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ANSPRACHE VON PAPST FRANZISKUS
AN DIE REKTOREN UND ALUMNEN
DER PÄPSTLICHEN KOLLEGIEN UND KONVIKTE IN ROM

Aula Paolo VI
Montag, 12. Mai 2014

 

Der Heilige Vater eröffnete das Treffen mit den Worten:

Ich wünsche euch einen guten Tag und danke euch sehr für eure Anwesenheit. Mein Dank gilt Kardinal Stella für seine freundlichen Worte, und ich entschuldige mich für die Verspätung. Ja, denn die mexikanischen Bischöfe sind hier zum »Ad-limina«-Besuch… und wenn man mit Mexikanern zusammen ist, geht es einem sehr gut – so gut, dass die Zeit vergeht und man es gar nicht merkt!

Den 146 von euch, die aus Ländern des Nahen Ostens kommen, und auch den Ukrainern unter euch möchte ich sagen, dass ich euch in diesem leidvollen Augenblick sehr nahe bin: wirklich sehr nahe, auch im Gebet. In der Kirche wird viel gelitten; die Kirche leidet viel, und die leidende Kirche ist auch die Kirche, die in einigen Teilen der Welt verfolgt wird, und ich bin euch nahe. Danke. Und jetzt möchte ich, dass… Es gab Fragen, ich habe sie gesehen, aber wenn ihr sie ändern oder sie etwas spontaner formulieren möchtet, dann ist das kein Problem, ihr habt da alle Freiheit!

Frage: Guten Tag, Heiliger Vater. Ich heiße Daniel und komme aus den Vereinigten Staaten. Ich bin Diakon und wohne im Nordamerikanischen Kolleg. Wir sind nach Rom gekommen, um eine akademische Ausbildung zu erhalten und dieser Verpflichtung treu zu bleiben. Wie schafft man es, die ganzheitliche Priesterausbildung, sowohl auf persönlicher als auch auf gemeinschaftlicher Ebene, nicht zu vernachlässigen? Danke.

Heiliger Vater: Danke für die Frage. Das ist wahr: euer Hauptziel hier ist die akademische Ausbildung – einen Hochschulabschluss zu machen in diesem oder jenem Bereich… Es besteht jedoch die Gefahr des Akademismus. Ja, die Bischöfe senden euch hierher, damit ihr einen Hochschulabschluss habt, aber auch, um in die Diözese zurückzukehren. In der Diözese müsst ihr jedoch im Presbyterium tätig sein, als Priester, als Priester mit Hochschulabschluss. Und wer in diese Gefahr des Akademismus hineingerät, kehrt nicht als Seelsorger zurück, sondern als »Gelehrter«. Und das ist gefährlich. Es gibt vier Pfeiler in der Priesterausbildung: Das habe ich oft gesagt, vielleicht habt ihr es gehört. Vier Pfeiler: die geistliche Ausbildung, die akademische Ausbildung, die gemeinschaftliche Ausbildung und die apostolische Ausbildung. Natürlich wird hier in Rom – denn dafür seid ihr hierher gesandt worden – die intellektuelle Ausbildung betont; aber die drei anderen Pfeiler müssen gepflegt werden, und alle vier wirken zusammen. Ich würde einen Priester, der hierher nach Rom kommt und kein Gemeinschaftsleben hat, nicht verstehen; das geht nicht. Oder der das geistliche Leben nicht pflegt – die tägliche heilige Messe, das tägliche Gebet, die »Lectio divina«, das persönliche Gespräch mit dem Herrn – oder das apostolische Leben: am Wochenende etwas tun, andere Luft atmen, aber auch apostolische Luft, dort etwas tun…

Es stimmt, dass das Studium eine apostolische Dimension ist; aber es ist wichtig, auch die anderen Pfeiler zu pflegen! Der akademische Purismus tut nicht gut, er tut nicht gut. Und daher hat mir deine Frage gefallen, weil sie mir Gelegenheit gibt, euch diese Dinge zu sagen. Der Herr hat euch berufen, Priester zu sein, Presbyter zu sein: Das ist die Grundregel. Und ich möchte noch etwas anderes betonen: Wenn man nur den akademischen Teil sieht, dann besteht die Gefahr, in Ideologien abzurutschen, und das macht krank. Es macht auch das Verständnis von Kirche krank. Um die Kirche zu verstehen, muss man sie vom Studium, aber auch vom Gebet, vom Gemeinschaftsleben und vom apostolischen Leben her verstehen. Wenn wir in eine Ideologie abrutschen und auf diesem Weg weitergehen, dann haben wir keine christliche Hermeneutik, sondern eine ideologische Hermeneutik der Kirche. Und das tut nicht gut, das ist eine Krankheit. Die Hermeneutik der Kirche muss die Hermeneutik sein, die die Kirche selbst uns anbietet, die die Kirche selbst uns schenkt. Die Kirche verstehen mit den Augen eines Christen; die Kirche verstehen mit dem Verstand eines Christen; die Kirche mit christlichem Herzen verstehen; die Kirche vom christlichen Handeln her verstehen. Sonst versteht man die Kirche nicht, oder man versteht sie schlecht. Es ist also schon wichtig, die akademische Tätigkeit zu betonen, weil ihr dafür gesandt worden seid; aber die anderen Pfeiler dürfen nicht vernachlässigt werden: das geistliche Leben, das gemeinschaftliche Leben und das apostolische Leben. Ich weiß nicht, ob das deine Frage beantwortet… Danke.

