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APOSTOLISCHE REISE VON PAPST FRANZISKUS
NACH POLEN AUS ANLASS DES 31. WELTJUGENDTAGES
 
(27.-31. JULI 2016)

BEGRÜSSUNGSZEREMONIE MIT DEN JUGENDLICHEN

ANSPRACHE DES HEILIGEN VATERS

Jordan-Park, Krakau
Donnerstag, 28. Juli 2016

[Multimedia]



Liebe junge Freunde,
einen schönen guten Abend!

Endlich treffen wir uns! Danke für diesen herzlichen Empfang! Ich danke Kardinal Dziwisz, den Bischöfen, Priestern, Ordensleuten, Seminaristen und Laien und allen, die euch begleiten. Danke all denen, die es ermöglicht haben, dass wir heute hier sind, die sich „abgeschuftet“ haben, damit wir den Glauben feiern können. Heute feiern wir alle zusammen den Glauben!

In diesem seinem Heimatland möchte ich besonders dem heiligen Johannes Paul II. danken [großer Beifall] – kräftig, kräftig! –, der diese Treffen ersonnen und gefördert hat. Vom Himmel aus begleitet er uns, da er so viele junge Menschen aus ganz verschiedenen Völkern, Kulturen und Sprachen mit dem gleichen Beweggrund vereint sieht: Jesus zu feiern, der lebendig mitten unter uns ist. Habt ihr das verstanden? Jesus zu feiern, der lebendig mitten unter uns ist! Und zu sagen, dass er lebt, bedeutet, unsere Bereitschaft zu erneuern, ihm zu folgen, unsere Bereitschaft, Jesu Nachfolge mit Leidenschaft zu leben. Was könnte eine bessere Gelegenheit sein, die Freundschaft mit Jesus zu erneuern, als die Freundschaft unter euch zu festigen! Was könnte eine bessere Art und Weise sein, unsere Freundschaft mit Jesus zu festigen, als sie mit den anderen zu teilen! Was könnte eine bessere Art und Weise sein, die Freude des Evangeliums zu erleben, als das Verlangen zu haben, die Frohe Botschaft in so viele schmerzliche und schwierige Situationen zu übertragen!

Und Jesus ist es, der uns zu diesem 31. Weltjugendtag zusammengerufen hat; Jesus ist es, der uns sagt: » Selig die Barmherzigen, denn sie werden Erbarmen finden« (Mt 5,7). Selig, die imstande sind zu verzeihen, die imstande sind, ein mitfühlendes Herz zu haben, die imstande sind, den anderen das Beste zu geben; das Beste, nicht das, was übrig bleibt: das Beste!

Liebe junge Freunde, in diesen Tagen zieht Polen, dieses edle Land, sein Festkleid an; in diesen Tagen möchte Polen das stets junge Gesicht der Barmherzigkeit sein. Von diesem Land aus wollen wir mit euch und auch vereint mit vielen Jugendlichen, die heute nicht hier sein können, uns aber über die verschiedenen Kommunikationsmittel begleiten, alle gemeinsam aus diesem Weltjugendtag ein echtes Jubiläumsfest machen, in diesem Jubiläum der Barmherzigkeit.

