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FEIER DER OSTERNACHT

PREDIGT VON BENEDIKT XVI.

Petersdom
Ostersamstag, 11. April 2009

 

Liebe Brüder und Schwestern!

Der heilige Markus erzählt uns in seinem Evangelium, daß die Jünger beim Herabsteigen vom Berg der Verklärung miteinander darüber diskutierten, was das bedeute: „von den Toten auferstehen“ (vgl. Mk 9, 10). Der Herr hatte ihnen zuvor sein Leiden und die Auferstehung nach drei Tagen angekündigt. Petrus hatte Einspruch gegen die Ankündigung des Todes erhoben. Aber nun fragten sie sich, was denn mit Auferstehung gemeint sein könne. Geht es uns nicht auch so? Weihnachten, die Geburt des göttlichen Kindes, ist uns irgendwie unmittelbar zugänglich. Das Kind können wir lieben, uns die Nacht zu Bethlehem vorstellen, die Freude Marias, die Freude des heiligen Josefs und der Hirten und den Jubel der Engel. Aber Auferstehung – was ist das? In unserem Erfahrungskreis kommt das nicht vor, und so bleibt die Botschaft häufig irgendwie unbegriffen in der Vergangenheit stehen. Die Kirche versucht, uns zum Verstehen zu führen, indem sie dieses geheimnisvolle Ereignis in die Sprache der Symbole übersetzt, in denen wir irgendwie das Wesen dieses umwälzenden Geschehens anschauen können. In der Osternacht zeigt sie uns vor allem in drei Symbolen an, was dieser Tag bedeutet: das Licht, das Wasser und das neue Lied – das Halleluja.

Da ist zunächst das Licht. Gottes Schöpfung – so sagt uns der eben gehörte biblische Bericht – beginnt mit dem Wort: „Es werde Licht!“ (Gen 1, 3). Wo Licht ist, da entsteht Leben, da kann aus Chaos Kosmos werden. Für den biblischen Bericht ist das Licht das unmittelbarste Abbild Gottes selbst: Er ist ganz Helligkeit, Leben, Wahrheit, Licht. Die Kirche liest den Schöpfungsbericht in der Osternacht als Prophetie. In der Auferstehung geschieht auf größere Weise das, was dieser Text als Anfang aller Dinge schildert. Gott sagt neu: Es werde Licht! Die Auferstehung Jesu ist eine Eruption des Lichts. Tod wird überwunden, das Grab aufgerissen. Der Auferstandene selbst ist Licht, das Licht der Welt. Mit der Auferstehung tritt der Tag Gottes in die Nächte der Geschichte hinein. Von der Auferstehung her verbreitet sich Gottes Licht durch die Welt und die Geschichte. Es wird Tag. Erst dieses Licht – Jesus Christus – ist das wahre Licht, mehr als das physikalische Phänomen Licht. Er ist das reine Licht: Gott selbst, der eine neue Schöpfung mitten in der alten werden läßt, Chaos zu Kosmos gestaltet.

Versuchen wir, das noch etwas näher zu verstehen. Wieso ist Christus Licht? Im Alten Testament wurde die Tora als das von Gott kommende Licht für die Welt und für die Menschen angesehen. Sie scheidet in der Schöpfung Licht und Finsternis, das heißt gut und böse. Sie zeigt dem Menschen, wo der rechte Weg verläuft, um wirklich zu leben. Sie zeigt ihm das Gute, zeigt ihm die Wahrheit und führt ihn zur Liebe, die ihr tiefster Inhalt ist. Sie ist „Leuchte für den Fuß und Licht für den Pfad“ (Ps 119, 105). Und nun wußten die Christen: In Christus ist die Tora, in ihm ist Gottes Wort als Person da. Gottes Wort ist das eigentliche Licht, das der Mensch braucht. Dieses Wort ist in ihm, dem Sohn, gegenwärtig. Der Psalm 19 hatte die Tora mit der aufgehenden Sonne verglichen, die Gottes Herrlichkeit über die weite Welt hin sichtbar zeigt. Die Christen begreifen: Ja, Gottes Sohn ist als Licht aufgegangen über der Welt in der Auferstehung. Christus ist das große Licht, von dem alles Leben kommt. Er läßt uns Gottes Herrlichkeit erkennen von einem Ende der Erde bis zum anderen. Er zeigt uns den Weg. Er ist Gottes Tag, der sich nun wachsend ausbreitet über die Erde. Nun können wir im Licht leben, indem wir mit ihm und für ihn leben.

