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APOSTOLISCHE REISE VON PAPST FRANZISKUS NACH
SRI LANKA UND AUF DIE PHILIPPINEN

(12.-19. JANUAR 2015)

PRESSEKONFERENZ MIT DEM HEILIGEN VATER
AUF DEM FLUG VON MANILA NACH ROM


Montag, 19. Januar 2015

[Multimedia]


 

(Pater Lombardi)

Heiliger Vater, danke dass Sie hier sind. Wie wir sehen, sind Sie nach diesen Tagen der Reise in glänzender Form. Wir danken Ihnen, dass Sie uns auch heute Arbeit geben, denn mit Ihrem Gespräch werden wir dann während der ganzen Reise beschäftigt sein.

 (Papst Franziskus)

Zu allererst begrüße ich Sie: Guten Tag, danke für Ihre Arbeit. Die Reise war beanspruchend und – wie wir auf Spanisch sagen – pasado por agua: verregnet. Es ist schön, und vielen Dank für alles, was Sie getan haben.

(Erste Frage: Kara David für die philippinische Gruppe)

Guten Tag, Heiliger Vater. Entschuldigung, ich werde Englisch sprechen. Vielen Dank, dass Sie unser Land besucht und den Philippinern so viel Hoffnung gegeben haben. Wir würden uns freuen, wenn Sie noch einmal in unser Land kommen würden. Meine Frage lautet: Die Philippiner haben viel gelernt aus Ihren Botschaften. Gibt es etwas, das der Heilige Vater von den Philippinern, von der Begegnung mit uns gelernt hat?

(Papst Franziskus)

Die Gesten! Die Gesten haben mich gerührt. Es sind keine protokollarischen Gesten… Es sind gute, tief empfundene Gesten, die aus dem Herzen kommen. Einige können einen bis zu Tränen rühren. Da ist alles drin: der Glaube, die Liebe, die Familie, die Hoffnung, die Zukunft… Jene Geste der Väter, wenn sie ihre Kinder in die Höhe hoben, damit der Papst sie segne. Die Geste eines Vaters… Viele waren es: Sie hoben die Kinder hoch, als ich auf der Straße vorbeikam. Eine Geste, die man woanders nicht sieht. Als ob sie sagten: Das ist mein Schatz, das ist meine Zukunft, das ist meine Liebe, dafür lohnt es sich zu arbeiten, dafür lohnt es sich zu leiden. Es ist eine ganz eigene Geste, aber sie entspringt aus dem Herzen.

Die zweite Geste, die mich sehr beeindruckt hat, ist eine ganz echte Begeisterung – die Freude, die Fröhlichkeit, die fähig ist, auch bei strömendem Regen zu feiern. Einer der Zeremoniare sagte mir, es sei für ihn ein Vorbild gewesen zu sehen, dass die Ministranten in Tacloban bei diesem Regen nie ihr Lächeln verloren haben. Es ist die Freude, die nicht gekünstelte Freude. Es war kein aufgesetztes Lächeln, nein, sondern ein spontanes. Und hinter diesem Lächeln steht das normale Leben, stehen die Leiden, die Probleme…

Eine weitere Geste: die Mütter, die ihre kranken Kinder trugen; auch die Mütter brachten sie dorthin. Die Mütter hoben die Kinder nicht ganz so hoch, nur bis hier [er zeigt, wie sie die Kinder im Arm trugen]. Ja, es waren so viele behinderte Kinder zu sehen, mit Behinderungen, die auch ziemlich Eindruck machen. Sie versteckten ihr Kind nicht; sie brachten es zum Papst, damit er es segne: Das ist mein Kind, es ist so, aber es ist meines. Alle Mütter wissen das und verhalten sich so, doch die Art und Weise, wie sie es taten, hat mich beeindruckt.

Die Geste der Vaterschaft, der Mutterschaft, der Begeisterung, der Freude. Und es gibt ein Wort, das uns schwer verständlich ist, weil es sich im Sprachgebrauch zu sehr abgeschliffen hat, zu oft im negativen Sinn gebraucht oder verstanden worden ist, aber es ist ein Wort, das Gehalt hat: die Resignation. Ein Volk, das zu leiden versteht und das fähig ist, aufzustehen und weiterzugehen. Gestern in meinem Gespräch mit dem Vater von Krystel – der freiwilligen Helferin, die in Tacloban gestorben ist – war ich tief beeindruckt [von dem, was er mir sagte]: „Bei der Ausübung eines Dienstes ist sie gestorben.“ Und er suchte nach Worten, um sich zu trösten, um das zu akzeptieren… Ein Volk, das zu leiden versteht. Das ist es, was ich gesehen habe, wie ich die Gesten interpretiert habe.

(Zweite Frage: Jean-Louis de la Vaissière von France Presse für die französische Gruppe)

Eure Heiligkeit ist schon zweimal nach Asien gegangen. Die Katholiken in Afrika haben noch keinen Besuch von Ihnen erhalten. Sie wissen, dass von der Zentralafrikanischen Republik über Nigeria bis nach Uganda viele Gläubige, die unter Armut, Krieg und dem islamischen Fundamentalismus leiden, in diesem Jahr Ihren Besuch erhoffen. So möchte ich fragen: Wann und wohin gedenken Sie zu gehen?

