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ANSPRACHE VON PAPST FRANZISKUS
AN DIE INTERNATIONALE VEREINIGUNG
VON GENERALOBERINNEN (UISG)

Aula Paolo VI
Donnerstag, 12. Mai 2016

[Multimedia]


 

Erste Frage

Für eine bessere Eingliederung der Frauen in das Leben der Kirche

Papst Franziskus, Sie haben gesagt, dass das weibliche Talent unentbehrlich ist in allen Ausdrucksformen des Lebens der Kirche und der Gesellschaft, und dennoch sind die Frauen von den Entscheidungsprozessen in der Kirche, vor allem auf den höchsten Ebenen, sowie von der Predigt in der Eucharistiefeier ausgeschlossen. Ein wichtiges Hindernis für die volle Annahme des »weiblichen Talents« durch die Kirche ist die Tatsache, dass sowohl die Entscheidungsprozesse als auch die Predigt an die Priesterweihe gebunden sind. Sehen Sie eine Möglichkeit, sowohl Führungsaufgaben als auch die Predigt im Rahmen der Eucharistie von der Weihe zu trennen, damit unsere Kirche in sehr naher Zukunft offener sein kann, das Talent der Frauen anzunehmen?

Papst Franziskus: Hier müssen wir verschiedene Dinge unterscheiden. Die Frage ist an die Funktionalität gebunden, sie ist eng an die Funktionalität gebunden, während die Rolle der Frau darüber hinausgeht. Ich antworte jetzt aber auf die Frage, dann sprechen wir darüber… Ich habe gesehen, dass es andere Fragen gibt, die darüber hinausgehen. Es ist wahr, dass die Frauen von den Entscheidungsprozessen in der Kirche ausgeschlossen sind: ausgeschlossen nicht, aber die Einbindung der Frauen ist dort, in den Entscheidungsprozessen, sehr schwach. Wir müssen vorangehen.

Zum Beispiel – ich sehe da wirklich keine Schwierigkeiten – glaube ich, dass im Päpstlichen Rat für Gerechtigkeit und Frieden das Sekretariat von einer Frau, einer Ordensfrau, geleitet wird. Es wurde eine andere vorgeschlagen, und ich habe sie ernannt, aber sie hat abgelehnt, weil sie woanders hingehen sollte, um andere Aufgaben für ihre Kongregation zu übernehmen. Man muss darüber hinausgehen, denn für viele Aspekte der Entscheidungsprozesse ist die Weihe nicht notwendig. Sie ist nicht notwendig. In der Reform der Apostolischen Konstitution Pastor bonus über die Dikasterien – wenn keine Gerichtsbarkeit besteht, die aus der Weihe hervorgeht, also bischöfliche Gerichtsbarkeit – steht nicht geschrieben, dass es eine Frau sein kann. Ich weiß nicht, ob an der Spitze des Dikasteriums, aber… Zum Beispiel für die Migranten: Im Dikasterium für die Migranten könnte eine Frau gehen. Und wenn Notwendigkeit zur Ausübung der Gerichtsbarkeit besteht – jetzt, da die Migranten in die Zuständigkeit eines Dikasteriums fallen –, dann wird der Präfekt die Genehmigung erteilen.

Aber im Alltag kann es gehen, bei der Durchführung des Entscheidungsprozesses. Für mich ist die Erarbeitung der Entscheidungen sehr wichtig: nicht nur ihre Ausführung, sondern auch die Erarbeitung. Das heißt, dass die Frauen – sowohl geweihte Frauen als auch Frauen im Laienstand – in diesem Prozess in die Reflexion und in die Debatte einbezogen werden. Denn die Frau betrachtet das Leben mit eigenen Augen, und wir Männer können es nicht so betrachten. Und eine Frau sieht ein Problem oder sonst irgendetwas anders als der Mann. Sie müssen einander ergänzen, und es ist wichtig, dass Frauen bei den Beratungen anwesend sind.

In Buenos Aires habe ich einmal die Erfahrung mit einem Problem gemacht: Als ich es mit dem Priesterrat – also nur mit Männern – betrachtete, wurde es gut abgehandelt. Die anschließende Betrachtung mit einer Gruppe von Ordensfrauen und Frauen im Laienstand hat es sehr, sehr bereichert und die Entscheidung durch eine ergänzende Sicht unterstützt. Das ist notwendig, es ist notwendig! Und ich denke, wir müssen damit weitermachen, der Entscheidungsprozess, dann wird man sehen.

Dann ist da das Problem der Predigt in der Eucharistiefeier. Es ist kein Problem, wenn eine Frau – eine Ordensfrau oder eine Frau im Laienstand – in einer Wort-Gottes-Feier die Predigt hält. Das ist kein Problem. In der Eucharistiefeier gibt es jedoch ein liturgisch-dogmatisches Problem, denn es handelt sich um eine einzige Feier – der Wortgottesdienst und die Eucharistiefeier sind eine Einheit –, und den Vorsitz in ihr hat Jesus Christus. Der Priester oder der Bischof, der den Vorsitz hat, handelt in der Person Jesu Christi. Das ist eine theologisch-liturgische Wirklichkeit. Da es keine Priesterweihe für Frauen gibt, können diese in jener Situation nicht den Vorsitz haben. Man kann das, was ich jetzt sehr schnell und etwas vereinfacht dargelegt habe, jedoch noch besser untersuchen und erläutern. Was Führungsaufgaben betrifft, gibt es jedoch kein Problem: Diesbezüglich müssen wir vorangehen, mit Klugheit, aber auf der Suche nach Lösungen…

Es gibt hier zwei Versuchungen, vor denen wir uns in Acht nehmen müssen. Die erste ist der Feminismus: Die Rolle der Frau in der Kirche ist kein Feminismus, sie ist ein Recht! Es ist das Recht einer Getauften mit den Charismen und Gaben, die der Geist geschenkt hat. Man darf nicht in den Feminismus verfallen, denn das würde die Bedeutung der Frau schmälern. In diesem Augenblick sehe ich diesbezüglich keine große Gefahr bei den Ordensfrauen. Ich sehe sie nicht. Vielleicht früher einmal, aber im Allgemeinen ist sie nicht vorhanden. Die andere Gefahr, die eine sehr starke Versuchung darstellt und über die ich schon oft gesprochen habe, ist der Klerikalismus. Und diese ist sehr stark. Denken wir nur daran, dass über 60 Prozent der Pfarreien – bei den Diözesen weiß ich es nicht, aber nur etwas weniger – keinen Wirtschaftsrat und keinen Pastoralrat haben.

