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HOCHFEST DER AUFNAHME MARIENS IN DEN HIMMEL

PREDIGT VON BENEDIKT XVI.

Pfarrkirche des Hl. Thomas von Villanova, Castelgandolfo
Dienstag, 15. August 2006

 

Verehrte Brüder im Bischofs- und Priesteramt,
liebe Brüder und Schwestern!

Im Magnifikat – dem eben im Evangelium gehörten großen Lobgesang der Muttergottes – treffen wir auf überraschende Worte. Maria sagt: »Siehe, von nun an preisen mich selig alle Geschlechter. « Die Mutter des Herrn prophezeit das für alle Zukunft bestehende Marienlob der Kirche, die Marienverehrung des Gottesvolkes bis an das Ende der Zeiten. Mit dem Lobpreis Marias hat die Kirche nichts erfunden, was »neben« der Schrift steht, sondern vielmehr jene Prophezeiung erfüllt, die Maria in jenem Augenblick der Gnade ausgesprochen hat.

Diese Worte Marias waren nicht nur persönliche, vielleicht eigenmächtige Worte. Wie Lukas berichtet, hatte Elisabet, vom Heiligen Geist erfüllt, ausgerufen: »Selig ist die, die geglaubt hat«. Und Maria setzt, ebenfalls vom Heiligen Geist erfüllt, die Worte Elisabets fort und vervollständigt sie, indem sie sagt: »Von nun an preisen mich selig alle Geschlechter.« Das ist eine wahre vom Heiligen Geist inspirierte Prophezeiung, in der Verehrung Marias entspricht die Kirche einem Gebot des Heiligen Geistes und tut, was sie tun muß. Wir loben Gott nicht genug, wenn wir über seine Heiligen schweigen, insbesondere über »die Heilige«, Maria, die seine Wohnung auf Erden geworden ist. Das einfache und facettenreiche Licht Gottes erscheint uns in seiner Vielfalt und in seinem Reichtum allein auf dem Antlitz der Heiligen, die der wahre Spiegel seines Lichtes sind. Und vor allem im Antlitz Marias können wir die Schönheit Gottes, seine Güte und Barmherzigkeit mehr erkennen als auf andere Art und Weise. Auf ihrem Antlitz können wir das göttliche Licht wirklich wahrnehmen.

»Von nun an preisen mich selig alle Geschlechter.« Wir können Maria preisen, sie verehren, weil sie »selig« ist, selig ist für immer. Das ist der Inhalt dieses Festes. Sie ist selig, weil sie mit Gott verbunden ist, mit ihm und in ihm lebt. Am Vorabend seines Leidens sagte der Herr, von den Seinen Abschied nehmend: »Ich gehe, um im großen Haus des Vaters einen Platz für euch vorzubereiten. Im Haus des Vaters gibt es viele Wohnungen.« Und indem sie sagt: »Ich bin deine Magd, dein Wille geschehe«, hat Maria die Wohnung Gottes hier auf Erden vorbereitet; mit Leib und Seele ist sie seine Wohnstatt geworden und hat so die Erde dem Himmel geöffnet.

Im Evangelium, das wir soeben gehört haben, gibt Lukas mit verschiedenen Hinweisen zu verstehen, daß Maria die wahre Bundeslade ist, daß das Geheimnis des Tempels – die Einwohnung Gottes hier auf Erden – sich in Maria erfüllt. Gott wohnt wahrhaft in Maria, wird hier auf Erden gegenwärtig. Maria wird das »Zelt Gottes«. Das, was alle Kulturen ersehnen – nämlich daß Gott unter uns wohnt –, wird hier Wirklichkeit. Der hl. Augustinus sagt: »Noch bevor sie den Herrn in ihrem Leib empfing, hatte sie ihn bereits in ihrer Seele empfangen.« Sie hatte dem Herrn ihre Seele geöffnet und wurde so wirklich der wahre Tempel, in dem Gott Mensch und auf dieser Erde gegenwärtig geworden ist. Und somit ist in Maria, der Wohnung Gottes auf Erden, bereits seine ewige Wohnstatt vorbereitet, für immer vorbereitet. Das ist der gesamte Inhalt des Dogmas von der Aufnahme Marias mit Leib und Seele in die himmlische Herrlichkeit, der hier in diesen Worten zum Ausdruck kommt. Maria ist »selig«, weil sie – vollkommen, mit Leib und Seele und für immer – die Wohnung des Herrn geworden ist. Wenn das wahr ist, lädt Maria uns nicht nur einfach zu Bewunderung und Verehrung ein, sondern sie führt uns, weist uns den Weg des Lebens, zeigt uns, wie wir selig werden und den Weg der Glückseligkeit finden können.