(Papst Franziskus)

Ich antworte hypothetisch. Der Plan ist, in die Zentralafrikanische Republik und nach Uganda zu gehen. Diese beiden. In diesem Jahr. Ich denke, wegen des Wetters wird es gegen Jahresende sein. Sie müssen das Wetter einkalkulieren, dass es nicht in der Regenzeit bei schlechtem Wetter ist. Diese Reise kommt ein bisschen spät, denn es bestand das Ebola-Problem. Da ist es wegen der Ansteckungsgefahr eine große Verantwortung, Massenveranstaltungen durchzuführen. Doch in diesen Ländern ist es unproblematisch. Diese beiden werden für dieses Jahr erwogen.

(Dritte Frage: Salvatore Izzo von der italienischen Nachrichtenagentur AGI für die italienische Gruppe)

Heiliger Vater, in Manila waren wir in einem sehr schönen Hotel, alle waren sehr freundlich, und das Essen war sehr gut. Doch sobald man aus diesem Hotel ins Freie trat, wurde man sozusagen moralisch überfallen von der Armut. Inmitten der Abfälle haben wir Kinder gesehen, die – wie Sie vielleicht sagen würden – wie Abfall behandelt werden. Sehen Sie, ich habe einen sechsjährigen Sohn, und ich habe mich geschämt, dass es denen da so schlecht geht. Aber mein Sohn – er heißt Rocco – hat sehr gut verstanden, was Sie uns lehren, wenn Sie uns auffordern, mit den Armen zu teilen. Und so versucht er, auf seinem Weg zur Schule sein Pausenbrot unter den Bettlern der Gegend zu verteilen. Für mich aber ist es viel schwieriger. Auch für andere Erwachsene ist es schwierig. Ein einziger Kardinal (Léger) hat vor vierzig Jahren alles verlassen, um zu den Leprakranken zu gehen. Und so lautet meine Frage: Warum ist es sogar für Kardinäle so schwierig, diesem Beispiel zu folgen? Das andere, was ich Sie fragen wollte, betrifft hingegen Sri Lanka. Dort haben wir auf dem Weg zum Flughafen all diese Favelas gesehen. Es sind an die Bäume angelehnte Baracken, und sie leben praktisch unter den Bäumen. Die Mehrheit sind Tamilen, und sie sind diskriminiert. Sie haben am Tag nach dem Blutbad von Paris – vielleicht noch unter dem frischen Eindruck – gesagt: „Es gibt einen isolierten Terrorismus und einen Staatsterrorismus.“ Was wollten Sie mit diesem Ausdruck „Staatsterrorismus“ sagen? Mir ist er in den Sinn gekommen, als ich das Leiden und die Diskriminierung dieser Menschen sah.

(Papst Franziskus)

Als eine von Ihnen mich gefragt hat, welches die Botschaft sei, die ich in die Philippinen bringen wollte, habe ich gesagt: die Armen. Das ist die Botschaft der Kirche heute. Auch was Sie über Sri Lanka, die Tamilen, die Diskriminierung sagen… Die Armen, die Opfer dieser Wegwerfkultur. Das ist wahr. Heute wirft man nicht nur das Papier, die Überbleibsel weg. Man wirft die Menschen weg. Und die Diskriminierung ist eine Art des Wegwerfens. Diese Leute werden weggeworfen. Da kommt mir das Bild der Kasten in den Sinn… Das kann nicht gehen. Und die Aussonderung scheint heute fast normal. Sie sprachen von dem Luxushotel neben der Baracke. In meiner Diözese Buenos Aires gab es dieses ganze Neubaugebiet namens Puerto Madero. Es reicht bis zum Bahnhof, und dann beginnt die „Villa Miseria“ – die Armen, einer nach dem anderen. Auf dieser Seite gibt es 36 Luxusrestaurants; wenn du da essen gehst, ziehen sie dir das Fell über die Ohren; auf der anderen Seite herrscht der Hunger. Das eine unmittelbar neben dem anderen. Und wir neigen dazu, uns daran zu gewöhnen. Ja, hier sind wir, und dort sind die Ausgesonderten. Das ist die Armut. Und ich meine, die Kirche muss immer mehr ein Beispiel darin geben, jede mondäne Lebensweise zurückzuweisen. Für uns gottgeweihte Personen – Bischöfe, Priester, Schwestern, Laien, die wirklich gläubig sind, – ist die gefährlichste Sünde, die gefährlichste Versuchung die mondäne Lebensweise. Es ist so unschön, wenn man eine gottgeweihte Person sieht – einen Vertreter der Kirche, eine Ordensschwester – die mondän ist. Das ist widerwärtig. Das ist nicht der Weg Jesu. Das ist der Weg einer NGO, die sich Kirche nennt. Doch das, diese NGO, ist nicht die Kirche Jesu. Denn die Kirche ist keine NGO, sie ist etwas anderes. Wenn sie aber mondän wird – d. h. ein Teil der Kirche, diese Leute –, dann wird sie eine NGO und hört auf, die Kirche zu sein. Die Kirche ist der zu unserem Heil gestorbene und auferstandene Christus, ist das Zeugnis der Christen, die Christus nachfolgen. Der Skandal, den Sie angesprochen haben, ist wahr, ja, oftmals erregen wir Anstoß bei den Christen, geben wir – Priester oder Laien – Anlass zu Ärgernis, denn der Weg Jesu ist schwierig. Es stimmt: Die Kirche muss sich entäußern.

Und Sie haben mich zum Nachdenken gebracht über diese Sache des Staatsterrorismus: dass diese Aussonderung wie ein Terrorismus sei. Ich hatte tatsächlich nie daran gedacht, doch Sie bringen mich darüber zum Nachdenken. Ich weiß wirklich nicht, was ich Ihnen sagen soll. Sicherlich sind es keine Liebkosungen, es ist als sagte man: Nein, du nicht, hinaus mit dir!