Was heißt das? Dass jene Pfarrei und jene Diözese mit klerikalem Geist geleitet werden, nur vom Priester, der die Synodalität auf der Ebene der Pfarrei oder der Diözese nicht umsetzt. Und sie ist keine Neuheit dieses Papstes. Nein! Es steht im Kirchenrecht: Der Pfarrer ist verpflichtet, einen Laienrat zu haben, für und mit Laien – Männer und Frauen im Laienstand sowie Ordensfrauen –, für die Seelsorge und für wirtschaftliche Belange. Und das geschieht nicht. Und das ist heute in der Kirche die Gefahr des Klerikalismus. Wir müssen vorangehen und diese Gefahr aus dem Weg räumen, denn der Priester ist ein Diener der Gemeinschaft, der Bischof ist ein Diener der Gemeinschaft, aber er ist nicht der Chef eines Unternehmens. Nein! Das ist wichtig. In Lateinamerika zum Beispiel ist der Klerikalismus sehr stark, sehr ausgeprägt. Die Laien wissen nicht, was sie tun sollen, wenn sie nicht den Priester fragen…

Es ist sehr stark. Und daher ist das Bewusstsein für die Rolle der Laien in Lateinamerika sehr stark im Rückstand. Nur in der Volksfrömmigkeit hat es sich etwas davor gerettet: Denn der Protagonist ist das Volk, und das Volk hat die Dinge so getan wie sie kamen. Die Priester interessierte dieser Aspekt nicht so sehr, und einige von ihnen misstrauten dem Phänomen der Volksfrömmigkeit. Aber der Klerikalismus ist eine negative Haltung. Und er kommt als Komplize daher, denn man braucht dafür zwei, wie für den Tango, den man zu zweit tanzt… Also den Priester, der den Mann oder die Frau im Laienstand, den Ordensbruder und die Ordensschwester klerikalisieren will, und den Laien, der darum bittet, klerikalisiert zu werden, weil es bequemer ist. Das ist seltsam. In Buenos Aires habe ich diese Erfahrung drei oder vier Mal gemacht: Ein guter Pfarrer kommt zu mir und sagt: »Wissen Sie, ich habe einen sehr tüchtigen Laien in der Pfarrei: Er tut dies und das, er kann organisieren, er ist engagiert, er ist wirklich ein wertvoller Mann… Sollen wir ihn zum Diakon machen?« Also: Sollen wir ihn »klerikalisieren«? »Nein! Lass ihn im Laienstand. Mach ihn nicht zum Diakon.« Das ist wichtig. Auch euch passiert es oft, dass der Klerikalismus euch in der rechtmäßigen Entwicklung der Sache bremst.

Ich werde die Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung bitten – und der Präsidentin lasse ich es vielleicht zukommen –, das, was ich über die Predigt in der Eucharistiefeier etwas oberflächlich gesagt habe, besser und tiefer zu erläutern. Denn ich habe nicht genügend Theologie und Klarheit, um es jetzt zu erklären. Man muss jedoch gut unterscheiden: Eine Sache ist die Predigt in einer Wort-Gottes-Feier, und das kann man machen; etwas anderes ist die Eucharistiefeier, hier ist ein anderes Geheimnis vorhanden. Es ist das Geheimnis des gegenwärtigen Christus, und der Priester oder der Bischof feiern die Eucharistie »in persona Christi«.

Was die Führungsaufgaben betrifft, ist es klar… Ja, ich glaube, das kann meine allgemeine Antwort auf die erste Frage sein. Kommen wir zur zweiten.

Zweite Frage

Die Rolle der geweihten Frauen in der Kirche

Die geweihten Frauen arbeiten bereits viel mit den Armen und mit den Ausgegrenzten. Sie geben Katechismusunterricht, begleiten die Kranken und Sterbenden, spenden die Kommunion, in vielen Ländern leiten sie die gemeinsamen Gebete, wenn keine Priester da sind, und in diesem Rahmen predigen sie. In der Kirche gibt es das Amt des ständigen Diakonats, aber es steht nur Männern offen, verheirateten und unverheirateten. Was hindert die Kirche daran, auch Frauen unter die ständigen Diakone aufzunehmen, genau wie es in der frühen Kirche geschehen ist? Warum setzt man keine offizielle Kommission ein, die diese Frage untersuchen könnte? Können Sie uns ein Beispiel nennen, wo Sie eine Möglichkeit zur besseren Eingliederung der Frauen und der geweihten Frauen in das Leben der Kirche sehen?

Papst Franziskus:

Diese Frage geht in Richtung auf das »Tun«: Die geweihten Frauen arbeiten schon viel mit den Armen, sie tun viele Dinge… im »Tun«. Und sie betrifft das Thema des ständigen Diakonats. Jemand könnte sagen, dass die »ständigen Diakoninnen« im Leben der Kirche die Schwiegermütter sind [Der Papst und die Anwesenden lachen]. Tatsächlich gibt es das in der Antike: Es gab einen Anfang… Ich erinnere mich, dass dieses Thema mich ziemlich interessierte, als ich zu Versammlungen nach Rom kam und in der »Domus Paolo VI« untergebracht war. Dort war ein guter syrischer Theologe; er hatte die kritische Edition und die Übersetzung der Hymnen Ephräms des Syrers herausgegeben. Und eines Tages habe ich ihn darüber befragt, und er hat mir erklärt, dass es in der Frühzeit der Kirche einige »Diakonissen« gab. Aber was sind diese Diakonissen? Waren sie geweiht oder nicht? Auf dem Konzil von Chalkedon (451) ist von ihnen die Rede, aber es ist nicht ganz klar.