In der Osternacht stellt die Kirche das Lichtgeheimnis Christi im Zeichen der Osterkerze dar, deren Flamme zugleich Licht und Wärme ist. Die Symbolik des Lichts ist mit der des Feuers verbunden: Helligkeit und Wärme, Helligkeit und Energie der Verwandlung, die im Feuer liegt – Wahrheit und Liebe gehören zusammen. Die Osterkerze brennt und verzehrt sich dabei: Kreuz und Auferstehung sind untrennbar. Aus dem Kreuz, dem Sichgeben des Sohnes, kommt das Licht, kommt die wahre Helligkeit in die Welt. An der Osterkerze entzünden wir alle unsere Kerzen, besonders die Kerzen der Neugetauften, denen in diesem Sakrament das Licht Christi ins Herz gesenkt wird. Die alte Kirche hat die Taufe als Photismos, als Sakrament der Erleuchtung, als Licht-Mitteilung bezeichnet und sie untrennbar mit der Auferstehung Christi verbunden. In der Taufe sagt Gott zum Täufling: Es werde Licht! Der Täufling wird ins Licht Christi hineingehalten. Christus scheidet nun zwischen Licht und Finsternis. An ihm erkennen wir, was wahr und was falsch, was Helligkeit und was Dunkel ist. Mit ihm geht uns das Licht der Wahrheit auf. Als Christus einmal die Menschen sah, die zusammengekommen waren, um ihn zu hören, und von ihm Orientierung erwarteten, hatte er Mitleid mit ihnen, weil sie wie Schafe ohne Hirten waren (vgl. Mk 6, 34). Inmitten der einander widerstreitenden Strömungen ihrer Zeit wußten sie nicht, woran sich halten. Wieviel Mitleid muß er auch mit unserer Zeit empfinden – ob all des großen Geredes, in dem sich doch eine große Orientierungslosigkeit verbirgt. Wohin sollen wir gehen? Was sind die Werte, an die wir uns halten können? Die Werte, nach denen wir erziehen dürfen, ohne den jungen Menschen aufzuerlegen, was vielleicht nicht standhält und nicht auferlegt werden darf? Er ist das Licht. Die Taufkerze ist Sinnbild für die Erleuchtung, die uns in der Taufe geschenkt wird. So spricht in dieser Stunde auch der heilige Paulus ganz unmittelbar zu uns. Im Philipper-Brief sagt er, in einer verkehrten und verwirrten Generation sollten die Christen als Lichter in der Welt leuchten (vgl. Phil 2, 15). Bitten wir den Herrn, daß das kleine Licht der Kerze, das er in uns entzündet hat, das leise Licht seines Wortes und seiner Liebe in uns in den Wirren dieser Zeit nicht ausgelöscht, sondern heller und größer wird. Daß wir mit ihm Menschen des Tages seien, Lichter für unsere Zeit.

Das zweite große Symbol der Osternacht – der Taufnacht – ist das Wasser. Es erscheint in der Heiligen Schrift und so auch im inneren Aufbau des Taufsakraments in zwei gegensätzlichen Bedeutungen. Da ist zum einen das Meer, das als die Gegenmacht zum Leben auf der Erde erscheint, als deren immerwährende Bedrohung, der Gott freilich eine Grenze gesetzt hat. Deshalb sagt die Apokalypse von der neuen Welt Gottes, daß es da das Meer nicht mehr gebe (vgl. 21, 1). Es ist das Element des Todes. Und so wird es zur symbolischen Darstellung von Christi Tod am Kreuz: Christus ist in das Meer, in die Wasser des Todes hinabgestiegen wie Israel in das Rote Meer. Aus dem Tod auferstanden schenkt er uns das Leben. Das bedeutet, daß die Taufe nicht nur Waschung ist, sondern Neugeburt: Wir steigen gleichsam mit Christus in das Meer des Todes hinunter, um als neue Geschöpfe heraufzusteigen.

