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ANSPRACHE VON PAPST FRANZISKUS
AN DIE TEILNEHMER DER BEGEGNUNG
ZUM THEMA
MONTANINDUSTRIE

Konsistoriensaal
Freitag, 3. Mai 2019

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Liebe Brüder und Schwestern!

Ich heiße euch alle herzlich willkommen und danke Kardinal Turkson für seine Einführung. Ich danke euch, dass ihr in den Vatikan gekommen seid, um euch diesem Gespräch zum Thema »Montanindustrie für das Gemeinwohl« zu stellen. In der Enzyklika Laudato sihabe ich hinsichtlich des besorgniserregenden Zustands des Planeten die Notwendigkeit hervorgehoben, »in Bezug auf unser gemeinsames Haus […] mit allen ins Gespräch zu kommen« (Nr. 3). Wir brauchen einen Dialog, der sowohl auf die Klage der Erde als auch auf die Klage der Armen tatsächlich eine Antwort gibt (vgl. ebd., 49). Ich freue mich besonders, dass bei eurer Begegnung Vertreter der vom Bergbau betroffenen Gemeinschaften wie auch der Montanunternehmen gemeinsam an einem Tisch versammelt sind. Das ist lobenswert, und es ist ein wesentlicher Schritt nach vorn auf dem Weg des Fortschritts. Wir müssen diesen Dialog ermutigen, damit er fortgesetzt und zur Regel statt zur Ausnahme wird. Ich spreche euch meine Anerkennung aus, weil ihr euch auf den Weg des gegenseitigen Dialogs gewagt habt, im Geist der Aufrichtigkeit, des Mutes und der Brüderlichkeit.

Der prekäre Zustand unseres gemeinsamen Hauses ist hauptsächlich einem Wirtschaftsmodell geschuldet, dem man allzu lange gefolgt ist. Es ist ein unersättliches, auf Profit ausgerichtetes Modell mit einem beschränkten Horizont, das auf der Illusion des unbegrenzten wirtschaftlichen Wachstums gründet. Auch wenn wir oft seine katastrophalen Auswirkungen auf die Natur und auf das Leben der Menschen erleben, so widersetzen wir uns dennoch immer noch einer Veränderung. »Indessen fahren die Wirtschaftsmächte fort, das aktuelle weltweite System zu rechtfertigen, in dem eine Spekulation und ein Streben nach finanziellem Ertrag vorherrschen, die dazu neigen, den gesamten Kontext wie auch die Wirkungen auf die Menschenwürde und die Umwelt zu ignorieren« (ebd., 56).

Wir sind uns bewusst: »Der Markt von sich aus gewährleistet […] nicht die ganzheitliche Entwicklung des Menschen und die soziale Inklusion « (ebd., 109) und »der Umweltschutz kann nicht nur auf der Grundlage einer finanziellen Kostennutzenrechnung gewährleistet werden« (ebd., 190). Wir brauchen einen Paradigmenwechsel in all unseren wirtschaftlichen Tätigkeiten, einschließlich des Bergbaus. In diesem Zusammenhang ist der Titel eurer Begegnung – »Montanindustrie für das Gemeinwohl« – sehr angemessen. Was bedeutet das konkret? Gestattet mir, in diesem Zusammenhang einige Überlegungen zu formulieren, die euch bei eurem Dialog nützlich sein könnten. Vor allem sollte die Montanindustrie wie jede wirtschaftliche Tätigkeit im Dienst der ganzen menschlichen Gemeinschaft stehen. Der heilige Paul VI. schrieb: »Gott hat die Erde mit allem, was sie enthält, zum Nutzen aller Menschen und Völker bestimmt; darum müssen diese geschaffenen Güter in einem billigen Verhältnis allen zustattenkommen.«[1] Das ist ein Grundpfeiler der Soziallehre der Kirche. In dieser Hinsicht ist die Einbeziehung der örtlichen Gemeinschaften in jede Phase der Pläne der Montanindustrie wichtig. »Immer ist es notwendig, den Konsens unter den verschiedenen gesellschaftlichen Akteuren einzuholen, die unterschiedliche Perspektiven, Lösungen und Alternativen beisteuern können. Einen privilegierten Platz in der Diskussion müssen jedoch die Einwohner vor Ort haben, die sich fragen, was sie für sich und für ihre Kinder wollen, und die auch Ziele in Betracht ziehen können, die das unmittelbare wirtschaftliche Interesse übersteigen « (Enzyklika Laudato si, 183). Im Licht der bevorstehenden Bischofssynode für die Pan-Amazonas-Region möchte ich hervorheben, dass es unumgänglich ist, »den Gemeinschaften der Ureinwohner mit ihren kulturellen Traditionen besondere Aufmerksamkeit zu widmen.