Welche Rolle hatten die Diakonissen in jener Zeit? Es scheint – so sagte mir jener Mann, der inzwischen verstorben ist; er war ein guter Professor, weise, gelehrt –, es scheint, dass die Rolle der Diakonissen darin bestand, bei der Taufe der Frauen zu helfen, beim Eintauchen. Sie tauften sie, wegen des Anstands, auch um die Ölungen am Leib der Frauen vorzunehmen, bei der Taufe. Und auch eine interessante Sache: Wenn es ein Eheurteil gab, weil der Ehemann seine Frau schlug und diese zum Bischof ging, um sich zu beklagen, dann waren die Diakonissen beauftragt, die blauen Flecken anzusehen, die die Schläge des Mannes auf dem Leib der Frau hinterließen, und den Bischof darüber zu informieren.

Daran erinnere ich mich. Es gibt einige Veröffentlichungen über das Diakonat in der Kirche, aber es ist nicht klar, wie es ausgesehen hat. Ich glaube, ich werde die Kongregation für die Glaubenslehre bitten, mich über die Studien zu diesem Thema zu informieren, denn ich habe euch nur auf der Grundlage dessen geantwortet, was ich von jenem Priester, einem gelehrten und guten Wissenschaftler, über das ständige Diakonat gehört habe. Außerdem möchte ich eine offizielle Kommission einrichten, die diese Frage untersuchen kann: Ich glaube, es wird der Kirche guttun, diesen Punkt zu klären; ich bin einverstanden und werde Gespräche führen, um so etwas zu machen.

Dann sagt ihr: »Wir stimmen mit Ihnen überein, Heiliger Vater, bezüglich der Notwendigkeit einer bedeutenderen Rolle der Frauen in den Entscheidungspositionen der Kirche, auf die Sie mehrmals verwiesen haben.« Das ist klar. »Können Sie uns ein Beispiel nennen, wo Sie die Möglichkeit einer besseren Eingliederung der Frauen und der geweihten Frauen in das Leben der Kirche sehen?« Ich werde etwas sagen, das später kommt, denn ich habe gesehen, dass es eine allgemeine Frage gibt. An den Beratungen der Kongregation für die Institute des geweihten Lebens und für die Gesellschaften des apostolischen Lebens, an den Versammlungen müssen die geweihten Frauen teilnehmen: Das ist sicher. An den Beratungen über die vielen Probleme, über die gesprochen wird, müssen die geweihten Frauen teilnehmen. Eine andere Sache: eine bessere Eingliederung. Im Augenblick fallen mir keine konkreten Dinge ein, sondern immer nur das, was ich vorhin gesagt habe: das Urteil der geweihten Frau einholen, denn die Frau sieht die Dinge mit eigenen Augen und anders als die Männer, und das ist bereichernd – sowohl für die Beratung als auch für die Entscheidung und die konkrete Umsetzung.

Eure Arbeit mit den Armen, den Ausgegrenzten, den Katechismus lehren, die Kranken und die Sterbenden begleiten: Das sind sehr »mütterliche « Tätigkeiten, in denen die Mütterlichkeit der Kirche besser zum Ausdruck kommt. Aber es gibt auch Männer, die dasselbe tun, und zwar gut: geweihte Männer, Hospitalorden… Und das ist wichtig. Also, was das Diakonat betrifft, ja, ich nehme den Vorschlag an: Eine Kommission, die das gut klärt, vor allem in Bezug auf die Frühzeit der Kirche, scheint mir nützlich zu sein. Im Hinblick auf eine bessere Eingliederung wiederhole ich das, was ich vorhin gesagt habe. Wenn es etwas genauer zu erläutern gibt, dann fragt jetzt nach: Gibt es zu dem, was ich gesagt habe, noch eine Frage, die mir beim Nachdenken helfen kann? Nur zu…

Dritte Frage

Die Rolle der Internationalen Vereinigung von Generaloberinnen

Welche Rolle könnte der Internationalen Vereinigung von Generaloberinnen zukommen, um im Denken der Kirche mitzureden und gehört zu werden, angesichts der Tatsache, dass sie die Stimme von 2000 weiblichen Ordensinstituten einbringt? Wie ist es möglich, dass wir sehr oft vergessen und nicht einbezogen werden, zum Beispiel in die Vollversammlung der Kongregation für die Institute des geweihten Lebens und für die Gesellschaften des apostolischen Lebens, wo es um das geweihte Leben geht? Kann die Kirche es sich erlauben, über uns zu sprechen statt mit uns zu sprechen?

Papst Franziskus:

Schwester Teresina, haben Sie etwas Geduld, denn mir ist etwas eingefallen, das ich bei der anderen Frage vergessen habe, zum Thema: »Was kann das weibliche Ordensleben tun?« Es ist ein Kriterium, über das ihr nachdenken und über das auch die Kirche nachdenken muss. Eure Arbeit, meine Arbeit und die Arbeit aller besteht darin, einen Dienst zu leisten. Oft begegne ich jedoch geweihten Frauen, die als Bedienstete tätig sind statt einen Dienst zu tun. Es ist etwas schwierig zu erklären, denn ich möchte nicht, dass man an konkrete Fälle denkt, was vielleicht ein schlechter Gedanke wäre, denn niemand kennt wirklich die Umstände. Aber denken wir an einen Pfarrer, den wir uns zur Sicherheit ausdenken: »Nein, nein, mein Pfarrhaus ist in den Händen von zwei Ordensschwestern. « – »Und sie kümmern sich um alles?« – »Ja, ja!« – »Und welches Apostolat üben sie aus? Katechismusunterricht?« – »Nein, nein. Nur das!« Nein! Das sind Bedienstete! Sagen Sie mir, Herr Pfarrer, ob es in Ihrer Stadt keine tüchtigen Frauen gibt, die Arbeit brauchen. Stellen Sie eine oder zwei an, um diesen Dienst zu verrichten.

