus dem Buch Exodus spricht zu uns von den Geschwistern Moses und Mirjam, die an den Ufern des Roten Meeres in Gemeinschaft aller, die Gott aus Ägypten befreit hat, einen Lobgesang auf Gott anstimmen. Sie singen diesen Freudengesang, weil Gott sie an jenen Wassern einem Feind entrissen hatte, der sie vernichten wollte. Moses selbst war früher schon einmal aus dem Wasser gerettet worden und seine Schwester war dabei gewesen. In der Tat hatte der Pharao angeordnet: »Alle Knaben, die den Hebräern geboren werden, werft in den Nil!« (Ex 1,22). Als die Tochter des Pharao jedoch in den Binsen am Nil den Korb mit dem Kind fand, nannte sie es Moses, weil sie sich sagte: »Ich habe ihn aus dem Wasser gezogen« (Ex 2,10). Die Geschichte der Errettung des Moses aus dem Wasser ist so also eine Vorwegnahme jener größeren Rettung des ganzen Volkes, welches Gott durch die Wasser des Roten Meeres ziehen ließ und dessen Feinde er dort untergehen lies.

Viele Väter der frühen Kirche verstanden diesen befreienden Übergang als ein Bild für die Taufe. Unsere Sünden werden von Gott im lebendigen Wasser der Taufe ertränkt. Weitaus schlimmer als damals Ägypten drohte die Sünde uns auf immer zu Sklaven zu machen, aber die Kraft der Liebe Gottes hat sie überwältigt. Der heilige Augustinus (Sermo 223E) interpretiert das Rote Meer, wo Israel das Heil Gottes schaute, als Vorausbild des Blutes des gekreuzigten Christus, der Quelle des Heils. Wir Christen sind alle durch dieses Wasser der Taufe gegangen, und die Gnade des Sakramentes hat unsere Feinde besiegt, die Sünde und den Tod. Aus diesem Wasser kommend haben wir die Freiheit der Kinder Gottes erlangt; wir sind daraus aufgetaucht als Volk, als Gemeinschaft von erlösten Brüdern und Schwestern, als »Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes« (Eph 2,19). Wir teilen diese Grunderfahrung: die Gnade Gottes, seine Barmherzigkeit, die Macht hat, uns zu retten. Und eben weil Gott diesen Sieg in uns bewirkt hat, können wir gemeinsam sein Lob singen.

Im Leben erfahren wir dann die Zärtlichkeit Gottes, der uns im alltäglichen Leben liebevoll aus der Sünde, aus der Furcht und der Angst errettet. Diese wertvollen Erfahrungen sind im Herzen und im Gedächtnis zu bewahren. Aber, wie bei Mose, sind diese individuellen Erfahrungen eingebettet in einen größeren Kontext, den der Heilsgeschichte des Gottesvolkes. Das sehen wir bei dem von den Israeliten angestimmten Lobgesang. Er beginnt mit einer individuellen Geschichte: »Meine Stärke und mein Lied ist der Herr, er ist mir zur Rettung geworden« (Ex 15,2). Im Folgenden dann wird sie zur Heilsgeschichte des ganzen Volkes: »Du lenktest in deiner Güte das Volk, das du erlöst hast« (V. 13). Wer diesen Gesang angestimmt hat, wurde sich dessen bewusst, nicht allein zu sein am Ufer des Roten Meeres, sondern umgeben von Brüdern und Schwestern, die dieselbe Gnade empfangen hatten und denselben Lobpreis singen.

Auch der heilige Paulus, dessen Bekehrung wir heute feiern, machte die machtvolle Erfahrung der Gnade, die ihn dazu rief, vom Verfolger zum Apostel Christi zu werden. Die Gnade Gottes hat auch ihn dazu gedrängt, sogleich die Gemeinschaft mit anderen Christen zu suchen, zuerst in Damaskus und dann in Jerusalem (vgl. Apg 9,19.26-27). Das ist unsere Erfahrung als Glaubende. Je mehr wir im spirituellen Leben wachsen, desto besser verstehen wir, dass die Gnade uns gemeinsam zuteilwird und dass sie mit den anderen zu teilen ist. So entdecke ich, wenn ich Gott mein Loblied anstimme für all das Gute, das er mir getan hat, dass ich nicht alleine singe, sondern dass andere Brüder und Schwestern denselben Lobgesang auf ihren Lippen haben.