Oder was hier in Rom geschehen ist: Ein Obdachloser hatte Bauchschmerzen, der Arme. Wenn du Bauchschmerzen hast und ins Krankenhaus in die Ambulanz gehst, dann geben sie dir eine Aspirin-Tablette oder etwas Ähnliches, oder sie geben dir einen Termin, der zwei Wochen später liegt: Komm in vierzehn Tagen wieder. Dieser Obdachlose ist zu einem Priester gegangen, und der Priester hat ihn gesehen, war gerührt und hat gesagt: „Ich bringe dich ins Krankenhaus, aber du musst mir einen Gefallen tun: Wenn ich anfange zu erklären, was du hast, musst du so tun, als ob du in Ohnmacht fällst.“ Und so ist es geschehen: ein Künstler, er hat seine Rolle gut gespielt. – Es war eine Bauchfellentzündung! Dieser Mann war ein Ausgesonderter. Wäre er allein gegangen, dann wäre er ausgeschlossen worden und wäre gestorben. Jener Pfarrer war schlau und hat ihm gut geholfen. Er war weit entfernt von mondäner Lebensweise. – Ist das Terrorismus? Nun… ja, man kann meinen, dass es so sei… Man kann das meinen, ich werde gut darüber nachdenken. Danke! Glückwünsche auch für die Agentur!

(Vierte Frage: Jan-Christoph Kitzler von der ARD, der deutschen Fernsehgesellschaft, für die deutsche Gruppe)

Danke, Heiliger Vater. Ich möchte einen Augenblick auf Ihre Begegnung mit den Familien zurückkommen. Dort haben Sie von der „ideologischen Kolonisierung“ gesprochen. Könnten Sie uns diesen Begriff etwas genauer erklären? Dann haben Sie unter Bezugnahme auf Papst Paul VI. von den Sonderfällen gesprochen, die in der Familienpastoral wichtig sind. Können Sie uns einige Beispiele für diese Sonderfälle geben und eventuell auch sagen, ob es notwendig ist, die Wege zu öffnen, den Korridor für diese Sonderfälle zu weiten?

(Papst Franziskus)

Die ideologische Kolonisierung: Ich bringe nur ein Beispiel, das ich selbst erlebt habe. Vor zwanzig Jahren, 1995, hatte eine Bildungsministerin ein großes Darlehen erbeten, um Schulen für die Armen zu bauen. Das Darlehen wurde bewilligt unter der Bedingung, dass es in den Schulen für die Kinder einer gewissen Altersstufe ein bestimmtes Buch geben müsse. Es war ein Schulbuch, ein unter didaktischem Aspekt gut vorbereitetes Buch, in dem die Gender-Theorie gelehrt wurde. Diese Frau brauchte das Geld des Darlehens, doch die Bedingung war diese. Schlau wie sie war, sagte sie zu und ließ zugleich ein weiteres Buch erstellen, um sie dann beide weiterzugeben. Und so ist es ihr gelungen… Das ist die ideologische Kolonisierung: Sie dringen in ein Volk ein mit einer Idee, die mit diesem Volk nichts zu tun hat – wohl mit Gruppen aus dem Volk, nicht aber mit dem Volk selbst – und kolonisieren das Volk mit einer Idee, welche eine Mentalität oder eine Struktur verändert oder verändern will. Während der Synode haben die afrikanischen Bischöfe über dasselbe Phänomen geklagt, dass für bestimmte Darlehen bestimmte Bedingungen auferlegt werden. Ich erwähne nur diesen Fall, den ich selbst erlebt habe. Warum spreche ich von „ideologischer Kolonisierung“? Weil sie gerade die Not eines Volkes als Gelegenheit ergreifen, durch die Kinder einzudringen und sich zu stärken. Aber das ist nichts Neues. Dasselbe haben die Diktaturen des vergangenen Jahrhunderts getan. Sie sind mit ihrer Lehre eingedrungen. Denken Sie an die „Balilla“ [1926 gegründete Jugendorganisation der faschistischen Partei Italiens (Anm. d. Übers.)], denken Sie an die Hitlerjugend… Sie haben das Volk kolonisiert, wollten es zumindest tun. Doch wie viel Leiden! Die Völker dürfen ihre Freiheit nicht verlieren. Das Volk hat seine Kultur, seine Geschichte; jedes Volk hat seine Kultur. Wenn aber die kolonisierenden Mächte Bedingungen auferlegen, dann ist das ein Versuch, die Völker ihre Identität verlieren zu lassen und Uniformität zu schaffen. Das ist die Globalisierung des Kreises: Alle Punkte sind gleich weit vom Zentrum entfernt. Und die wahre Globalisierung – das sage ich gern – ist nicht die Kugel. Es ist wichtig zu globalisieren, aber nicht in der Art der Kugel, sondern in der Art des Polyeders. Das bedeutet, dass jedes Volk, jeder Teil, seine Identität, sein Wesen bewahrt, ohne ideologisch kolonisiert zu werden. Das sind die „ideologischen Kolonisierungen“. Es gibt ein Buch – entschuldigen Sie, wenn ich etwas Reklame mache – ein Buch, dessen Stil zu Beginn vielleicht etwas schwerfällig ist, weil es 1907 in London geschrieben wurde… Damals hat der Autor das Drama der ideologischen Kolonisierung erkannt und es in diesem Buch beschrieben. Der Titel ist Lord of the World und der Autor [Robert Hugh] Benson; ich empfehle Ihnen, es zu lesen. Dann werden Sie gut verstehen, was ich mit „ideologischer Kolonisierung“ sagen will. Soweit zur ersten Frage.