Sie sind nicht eine einfache Minderheit unter anderen, sie müssen vielmehr die wesentlichen Ansprechpartner werden, vor allem wenn man mit großen Projekten vordringt, die ihre Gebiete einbeziehen« (ebd., 146). Diese verletzlichen Gemeinschaften haben viel, was sie uns lehren können. »Denn für sie ist das Land nicht ein Wirtschaftsgut, sondern eine Gabe Gottes und der Vorfahren, die in ihm ruhen; ein heiliger Raum, mit dem sie in Wechselbeziehung stehen müssen, um ihre Identität und ihre Werte zu erhalten. […] In verschiedenen Teilen der Erde stehen sie jedoch unter Druck, ihr Land aufzugeben, um es für Bergbauprojekte bzw. land- und viehwirtschaftliche Pläne frei zu lassen, die nicht auf die Schädigung der Natur und der Kultur achten« (ebd.) Ich ermahne alle, die Grundrechte des Menschen und die Stimme der Menschen dieser schönen, aber schwachen Gemeinschaften zu respektieren.

Zweitens sollte die Montanindustrie im Dienst des Menschen stehen und nicht umgekehrt. Papst Benedikt XVI. schrieb: »In den Beiträgen zur Entwicklung muss das Prinzip der zentralen Stellung der menschlichen Person sichergestellt sein, die das Subjekt ist, das in erster Linie die Verpflichtung zur Entwicklung auf sich nehmen muss.«[2] Jeder Mensch ist wertvoll in den Augen Gottes, und seine grundlegenden Menschenrechte sind heilig und unantastbar, unabhängig vom sozialen oder wirtschaftlichen Status. Die Aufmerksamkeit gegenüber dem Schutz und dem Wohlergehen der in die Bergbauarbeiten einbezogen Menschen sind ebenso wie die Achtung der grundlegenden Menschenrechte der Mitglieder der örtlichen Gemeinschaften und derer, die ihre Anliegen verteidigen, nichtverhandelbare Prinzipien. Die soziale Verantwortung im Unternehmensbereich genügt nicht. Wir müssen sicherstellen, dass die Bergbauarbeiten zur ganzheitlichen menschlichen Entwicklung jeder Person und aller Personen sowie der ganzen Gemeinschaft führen.

Drittens ist es notwendig, die Entwicklung einer Kreislaufwirtschaft zu ermutigen, besonders im Bereich der Montanindustrie. Ich finde, dass die Aussage, die meine lateinamerikanischen Brüder im Bischofsamt in ihrem kürzlich veröffentlichen Hirtenbrief im Hinblick auf den Bergbau getroffen haben, sehr passend ist. Sie schreiben: »Unter ›Extraktivismus‹ verstehen wir die ungebremste Tendenz des Wirtschaftssystems, die Güter der Natur in Kapital zu verwandeln. Die größtmögliche Menge an Material in so wenig Zeit wie möglich zu ›extrahieren‹, zu Rohstoffen zu machen, und durch industrielle Produktionsformen in Produkte und Dienstleistungen zu verwandeln, die andere kommerzialisieren, die Gesellschaft konsumiert und die Natur selbst in Form besorgniserregender Abfälle zurückerhält, ist der konsumistische Kreislauf, der sich mit immer größerer Geschwindigkeit und unter immer größeren Gefahren bildet.«[3]