Die verschiedenen christlichen Konfessionen haben diese Erfahrung gemacht. Im letzten Jahrhundert haben wir endlich verstanden, dass wir uns gemeinsam an den Ufern des Roten Meeres befinden. In der Taufe wurden wir gerettet und der dankbare Lobgesang, den die anderen Brüder und Schwestern anstimmen, gehört auch uns, weil es auch unserer ist. Wenn wir sagen, dass wir die Taufe der Christen anderer Traditionen anerkennen, bekennen wir, dass auch sie vom Herrn Vergebung empfangen haben und dass seine Gnade in ihnen wirksam ist. Und wir akzeptieren ihren Gottesdienst als echten Ausdruck des Lobes für das, was Gott tut. Dann wünschen wir gemeinsam zu beten und unsere Stimmen noch mehr zu vereinen. Und auch wenn Unterschiede uns trennen, erkennen wir doch an, dass wir zum Volk der Erlösten gehören, zur Familie der Brüder und Schwestern, die geliebt sind vom einzigen Vater.

Nach der Befreiung machte sich das auserwählte Volk auf eine lange, schwierige Reise durch die Wüste, oft wankend, aber Kraft schöpfend aus der Erinnerung an das Heilswerk Gottes und seiner immerwährenden Gegenwart. Auch die Christen von heute begegnen auf ihrem Weg vielen Schwierigkeiten und sind umgeben von vielen geistlichen Wüsten, die die Hoffnung und die Freude austrocknen lassen. Auf diesem Weg gibt es auch große lebensbedrohliche Gefahren: wie viele Brüder und Schwestern erdulden für den Namen Jesu Verfolgungen! Wenn ihr Blut vergossen wird, auch wenn sie verschiedenen Konfessionen angehören, werden sie gemeinsam Zeugen des Glaubens, Märtyrer, geeint durch das Band der Taufgnade. Auch zusammen mit den Freunden anderer religiöser Traditionen begegnen die Christen heute Herausforderungen, die die Menschenwürde herabsetzen: sie flüchten aus Situationen des Konflikts und der Not; sie sind Opfer des Menschenhandels und anderer Formen moderner Sklaverei; sie erleiden Elend und Hunger, in einer Welt, die materiell immer reicher, aber immer ärmer an Liebe ist, wo die Ungleichheit immer weiterwächst. Aber wie die Israeliten beim Auszug aus Ägypten, so sind auch die Christen gerufen, gemeinsam die Erinnerung an die großen Taten Gottes zu bewahren. Indem wir diese Erinnerung beleben, können wir einander beistehen und allein mit den Waffen Jesu und der zarten Kraft des Evangeliums jeder Herausforderung mit Mut und Hoffnung entgegentreten.

Brüder und Schwestern, voll Freude darüber, dass wir heute miteinander durch unseren Erlöser Jesus Christus und im Geist, der Leben schafft, einen Lobgesang auf den Vater gesungen haben, möchte ich euch, euch alle herzlich grüßen: Seine Eminenz, den Metropoliten Gennadios, Repräsentant des Ökumenischen Patriarchates, Euer Gnaden Bernard Ntahoturi, den persönlichen Vertreter des Erzbischofs von Canterbury in Rom und an alle Repräsentanten und Mitglieder der verschiedenen christlichen Konfessionen, die hier zusammengekommen sind. Ich freue mich, die ökumenische Delegation Finnlands zu grüßen, die ich heute Morgen schon treffen durfte. Ich grüße auch die Studenten des Ecumenical Institute of Bossey, die in Rom sind, um ihre Kenntnisse über die Katholische Kirche zu vertiefen, und die orthodoxen und orientalisch orthodoxen Jugendlichen, die hier dank der Großzügigkeit des Komitees zur kulturellen Zusammenarbeit mit den Orthodoxen Kirchen studieren, das dem Päpstlichen Rat zur Förderung der Einheit der Christen angegliedert ist. Gemeinsam haben wir Gott gedankt für das, was er in unserem Leben und in unseren Gemeinschaften vollbracht hat. Bringen wir heute unsere Not und die der Welt vor ihn im Vertrauen darauf, dass er in seiner treuen Liebe sein Volk auf dem Pilgerweg auch weiterhin bewahrt und begleitet.


Gruß des Heiligen Vaters an den evangelisch-lutherischen Pastor:

Unser Bruder, der evangelisch-lutherische Pastor in Rom, verabschiedet sich nach 10 Jahren aus Rom, um in Hamburg eine neue Aufgabe zu übernehmen, und ich habe ihn gebeten zu kommen und uns allen seinen Segen zu geben.

[Segen]

 


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