Die zweite: Was wollte ich über Paul VI. sagen? Es ist klar, dass die Offenheit für das Leben eine Bedingung für das Sakrament der Ehe ist. Ein Mann kann der Frau das Sakrament nicht spenden, und die Frau kann es dem Mann nicht spenden, wenn sie über diesen Punkt, offen für das Leben zu sein, nicht einig sind. Das geht so weit, dass die Ehe, wenn einer von beiden nachweislich mit der Absicht geheiratet hat, nicht offen für das Leben zu sein, ungültig ist; es ist ein Grund für die Nichtigkeit der Ehe… Die Offenheit für das Leben: Paul VI. hat das mit einer Kommission untersucht, um Wege zu finden, wie man in vielen Fällen, in vielen Problemen helfen könnte – in wichtigen Problemen, die letztlich die Liebe in der Familie ausmachen. Probleme des Alltags, viele, viele… Aber es ging um mehr. Die Ablehnung Pauls VI. richtete sich nicht gegen die persönlichen Probleme, in Bezug auf die er dann die Beichtväter aufforderte, barmherzig zu sein, die Situationen zu verstehen und zu vergeben oder barmherzig und verständnisvoll zu sein. Er schaute auf den allgemeinen Neo-Malthusianismus, der umging. Und wie erkennt man diesen Neo-Malthusianismus? An der Geburtenrate von weniger als ein Prozent in Italien wie auch in Spanien. Jener Neo-Malthusianismus, der eine Kontrolle der Menschheit von Seiten der Mächte anstrebte. Das bedeutet nicht, dass der Christ serienweise Kinder in die Welt setzen soll. Vor einigen Monaten habe ich einer Frau in einer Pfarrei Vorwürfe gemacht, weil sie nach sieben Kaiserschnitt-Geburten mit dem achten Kind schwanger war: „Wollen Sie etwa sieben Waisen zurücklassen?“ Das bedeutet, Gott zu versuchen. Man spricht von verantwortlicher Elternschaft. Das ist der Weg: die verantwortliche Elternschaft. Doch was ich sagen wollte, ist, dass Paul VI. nicht eine rückständige, verschlossene Ansicht hatte. Nein, er war ein Prophet, der uns damit gesagt hat: Hütet euch vor dem Neo-Malthusianismus, der im Kommen ist. Das wollte ich sagen. Danke.

(Pater Lombardi)

Unterdessen informiere ich Sie, dass wir uns wieder über China befinden. Es wird uns also zur Gewohnheit, diese Konferenzen mit dem Papst abzuhalten, während wir China überfliegen, wie damals, als wir von Korea zurückkehrten.

(Fünfte Frage: Valentina Alazraki für die spanische Gruppe)

Heiligkeit, während des Flugs auf die Philippinen haben Sie dieses Bild gebraucht und auch diese Geste gegenüber unserem armen Gasbarri, der im Fall, dass er Ihre Mutter beleidigen würde, „eins drauf“ bekäme. Dieser Satz hat ein bisschen Verwirrung gestiftet und ist in der Welt nicht von allen recht verstanden worden. Denn es schien, als wollten Sie damit eine gewalttätige Reaktion auf eine Provokation ein wenig rechtfertigen. Könnten Sie uns etwas besser erklären, was Sie sagen wollten?

(Papst Franziskus)

In der Theorie können wir sagen, dass eine gewalttätige Reaktion auf eine Beleidigung, auf eine Provokation – theoretisch, ja – nicht gut ist, das darf man nicht tun. In der Theorie können wir sagen, was das Evangelium sagt, dass wir nämlich die andere Wange hinhalten müssen. In der Theorie können wir sagen, dass wir das Recht auf freie Meinungsäußerung haben, und das ist wichtig. In der Theorie sind wir alle einer Meinung. Doch wir sind Menschen, und es gibt die Klugheit, die eine Tugend des menschlichen Zusammenlebens ist. Ich darf einen Menschen nicht ständig beleidigen und provozieren, weil ich riskiere, ihn zornig zu machen und dann eine Reaktion zu erfahren, die nicht rechtmäßig ist: nicht rechtmäßig! Das aber ist menschlich. Darum sage ich, dass die Meinungsfreiheit die menschliche Realität berücksichtigen und folglich klug sein muss. Es ist eine Art, zum Ausdruck zu bringen, dass sie auch höflich sein muss, nicht wahr? Klug. Die Klugheit ist die menschliche Tugend, die unsere Beziehungen regelt. Bis hierher kann ich gehen und nicht weiter… Das wollte ich sagen: Theoretisch sind wir uns alle einig, dass es die freie Meinungsäußerung gibt und dass eine gewalttätige Reaktion nicht gut ist, sie ist immer schlecht. Darin stimmen wir alle überein. In der Praxis aber… halten wir mal einen Moment inne. Denn wir sind Menschen, und wir riskieren, die anderen zu provozieren. Und darum muss die Freiheit von der Klugheit begleitet sein. Das wollte ich sagen.

