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Vesper
Beginn des Missionsmonats

HOMILIE DES HEILIGEN VATERS

Petersbasilika
1. Oktober 2019

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Im Gleichnis, das wir gehört haben, stellt sich der Herr als ein Mann vor, der vor seiner Abreise die Diener ruft, um ihnen sein Vermögen anzuvertrauen (vgl. Mt 25,14). Gott hat uns seine größten Güter anvertraut: unser Leben, das der anderen, viele verschiedene Gaben für jeden. Und diese Güter, diese Talente sind nicht etwas, das wir im Tresor aufbewahren sollen; es geht um einen Ruf: Der Herr ruft uns, die Talente kühn und kreativ einzusetzen, damit sie Frucht bringen. Gott wird uns fragen, ob wir uns eingebracht haben, ja gewagt haben, sogar das Gesicht zu verlieren. Dieser außerordentliche Missionsmonat will uns einen Ruck geben und provozieren, im Guten tätig zu werden. Wir sollen nicht Notare des Glaubens und Hüter der Gnade sein, sondern Missionare.

Wir werden Missionare, wenn wir als Zeugen leben, wenn wir mit dem Leben bezeugen, Jesus zu kennen. Es ist das Leben, das spricht. Das Schlüsselwort ist Zeuge – ein Wort, das die gleiche Wurzel vom Sinn her wie Märtyrer hat. Und die Märtyrer sind die ersten Glaubenszeugen: nicht mit Worten, sondern mit ihrem Leben. Sie wissen, dass der Glaube nicht eine Art Propaganda oder Proselytismus ist; der Glaube ist ein Geschenk, das dem Leben angemessen ist. In ihrem Leben verbreiten die Märtyrer Frieden und Freude, lieben sie jeden aus Liebe zu Jesus, sogar ihre Feinde. Wie können dann wir, die wir bereits die Entdeckung gemacht haben, Kinder des himmlischen Vaters zu sein, die Freude verschweigen, dass wir geliebt sind, die Gewissheit, dass wir in Gottes Augen immer kostbar sind? Auf diese Botschaft warten so viele Menschen. Hier liegt unsere Verantwortung. Fragen wir uns in diesem Monat: Wie steht es um mein Zeugnis?

Am Ende des Gleichnisses sagt der Herr zu dem, der etwas unternommen hat, »tüchtiger und treuer Diener«; hingegen »schlechter und fauler Diener« zu dem, der sich defensiv verhalten hat (vgl. VV. 21.23.26). Warum ist Gott mit dem Diener, der Angst hatte, so streng? Was hat er Böses getan? Sein Fehler besteht darin, dass er das Gute nicht getan hat, er hat gesündigt durch Unterlassung. Der heilige Alberto Hurtado hat gesagt: „Es ist gut, das Schlechte nicht zu tun. Aber es ist schlecht, das Gute nicht zu tun“. Das ist die Unterlassungssünde. Und das kann die Sünde eines ganzen Lebens sein. Wir haben das Leben nämlich nicht erhalten, um es zu vergraben, sondern um es einzusetzen; nicht um es zurückzuhalten, sondern um es zu verschenken. Wer auf der Seite Jesu steht, weiß: Man hat, was man gibt; man besitzt, was man schenkt; und das Geheimnis, das Leben zu besitzen, liegt darin, es zu schenken. Wenn unser Leben in Unterlassungen besteht, verleugnen wir unsere Berufung: die Unterlassung ist das Gegenteil der Mission.

Wir sündigen durch Unterlassung, das heißt gegen die Mission, wenn wir, anstatt die Freude zu verbreiten, uns in einer tristen Neigung zum Selbstmitleid einschließen in der Meinung, dass uns niemand liebt und versteht. Wir sündigen gegen die Mission, wenn wir der Resignation nachgeben und sagen: „Ich schaffe das nicht, ich bin dazu nicht in der Lage.“ Aber wie? Gott hat dir doch Talente gegeben, und du hältst dich für so arm, dass du niemanden bereichern kannst? Wir sündigen gegen die Mission, wenn wir jammernd fortwährend sagen, dass alles – in der Welt wie in der Kirche – schlecht geht. Wir sündigen gegen die Mission, wenn wir Sklaven von Ängsten sind, die unbeweglich machen, und wenn wir uns von der Einstellung „Das wurde schon immer so gemacht“ lähmen lassen. Und wir sündigen gegen die Mission, wenn wir unser Leben als Last und nicht als Geschenk leben; wenn wir mit unseren Mühen im Mittelpunkt stehen und nicht die Brüder und Schwestern, die darauf warten, geliebt zu werden.