Frage: Guten Tag, Heiliger Vater. Ich bin Tommaso aus China. Ich bin Seminarist im »Collegio Urbano«. Manchmal ist es nicht leicht, in Gemeinschaft zu leben: Was raten Sie uns, auch von Ihrer Erfahrung her, um unsere Gemeinschaft zu einem Ort des menschlichen und geistlichen Wachstums und der Übung priesterlicher Nächstenliebe zu machen?

Heiliger Vater: Ein alter Bischof aus Lateinamerika hat einmal gesagt: »Das schlechteste Seminar ist viel besser als gar kein Seminar.« Wenn jemand sich allein, ohne Gemeinschaft, auf das Priesteramt vorbereitet, das tut nicht gut. Das Leben im Seminar, das Gemeinschaftsleben also, ist sehr wichtig. Es ist sehr wichtig, weil es den Austausch unter den Brüdern gibt, die auf das Priesteramt zugehen. Aber es gibt auch Probleme, es gibt Kämpfe: Machtkämpfe, Kämpfe um Ideen, auch heimliche Kämpfe. Und es kommen die Todsünden: der Neid, die Eifersucht… Und es kommen auch gute Dinge: Freundschaften, Meinungsaustausch, und das ist wichtig am Gemeinschaftsleben. Das Gemeinschaftsleben ist nicht das Paradies, es ist mindestens das Fegefeuer – nein, das ist es nicht … [die Alumnen lachen], aber es ist nicht das Paradies!

Ein heiliger Jesuit hat einmal gesagt, die größte Buße für ihn sei das Gemeinschaftsleben. Das stimmt, nicht wahr? Darum glaube ich, dass wir im Gemeinschaftsleben vorankommen müssen. Aber wie? Vier oder fünf Dinge können uns dabei sehr helfen. Nicht schlecht reden über die anderen, niemals! Wenn ich etwas gegen den anderen habe, oder wenn ich nicht mit ihm einverstanden bin, muss ich es ihm ins Gesicht sagen! Wir Kleriker sind versucht, anderen die Dinge nicht ins Gesicht zu sagen, zu diplomatisch zu sein, diese klerikale Sprache… Aber das tut uns nicht gut, es tut uns nicht gut! Ich erinnere mich an eine Sache vor 22 Jahren: Ich war gerade zum Bischof ernannt worden und hatte als Sekretär in jenem Vikariat – Buenos Aires ist in vier Vikariate unterteilt –, in jenem Vikariat hatte ich als Sekretär einen jungen Priester, der gerade erst geweiht worden war. Und in den ersten Monaten habe ich etwas getan: Ich habe eine etwas diplomatische – eine zu diplomatische – Entscheidung getroffen, mit den Folgen, die aus Entscheidungen kommen, die nicht im Herrn getroffen werden, nicht wahr? Und am Ende habe ich zu ihm gesagt: »Sieh nur, was für ein Problem.

Ich weiß nicht, wie ich es lösen soll…« Und er hat mir ins Gesicht geschaut – ein junger Mann! – und zu mir gesagt: »Weil Sie einen Fehler gemacht haben. Sie haben keine väterliche Entscheidung getroffen«. Und er hat mir drei, vier sehr harte Dinge gesagt! Sehr respektvoll, aber er hat sie mir gesagt. Und als er dann gegangen ist, habe ich gedacht: »Ich werde ihn nie aus seinem Posten als Sekretär entlassen: Er ist ein wahrer Bruder.« Andere dagegen sagen dir schöne Dinge ins Gesicht, und dann hintenrum nicht so schöne Dinge… Das ist wichtig… Der Klatsch ist die Pest für eine Gemeinschaft; man muss die Dinge immer direkt ins Gesicht sagen. Und wenn du nicht den Mut hast, jemandem die Dinge direkt ins Gesicht zu sagen, dann sprich mit dem Oberen oder dem Rektor, und er wird dir helfen. Aber gehe nicht bei den Gefährten ins Zimmer, um schlecht über andere zu reden. Man sagt, klatschen sei Frauensache, aber sie ist auch Männersache, auch unsere Sache! Wir klatschen recht viel! Und das zerstört die Gemeinschaft. Es ist etwas anderes zuzuhören, verschiedene Meinungen anzuhören und über verschiedene Meinungen zu diskutieren – aber im Guten, auf der Suche nach Wahrheit, auf der Suche nach Einheit: Das hilft der Gemeinschaft.

Einmal bin ich zu meinem Spiritual gegangen – ich war Student der Philosophie; er war ein Philosoph, ein Metaphysiker, aber er war ein guter Spiritual –, und es kam das Problem heraus, dass ich auf jemanden wütend war: »Auf den da, aus dem und dem und dem Grund…« Ich habe dem Spiritual alles gesagt, was ich auf dem Herzen hatte. Und er hat mir nur eine einzige Frage gestellt: »Sag mir, hast du für ihn gebetet?« Sonst nichts. Und ich habe gesagt: »Nein.« Und er hat geschwiegen. »Wir sind fertig«, hat er zu mir gesagt. Beten, für alle Mitglieder der Gemeinschaft beten, aber vor allem für jene beten, mit denen ich Probleme habe oder die ich nicht mag, denn eine Person nicht zu mögen ist manchmal etwas Natürliches, etwas Instinktives. Beten, und der Herr wird das Übrige tun, aber immer beten. Das gemeinschaftliche Gebet. Diese beiden Dinge – ich möchte nicht viel sagen –, aber wenn ihr diese beiden Dinge tut, dann – das versichere ich euch – macht die Gemeinschaft Fortschritte, kann man gut leben, kann man gut miteinander sprechen, kann man gut diskutieren, kann man gut miteinander beten. Zwei kleine Dinge: nicht über andere klatschen und für jene beten, mit denen ich Probleme habe. Ich könnte noch mehr sagen, aber ich glaube, das ist genug.