(Sechste Frage: Nicole Winfield von der Associated Press der Vereinigten Staaten für die englische Gruppe)

Heiligkeit, für die englische Gruppe möchte ich noch einmal nach den Reisen in diesem Jahr fragen. Sie haben uns schon gesagt, dass die Reise nach Amerika vorgesehen ist. Sie haben drei Städte genannt: New York, Washington und Philadelphia. Im Hinblick auf die Heiligsprechung von Serra fragen wir uns nun, ob vielleicht auch eine Station in Kalifornien oder an der mexikanischen Grenze geplant ist. Und dann nach Südamerika. Sie haben unserer Kollegin Elisabetta Piqué gesagt, dass drei Reisen vorgesehen waren bzw. eine Reise in drei südamerikanische Länder. Welche sind es? Und denken Sie, Erzbischof Romero, der kürzlich als Märtyrer anerkannt worden ist, persönlich seligzusprechen? – Das wär’s.

(Papst Franzislus)

Ich beginne mit der letzten Frage. Da wird es einen Krieg geben zwischen Kardinal Amato und Erzbischof Paglia, wer von beiden die Seligsprechung vornehmen wird. Nicht ich selbst. Die Seligsprechung wird normalerweise vom Kardinal des Dikasteriums oder einem anderen zelebriert.

Von der letzten Frage springen wir zur ersten: Die Vereinigten Staaten. Ja, es sind diese drei Städte: Philadelphia für das Treffen der Familien, New York – das Datum für den Besuch bei den Vereinten Nationen habe ich schon, erinnere  mich aber jetzt nicht daran – und Washington. Diese drei. Nach Kalifornien zu gehen, würde mir gefallen… um dort die Heiligsprechung von Junipero Serra zu feiern, aber das ist ein Zeitproblem. Dafür bräuchte es zwei zusätzliche Tage. Ich denke, diese Heiligsprechung im Heiligtum von Washington zu halten. Es ist eine nationale Angelegenheit. In Washington – im Kapitol, glaube ich – befindet sich auch die Statue von Junipero. Es wird also wohl dort stattfinden. In die Vereinigten Staaten von der mexikanischen Grenze aus einzureisen, wäre schön, als Zeichen der Verbrüderung und Hilfe für die Emigranten, doch Sie wissen: Nach Mexiko gehen, ohne die Muttergottes [von Guadalupe] zu besuchen, ist eine Tragödie, da kann ein Krieg ausbrechen! Und auch dafür bräuchte man drei Tage zusätzlich, und es ist noch nicht alles klar. Ich denke, es werden nur diese drei Städte sein. Und außerdem ist immer noch Zeit, nach Mexiko zu gehen. – Habe ich etwas vergessen? Ach ja, drei lateinamerikanische Länder sind für dieses Jahr vorgesehen – alles noch im Planungsstadium –: Ecuador, Bolivien und Paraguay. Diese drei. Im nächsten Jahr möchte ich – so Gott will – nach Chile, Argentinien und Uruguay gehen, aber es ist noch nichts vorgesehen. Und Peru fehlt da ein bisschen, wir wissen nicht, wo wir es unterbringen sollen… doch das ist es.

(Siebente Frage: Carla Lim für die philippinische Gruppe)

Guten Tag, Heiliger Vater, ich danke Ihnen, dass Sie mein Land begeistert haben. Im Namen des philippinischen Volkes danke ich ihnen sehr. Verzeihen Sie, dass ich nicht Italienisch sprechen kann. In einigen Reden auf den Philippinen haben Sie über Korruption gesprochen und gesagt, dass Korruption dem Volk seine Ressourcen nimmt. Was kann Eure Heiligkeit tun, um Korruption, wenn nicht gerade in der Regierung, so doch vielleicht in der Kirche selbst zu bekämpfen?

(Papst Franziskus)

Heftig ist die, he? [Er lacht]. Die Korruption ist heute in der Welt an der Tagesordnung, und korruptes Verhalten findet sofort leicht einen Schlupfwinkel in den Institutionen. Denn eine Institution hat viele Sektoren hier und dort und viele Chefs und Vize-Chefs, und da kann sich sehr leicht die Korruption einnisten. Jede Institution kann dem verfallen. Die Korruption bedeutet, dem Volk etwas wegzunehmen. Der korrupte Mensch, der korrupte Geschäfte macht oder auf korrupte Weise regiert oder sich mit anderen zusammenschließt, um ein korruptes Geschäft zu machen, bestiehlt das Volk. Die Opfer sind jene, die er [er zeigt auf Salvatore Izzo] in der Nähe des Luxushotels gesehen hat: Das sind die Opfer der Korruption. Die Korruption ist nicht in sich selbst eingeschlossen: Sie breitet sich aus. Und tötet. Verstehen Sie? Heute ist die Korruption ein weltweites Problem. Einmal, ungefähr im Jahr 2001, habe ich den Kabinettschef des damaligen Präsidenten gefragt – es war eine Regierung, die wir für nicht sehr korrupt hielten, und es ist wahr: Sie war nicht sehr korrupt – ich habe ihn also gefragt: „Sagen Sie mal, wieviel von den Hilfen, die Sie ins Landesinnere schicken – Bargeld, Nahrungsmittel, Kleidung,  all diese Dinge – kommt am Bestimmungsort an?“ Und dieser Mann, ein wahrhaftiger, lauterer Mensch, antwortete sofort: „Fünfunddreißig Prozent.“ Das hat er mir gesagt. Im Jahr 2001, in meinem Heimatland…