Wir müssen diese Wegwerfkultur anklagen und vermeiden. »Dagegen hat das Industriesystem am Ende des Zyklus von Produktion und Konsum keine Fähigkeit zur Übernahme und Wiederverwertung von Rückständen und Abfällen entwickelt. Noch ist es nicht gelungen, ein auf Kreislauf ausgerichtetes Produktionsmodell anzunehmen, das Ressourcen für alle und für die kommenden Generationen gewährleistet und das voraussetzt, den Gebrauch der nicht erneuerbaren Reserven aufs Äußerste zu beschränken, den Konsum zu mäßigen, die Effizienz der Ressourcennutzung maximal zu steigern und auf Wiederverwertung und Recycling zu setzen« (Enzyklika Laudato si, 22). Die Förderung einer Kreislaufwirtschaft und der Ansatz »reduzieren, wiederverwerten, recyceln« stehen auch sehr in Übereinstimmung mit dem nachhaltigen Konsum- und Produktionsmustern, die vom 12. Ziel für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen gefördert werden. Außerdem haben die religiösen Traditionen immer die Einfachheit als Schlüsselelement eines ethischen und verantwortungsbewussten Lebensstils dargestellt. Die Einfachheit ist auch lebenswichtig, um unser gemeinsames Haus zu retten. »Selig die Sanftmütigen; denn sie werden das Land erben« (Mt 5,5).

Liebe Brüder und Schwestern, unsere Bemühungen und unser Kampf um die Bewahrung des gemeinsamen Hauses sind wirklich ein ökumenischer Weg, der uns herausfordert, als Angehörige eines gemeinsamen Hauses (»oecumene «) zu denken und zu handeln. Ich freue mich besonders, dass eure Begegnung Vertreter von Kirchen und Glaubensgemeinschaften aus aller Welt versammelt hat. Ich danke auch den Vertretern der Montanindustrie, dass sie diesem Gespräch beigewohnt haben. Wir müssen gemeinsam handeln, um unser gemeinsames Haus zu heilen und wiederaufzubauen. Wir alle sind berufen, »als Werkzeuge Gottes an der Bewahrung der Schöpfung mitzuarbeiten, ein jeder von seiner Kultur, seiner Erfahrung, seinen Initiativen und seinen Fähigkeiten aus« (Enzyklika Laudato si, 14).

Ich wünsche, dass eure Begegnung wirklich ein Augenblick der Entscheidungsfindung sein und zu einem konkreten Handeln führen möge. Ich hoffe, dass ihr, wie die lateinamerikanischen Bischöfe geschrieben haben, in der Lage sein werdet, »zu untersuchen, zu interpretieren, zu erkennen, welche Art von Bergbau in den jeweiligen Gebieten angemessen oder unangemessen ist, und entsprechend Vorschläge zu machen, zu planen, zu handeln, um unseren Lebensstil zu verändern und die Energiepolitik von Staaten und Regierungen zu beeinflussen, ebenso wie die Maßnahmen und Strategien der im Bergbau tätigen Unternehmen, um das Gemeinwohl und eine echte nachhaltige und ganzheitliche Entwicklung des Menschen zu verwirklichen.«[4]

Eure Begegnung ist wichtig, weil ihr Fragen behandelt, die die Zukunft unseres gemeinsamen Hauses sowie die Zukunft unserer Kinder und der zukünftigen Generationen betreffen. »Wir müssen uns bewusstwerden, dass unsere eigene Würde auf dem Spiel steht. Wir sind die Ersten, die daran interessiert sind, der Menschheit, die nach uns kommen wird, einen bewohnbaren Planeten zu hinterlassen. Das ist ein Drama für uns selbst, denn dies beleuchtet kritisch den Sinn unseres eigenen Lebensweges auf dieser Erde« (Enzyklika Laudato si, 160). Mögt ihr diesen großen Horizont nie aus den Augen verlieren! Von Herzen segne ich euch, eure Familien und eure Gemeinschaften. Bitte betet auch für mich. Danke.


[1] Enzyklika Populorum progressio, 22.

[2] Enzyklika Caritas in veritate, 47.

[3] Vgl. CELAM, Discipulos misioneros custodios de la casa común. Discernimiento a la luz de la encíclica Laudato si’, Bogotá, Januar 2018, 11.

[4] Vgl. CELAM, Discipulos misioneros custodios de la casa común. Discernimiento a la luz de la encíclica Laudato si’, Bogotá, Januar 2018, 12.

 

 



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