Seminarist: Guten Tag, Heiliger Vater.

Heiliger Vater: Guten Tag.

Frage: Ich heiße Charbel, bin ein Seminarist aus dem Libanon und werde im »Collegio Sedes Sapientiae« ausgebildet. Bevor ich die Frage stelle, möchte ich Ihnen danken für Ihre Nähe zu unserem Volk im Libanon und im gesamten Nahen Osten. Meine Frage ist folgende: Letztes Jahr haben Sie Ihr Land und Ihre Heimat verlassen. Was raten Sie uns, um mit unserer Ankunft und unserem Aufenthalt in Rom besser umzugehen?

Heiliger Vater: Das ist doch etwas anderes… eure Ankunft in Rom und meine Versetzung von einer Diözese zur anderen: Das ist etwas anders, aber nun gut… Ich erinnere mich, als ich das erste Mal [meine Heimat] verlassen habe, um zum Studium hierherzukommen… Zuerst ist es etwas Neues, die Dinge sind neu, und wir müssen Geduld haben mit uns selbst. In der ersten Zeit ist es wie eine Verlobungszeit: Alles ist schön – das Neue, die Dinge…; da gibt es nichts zu tadeln, es ist so! Das passiert allen, für alle ist es so. Und dann, um zu einem der Pfeiler zurückzukehren, sich vor allem sofort in das Leben der Gemeinschaft und in das Studienleben einfügen. Dafür bin ich gekommen, um das zu tun. Und dann ist es wichtig, sich eine Tätigkeit für das Wochenende zu suchen, eine apostolische Tätigkeit. Sich nicht verschließen und sich nicht in vielen Dingen verlieren. Aber die erste Zeit ist die Zeit der Neuheit: »Ich möchte dies und das tun, in jenes Museum gehen, oder in jenen Film oder dieses und jenes…« Nur voran, macht euch keine Sorgen, es ist normal, dass das geschieht. Aber man muss dabei ernsthaft sein. Wozu bin ich gekommen? Um zu studieren. Ernsthaft studieren! Und die vielen Gelegenheiten nutzen, die uns dieser Aufenthalt schenkt. Die Neuheit der Universalität: Menschen aus vielen verschiedenen Teilen der Welt kennenlernen, aus vielen verschieden Ländern, aus vielen verschiedenen Kulturen. Die Gelegenheit zum Dialog untereinander: »Wie ist denn das in deiner Heimat? Und wie ist jenes? Bei uns ist es so…«; dieser Austausch tut sehr gut, sehr gut. Ich meine, ich sollte nicht mehr sagen. Aber über die Freude an der Neuheit nicht erschrecken: Es ist die Freude der ersten Zeit der Verlobung, bevor die Probleme beginnen. Und vorwärts. Und außerdem ernsthaft sein.

Frage: Guten Tag, Heiliger Vater. Ich bin Daniele Ortiz, und ich bin Mexikaner. Hier in Rom wohne ich im »Collegio Maria Mater Ecclesiae«. Eure Heiligkeit, in der Treue zu unserer Berufung brauchen wir ständige Entscheidungsfindung, Wachsamkeit und persönliche Disziplin. Wie haben Sie das gemacht, als Seminarist, als Priester, als Bischof und jetzt als Papst? Und was raten Sie uns diesbezüglich? Danke.

Heiliger Vater: Danke. Du hast das Wort »Wachsamkeit« genannt. Das ist eine christliche Haltung: die Wachsamkeit. Die Wachsamkeit über sich selbst: Was geschieht in meinem Herzen? Denn wo mein Herz ist, dort ist mein Schatz. Was geschieht dort? Die östlichen Kirchenväter sagen, dass man gut erkennen muss, ob mein Herz im Aufruhr ist oder ob mein Herz ruhig ist. Erste Frage: Wachsamkeit über dein Herz: Ist es im Aufruhr? Wenn es im Aufruhr ist, kann man nicht sehen, was darin ist. Wie das Meer, nicht wahr? Man sieht die Fische nicht, wenn das Meer so aufgewühlt ist… Der erste Rat, wenn das Herz im Aufruhr ist, ist der Rat der russischen Väter: Sich unter den Schutzmantel der heiligen Mutter Gottes zu begeben. Erinnert euch, dass genau dies die erste lateinische Antiphon ist: in Zeiten der Aufruhr Zuflucht suchen unter dem Schutzmantel der allerseligsten Mutter Gottes. Es ist die Antiphon »Sub tuum praesidium confugimus, Sancta Dei Genitrix«: Es ist die erste lateinische Antiphon der Gottesmutter. Das ist interessant, nicht wahr? Wachen. Herrscht Aufruhr?