Und nun zur Korruption in den kirchlichen Einrichtungen. Wenn ich von „Kirche“ spreche, dann spreche ich gerne von den Gläubigen, den Getauften, von der ganzen Kirche. Und es ist besser, von Sündern zu sprechen. Alle sind wir Sünder. Doch wenn wir von Korruption reden, dann sprechen wir entweder von korrupten Menschen oder von Einrichtungen der Kirche, die korrupt werden, und es gibt sie, ja, es gibt sie. Ich erinnere mich an einen Vorfall im Jahr 1994, als ich gerade zum Bischof des Stadtteils Flores in Buenos Aires ernannt worden war. Da kamen zwei Angestellte oder Funktionäre eines Ministeriums zu mir, um mir zu sagen: „Sie haben so viel Not hier, mit so vielen Armen in den Villas Miserias…“ „Oh ja“, habe ich geantwortet und einiges erzählt. „Wir können Ihnen helfen. Wir haben, wenn Sie wollen, eine Hilfe von 400.000 Pesos.“ Zu jener Zeit standen der Peso und der Dollar eins zu eins: 400.000 Dollar! „Und das können Sie tun?“ „Aber ja, ja!“ Ich hörte zu, denn »wenn das Angebot sehr hoch ist, wird sogar der Heilige misstrauisch«. Und dann fuhren sie fort: „Um das zu tun, richten wir das Depot ein, und dann geben Sie uns die Hälfte.“ In dem Moment habe ich gedacht: Was tun? Entweder beschimpfe ich sie und gebe ihnen einen Tritt dahin, wo die Sonne nicht hinkommt, oder ich spiele den Trottel. Ich habe den Trottel gespielt. Ich habe gesagt – aber in voller Wahrheit: „Wissen Sie, wir hier in den Vikarien haben kein Konto. Sie müssen das Depot beim Erzbistum machen, mit Empfangsbestätigung.“ Und das war’s. „Ah, das haben wir nicht gewusst… hat uns gefreut…“, und sie sind gegangen. Aber dann habe ich gedacht: Wenn die beiden direkt hier gelandet sind, ohne nach der Piste zu fragen – das ist ein böser Gedanke –, dann deshalb, weil jemand anderes „ja“ gesagt hat… Aber das ist ein böser Gedanke. Ja, es ist leicht, korrupt zu handeln… Aber halten wir das fest: Sünder ja, aber nicht korrupt! Korrupt niemals! Wir müssen um Verzeihung bitten für jene Katholiken, jene Christen, die mit ihrer Korruption Anstoß erregen. Es ist eine Plage in der Kirche… Aber es gibt so viele Heilige… und heilige Sünder, aber nicht Korrupte. Schauen wir auch auf die andere Seite, auf die heilige Kirche!... Sicher, den einen oder anderen gibt es… Aber danke für den Mut, diese Frage zu stellen.

(Achte Frage: Anaïs Feuga von Radio France für die französische Gruppe)

Wir überfliegen gerade China. Auf der Korea-Reise haben Sie uns gesagt, dass Sie bereit waren, schon „morgen“ nach China zu gehen. Können Sie uns im Licht dieser Erklärungen erläutern, warum Sie den Dalai Lama, der kürzlich in Rom war, nicht empfangen haben, und an welchem Punkt sich die Beziehungen zu China bewegen?

(Papst Franziskus)

Danke für diese Frage. Danke. Im Protokoll des Staatssekretariats ist es üblich, dass Staatsoberhäupter oder Personen dieses Ranges nicht empfangen werden, wenn sie zu einer internationalen Versammlung in Rom sind. So habe ich zum Beispiel im Zusammenhang mit der Versammlung der FAO niemanden empfangen. Das ist der Grund, warum er nicht empfangen wurde. Ich habe gesehen, dass einige Zeitungen behauptet haben, ich hätte ihn aus Angst vor China nicht empfangen: Das ist nicht wahr. Für jenen Moment ist der Grund dieser [den ich genannt habe]. Er hat um eine Audienz gebeten, und es ist ihm ein Termin in absehbarer Zeit zugesagt worden. Er hatte früher darum gebeten, aber nicht für jenen Moment, und wir sind in Verbindung. Doch das Motiv war nicht die Ablehnung der Person oder Angst vor China. Ja, wir sind offen und wollen Frieden mit allen. Und wie die Beziehungen stehen? Die chinesische Regierung ist höflich; auch wir sind höflich und tun die Dinge Schritt für Schritt, wie man die Dinge in der Geschichte tut. Noch ist es ungewiss, aber sie wissen, dass ich bereit bin zu empfangen oder dorthin zu gehen. Das wissen sie.

(Neunte Frage: Marco Ansaldo von der Repubblica für die italienische Gruppe)

Heiliger Vater, Sie haben eine begeisternde Reise gemacht, sehr reich und erfüllt hier auf den Philippinen. Doch ich möchte einen Schritt zurückgehen, auch weil der Terrorismus die Christenheit, die Katholiken in vielen Gegenden der Welt heimsucht. Noch zuletzt, in diesen Tagen, haben wir es in der Republik Niger gesehen, aber es gibt sehr viele Beispiele. Sie haben bei unserer letzten Reise auf der Rückkehr aus der Türkei einen Appell an die islamischen Verantwortungsträger gerichtet und gesagt, dass ein Schritt, ein sehr entschlossenes Einschreiten ihrerseits notwendig wäre. Nun scheint mir, dass das trotz Ihrer Worte nicht in Betracht gezogen und aufgenommen worden ist. Es gibt einige gemäßigte muslimische Staaten – als Beispiel kann ich gut die Türkei nennen –, die in Bezug auf den Terrorismus – nennen wir die Fälle des ISIS oder auch von „Charlie Hebdo“ – eine zumindest zweideutige Haltung einnehmen. Ich weiß nicht, ob Sie in diesen eineinhalb Monaten Gelegenheit hatten darüber nachzudenken, wie man über Ihre Einladung, die nicht angenommen wurde, obwohl sie wichtig war, hinausgehen könnte. Sie oder jemand für Sie, ich denke an das Staatssekretariat, sehe hier Erzbischof Becciu oder selbst Kardinal Parolin… auch weil das ein Problem ist, das uns weiter beschäftigen wird.