Die beiden Ordensschwestern sollen lieber in die Schulen, in die Wohnviertel, zu den Kranken, zu den Armen gehen. Das ist das Kriterium: einen Dienst tun und nicht als Bedienstete tätig sein! Und wenn man euch Oberinnen um etwas bittet, das kein Dienst, sondern vielmehr eine Tätigkeit als Bedienstete ist, dann seid mutig und sagt »nein«. Dieses Kriterium ist sehr hilfreich. Denn wenn man will, dass eine geweihte Frau als Bedienstete tätig ist, dann werden das Leben und die Würde dieser Frau abgewertet. Ihre Berufung ist der Dienst: der Dienst an der Kirche, wo auch immer sie ist. Aber keine Tätigkeit als Bedienstete!

Und jetzt [antworte ich] Teresina: »Welchen Platz hat Ihrer Ansicht nach das apostolische Ordensleben der Frauen innerhalb der Kirche? Was würde der Kirche fehlen, wenn es keine Ordensfrauen mehr gäbe?« Es würde Maria am Pfingsttag fehlen! Es gibt keine Kirche ohne Maria! Es gibt kein Pfingsten ohne Maria! Maria war da, vielleicht sagte sie nichts… Das habe ich bereits gesagt, aber ich wiederhole es gern. Die geweihte Frau ist eine Ikone der Kirche, sie ist eine Ikone Marias. Der Priester ist keine Ikone der Kirche; er ist keine Ikone Marias; er ist eine Ikone der Apostel, der Jünger, die ausgesandt sind, um zu predigen. Aber nicht der Kirche und Marias. Wenn ich das sage, möchte ich euch zum Nachdenken bringen über die Tatsache, dass »die« Kirche weiblich ist. Die Kirche ist Frau: Es heißt nicht »der« Kirche, es heißt »die« Kirche. Sie ist jedoch eine Frau, die mit Jesus Christus verheiratet ist, sie hat ihren Bräutigam: Jesus Christus. Und wenn ein Bischof für eine Diözese erwählt wird, dann heiratet der Bischof – im Namen Christi – jene Teilkirche. Die Kirche ist Frau! Und die Weihe einer Frau macht sie zur Ikone der Kirche und zur Ikone Marias. Und das können wir Männer nicht tun. Das soll euch helfen, von dieser theologischen Wurzel her eine große Rolle in der Kirche zu vertiefen. Und ich möchte, dass das nicht übersehen wird.

Ich bin völlig einverstanden [mit dem Schluss der dritten Frage]. Die Kirche: Die Kirche seid ihr, die Kirche sind wir alle. Die Hierarchie – sagen wir – der Kirche muss von euch sprechen, aber vorher und im Augenblick muss sie mit euch sprechen! Das ist sicher. Auf der Versammlung der Kongregation für die Institute des geweihten Lebens und für die Gesellschaften des apostolischen Lebens müsst ihr anwesend sein. Ja, ja! Ich werde es dem Präfekten sagen: Auf der Versammlung müsst ihr anwesend sein! Das ist klar, denn über einen Abwesenden zu sprechen, entspricht auch nicht dem Evangelium: Er muss hören können, hören was man denkt, und dann handeln wir gemeinsam. Ich bin einverstanden. Ich hätte wirklich nicht gedacht, dass so viel Abstand da ist. Und danke, dass ihr es so mutig angesprochen habt – und mit diesem Lächeln.

Ich erlaube mir einen Scherz. Sie haben mit jenem Lächeln gesprochen, das in Piemont als »mugna quacia« [Unschuldsmiene] bezeichnet wird. Sehr gut! Ja, da habt ihr recht. Ich denke, dass hier eine Reform einfach ist; ich werde darüber mit dem Präfekten sprechen. »Aber auf dieser Vollversammlung geht es nicht um die Ordensschwestern, es geht um etwas anderes…« – »Die Ordensschwestern müssen angehört werden, denn sie haben eine andere Sicht der Dinge.« Das ist es, was ich vorhin gesagt habe: Es ist wichtig, dass ihr stets mit eingegliedert seid… Ich danke euch für die Frage. Gibt es dazu noch Rückfragen? Noch etwas? Ist es klar? Behaltet das im Gedächtnis: Was würde der Kirche fehlen, wenn es die Ordensfrauen nicht gäbe? Es würde Maria am Pfingsttag fehlen. Die Ordensfrau ist Ikone der Kirche und Marias; und die Kirche ist weiblich, von Jesus Christus zur Braut genommen.

Vierte Frage

Die Hindernisse, denen die geweihten Frauen in der Kirche begegnen

Lieber Heiliger Vater, viele Institute stehen der Herausforderung gegenüber, durch eine Revision der Konstitutionen Neuerungen in die Lebensform und in die Strukturen einzuführen. Das erweist sich als schwierig, denn wir werden vom Kirchenrecht blockiert. Sehen Sie Änderungen im Kirchenrecht vor, um diese Neuerung zu erleichtern? Außerdem haben die jungen Menschen heute Schwierigkeiten, an eine endgültige Bindung zu denken, sowohl in der Ehe als auch im Ordensleben. Wäre es möglich, dass wir offen sind für temporäre Bindungen? Und ein weiterer Aspekt: Wenn wir unseren Dienst in Solidarität mit den Armen und den Ausgegrenzten tun, werden wir oft fälschlicherweise als Sozialaktivistinnen betrachtet, oder man meint, wir bezögen politisch Stellung. Einige kirchliche Autoritäten möchten, dass wir mystischer und weniger apostolisch sind. Welcher Wert wird dem apostolischen Ordensleben, insbesondere den Frauen, von Seiten einiger Teile der hierarchischen Kirche zugesprochen?