»Gott liebt einen fröhlichen Geber« (2 Kor 9,7). Er liebt eine Kirche im Aufbruch. Doch geben wir Acht: wenn sie nicht hinausgeht, ist sie nicht Kirche. Die Kirche gehört auf die Straße, die Kirche schreitet voran. Eine missionarische Kirche im Aufbruch ist eine Kirche, die nicht Zeit damit verliert, über das zu weinen, was nicht funktioniert, über die Gläubigen, die nicht mehr da sind, über frühere Werte, die es nicht mehr gibt. Sie ist eine Kirche, die nicht geschützte Oasen sucht, um es ruhig zu haben; sie möchte nur Salz der Erde und Sauerteig für die Welt sein. Diese Kirche weiß, das ist ihre Kraft, die Kraft Jesu: nicht die gesellschaftliche oder institutionelle Bedeutung, sondern die demütige und unentgeltliche Liebe.

Heute beginnen wir den Missionsmonat Oktober in Begleitung von drei „Dienern“, die viel Frucht gebracht haben. Die heilige Theresia vom Kinde Jesu, die das Gebet zum Brennstoff für die Missionstätigkeit in der Welt gemacht hat, zeigt uns den Weg. Der Oktober ist auch der Rosenkranzmonat: Wie viel beten wir für die Verbreitung des Evangeliums und dafür, dass wir uns von der Unterlassung zur Mission bekehren? Dann ist hier der heilige Franz Xaver, einer der großen Missionare der Geschichte. Auch er rüttelt uns auf: Kommen wir aus unseren vier Wänden heraus und sind wir fähig, unsere Bequemlichkeiten für das Evangelium aufzugeben? Und da gibt es noch die ehrwürdige Dienerin Gottes Pauline Jaricot, eine Arbeiterin, die mit ihrer täglichen Arbeit die Mission unterstützte: Mit den Spenden, die sie vom Lohn abzog, steht sie am Beginn der Päpstlichen Missionswerke. Und wir, geben wir jeden Tag eine Gabe, um die Kluft zwischen dem Evangelium und dem Leben zu überwinden? Bitte, wir dürfen nicht einen auf die Sakristei beschränkten Glauben leben.

Es begleiten uns eine Ordensfrau, ein Priester und eine Laiin. Sie sagen uns, dass niemand von der Mission der Kirche ausgeschlossen ist. Ja, in diesem Monat ruft der Herr auch dich. Er ruft dich, einen Familienvater oder eine Familienmutter; dich, einen jungen Menschen, der Großes träumt; dich, der in einer Fabrik, einem Geschäft, einer Bank, einem Restaurant arbeitet; dich, der arbeitslos ist; und dich, der in einem Krankenhausbett liegt … Der Herr bittet dich, dass du dich dort zur Gabe machst, wo du bist, so wie du bist, mit dem, der dir nahesteht; er bittet dich, nicht einfach so vor dich hinzuleben, sondern das Leben hinzugeben; dich nicht in Selbstmitleid zu ergehen, sondern dich von den Tränen dessen, der leidet, anrühren zu lassen. Nur Mut, der Herr erwartet sich viel von dir. Er erwartet sich auch, dass jemand den Mut hat aufzubrechen, dort hinzugehen, wo Hoffnung und Würde fehlen, dort, wo zu viele Menschen noch ohne die Freude des Evangeliums leben. „Muss ich allein gehen?“ Wenn wir im Sinn haben, Mission mit unternehmerischen Organisationen zu machen, mit Arbeitsplänen, geht das nicht. Der Hauptakteur der Mission ist der Heilige Geist. Er ist der Protagonist der Mission. Geh du mit dem Heiligen Geist. Geh, der Herr lässt dich nicht allein; wenn du Zeugnis gibst, wirst du entdecken, dass der Heilige Geist schon vor dir angekommen ist, um dir den Weg zu bereiten. Nur Mut, Brüder und Schwestern; nur Mut, Mutter Kirche: Entdecke deine Fruchtbarkeit in der Freude der Mission!

 



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