In den Jahren meiner Zeit als Bischof habe ich etwas gelernt – vieles habe ich da gelernt, aber über eines möchte ich jetzt sprechen –: Es gibt nichts Schöneres, als die frohe Bereitschaft, die Hingabe, die Leidenschaft und die Energie zu betrachten, mit der viele junge Menschen ihr Leben leben. Das ist schön! Und woher kommt diese Schönheit? Wenn Jesus das Herz eines jungen Mannes, eines jungen Mädchens anrührt, sind diese zu wirklich grandiosen Handlungen fähig. Es ist anregend, wenn man hört, wie sie ihre Träume, ihre Fragen mitteilen und ihre Bereitschaft, sich allen entgegenzustellen, die behaupten, es könne sich nichts ändern. Jenen, die ich „Quietisten“ nenne: „Nichts kann sich ändern.“ Nein, die jungen Leute haben die Kraft, sich denen entgegenzustellen! Doch… einige sind sich dessen vielleicht gar nicht so sicher?... Ich frage euch und ihr antwortet: Können sich die Dinge ändern? [Ja!] Man hört nichts! [Ja!]. Na also! Es ist ein Geschenk des Himmels, viele von euch sehen zu können, die ihr mit euren Diskussionen zu erreichen sucht, dass die Dinge anders werden. Es ist schön und es tröstet mein Herz, euch so rebellisch zu sehen. Die Kirche blickt heute auf euch – ich würde noch mehr sagen: Die Welt blickt heute auf euch – und möchte von euch lernen, um wieder neu auf die Barmherzigkeit des himmlischen Vaters zu vertrauen. Sie hat ein stets junges Gesicht und hört nicht auf, uns einzuladen, Teil seines Reiches zu sein. Dieses Reich ist ein Reich der Freude, es ist immer ein Reich des Glücks, es ist ein Reich, das uns stets voranbringt, es ist ein Reich, das imstande ist, uns die Kraft zu geben, die Dinge zu ändern. Ich hab‘s vergessen und frage euch noch einmal: Können sich die Dinge ändern? [Ja!]. Einverstanden.

Da ich die Leidenschaft kenne, die ihr in die Mission legt, wage ich zu wiederholen: Die Barmherzigkeit hat immer ein junges Gesicht. Denn ein erbarmungsvolles Herz hat den Mut, aus seinen Bequemlichkeiten aufzubrechen; ein erbarmungsvolles Herz weiß den anderen entgegenzugehen und schafft es, alle zu umarmen. Ein erbarmungsvolles Herz versteht es, eine Zuflucht zu sein für diejenigen, die niemals ein Zuhause hatten oder die es verloren haben; es versteht, ein Daheim und eine Atmosphäre von Familie zu schaffen für diejenigen, die auswandern mussten; es ist zu zärtlicher Liebe und Mitgefühl fähig. Ein erbarmungsvolles Herz weiß sein Brot mit dem Hungrigen zu teilen; ein erbarmungsvolles Herz öffnet sich, um den Flüchtling und den Migranten aufzunehmen. Zusammen mit euch von Barmherzigkeit sprechen, heißt von Chance sprechen, heißt von Zukunft sprechen, heißt von Engagement sprechen, heißt von Zuversicht sprechen, heißt von Offenheit sprechen, von Gastfreundschaft und Mitgefühl, es heißt von Träumen sprechen. Aber seid ihr fähig zu träumen? [Ja!] Und wenn das Herz offen ist und fähig zu träumen, dann hat es auch Platz für Barmherzigkeit, dann ist es weit genug, um die Leidenden zu liebkosen, dann ist es weit genug, um denen zur Seite zu stehen, die keinen Frieden im Herzen haben oder denen es am Lebensnotwendigen fehlt oder denen das Schönste fehlt: der Glaube. – Barmherzigkeit. Sagen wir dieses Wort gemeinsam: Barmherzigkeit. Alle! [Barmherzigkeit] Noch einmal! [Barmherzigkeit] Noch einmal, damit die Welt es hört! [Barmherzigkeit].

Ich möchte euch auch noch etwas anderes gestehen, das ich in diesen Jahren gelernt habe: Ich möchte niemanden beleidigen, aber es schmerzt mich, wenn ich jungen Menschen begegne, die vorzeitig „Pensionierte“ zu sein scheinen. Das schmerzt mich. Junge Menschen, die anscheinend mit 23, 24, 25 Jahren in Pension gegangen sind. Das schmerzt mich. Es macht mir Sorgen, wenn ich junge Menschen sehe, die „das Handtuch geworfen haben“, bevor sie zum Wettkampf angetreten sind. Die sich „ergeben“ haben, ohne überhaupt begonnen zu haben, zu spielen. Es schmerzt mich, junge Menschen zu sehen, die mit traurigem Gesicht umherziehen, als sei ihr Leben nichts wert. Das sind im Wesentlichen gelangweilte… und langweilige Jugendliche, die die anderen langweilen; und das schmerzt mich. Es fällt schwer und wirft zugleich Fragen auf, wenn man junge Menschen sieht, die ihr Leben der Suche nach dem „Rausch“ hingeben oder nach diesem Abenteuer, sich in ihrem Element zu fühlen auf dunklen Wegen, die sie am Ende „bezahlen“… und teuer bezahlen. Denkt an viele Jugendliche, die ihr kennt und die diesen Weg gewählt haben! Es stimmt nachdenklich, wenn man junge Menschen sieht, die die schönen Jahre ihres Lebens und ihre Energien verlieren, indem sie Verkäufern falscher Vorspiegelungen nachlaufen – es gibt solche! – (in meinem Heimatland würden wir sagen „Rauchverkäufern“), die euch um das Beste bringen, das ihr besitzt. Und das schmerzt mich. Ich bin sicher, dass heute unter euch niemand von diesen ist, aber ich möchte euch sagen: Es gibt „pensionierte“ Jugendliche, junge Menschen, die schon vor dem Wettkampf das Handtuch werfen; es gibt junge Menschen, die mit den falschen Vorspiegelungen in Rausch geraten und schließlich im Nichts enden.