(Papst Franziskus)

Diesen Aufruf habe ich sogar am Morgen des Abreisetags nach Sri Lanka vor dem Diplomatischen Corps wiederholt. In der Ansprache an das Diplomatische Corps habe ich meine Hoffnung betont, dass die religiösen, politischen, akademischen und geistigen Verantwortungsträger sich zu Wort melden. Auch das gemäßigte islamische Volk erwartet das von seinen Führern. Einige haben etwas getan. Ich glaube auch, dass man ihnen etwas Zeit lassen muss, denn für sie ist die Situation nicht einfach. Ich bin zuversichtlich, denn es gibt so viele gute Menschen unter ihnen, so viele gute Menschen, so viele gute Verantwortungsträger, und ich bin sicher, dass man dahin gelangen wird. Doch ich möchte sagen und unterstreichen, dass ich ebendas am Tag meiner Abreise wiederholt habe.

(Zehnte Frage: Christoph Schmidt für die deutsche Gruppe)

Heiliger Vater, vor allem möchte ich Ihnen sehr danken für all die so eindrucksvollen Momente dieser Woche. Es ist das erste Mal, dass ich Sie begleite, und ich möchte Ihnen meinen herzlichen Dank sagen. Meine Frage: Sie haben von den vielen Kindern auf den Philippinen gesprochen, von Ihrer Freude darüber, dass es so viele Kinder gibt. Doch die Umfragen ergeben, dass die Mehrheit der Philippiner meint, dass das enorme Anwachsen der philippinischen Bevölkerung einer der wichtigsten Gründe für die enorme Armut des Landes ist. Im Durchschnitt bringt eine Frau auf den Philippinen in ihrem Leben mehr als drei Kinder zur Welt, und die katholische Position zur Empfängnisverhütung scheint eine der wenigen Fragen zu sein, in denen ein großer Teil der Menschen auf den Philippinen nicht mit der Kirche übereinstimmt. Was denken Sie darüber?

(Papst Franziskus)

Ich glaube, dass die Zahl von drei [Kindern] pro Familie, die Sie erwähnen, nach dem, was die Fachleute sagen, wichtig ist, um die Bevölkerung zu erhalten. Drei pro Paar. Wenn dieser Stand unterschritten wird, tritt das andere Extrem ein, wie zum Beispiel in Italien, wo, wie ich gehört habe – ich weiß nicht, ob es wahr ist – im Jahr 2024 nicht mehr die Mittel vorhanden sein werden, um die Pensionäre zu bezahlen. Der Bevölkerungsschwund. Darum ist das Schlüsselwort zur Beantwortung der Frage das, welches die Kirche immer gebraucht und auch ich gebrauche: die „verantwortliche Vaterschaft“. Wie geht das? Durch den Dialog. Jeder Mensch muss gemeinsam mit seinem „Hirten“, seinem geistlichen Begleiter herausfinden, wie er diese verantwortliche Vaterschaft verwirklichen kann. Jenes Beispiel, das ich vorhin erwähnt habe, von der Frau, die das achte Kind erwartete, nachdem sie sieben per Kaiserschnitt zur Welt gebracht hatte – das ist eine Verantwortungslosigkeit. „Nein, ich vertraue auf Gott.“ – „Aber sieh mal, Gott gibt dir die Mittel, sei verantwortlich!“ Manche glauben, um gute Katholiken zu sein, müssten wir – entschuldigen Sie den Ausdruck – wie die Kaninchen sein. Nein. Verantwortliche Vaterschaft. Das ist klar, und dafür gibt es in der Kirche die Kreise der Ehebegleitung, die entsprechenden Fachleute, die Geistlichen, und man sucht. Und ich kenne viele, viele zulässige Lösungen, die dafür hilfreich waren. Doch Sie haben gut getan, es mir zu sagen. – Etwas anderes, das nicht unmittelbar damit zu tun hat, aber damit in Verbindung steht, ist merkwürdig. Für die ärmsten Leute ist ein Kind ein Schatz. Es stimmt, auch hier muss man klug sein. Doch für sie ist ein Kind ein Schatz. Gott weiß, wie er ihnen hilft. Vielleicht sind einige darin nicht klug, das stimmt. Verantwortliche Vaterschaft. Aber man muss auch auf die Großherzigkeit jenes Vaters und jener Mutter schauen, die in jedem Kind einen Schatz sehen.