Papst Franziskus:

Der erste Punkt: die Veränderungen, die vorgenommen werden müssen, um neue Herausforderungen anzunehmen. Sie haben von Neuerungen gesprochen, Neuerungen im positiven Sinne, wenn ich richtig verstanden habe: neue Dinge, die kommen… Und die Kirche ist darin Meisterin, denn sie musste sich in der Geschichte sehr, sehr, sehr verändern. Jede Veränderung bedarf jedoch der Unterscheidung, und eine Entscheidungsfindung ist nicht möglich ohne das Gebet. Wie geht eine Entscheidungsfindung vor sich? Gebet, Dialog, dann die gemeinsame Entscheidung. Man muss um die Gabe der Unterscheidung bitten – darum, entscheiden zu können. Zum Beispiel ein Unternehmer, der Veränderungen in seiner Firma vornehmen muss: Er wägt die konkreten Gegebenheiten ab und tut das, was sein Gewissen ihm sagt. In unserem Leben spielt eine weitere Person eine Rolle: der Heilige Geist. Und um eine Veränderung vorzunehmen, müssen wir zwar alle konkreten Umstände abwägen, das ist wahr, aber um in einen Entscheidungsfindungsprozess mit dem Heiligen Geist einzutreten, brauchen wir Gebet, Dialog, gemeinsame Entscheidungsfindung.

Zu diesem Punkt glaube ich, dass wir – wenn ich sage: »wir«, dann meine ich auch die Priester – nicht gut ausgebildet sind, was die Entscheidungsfindung in verschiedenen Situationen betrifft. Wir müssen versuchen, Erfahrungen zu sammeln und auch Menschen zu finden, die uns genau erklären, wie die Entscheidungsfindung vor sich geht: ein guter geistlicher Begleiter, der diese Dinge gut kennt und uns erklärt, dass es nicht ein einfaches »Pro und Kontra« ist, ein Resümee ziehen, und los geht’s. Nein, es ist etwas mehr. Jede Veränderung, die man vornehmen muss, macht es erforderlich, in einen Prozess der Unterscheidung einzutreten. Und das wird euch mehr Freiheit, mehr Freiheit geben! Das Kirchenrecht: Das ist kein Problem. Im vergangenen Jahrhundert wurde das Kirchenrecht – wenn ich mich nicht irre – zweimal geändert: 1917 und dann unter Johannes Paul II. Kleine Änderungen kann man vornehmen, sie werden vorgenommen.

Dies waren jedoch zwei Änderungen des gesamten Codex. Der Codex ist ein disziplinäres Hilfsmittel, ein Hilfsmittel für das Seelenheil, für all das: Er ist das juristische Hilfsmittel der Kirche für die Prozesse, viele Dinge. Er wurde jedoch im vergangenen Jahrhundert zweimal völlig verändert, überarbeitet. Und so kann man Teile ändern. Vor zwei Monaten kam eine Anfrage, einen Kanon zu ändern, ich erinnere mich nicht genau… Ich habe es untersuchen lassen, und der Staatssekretär hat die Beratungen durchgeführt. Und alle waren einverstanden: Ja, das muss für das größere Wohl geändert werden, und es wurde geändert.

Der Codex ist ein Werkzeug, das ist sehr wichtig. Aber ich sage noch einmal: Man darf nie eine Veränderung vornehmen ohne einen persönlichen und gemeinschaftlichen Entscheidungsfindungsprozess. Und das wird euch Freiheit geben, denn ihr bringt den Heiligen Geist dorthin, in die Veränderung. Dasselbe hat der heilige Paulus getan, auch der heilige Petrus, als er gespürt hat, dass der Herr ihn drängte, die Heiden zu taufen. Wenn wir die Apostelgeschichte lesen, dann wundern wir uns über all die Veränderungen, all die Veränderungen… Das ist der Heilige Geist! Das ist interessant: In der Apostelgeschichte sind die Hauptakteure nicht die Apostel, sondern der Heilige Geist: »Der Geist drängte, dies zu tun«; »der Geist sagte zu Philippus: geh hierhin und dorthin, finde den Kämmerer und taufe ihn«; »der Geist macht«; »der Geist sagt: Nein, kommt nicht hierher«… Es ist der Geist. Der Geist hat den Aposteln den Mut gegeben, die revolutionäre Veränderung vorzunehmen, die Heiden zu taufen, ohne den Weg über die jüdische Katechese oder die jüdischen Praktiken zu gehen. Das ist interessant: In den ersten Kapiteln gibt es den Brief, den die Apostel nach dem Konzil von Jerusalem an die bekehrten Heiden senden. Sie berichten alles, was sie getan haben: »Der Heilige Geist und wir haben das beschlossen…« Das ist ein Beispiel für eine Entscheidungsfindung, die sie vorgenommen haben. So müsst ihr alle Änderungen vornehmen: mit dem Heiligen Geist. Also Unterscheidung, Gebet und auch konkrete Abwägung der Situationen.

Und bezüglich des Codex gibt es kein Problem. Er ist ein Werkzeug. Zur endgültigen Bindung der jungen Menschen. Wir leben in einer »Kultur des Provisorischen«. Ein Bischof erzählte mir vor einiger Zeit, dass ein junger Student von 23 oder 24 Jahren, er hatte gerade die Universität beendet, zu ihm gekommen sei und zu ihm gesagt habe: »Ich möchte gerne Priester werden, aber nur für zehn Jahre.« Das ist die Kultur des Provisorischen. Im Fall der Ehe ist es ebenso. »Ich heirate dich solange die Liebe andauert und dann Lebewohl.« Die Liebe wird jedoch in hedonistischem Sinne verstanden, im Sinne der heutigen Kultur. Natürlich sind diese Ehen nichtig, sie sind nicht gültig.