Zuallererst dorthin gehen und warten, dass ein wenig Ruhe einkehrt: mit dem Gebet, mit Vertrauen auf die Gottesmutter… Jemand von euch könnte mir sagen: »Aber Vater, in dieser Zeit mit so vielen guten modernen Dingen – mit Psychiatrie, Psychologie – wäre es in diesen Augenblicken der Aufruhr nicht besser, zum Psychiater zu gehen, damit er mir hilft…«. Ich schließe das nicht aus, aber zunächst sollte man vor allem zur Gottesmutter gehen: Denn ein Priester, der die Gottesmutter vergißt, und vor allem in Augenblicken der Aufruhr, dem fehlt etwas. Er ist ein verwaister Priester: Er vergißt seine Mutter! In schwierigen Augenblicken geht das Kind immer zur Mutter. Und wir sind Kinder im geistlichen Leben, das darf man niemals vergessen! Wachsam sein, wie es meinem Herzen geht. Zeit der Aufruhr, hingehen und Zuflucht suchen unter dem Schutzmantel der seligen Mutter Gottes. Das sagen die russischen Mönche, und es ist wirklich so. Was tue ich dann? Ich versuche zu verstehen, was geschieht, aber immer im Frieden. Im Frieden verstehen. Dann kehrt wieder Frieden ein, und ich kann die »discussio con - scientiae« vornehmen. Wenn ich im Frieden bin, kein Aufruhr vorhanden ist: »Was ist heute in meinem Herzen geschehen?« Das bedeutet zu wachen. Wachen bedeutet nicht, in die Folterkammer zu gehen, nein. Es bedeutet, das Herz anzuschauen. Wir müssen Herr über unser Herz sein. Was fühlt mein Herz, was sucht es? Was hat mich heute glücklich gemacht, und was hat mich nicht glücklich gemacht? Man soll den Tag nicht beenden, ohne das zu tun.

Eine Frage, die ich als Bischof den Priestern gestellt habe, lautet: »Sag mir, wie gehst du zu Bett?« Und sie verstanden nicht. »Was heißt das?« »Ja, wie beendest du den Tag?« »Ich bin erschöpft, Vater, weil es viel Arbeit gibt, die Pfarrei, viel Arbeit… Dann esse ich etwas zu Abend, nehme eine Kleinigkeit zu mir und gehe zu Bett, schaue Fernsehen und entspanne mich etwas…« »Und gehst du vorher nicht beim Tabernakel vorbei?« Es gibt Dinge, die uns erkennen lassen, wo unser Herz ist. Niemals, niemals – das ist Wachsamkeit – nie dürfen wir den Tag beenden, ohne dorthin zu gehen, zum Herrn. Wir müssen schauen und fragen: »Was ist in meinem Herzen geschehen?« In traurigen Augenblicken, in glücklichen Augenblicken: Wie war jene Traurigkeit? Wie war jene Freude? Das ist Wachsamkeit. Auch über Depressionen und über Begeisterung wachen. »Heute bin ich niedergeschlagen, ich weiß nicht, was geschieht.« Wachen: Warum bin ich niedergeschlagen? Vielleicht musst du zu jemandem gehen, der dir helfen kann?… Das ist Wachsamkeit. »Ich freue mich so!« Aber warum freue ich mich heute? Was ist in meinem Herzen geschehen?

Das ist keine unfruchtbare Selbstbetrachtung, nein, nein! Es heißt, den Zustand meines Herzens zu erkennen, mein Leben, wie ich auf dem Weg des Herrn gehe. Denn ohne Wachsamkeit geht das Herz überall hin; und die Phantasie folgt nach: »Geh, geh…«. Und das nimmt möglicherweise kein gutes Ende. Mir gefällt die Frage nach der Wachsamkeit. Das ist nichts Veraltetes, nichts Überholtes. Es ist etwas Menschliches, und wie alles Menschliche ist es ewig. Wir tragen es stets mit uns. Das Wachen über das Herz war die Weisheit der ersten christlichen Mönche, sie haben gelehrt, über das Herz zu wachen.

Darf ich einen Einschub machen? Warum habe ich über die Gottesmutter gesprochen? Ich rate euch das, was ich vorhin gesagt habe: Zuflucht suchen… Eine gute Beziehung zur Gottesmutter; die Beziehung zur Gottesmutter hilft uns, eine gute Beziehung zur Kirche zu haben: Beide sind Mütter… Ihr kennt den schönen Text des heiligen Abtes Isaak von Stella: Was man über Maria sagen kann, kann man über die Kirche sagen und auch über unsere Seele. Alle drei sind weiblich, alle drei sind Mütter, alle drei bringen Leben hervor. Die Beziehung zur Gottesmutter ist eine Sohnesbeziehung… Wacht darüber: Wenn man keine gute Beziehung zur Gottesmutter hat, ist im Herzen etwas verwaist. Ich muss daran denken, dass ich vor 30 Jahren einmal in Nordeuropa war. Ich musste dorthin gehen für das Ausbildungsprogramm der Universität von Córdoba, deren Vizekanzler ich damals war. Und eine Familie praktizierender Katholiken lud mich ein; es war ein etwas zu sehr säkularisiertes Land. Wir saßen beim Abendessen, sie hatten viele Kinder, waren praktizierende Katholiken, alle beide Universitätsprofessoren, alle beide auch Katecheten. Als wir an einem bestimmten Punkt über Jesus Christus sprachen – sie waren begeistert von Jesus Christus! Ich spreche von der Zeit vor 30 Jahren –, sagten sie: »Ja, gottlob haben wir die Phase der Gottesmutter überwunden…« »Und wie das?«, habe ich gefragt. »Ja, weil wir Jesus Christus entdeckt haben und sie nicht mehr brauchen.« Ich war etwas betrübt, habe es nicht gut verstanden. Und wir haben uns darüber unterhalten. Das ist keine Reife! Es ist keine Reife. Die Mutter zu vergessen ist etwas Schlimmes… Mit anderen Worten: Wenn du die Gottesmutter nicht als Mutter haben willst, dann wirst du sie sicher als Schwiegermutter haben! Und das ist nicht gut! Danke.