Daher, liebe Freunde, haben wir uns versammelt, um uns gegenseitig zu helfen, denn wir wollen uns nicht unser Bestes rauben lassen, wir wollen nicht zulassen, dass man uns um unsere Energien bringt, dass man uns die Freude nimmt, dass man uns mit falschen Vorspiegelungen um unsere Träume bringt.

Liebe Freunde, ich frage euch: Wollt ihr für euer Leben diesen entfremdenden „Rausch“ oder wollt ihr die Kraft spüren, die euch das Gefühl der Lebendigkeit und der Fülle vermittelt? Entfremdender Rausch oder Kraft der Gnade? Was wollt ihr: entfremdenden Rausch oder Kraft der Fülle? Was wollt ihr? [Kraft der Fülle!] Man hört kaum etwas! [Kraft der Fülle!] Um erfüllt zu sein, um ein erneuertes Leben zu haben, gibt es eine Antwort, eine Antwort die nicht zum Verkauf steht, eine Antwort, die man nicht kaufen kann, eine Antwort, die nicht eine Sache, nicht ein Objekt ist; es ist eine Person, sie heißt Jesus Christus. Ich frage euch: Kann man Jesus Christus kaufen? [Nein!] Wird Jesus Christus in den Läden verkauft? [Nein!] Jesus Christus ist eine Gabe, er ist ein Geschenk des Vaters, die Gabe unseres Vaters. Wer ist Jesus Christus? Alle: Jesus Christus ist eine Gabe! Alle! [Er ist eine Gabe!] Er ist das Geschenk des Vaters.

Jesus Christus ist es, der dem Leben wirkliche Leidenschaft verleihen kann, Jesus Christus ist es, der uns bewegt, uns nicht mit dem Geringen zu begnügen, und uns dazu bringt, unser Bestes zu geben. Jesus Christus ist es, der uns anfragt, uns einlädt und uns hilft, jedes Mal wieder aufzustehen, wenn wir uns geschlagen geben. Jesus Christus ist es, der uns treibt, den Blick zu erheben und Großes zu erträumen. „Aber Pater“, kann jemand mir sagen, „es ist so schwierig, Großes zu erträumen, es ist so schwierig, aufwärts zu gehen, immer im Aufstieg zu sein. Pater, ich bin schwach, ich falle; ich strenge mich an, aber oftmals geht’s abwärts mit mir.“ Wenn die Gebirgsjäger die Berge ersteigen, singen sie ein sehr schönes Lied, das so lautet: „In der Kunst des Aufstiegs kommt es nicht so sehr darauf an, nicht zu fallen, sondern darauf, nicht liegenzubleiben.“ Wenn du schwach bist, wenn du fällst, schau ein bisschen nach oben, und da ist die ausgestreckte Hand Jesu, der dir sagt: „Steh auf, komm mit mir!“ – „Und wenn es mir nochmal passiert?“ – „Ebenfalls.“ – „Und noch einmal?“ – „Ebenfalls.“ Petrus hat den Herrn einmal gefragt: „Herr, wie oft…?“ – „Siebzigmal siebenmal!“ Die Hand Jesu ist immer ausgestreckt, um uns wieder aufzuheben, wenn wir fallen. Habt ihr das verstanden? [Ja!]