Sie haben nicht das Bewusstsein der Endgültigkeit einer Bindung. In der Ehe ist es so. Im Apostolischen Schreiben Amoris laetitia könnt ihr über diese Problematik lesen, es steht in den ersten Kapiteln. Ihr könnt dort lesen, wie die Ehe vorbereitet werden soll. Jemand hat einmal zu mir gesagt: »Das verstehe ich nicht: Um Priester zu werden, müsst ihr acht Jahre studieren, euch etwa acht Jahre lang darauf vorbereiten. Und dann, wenn es nicht geht oder du dich in ein schönes Mädchen verliebst, dann gestattet die Kirche dir: Geh hin, heirate, fang ein anderes Leben an. Die Vorbereitung auf die Ehe – die für das ganze Leben ist, die ›für‹ das Leben ist – besteht in vielen Diözesen aus drei oder vier Vorträgen… « Aber das geht nicht! Wie kann ein Pfarrer unterschreiben, dass sie auf die Ehe vorbereitet sind, mit dieser Kultur des Provisorischen und mit nur diesen wenigen Erklärungen? Das ist ein sehr schwerwiegendes Problem. Im geweihten Leben hat mich stets die Eingebung des heiligen Vinzenz von Paul beeindruckt – positiv beeindruckt: Er hat gesehen, dass die »Töchter der christlichen Liebe« eine so harte, so »gefährliche« Arbeit tun mussten, an vorderster Front, dass sie jedes Jahr die Gelübde erneuern müssen. Nur für ein Jahr. Aber sie taten es aus Charisma, nicht aus der Kultur des Provisorischen heraus: um Freiheit zu geben. Ich glaube, dass die zeitlichen Gelübde im Ordensleben dies erleichtern. Und ich weiß nicht, das müsst ihr sehen, aber ich wäre sehr dafür, die zeitlichen Gelübde vielleicht etwas zu verlängern, aufgrund dieser Kultur des Provisorischen, die die jungen Menschen heute haben: Es bedeutet… die Verlobung zu verlängern, bevor man die Ehe eingeht! Das ist wichtig.

[Jetzt antwortet der Papst auf einen Teil der Frage, der nicht vorgelesen wurde, aber schriftlich vorlag.]

Die Forderungen nach Geld in unseren Ortskirchen. Das mit dem Geld ist ein sehr wichtiges Problem, sowohl im geweihten Leben als auch in der Diözesankirche. Wir dürfen nie  vergessen, dass der Teufel »durch die Taschen« kommt: sowohl durch die Taschen des Bischofs als auch durch die Taschen der Kongregation. Das berührt das Problem der Armut; ich werde nachher darüber sprechen. Die Geldgier ist jedoch die erste Stufe zur Korruption einer Pfarrgemeinde, einer Diözese, einer Kongregation des geweihten Lebens; sie ist die erste Stufe. Ich glaube, sie steht in diesem Zusammenhang: Bezahlung für Sakramente. Seht her, wenn jemand das von euch verlangt, dann zeigt es an. Das Heil ist unentgeltlich. Gott hat uns unentgeltlich ausgesandt; das Heil ist gleichsam eine »Verschwendung der Unentgeltlichkeit «. Es gibt kein Heil auf Bezahlung, es gibt keine Sakramente auf Bezahlung. Ist das klar? Ich kenne das, ich habe in meinem Leben eine solche Korruption gesehen.

Ich erinnere mich an einen Fall. Als ich gerade zum Bischof ernannt worden war, hatte ich den ärmsten Stadtteil von Buenos Aires: Die Stadt ist in vier Vikariate unterteilt. Es gab dort viele Migranten aus anderen amerikanischen Ländern. Und wenn jemand heiraten wollte, kam es vor, dass der Pfarrer sagte: »Diese Leute haben keinen Taufschein.« Und wenn sie in ihrem Land darum baten, bekamen sie zur Antwort: »Ja, aber sende erst 100 Dollar, und dann schicke ich ihn dir.« Ich erinnere mich da an einen Fall. Ich habe mit dem Kardinal gesprochen, der Kardinal hat mit dem dortigen Ortsbischof gesprochen… Aber in der Zwischenzeit konnten die Leute ohne Taufschein heiraten, mit dem Eid der Eltern oder der Paten. Das ist die Bezahlung – nicht nur der Sakramente, sondern auch der Bescheinigungen. Ich erinnere mich an einen jungen Mann in Buenos Aires, der heiraten wollte und zur Pfarrei gegangen ist, um das »Nihil obstat« für die Hochzeit in einer anderen Pfarrei zu beantragen: ein ganz einfaches Dokument. Die Sekretärin sagte zu ihm: »Ja, kommen Sie morgen vorbei, dann ist es fertig, und das ist der Preis«: eine ganz schöne Summe. Es ist aber eine Dienstleistung: Es geht nur darum, die Daten zu überprüfen und ein Formular auszufüllen. Und er – er ist Anwalt, jung, tüchtig, sehr eifrig, ein sehr guter Katholik – ist zu mir gekommen: »Was soll ich jetzt tun?« – »Geh morgen hin und sag ihr, du hättest dem Erzbischof einen Scheck gesandt und dass der Erzbischof ihr den Scheck geben wird.« Geldgeschäfte…

Hier berühren wir jedoch ein ernstes Problem: das Problem der Armut. Ich sage euch etwas: Wenn ein Ordensinstitut – und das gilt auch für andere Situationen –, aber wenn ein Ordensinstitut spürt, dass sein Ende naht, wenn es spürt, dass es nicht in der Lage ist, neue Elemente anzuziehen, wenn es spürt, dass die Zeit, für die der Herr jene Kongregation erwählt hatte, vielleicht vorüber ist, dann besteht die Versuchung der Habgier. Warum? Weil sie denken: »Wenigstens haben wir das Geld für unsere Altersversorgung. « Das ist ein ernstes Problem. Und welche Lösung bietet die Kirche an? Die Zusammenlegung verschiedener Institute mit ähnlichen Charismen, und weitermachen. Aber nie, nie ist das Geld eine Lösung für geistliche Probleme. Es ist ein notwendiges Hilfsmittel, aber mehr auch nicht.