Die zweite Weise, in der uns das Wasser begegnet, ist die frische Quelle, die Leben gibt oder auch der große Strom, von dem Leben ausgeht. Die Taufe sollte nach der frühen Ordnung der Kirche mit frischem, quellendem Wasser gespendet werden. Ohne Wasser kein Leben. In der Heiligen Schrift fällt auf, welche Bedeutung die Brunnen haben. Sie stehen als Quellorte des Lebens da. Christus kündet der Samariterin am Jakobsbrunnen den neuen Brunnen, das wirkliche Lebenswasser an. Er zeigt sich ihr als der neue, endgültige Jakob, der der Menschheit den Brunnen öffnet, auf den sie wartet: das Wasser, das nie versiegendes Leben gibt (vgl. Joh 4, 5–15). Der heilige Johannes erzählt uns, daß ein Soldat die Seite Christi mit der Lanze durchstieß und daß aus der geöffneten Seite des Herrn – aus seinem durchbohrten Herzen – Blut und Wasser kamen (vgl. Joh 19, 34). Die alte Kirche hat darin ein Sinnbild für Taufe und Eucharistie gesehen, die aus dem durchbohrten Herzen Jesu kommen. Jesus ist im Tod selbst zur Quelle geworden. Der Prophet Ezechiel hatte in einer Vision den neuen Tempel gesehen, aus dem eine Quelle entspringt, die zum großen, lebenspendenden Strom wird (vgl. Ez 47, 1–12) – in einem Land, das immer unter Dürre und Mangel an Wasser litt, eine große Vision der Hoffnung. Die frühe Christenheit begriff: In Christus ist diese Vision wahr geworden. Er ist der wahre, der lebendige Tempel Gottes. Und er ist Quell lebendigen Wassers. Von ihm geht der große Strom aus, der in der Taufe die Welt befruchtet und erneuert; der große Strom lebendigen Wassers, sein Evangelium, das die Erde Frucht tragen läßt. Jesus hat aber noch Größeres prophezeit. Er sagt: „Wer an mich glaubt…, aus dessen Innerem werden Ströme lebendigen Wassers fließen“ (Joh 7, 38). In der Taufe macht uns der Herr nicht nur zu Lichtmenschen, sondern auch zu Quellen, von denen lebendiges Wasser ausgeht. Wir alle kennen solche Menschen, von denen wir irgendwie erfrischt und erneuert weggehen. Von denen etwas ausgeht wie frisches Quellwasser. Wir brauchen da gar nicht an die Großen zu denken wie Augustinus, Franz von Assisi, Teresa von Avila, Mutter Teresa und so fort, von denen wirklich Ströme lebendigen Wassers in die Geschichte gekommen sind. Im Alltag finden wir sie gottlob immer wieder, Menschen, die Quelle sind. Und freilich kennen wir auch das Umgekehrte: Menschen, von denen eine Atmosphäre kommt wie von einem Tümpel mit abgestandenem oder gar vergiftetem Wasser. Bitten wir den Herrn, der uns die Gnade der Taufe geschenkt hat, daß wir immer Quellen reinen, frischen, lebendigen Wassers aus der Quelle seiner Wahrheit und Liebe seien!