Im Evangelium haben wir gehört, dass Jesus auf seinem Weg nach Jerusalem in einem Haus Halt macht – dem von Martha, Maria und Lazarus –, das ihn beherbergt. Auf der Durchreise tritt er in ihr Haus ein, um bei ihnen zu sein; die beiden Frauen heißen den willkommen, von dem sie wissen, dass er Mitgefühl hat. Die vielen Beschäftigungen lassen uns sein wie Martha: aktiv, zerstreut, ständig hin und her eilend… doch oft sind wir auch wie Maria: Vor einer schönen Landschaft oder einem Video, das ein Freund uns aufs Handy schickt, verweilen wir nachdenklich und lauschend. Während dieses Weltjugendtags möchte Jesus in unser Haus eintreten: in dein Haus; in mein Haus, in das Herz von jedem von uns. Jesus wird unsere Sorgen sehen, unsere Eile, wie er es bei Martha sah… und er wird hoffen, dass wir ihm zuhören wie Maria: dass wir mitten im Rummel den Mut haben, uns Ihm anzuvertrauen: Mögen es Tage für Jesus sein, die ganz dafür da sind, einander zuzuhören, Jesus zu empfangen in denen, die im gleichen Haus, in der gleichen Straße, in dem gleichen Verein oder in der gleichen Schule sind wie ich.

Und wer Jesus aufnimmt, lernt zu lieben wie Jesus. Dann fragt er uns, ob wir ein Leben in Fülle wollen. Und ich frage euch in seinem Namen: Ihr alle, wollt ihr ein Leben in Fülle? Beginne von diesem Moment an, dich innerlich anrühren zu lassen! Denn das Glück keimt auf und erblüht in der Barmherzigkeit – das ist seine Antwort, das ist seine Einladung, seine Herausforderung, sein Abenteuer: die Barmherzigkeit. Die Barmherzigkeit hat immer ein junges Gesicht – wie das der Maria von Bethanien, die als Jüngerin Jesus zu Füßen sitzt und Gefallen daran findet, ihm zuzuhören, denn sie weiß, dass dort der Friede herrscht. Wie das Gesicht der Maria von Nazareth, die sich mit ihrem „Ja“ ins Abenteuer der Barmherzigkeit gestürzt hat; die von Generation zu Generation selig gepriesen und unser aller „Mutter der Barmherzigkeit“ genannt wird. Rufen wir sie alle zusammen an: Maria, Mutter der Barmherzigkeit. Alle: Maria, Mutter der Barmherzigkeit.

So lasst uns alle gemeinsam den Herrn bitten – jeder soll es schweigend in seinem Herzen wiederholen –: Herr, stürze uns ins Abenteuer der Barmherzigkeit! Stürze uns in das Abenteuer, Brücken zu bauen und Mauern (seien es Einzäunungen oder Gitternetze) niederzureißen; stürze uns in das Abenteuer, dem Armen zu helfen, der sich einsam und verlassen fühlt, der keinen Sinn mehr in seinem Leben findet. Dränge uns, die zu begleiten, die dich nicht kennen, und ihnen nach und nach und sehr taktvoll deinen Namen zu nennen, den Grund meines Glaubens. Dränge uns – wie Maria von Bethanien – in die Haltung des  Hörens, dass wir denen zuhören, die wir nicht verstehen, denen, die aus anderen Kulturen und anderen Völkern kommen, und sogar denen, die wir fürchten, weil wir glauben, sie könnten uns schaden. Lass uns unseren Blick – wie Maria von Nazareth mit Elisabet – unseren alten Menschen, unseren Großeltern zuwenden, um von ihrer Weisheit zu lernen. Ich frage euch: Sprecht ihr mit euren Großeltern? [Ja.] Wohl mehr oder weniger… Sucht eure Großeltern auf; sie besitzen Lebensweisheit und werden euch Dinge sagen, die eure Herzen bewegen.

Da sind wir, Herr! Sende uns aus, um deine barmherzige Liebe mit anderen zu teilen. An diesem Weltjugendtag wollen wir dich aufnehmen. Wir wollen bekräftigen, dass das Leben erfüllt ist, wenn man es von der Barmherzigkeit aus lebt, und dass dies das Bessere ist, das Liebreichere, das, was uns niemals genommen werden soll. Amen.

 



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