Der heilige Ignatius sagte über die Armut, sie sei »Mutter« und »Mauer« des Ordenslebens. Sie lässt uns im Ordensleben wachsen wie eine Mutter, und sie bewahrt es. Und der Niedergang beginnt, wenn es an Armut mangelt. Ich erinnere mich daran, dass in meiner anderen Diözese ein sehr renommiertes Internat, das von Ordensfrauen geführt wurde, das Schwesternhaus renovieren musste, weil es alt war. Es musste renoviert werden, und es wurde gute Arbeit geleistet. Es wurde gute Arbeit geleistet. Aber damals – ich spreche ungefähr über das Jahr 1993/94 – hieß es: »Wir machen es mit allem Komfort, Zimmer mit privatem Bad und alles, auch mit Fernseher… « In diesem Internat, das sehr renommiert war, fand man zwischen zwei und vier Uhr nachmittags keine einzige Schwester: Alle waren in ihrem Zimmer, um die Telenovela zu schauen! Das ist mangelnde Armut, und sie führt dich zu einem bequemen Leben, in die Phantasie… Das ist ein Beispiel. Vielleicht ist es das einzige in der Welt, aber es lässt uns die Gefahr eines zu großen Komforts verstehen, des Mangels an Armut oder an einer gewissen Einfachheit.

[Ein weiterer Teil der nicht vorgelesenen, aber schriftlich vorliegenden Frage]

»Ordensfrauen beziehen kein Gehalt für ihre Dienste, während Priester eines beziehen. Wie sollen wir ein attraktives Gesicht unseres Lebens zeigen? Wie sollen wir die notwendigen finanziellen Mittel aufbringen, um unserer Sendung nachzugehen?«

Papst Franziskus:

Ich sage euch zwei Dinge: Auf das Charisma, das Innere eures Charismas schauen – jeder hat sein eigenes –, und darauf, welchen Platz die Armut einnimmt. Denn es gibt Kongregationen, die ein Leben in sehr, sehr großer Armut erfordern, während dies bei anderen nicht so sehr der Fall ist. Und alle beide sind von der Kirche approbiert. Dem Charisma entsprechend nach der Armut streben. Außerdem: Ersparnisse. Es ist Klugheit, Ersparnisse zu haben; es ist Klugheit, eine gute Verwaltung zu haben, vielleicht mit einigen Investitionen, das ist klug: für die Ausbildungshäuser, um die Werke zur Unterstützung der Armen weiterzuführen, die Schulen für die Armen weiterzuführen, die apostolischen Tätigkeiten fortzusetzen… Eine finanzielle Grundlage der eigenen Kongregation: Diese muss geschaffen werden. Und ebenso wie Reichtum schlecht sein und der Berufung schaden kann, so kann es auch das Elend. Wenn die Armut zum Elend wird: Auch das ist schlecht.

Hier sieht man die geistliche Klugheit der Gemeinschaft in der gemeinsamen Entscheidungsfindung: die Prokuratorin informiert, alle besprechen es. Ja, es ist zu viel, es ist nicht zu viel… Jene mütterliche Klugheit. Aber lasst euch bitte nicht von jenen Freunden eurer Kongregation täuschen, die euch dann »ausnehmen« und euch alles wegnehmen. Ich habe viele Häuser von Schwestern gesehen – oder andere haben mir davon berichtet –, die alles verloren haben, weil sie einem bestimmten Menschen vertraut haben, der »ein großer Freund der Gemeinschaft« ist! Es gibt viele Betrüger, viele Betrüger. Klugheit besteht darin, niemals nur eine Person um Rat zu fragen: Wenn ihr etwas braucht, dann fragt verschiedene, unterschiedliche Personen um Rat. Die Güterverwaltung ist im geweihten Leben eine sehr große, eine sehr große Verantwortung.

Wenn euch der nötige Lebensunterhalt fehlt, dann sagt es dem Bischof. Zu Gott sagen: »Unser tägliches Brot gib uns heute«, das wahre Brot. Aber mit dem Bischof, mit der Generaloberin, mit der Kongregation für die Ordensleute sprechen. Was den notwendigen Lebensunterhalt betrifft, denn das Ordensleben ist ein Weg der Armut, aber es ist kein Selbstmord! Und das ist gesunde Klugheit. Ist das klar? Und dann: Wo es Konflikte gibt wegen dem, was die Ortskirchen von euch verlangen, ist es notwendig zu beten, zu unterscheiden und den Mut zu haben, wenn es sein muss, »nein« zu sagen, und die Großherzigkeit, wenn es sein muss, »ja« zu sagen. Aber ihr seht, wie notwendig die Unterscheidung in jedem Fall ist!