Frage: Es lebe Jesus, es lebe Maria! Danke, Heiliger Vater, für Ihre Worte über die Gottesmutter. Ich heiße Ignacio und komme aus Manila, von den Philippinen. Ich promoviere in Mariologie an der Päpstlichen Theologischen Hochschule »Marianum« und wohne im Päpstlichen Philippinischen Kolleg. Heiliger Vater, meine Frage lautet: Die Kirche braucht Hirten, die in der Lage sind zu leiten, zu führen, zu kommunizieren, wie die Welt von heute es braucht. Wie lernt man den Leitungsdienst im priesterlichen Leben und führt ihn aus, in der Nachfolge Christi, der sich erniedrigt hat und das Kreuz angenommen hat, den Tod am Kreuz? Der wie ein Sklave wurde bis zum Tod am Kreuz? Danke.

Heiliger Vater: Dein Bischof ist ja ein großer Kommunikator!

Seminarist: Es ist Kardinal Tagle…

Heiliger Vater: Der Leitungsdienst… er steht im Mittelpunkt der Frage… Es gibt nur einen Weg. Ich werde gleich über die Hirten sprechen, aber für den Leitungsdienst gibt es nur einen Weg: das Dienen. Es gibt keinen anderen. Wenn du viele gute Eigenschaften hast – kommunizieren und so weiter –, aber kein Diener bist, dann wird dein Leitungsdienst scheitern, ist nutzlos, unfähig, Menschen zusammenzubringen. Nur das Dienen: zu Diensten zu sein… Ich erinnere mich an einen sehr guten geistlichen Begleiter. Die Menschen gingen zu ihm, so dass er manchmal nicht das ganze Brevier beten konnte. Und nachts ging er zum Herrn und sagte: »Herr, schau, ich habe deinen Willen nicht getan, aber auch nicht meinen! Ich habe den Willen der anderen getan!« So waren beide – der Herr und er – getröstet. Dienen bedeutet oft, den Willen der anderen zu tun. Ein Priester, der in einem sehr armen Stadtteil tätig war – einem sehr armen! – in einem Elendsviertel, einer Favela, sagte einmal: »Ich müsste eigentlich die Fenster, die Türen, alles verschließen, denn immer werde ich um viel, sehr viel gebeten: diese geistliche Sache, jene materielle Sache, so dass ich am Ende am liebsten alles verschließen möchte. Aber das kommt nicht vom Herrn«, sagte er.

Das ist wahr: Ohne zu dienen kannst du kein Volk leiten. Der Hirtendienst. Der Hirte muss seinem Volk immer zur Verfügung stehen. Der Hirte muss dem Volk helfen zu wachsen, voranzugehen. Bei der gestrigen Lesung hat es mein Interesse erweckt, dass im Evangelium das Verb »hinausgetrieben « vorkam: Der Hirte treibt die Schafe hinaus, damit sie einen Weideplatz finden. Das fand ich interessant: Er treibt sie hinaus, er treibt sie mit Nachdruck hinaus! Das Original hat in etwa diesen Ton: Er treibt sie hinaus, aber mit  Nachdruck. Es ist wie »hinausjagen«: »Los, los!« Der Hirte, der sein Volk wachsen lässt und der stets mit seinem Volk geht. Manchmal muss der Hirte vorangehen, um den Weg zu weisen; manchmal in der Mitte, um zu erfahren, was geschieht; oft hinten, um den Letzten zu helfen und auch, um dem Spürsinn der Schafe zu folgen, die wissen, wo das gute Weideland ist. Der Hirte… Der heilige Augustinus sagt in Anlehnung an Ezechiel, dass er den Schafen dienen muss, und hebt zwei Gefahren hervor: der Hirte, der die Schafe ausbeutet, um zu essen, um Geld zu verdienen, aus wirtschaftlichem, materiellem Interesse, und der Hirte, der die Schafe ausbeutet, um sich gut zu kleiden. Das Fleisch und die Wolle. Das sagt der heilige Augustinus. Lest die schöne Predigt De pastoribus. Man muss sie immer wieder lesen. Ja, das sind die beiden Sünden der Hirten: das Geld, dass sie reich werden und die Dinge für Geld tun – geschäftstüchtige Hirten –, und die Eitelkeit. Das sind die Hirten, die meinen, ihrem Volk überlegen zu sein, ihm fernzustehen… denken wir an die »Kirchenfürsten«: Hirten, die Geschäftsmänner sind, und Hirten, die Fürsten sind. Diese beiden Versuchungen erwähnt der heilige Augustinus in Anlehnung an den Propheten Ezechiel in seiner Predigt.