Hören wir nochmals die Worte Elisabets, die im Magnifikat Marias ergänzt werden: »Selig ist die, die geglaubt hat«. Der erste und grundlegende Schritt, um Wohnstätte Gottes zu werden und so die endgültige Glückseligkeit zu finden, ist zu glauben, ist der Glaube, der Glaube an Gott, an jenen Gott, der sich in Jesus Christus offenbart hat und sich im göttlichen Wort der Heiligen Schrift an uns wendet. Glauben bedeutet nicht, eine weitere Meinung anderen hinzuzufügen, und die Überzeugung, der Glaube, daß es Gott gibt, ist nicht eine Information wie jede andere. Bei vielen Informationen spielt es für uns keine Rolle, ob sie wahr oder falsch sind, sie ändern unser Leben nicht. Aber wenn es Gott nicht gibt, dann ist das Leben leer, ist die Zukunft leer. Wenn es Gott aber gibt, ändert sich alles, das Leben ist Licht, unsere Zukunft ist Licht, wir haben einen Orientierungspunkt dafür, wie wir leben sollen. Glauben ist somit die grundlegende Orientierung unseres Lebens. Glauben, sagen: »Ja, ich glaube, daß du Gott bist, ich glaube, daß du in deinem menschgewordenen Sohn unter uns gegenwärtig bist«, gibt meinem Leben Orientierung, veranlaßt mich, mich an Gott zu binden, mich mit ihm zu vereinen und so den Ort zu finden, wo ich leben will, und die Art und Weise, wie ich leben will. Glauben ist nicht nur eine Denkweise, eine Idee; es ist, wie ich bereits angedeutet habe, eine Handlungs-, eine Lebensweise. Glauben bedeutet, dem vom Wort Gottes vorgegebenen Weg folgen. Diesem fundamentalen Akt des Glaubens, der ein existentieller Akt, eine Stellungnahme für das ganze Leben ist, fügt Maria ein weiteres Wort hinzu: »Er erbarmt sich von Geschlecht zu Geschlecht über alle, die ihn fürchten.« Mit der ganzen Heiligen Schrift spricht sie von »Gottesfurcht «, ein Wort, das wir vielleicht nicht so recht kennen oder lieben. Aber »Gottesfurcht« ist keine Angst, sondern etwas ganz anderes. Als Kinder haben wir keine Angst vor dem Vater, wohl aber Ehrfurcht vor Gott, die Sorge, jene Liebe zu zerstören, auf die unser Leben gegründet ist. Gottesfurcht ist jenes Bewußtsein für die Verantwortung, das wir haben müssen, Verantwortung für den Teil der Welt, der uns im Leben anvertraut ist. Verantwortung, diesen Teil der Welt und der Geschichte, der wir sind, gut zu verwalten und so dem rechten Aufbau der Welt, dem Sieg des Guten und des Friedens zu dienen.

»Von nun an preisen dich selig alle Geschlechter«: Das bedeutet, daß die Zukunft, das, was vor uns liegt, Gott gehört, in seinen Händen liegt, daß Gott siegen wird. Und es ist nicht der Drache, der siegen wird, der starke Drache, von dem heute die Erste Lesung spricht, der Drache, der alle gewalttätigen Mächte der Welt verkörpert. Sie scheinen unbesiegbar, aber Maria sagt uns, daß sie nicht unbesiegbar sind. Die Frau – so zeigen uns die Erste Lesung und das Evangelium – ist stärker, weil Gott stärker ist. Sicher, dem so mächtigen und bedrohlichen Drachen gegenüber erscheint die Frau, die Maria ist und auch die Kirche, schutzlos und verwundbar. Und tatsächlich ist Gott in der Welt verwundbar, denn er ist die Liebe, und Liebe ist verwundbar. Dennoch hat er die Zukunft in der Hand; die Liebe und nicht der Haß wird siegen, der Frieden wird schließlich den Sieg erringen.

Das ist der große Trost, der im Dogma von der Aufnahme Marias mit Leib und Seele in die Herrlichkeit des Himmels enthalten ist. Danken wir dem Herrn für diesen Trost, aber sehen wir ihn auch als Verpflichtung für uns an, auf der Seite des Guten, des Friedens zu stehen. Bitten wir Maria, Königin des Friedens, um ihre Hilfe, damit der Frieden siegt, heute: »Königin des Friedens, bitte für uns.« Amen!

 

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