[Der Papst greift die schriftlich vorliegende Frage wieder auf]

»Wenn wir unseren Dienst ausüben, mit den Armen und den Ausgegrenzten solidarisch sind, werden wir oft fälschlicherweise als Sozialaktivistinnen betrachtet oder so als würden wir politische Position beziehen. Einige kirchliche Autoritäten betrachten unseren Dienst negativ und betonen, dass wir mehr auf eine mystische Lebensform ausgerichtet sein sollten. Wie können wir unter diesen Umständen unsere prophetische Berufung leben…?«

Papst Franziskus:

Ja. Alle Ordensfrauen, alle geweihten Frauen müssen mystisch leben, denn ihr lebt in einer Vermählung; eure Berufung ist eine Berufung zur Mutterschaft, es ist eine Berufung, an der Stelle der Mutter Kirche und der Mutter Maria zu stehen. Aber die, die das zu euch sagen, meinen, dass mystisch zu sein bedeutet, eine Mumie zu sein, immer im Gebet versunken… Nein, nein. Man muss so beten und arbeiten wie es dem eigenen Charisma entspricht.

Und wenn das Charisma dich dahin bringt, dich um Flüchtlinge, um Arme zu kümmern, dann musst du es tun. Sie werden dich als »Kommunistin « bezeichnen – das ist noch das Geringste. Aber du musst es tun. Denn das Charisma bringt dich dazu. Ich erinnere mich an eine Ordensschwester in Argentinien: Sie war Provinzoberin ihrer Kongregation. Eine tüchtige Frau, und sie arbeitet noch immer… Sie ist fast in meinem Alter, ja. Und sie setzt sich gegen Mädchenhändler, gegen Menschenhändler ein. Ich erinnere mich, dass sie unter der Militärregierung in Argentinien ins Gefängnis gesteckt werden sollte. Es wurde Druck gemacht auf den Erzbischof, es wurde Druck gemacht auf die Provinzoberin, bevor sie selbst Provinzoberin wurde, »denn diese Frau ist Kommunistin«. Und diese Frau hat viele Mädchen gerettet, viele Mädchen! Ja, das ist das Kreuz. Was wurde über Jesus gesagt? Dass er Beelzebul war, dass er die Macht des Beelzebul hatte. Die Verleumdung: Bereitet euch darauf vor. Wenn ihr Gutes tut, mit dem Gebet, vor Gott, euer Charisma mit allen Konsequenzen annehmt und vorangeht, dann bereitet euch auf Diffamierung und Verleumdung vor, denn der Herr hat diesen Weg für sich gewählt! Und wir Bischöfe müssen diese Frauen schützen, die die Ikone der Kirche sind, wenn sie schwierige Dinge tun und verleumdet und verfolgt werden. Verfolgt zu werden ist die letzte der Seligpreisungen. Der Herr hat zu uns gesagt: »Selig seid ihr, wenn ihr verfolgt und beleidigt werdet«, und all diese Dinge. Aber hier kann folgende Gefahr liegen: »Ich mache mein Ding.« Nein, nein: Wenn du es hörst, wenn du verfolgt wirst: Sprich darüber. Mit deiner Gemeinschaft, mit deiner Oberin, sprich mit allen, bitte um Rat, denke nach: wieder das Wort. Und einmal stand diese Ordensfrau, von der ich gerade gesprochen habe, weinend vor mir und sagte: »Schau den Brief an, den ich aus Rom erhalten habe.« – Ich werde nicht sagen, woher. – »Was soll ich tun?« – »Bist du eine Tochter der Kirche?« – »Ja!« – »Willst du der Kirche gehorchen?« – »Ja!« – »Antworte, dass du der Kirche gehorsam sein wirst, und dann geh zu deiner Oberin, geh zu deiner Gemeinschaft, geh zu deinem Bischof – das war ich –, und die Kirche wird sagen, was du tun sollst. Aber kein Brief, der aus 12.000 Kilometern Entfernung kommt.« Denn dort hatte ein Freund der Feinde der Ordensschwester geschrieben, sie war verleumdet worden. Ihr sollt mutig sein, aber mit Demut, Unterscheidung, Gebet, Dialog.

Schluss

»Ein Wort der Ermutigung an uns Frauen im Leitungsdienst, die wir die Last des Tages tragen.«

Papst Franziskus:

Aber atmet auch einmal gut durch! Die Erholung, denn viele Krankheiten kommen vom Mangel an guter Erholung, Erholung in der Familie… Das ist wichtig, um die Last des Tages zu tragen.

Ihr erwähnt hier auch die alten und kranken Schwestern. Diese Schwestern sind jedoch das Gedächtnis des Instituts. Es sind die Schwestern, die gesät und gearbeitet haben, und jetzt sind sie gelähmt oder schwerkrank oder werden beiseite geschoben. Diese Schwestern beten für das Institut. Das ist sehr wichtig, dass sie sich in das Gebet für das Institut eingebunden fühlen. Diese Schwestern haben auch eine sehr große Erfahrung: die einen mehr, die anderen weniger. Hört ihnen zu! Geht zu ihnen: »Sagen Sie mir, Schwester, was denken Sie über dieses und jenes?« Sie müssen spüren, dass ihr Rat gefragt ist, und aus ihrer Weisheit wird ein guter Rat kommen. Da könnt ihr sicher sein.

Das ist es, was ich euch zu sagen habe. Ich weiß, dass ich mich ständig wiederhole und immer wieder dieselben Dinge sage, aber so ist das Leben… Ich höre gerne Fragen, weil sie mich zum Nachdenken bringen, und ich fühle mich wie der Torwart, der da steht und darauf wartet, wohin der Ball fliegt… Das ist gut, und das sollt auch ihr im Dialog tun.

Die Dinge, die ich zu tun versprochen habe, werde ich tun. Und betet für mich, ich bete für euch. Und gehen wir voran. Unser Leben ist für den Herrn, für die Kirche und für die Menschen, die viel leiden und die Liebkosung des Vaters brauchen, durch euch! Danke! Ich schlage euch etwas vor: Wenden wir uns zum Abschluss an die Mutter. Jede von euch soll in der eigenen Sprache das Ave Maria beten. Ich werde es auf Spanisch beten.

[Ave Maria…] 

[Nach dem Segen sagte der Papst]: Und betet für mich, damit ich der Kirche gut dienen kann.

 



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