Es ist wahr, ein Hirte, der sich selbst sucht – sei es auf dem Weg des Geldes, sei es auf dem Weg der Eitelkeit – ist kein Diener, führt keinen wahren Leitungsdienst aus. Die Demut muss die Waffe des Hirten sein: demütig, immer im Dienst. Er muss nach dem Dienen streben. Und es ist nicht einfach, demütig zu sein, nein, es ist nicht einfach! Die Wüstenväter sagen, dass die Eitelkeit gleichsam wie eine Zwiebel ist: Du nimmst eine Zwiebel zur Hand und beginnst, sie zu abzuschälen. Du bist eitel und beginnst, die Eitelkeit abzuschälen. Weiter, weiter, noch eine Schicht, und noch eine und noch eine und noch eine… Am Ende bleibt … nichts. »Gott sei Dank, ich habe die ganze Zwiebel abgeschält, ich habe die ganze Eitelkeit abgeschält.« Wenn du das tust, bleibt der Geruch der Zwiebel an dir haften! Das sagen die Wüstenväter. So ist es mit der Eitelkeit. Einmal habe ich einen Jesuiten gehört – er war gut, ein guter Mensch –, aber er war sehr eitel, sehr eitel… Und wir alle sagten zu ihm: »Du bist eitel!« Aber er war so gut, dass wir ihm alle verziehen. Und er ging, um geistliche Exerzitien zu machen, und als er zurückkehrte, sagte er zu uns in der Gemeinschaft: »Was für schöne Exerzitien! Acht Tage lang war ich im Paradies, und ich habe gemerkt, dass ich sehr eitel war! Aber Gott sei Dank habe ich alle Leidenschaften besiegt!« So ist die Eitelkeit! Es ist sehr schwierig, einem Priester die Eitelkeit zu nehmen. Aber das Gottesvolk vergibt dir viele Dinge: Es vergibt dir, wenn du im affektiven Leben einen Ausrutscher hattest, es vergibt ihn dir. Es vergibt dir, wenn du einen Ausrutscher mit etwas Wein hattest, es vergibt ihn dir.

Aber es vergibt dir nicht, wenn du ein Hirte bist, der am Geld klebt, wenn du ein eitler Hirte bist, der die Menschen nicht gut behandelt. Geld, Eitelkeit und Stolz. Die drei Stufen, die uns zu allen Sünden führen. Das Gottesvolk versteht alle unsere Schwächen und vergibt sie; aber diese beiden vergibt es nicht! Es vergibt einem Hirten nicht, der am Geld klebt. Und es vergibt ihm nicht, von ihm nicht gut behandelt zu werden. Das ist interessant, nicht wahr? Wir müssen uns darum bemühen, diese beiden Fehler nicht zu haben. Der Leitungsdienst muss zum Dienen werden, aber mit persönlicher Liebe zu den Menschen. Von einem Pfarrer habe ich einmal Folgendes gehört: »Dieser Mann kannte die Namen aller Menschen in seinem Stadtteil, sogar die Namen der Hunde.« Das ist schön, er war den Menschen nahe, er kannte die Geschichte jeder Familie, er wusste alles. Und er half. Er war ihnen so nahe… Nähe, Dienen, Demut, Armut und Opfer. Ich erinnere mich an die alten Pfarrer von Buenos Aires, als es noch keine Handys gab und keinen Anrufbeantworter: Sie schliefen mit dem Telefon neben dem Bett. Niemand starb ohne die Sakramente. Sie wurden zu jeder Tages- und Nachtzeit angerufen. Sie standen auf und gingen hin. Dienen, dienen. Und als Bischof habe ich darunter gelitten, wenn ich in einer Pfarrei anrief und mir der Anrufbeantworter antwortete… Das ist kein Leitungsdienst! Wie kannst du ein Volk leiten, wenn du es nicht hörst, wenn du ihm nicht dienst? Das fällt mir dazu ein, etwas ungeordnet, aber um deine Frage zu beantworten…

Seminarist: Guten Tag, Heiliger Vater.

Heiliger Vater: Guten Tag.

Frage: Ich heiße Sèrge und komme aus Kamerun. Meine Ausbildung findet im »Collegio San Paolo Apostolo« statt. Hier ist meine Frage: Wenn wir in unsere Diözesen und Gemeinschaften zurückkehren, werden wir dazu eingesetzt, neue Verantwortungen im priesterlichen Dienst und neue Aufgaben in der Ausbildung zu übernehmen. Wie können wir alle die Dimensionen des priesterlichen Lebens – das Gebet, die pastoralen Verpflichtungen, die Aufgaben in der Ausbildung – ausgewogen miteinander verbinden, ohne eine von ihnen zu vernachlässigen? Danke.

Heiliger Vater: Auf eine Frage habe ich nicht geantwortet: Vielleicht ist sie entgangen – Unbewusstsein trügt! –, und ich möchte sie mit dieser verbinden. Ich wurde gefragt: »Wie machen sie das als Papst?« Auch deine Frage… Ich werde auf deine Frage antworten, indem ich ganz einfach erzähle, was ich tue, um nichts zu vernachlässigen. Das Gebet. Morgens versuche ich, die Laudes zu beten und auch etwas mit dem Herrn zu sprechen, die »Lectio divina«. Wenn ich aufstehe. Erst lese ich die »chiffrierten Nachrichten«, und dann tue ich das. Und dann feiere ich die Messe. Danach beginnt die Arbeit: Die Arbeit ist von Tag zu Tag unterschiedlich… ich versuche, sie geordnet zu erledigen. Um zwölf Uhr esse ich zu Mittag, dann ein wenig Mittagsruhe; nach der Mittagsruhe, um drei – verzeiht mir – bete ich die Vesper, um drei… Wenn sie dann nicht gebetet wird, wird sie gar nicht mehr gebetet! Ja, und auch die Lesung, die Lesehore des folgenden Tages.