(Elfte Frage: Elisabetta Piqué für die spanische Gruppe)

In Vertretung der spanischen Gruppe zwei Fragen: Es war für alle eine bewegende Reise. Wir haben gesehen, wie es die ganze Zeit in Tacloban „weinte“; wir Journalisten selbst haben geweint; Sie haben gestern gesagt, dass die Welt nötig hat zu weinen. Es war alles sehr eindrucksvoll. Wir möchten fragen, welches für Sie das stärkste Erlebnis war: die Messe in Tacloban und dann gestern, als dieses Mädchen in Tränen ausbrach… Das ist die erste Frage. Und die zweite: Gestern haben Sie Geschichte gemacht, Sie haben den Rekord von Johannes Paul II. am selben Ort übertroffen: Es waren sechs bis sieben Millionen Menschen da. Wie erleben Sie das? Kardinal Tagle erzählte uns, dass Sie ihn während der Messe am Altar gefragt haben: „Wie viele Menschen sind hier?“ Wie leben Sie also, nachdem Sie diesen Rekord übertroffen haben und in die Geschichte eingegangen sind als der Papst mit der höchsten Teilnehmerzahl an der Messe?

(Papst Franziskus)

Erstens: das stärkste Erlebnis. Das von Tacloban. Die Messe war für mich eindrucksvoll, sehr eindrucksvoll: das ganze Volk Gottes dort zu sehen, still, im Gebet, nach jener Katastrophe… an meine Sünden zu denken und an diese Leute… Das war beeindruckend, ein sehr starkes Erlebnis. Während der Messe dort habe ich mich wie niedergeschmettert gefühlt, beinahe versagte mir die Stimme. Ich weiß nicht, was mit mir geschehen ist, vielleicht war es die innere Ergriffenheit, ich weiß nicht, aber ich habe nichts anderes gespürt… Ein Gefühl der Nichtigkeit.

Andere eindrucksvolle Momente waren die Gesten, jede Geste. Wenn ich vorbeikam und ein Vater machte so [er zeigt, wie sie die Kinder in die Höhe hoben], habe ich den Segen gegeben, und er hat „danke“ gesagt; für sie reichte ein Segen. Da habe ich gedacht: Und ich, der ich so viele Ansprüche habe, dies möchte, jenes möchte… Das hat mir gut getan! Starke Erlebnisse. Auch danach, als ich erfahren habe, dass wir in Tacloban bei einem Wind von 70km/Std. gelandet sind, habe ich die Warnung ernst genommen, dass wir um ein Uhr abfliegen mussten und nicht später, weil Gefahr bestand. Doch ich hatte keine Angst.

Was die große Präsenz betrifft… ich habe mich so klein gefühlt. Das war das Volk Gottes, und der Herr war dort. Es ist die Freude der Gegenwart Gottes, der zu uns sagt: Denkt daran, dass ihr Diener dieser Menschen seid. Sie sind die Protagonisten…

Und dann die andere Sache: das Weinen. Eines der Dinge, die man verliert, wenn zu großer Wohlstand herrscht oder die Werte nicht richtig verstanden werden oder wir an die Ungerechtigkeit, an diese Wegwerfkultur gewöhnt sind,  ist die Fähigkeit zu weinen. Es ist eine Gnade, um die wir bitten müssen. Es gibt im alten Messbuch ein schönes Gebet um die Gabe der Tränen. Es lautete mehr oder weniger so: „O Herr, durch dich hat Mose mit seinem Stock Wasser aus dem Felsen entspringen lassen; gib, dass aus dem Felsen meines Herzens das Wasser der Tränen hervorquelle.“ [Originaltext aus dem Missale Romanum: Omnipotens et mitissime Deus, qui sitienti populo fontem viventis aquae de petra produxisti: educ de cordis nostri duritia lacrimas compunctionis; ut peccata nostra plangere valeamus, remissionemque eorum, te miserante, mereamur accipere.] Wunderschön, dieses Gebet! Wir Christen müssen die Gnade der Tränen erbitten – besonders die wohlhabenden Christen – und weinen über die Ungerechtigkeiten, weinen über die Sünden. Denn das Weinen erschließt deinem Verständnis neue Wirklichkeiten oder neue Dimensionen der Wirklichkeit. Das ist es, was das Mädchen gesagt hat, und auch, was ich ihr gesagt habe. Sie war die Einzige, die jene Frage gestellt hat, die man nicht beantworten kann: “Warum leiden die Kinder?” Der große Dostoevskij hat sie sich gestellt und konnte keine Antwort finden: Warum leiden die Kinder? Sie mit ihren Tränen… eine Frau, die weinte. Wenn ich sage, dass es wichtig ist, die Frauen in der Kirche mehr miteinzubeziehen, dann geht es nicht nur darum, ihnen eine Stellung als Sekretärin eines Dikasteriums zu geben – das mag gehen. Nein, es ist, damit sie uns sagen, wie sie die Wirklichkeit empfinden und sehen, denn die Sichtweise der Frauen beruht auf einem anderen, größeren Reichtum. Und noch etwas, das ich hier unterstreichen möchte: das, was ich dem letzten jungen Mann [beim Treffen mit den Jugendlichen] gesagt habe, der wirklich gut arbeitet, gibt, organisiert, den Armen hilft. Aber nicht vergessen – habe ich ihm gesagt –, dass auch wir Bettler sein müssen, ihnen gegenüber, denn die Armen evangelisieren uns. Wenn wir die Armen aus dem Evangelium herausnehmen, können wir die Botschaft Jesu nicht verstehen. Die Armen evangelisieren uns. – „Ich gehe, um die Armen zu evangelisieren.“ – Ja, aber lasse dich von ihnen evangelisieren! Denn sie besitzen Werte, die du nicht hast.

Ich danke Ihnen sehr für Ihre Arbeit! Ich schätze sie. Und vielen Dank! Ich weiß, dass es für Sie ein Opfer ist.  

 



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