Das dritte große Symbol der Osternacht ist ganz eigener Art; es bezieht den Menschen mit ein. Es ist das Singen des neuen Liedes – Halleluja. Wenn ein Mensch von einer großen Freude getroffen wird, dann kann er sie nicht für sich behalten. Er muß sie aussprechen, sie weitergeben. Was aber geschieht, wenn der Mensch vom Licht der Auferstehung berührt wird und dadurch das Leben selbst, die Wahrheit, die Liebe anrührt? Davon kann er nicht einfach nur sprechen. Das Reden reicht nicht mehr aus. Er muß singen. Die erste Erwähnung des Singens finden wir in der Bibel nach dem Durchzug durch das Rote Meer. Israel ist aus der Knechtschaft heraufgestiegen. Es ist heraufgestiegen aus der drohenden Tiefe des Meeres. Es ist wie neu geboren. Es lebt, und es ist frei. Die Bibel beschreibt die Reaktion des Volkes auf dieses große Ereignis der Rettung mit dem Satz: „Sie glaubten an den Herrn und an Mose, seinen Knecht“ (Ex 14, 31). Darauf folgt dann eine zweite Reaktion, die aus der ersten mit einer Art innerer Notwendigkeit aufsteigt: „Damals sang Mose mit den Israeliten dem Herrn dieses Lied…“ In der Osternacht stimmen wir Christen nach der dritten Lesung Jahr um Jahr in dieses Lied ein, singen es als unser Lied, weil auch wir durch Gottes Macht „aus dem Wasser“ gezogen sind, zum wirklichen Leben befreit.

Zu der Geschichte vom Lied des Mose nach der Rettung Israels aus Ägypten und nach dem Aufstieg aus dem Roten Meer gibt es eine merkwürdige Parallele in der Apokalypse des heiligen Johannes. Vor dem Beginn der letzten sieben Plagen, die über die Erde verhängt sind, erscheint dem Seher „etwas, das einem gläsernen Meer glich und mit Feuer durchsetzt war. Und die Sieger über das Tier, über sein Standbild und über die Zahl seines  Namens standen auf dem gläsernen Meer und trugen die Harfen Gottes. Sie sangen das Lied des Mose, des Knechtes Gottes, und das Lied zu Ehren des Lammes…“ (Apk 15, 2f). Mit diesem Bild wird die Situation der Jünger Jesu Christi zu allen Zeiten, die Situation der Kirche in der Geschichte dieser Welt beschrieben. Menschlich gesehen ist sie widersprüchlich. Einerseits steht diese Gemeinschaft im Exodus, mitten im Roten Meer. In einem Meer, das paradoxerweise zugleich Eis und Feuer ist. Und muß nicht die Kirche sozusagen immer über das Meer wandern, durch Feuer und Kälte? Sie muß – menschlich gesprochen – untergehen. Aber während sie noch mitten in diesem Roten Meer wandert, singt sie, singt sie das Loblied der Gerechten: das Lied des Mose und des Lammes, in dem Alter und Neuer Bund zusammenklingen. Während sie eigentlich untergehen muß, singt sie das Danklied der Geretteten. Sie steht auf den Todeswassern der Geschichte und ist doch schon auferstanden. Singend greift sie nach der Hand des Herrn, der sie über den Wassern hält. Und sie weiß, daß sie damit aus der sonst unentrinnbaren Schwerkraft des Todes und des Bösen hinausgehoben ist in die neue Schwerkraft Gottes, der Wahrheit und der Liebe hinein. Noch ist sie, sind wir alle zwischen beiden Gravitationsfeldern. Aber seit Christus auferstanden ist, ist die Gravitation der Liebe stärker als die des Hasses; die Schwerkraft des Lebens stärker als die des Todes. Ist das nicht wirklich die Situation der Kirche aller Zeiten, unsere Situation? Immer scheint sie untergehen zu müssen, und immer ist sie schon gerettet. „Wir sind wie Sterbende und seht: wir leben“, hat der heilige Paulus diese Situation formuliert (2 Kor 6, 9). Die rettende Hand des Herrn hält uns, und so können wir jetzt schon das Lied der Geretteten, das neue Lied der Auferstandenen singen: Halleluja. Amen.

 

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