Dann die Nachmittagsarbeit, die Dinge, die zu erledigen sind… Dann verweile ich etwas in der Anbetung und bete den Rosenkranz; Abendessen, und dann ist Schluss. Das ist der Tagesablauf. Aber manchmal schafft man nicht alles, weil ich mich von Ansprüchen leiten lasse, die nicht klug sind: zuviel Arbeit, oder zu meinen, dass das, was ich heute nicht tue, auch morgen nicht getan wird… die Anbetung fällt weg, die Mittagsruhe fällt weg, dieses und jenes fällt weg… Und auch hier, die Wachsamkeit: Wenn ihr in die Diözese zurückkehrt, wird euch dasselbe passieren wie mir. Das ist normal. Die Arbeit, das Gebet, etwas Zeit, um auszuruhen, aus dem Haus gehen, etwas spazieren gehen, all das ist wichtig… aber ihr müsst es mit Wachsamkeit und auch mit Ratschlägen regeln… Ideal ist es, den Tag müde zu beenden: Das ist ideal. Keine Tabletten nehmen zu müssen: am Ende müde zu sein. Aber mit einer gesunden Müdigkeit, nicht mit einer Müdigkeit, die nicht klug ist, denn das schadet der Gesundheit, und es kommt auf lange Sicht teuer zu stehen. Ich schaue Sandro an. Der lacht und sagt: »Sie tun das aber nicht!« Das stimmt. Das ist das Ideal, aber ich tue es nicht immer, denn auch ich bin ein Sünder, und ich bin nicht immer so ordentlich. Aber das solltest du tun…

Frage: Guten Tag, Heiliger Vater, ich bin Fernando Rodriguez, ein Neupriester aus Mexiko. Ich bin vor einem Monat geweiht worden und wohne im Mexikanischen Kolleg. Heiliger Vater, Sie haben uns in Erinnerung gerufen, dass die Kirche eine neue Evangelisierung braucht. Im Apostolischen Schreiben Evangelii gaudium haben sie sogar von der Predigtvorbereitung, von der Homilie und der Verkündigung als Form des leidenschaftlichen Dialogs zwischen dem Hirten und seinem Volk gesprochen. Könnten Sie auf dieses Thema der neuen Evangelisierung zurückkommen? Und, Eure Heiligkeit, wir fragen uns auch, wie ein Priester für die neue Evangelisierung sein sollte. Welche Eigenschaften sollte er besitzen? Danke.

Heiliger Vater: Der heilige Johannes Paul II. sprach 1992 auf Santo Domingo über die neue Evangelisierung. Ich hatte gemeint, es sei das erste Mal gewesen, aber dann wurde mir gesagt, dass es nicht das erste Mal war. Er sagte, dass sie neu sein müsse in der Methode, im apostolischen Eifer, und an das Dritte erinnere ich mich nicht… Wer erinnert sich? Der Ausdruck! Nach einem Ausdruck suchen, der zeitgemäß ist. Und für mich ist dies im Dokument von Aparecida sehr deutlich geworden. Im Dokument von Aparecida wird das gut dargelegt. Für mich erfordert die Evangelisierung, aus sich selbst herauszugehen. Sie erfordert die Dimension der Transzendenz: die Transzendenz in der Anbetung Gottes, in der Betrachtung, und die Transzendenz gegenüber den Brüdern, gegenüber den Menschen. Herausgehen aus, herausgehen aus! Für mich ist das gleichsam der Kern der Evangelisierung. Und herausgehen bedeutet, bei etwas ankommen, also Nähe. Wenn du nicht aus dir selbst herausgehst, wirst du nie Nähe haben! Nähe. Den Menschen nahe sein, allen nahe sein, allen, denen wir nahe sein sollen. Allen Menschen. Herausgehen. Nähe. Man kann nicht evangelisieren ohne Nähe. Nähe, aber herzliche Nähe; Nähe der Liebe, auch physische Nähe; jemandem nahe sein.

Und du hast die Predigt damit in Verbindung gebracht. Das Problem der langweiligen Predigten – um es einmal so zu sagen – das Problem der langweiligen Predigten ist, dass keine Nähe darin liegt. Gerade in der Predigt bemisst sich die Nähe des Hirten zu seinem Volk. Wenn du in der Predigt 20, 25 oder 30, 40 Minuten lang sprichst – das ist keine Phantasievorstellung, das passiert! – und von abstrakten Dingen sprichst, von Glaubenswahrheiten, dann hältst du keine Predigt, sondern eine Unterweisung! Das ist etwas anderes! Du bist den Menschen nicht nahe. Dazu ist die Predigt wichtig: um abzuwägen, um die Nähe des Priesters gut zu erfahren. Ich glaube, dass unsere Predigten generell nicht gut sind, nicht der Literaturgattung der Predigt entsprechen: Es sind Vorträge, oder es sind Unterweisungen, es sind Reflexionen.

Aber die Predigt – fragt die Theologieprofessoren – die Predigt in der Messe, das Wort ist der starke Gott, es ist ein Sakramentale. Für Luther war sie fast ein Sakrament: Das gepredigte Wort war »ex opere operato«; für andere ist es nur »ex opere operantis«. Aber ich  glaube, bei beiden steht es im Mittelpunkt. Die Theologie der Predigt ist fast so etwas wie ein Sakramentale. Es ist anders als wenn man einige Worte über ein Thema sagt. Es ist etwas anderes. Es erfordert Gebet, es erfordert Studium, es erfordert, die Menschen zu kennen, zu denen du sprichst, es erfordert Nähe. Für eine gute Evangelisierung müssen wir die Predigt verbessern, wir hängen nach. Sie ist einer der Punkte, in denen die Kirche heute der Umkehr bedarf: bessere Predigten halten, damit die Menschen verstehen. Und außerdem ist nach acht Minuten keine Aufmerksamkeit mehr vorhanden.

Eine Predigt, die länger als acht oder zehn Minuten dauert, ist nicht in Ordnung. Sie muss kurz sein, sie muss aussagekräftig sein. Ich empfehle euch zwei Bücher, aus meiner Zeit, aber sie sind unter diesem Aspekt der Predigt gut und werden euch sehr helfen. Das erste ist Eine Theologie der Verkündigung von Hugo Rahner. Nicht von Karl, von Hugo. Hugo liest sich gut, Karl ist schwierig zu lesen. Es ist ein Juwel: Eine Theologie der Verkündigung.

Und das andere ist das von Pater Domenico Grasso, das uns in das Wesen der Predigt einführt. Ich glaube, es trägt denselben Titel: Theologie der Verkündigung. Das wird euch recht gut helfen. Die Nähe, die Predigt… Ich wollte noch etwas anderes sagen… Herausgehen, Nähe, die Predigt als Maß dafür, wie nahe ich dem Gottesvolk bin. Und eine weitere Kategorie, die ich gerne benutze, ist die der Randgebiete. Wenn man herausgeht, darf man nicht auf halber Strecke bleiben, sondern muss bis zum Ende gehen. Einige sagen, dass man die Evangelisierung bei den Fernsten beginnen muss, wie der Herr es getan hat. Das ist es, was mir als Antwort auf deine Frage einfällt. Aber das mit der Predigt stimmt: Für mich ist es eines der Probleme, die die Kirche untersuchen muss und wo sie zur Umkehr gelangen muss. Die Predigten, die Predigten: Sie sind keine Unterweisungen, sie sind keine Vorträge, sie sind etwas anderes. Ich mag es, wenn Priester sich zwei Stunden zusammentun, um die Predigt des kommenden Sonntags vorzubereiten, denn man schafft eine Atmosphäre des Gebets, des Studiums, des Meinungsaustausches. Das ist gut, das tut gut. Sie mit einem anderen vorzubereiten, das ist sehr gut.

Frage: Gelobt sei Jesus Christus! Ich heiße Voicek, wohne im Päpstlichen Polnischen Kolleg und studiere Moraltheologie. Heiliger Vater, das Priesteramt im Dienst an unserem Volk nach dem Vorbild Christi und seiner Sendung – was empfehlen Sie uns, um fügsam und froh zu bleiben im Dienst am Gottesvolk? Welche menschlichen Eigenschaften raten Sie uns zu pflegen, um Abbild des guten Hirten zu sein und das zu leben, was Sie als »Mystik der Begegnung« bezeichnet haben?

Heiliger Vater: Ich habe hauptsächlich über einiges gesprochen, was man im Gebet tun soll. Aber ich greife dein letztes Wort auf, um etwas hinzuzufügen zu dem, was ich gesagt habe, was gesagt wurde und was genau zu deiner Frage führt. »Die Mystik der Begegnung« hast du gesagt. Die Begegnung. Die Fähigkeit, einander zu begegnen. Die Fähigkeit zu hören, anderen Menschen zuzuhören. Die Fähigkeit, gemeinsam den Weg, die Methode, viele Dinge zu suchen. Die Begegnung. Und es bedeutet auch, keine Angst zu haben, vor den Dingen keine Angst zu haben.

Der gute Hirte darf keine Angst haben. Vielleicht fürchtet er sich innerlich, aber er hat niemals Angst. Er weiß, dass der Herr ihm hilft. Die Begegnung mit den Menschen, die deiner Seelsorge anvertraut sind; die Begegnung mit deinem Bischof. Die Begegnung mit dem Bischof ist wichtig. Es ist auch wichtig, dass der Bischof sich begegnen lässt. Es ist wichtig… denn manchmal hört man: »Hast du das deinem Bischof gesagt? Ja, ich habe um eine Audienz gebeten, aber ich habe vor vier Monaten um eine Audienz gebeten. Ich warte noch immer!« Das ist nicht gut, nein. Hingehen, um dem Bischof zu begegnen, und der Bischof muss dafür sorgen, dass man ihm begegnen kann. Der Dialog.

Aber vor allem möchte ich eines erwähnen: die Begegnung zwischen den Priestern, zwischen euch. Die Freundschaft zwischen euch. Die priesterliche Freundschaft. Nicht alle können enge Freunde sein. Aber wie schön ist eine priesterliche Freundschaft! Wenn die Priester, wie zwei Brüder, drei Brüder, vier Brüder einander kennen, über ihre Probleme, ihre Freuden, ihre Erwartungen, viele Dinge sprechen… Priesterliche Freundschaft. Strebt danach, es ist wichtig.

Freunde sein. Ich glaube, das hilft sehr, um das priesterliche Leben zu leben, um das geistliche Leben zu leben, das apostolische Leben, das Gemeinschaftsleben und auch das intellektuelle Leben: die priesterliche Freundschaft. Wenn ich einem Priester begegnete, der zu mir sagen würde: »Ich hatte nie einen Freund«, dann würde ich denken, dass dieser Priester eine der schönsten Freuden des priesterlichen Lebens nicht gekannt hat. Das ist es, was ich euch wünsche. Ich wünsche euch, Freundschaft zu schließen mit denen, die der Herr dir gibt, um mit ihnen befreundet zu sein. Das wünsche ich euch im Leben. Die priesterliche Freundschaft ist eine Kraft der Beharrlichkeit, der apostolischen Freude, des Mutes, auch des Sinnes für Humor. Sie ist schön, wunderschön! Das ist es, was ich denke. Ich danke euch für die Geduld! Und jetzt können wir zur Gottesmutter beten und um den Segen bitten… Regina Caeli…

 



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