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PAPSTMESSE
ANLÄSSLICH DER HEILIGSPRECHUNG DER SELIGEN
:

STANISŁAW KAZIMIERCZYK SOŁTYS (1433 - 1489)
ANDRÉ (Alfred) BESSETTE (1845 - 1937)
CÁNDIDA MARÍA DE JESÚS (Juana Josefa) CIPITRIA y BARRIOLA (1845 - 1912)
MARY OF THE CROSS (Mary Helen) MacKILLOP (1842 - 1909)
GIULIA SALZANO (1846 - 1929)
BATTISTA CAMILLA DA VARANO (1458 - 1524)

PREDIGT VON PAPST BENEDIKT XVI.

Petersplatz
Sonntag, 17. Oktober 2010

(Video)

 

Liebe Brüder und Schwestern!

Heute feiern wir auf dem Petersplatz wieder ein Fest der Heiligkeit. Voll Freude heiße ich euch herzlich willkommen, die ihr auch von weit her gekommen sein, um daran teilzunehmen. Ein besonderer Gruß geht an die Kardinäle, die Bischöfe und die Generaloberen der von den neuen Heiligen gegründeten Ordensinstitute wie auch an die offiziellen Abordnungen und an alle zivilen Obrigkeiten. Gemeinsam versuchen wir, das aufzunehmen, was uns der Herr in den soeben verkündeten Stellen aus der Heiligen Schrift sagt. Die Liturgie des heutigen Sonntags bietet uns eine grundlegende Lehre: die Notwendigkeit des steten und unermüdlichen Gebets. Bisweilen werden wir müde, zu beten, wir haben den Eindruck, daß das Gebet keinen großen Nutzen bringt für das Leben, daß es wenig wirksam ist. Daher sind wir versucht, uns in Aktivitäten zu stürzen, alle menschlichen Mittel einzusetzen, um unsere Ziele zu erreichen, und wir wenden uns nicht mehr an Gott. Jesus dagegen sagt, daß man immer beten muß, und er tut dies mit einem charakteristischen Gleichnis (vgl. Lk 18,1–8).

In ihm ist die Rede von einem Richter, der Gott nicht fürchtet und auf keinen Menschen Rücksicht nimmt, ein Richter, der keine positive Einstellung hat, sondern allein seinen eigenen Vorteil sucht. Er fürchtet das Urteil Gottes nicht und hat keine Achtung vor dem Nächsten. Die andere Gestalt ist eine Witwe, ein Mensch, der sich in einer schwachen Position befindet. In der Bibel sind die Witwe und der Waise die bedürftigsten Kategorien, da sie wehr- und mittellos sind. Die Witwe geht zum Richter und fordert Gerechtigkeit. Es ist fast unmöglich, daß sie Gehör findet, da der Richter sie verachtet und sie auf ihn keinen Druck ausüben kann. Sie kann sich nicht einmal auf religiöse Prinzipien berufen, da der Richter Gott nicht fürchtet. Deshalb scheint es dieser Witwe an allen Möglichkeiten zu mangeln. Doch sie läßt ihn nicht in Ruhe, unermüdlich stellt sie ihre Forderungen, sie ist aufdringlich, und so gelingt es ihr schließlich, beim Richter das gewünschte Ergebnis zu erreichen. An diesem Punkt stellt Jesus eine Überlegung an, indem er das »argumentum a fortiori« (»nach dem stärker überzeugenden Grund«) benutzt: Wenn sich ein unehrlicher Richter letztlich vom Bitten einer Witwe überzeugen läßt – um wie viel mehr wird Gott, der gut ist, den erhören, der zu ihm betet. Gott nämlich ist die Großherzigkeit in Person, er ist barmherzig, und so ist er immer bereit, die Bitten zu erhören. Daher dürfen wir nie verzweifeln, sondern müssen immer beharrlich im Gebet sein.

Der Schluß des Abschnittes aus dem Evangelium spricht vom Glauben: »Wird jedoch der Menschensohn, wenn er kommt, auf der Erde (noch) Glauben vorfinden?« (Lk 18,8). Das ist eine Frage, die einen größeren Glauben in uns erwecken will. Denn es ist offensichtlich, daß das Gebet Ausdruck des Glaubens sein muß, andernfalls ist es kein wahres Gebet. Wenn einer nicht an die Güte Gottes glaubt, so kann er nicht auf angemessene Weise beten. Der Glaube ist als Grundlage des Betens von wesentlicher Bedeutung. Dies ist es, was die sechs neuen Heiligen getan haben, die heute der Verehrung der universalen Kirche vorgestellt werden: Stanisław Sołtys, André Bessette, Cándida María de Jesús Cipitria y Barriola, Mary of the Cross MacKillop, Giulia Salzano und Battista Camilla da Varano.

Der hl. Stanisław Kazimierczyk Sołtys, ein Ordensmann aus dem 15. Jahrhundert, kann auch für uns Beispiel und Fürsprecher sein. Sein ganzes Leben war der Eucharistie verbunden. Vor allem in der Kirche »Corpus Domini« von Kazimierz, im heutigen Krakau, wo er an der Seite der Mutter und des Vaters den Glauben und die Frömmigkeit lernte; wo er seine Ordensgelübde bei den Regularkanonikern ablegte; wo er als Priester und Erzieher in aufmerksamer Sorge um die Bedürftigen arbeitete. Besonders aber war er der Eucharistie durch die brennende Liebe zu dem unter den Gestalten von Brot und Wein gegenwärtigen Christus verbunden; er lebte so das Geheimnis des Todes und der Auferstehung, das sich auf unblutige Weise in der heiligen Messe vollzieht; durch die Praxis der Nächstenliebe, deren Quelle und Zeichen die Kommunion ist.

Der aus Québec in Kanada stammende Br. André Bessette, ein Ordensmann aus der Kongregation vom Heiligen Kreuz, machte sehr bald die Erfahrung von Leid und Armut. Sie führten ihn dazu, sich durch das Gebet und ein intensives inneres Leben Gott zuzuwenden. Als Pförtner des »Collège Notre Dame« in Montréal legte er eine grenzenlose Nächstenliebe an den Tag und versuchte, die Nöte jener zu lindern, die kamen, um sich ihm anzuvertrauen. Trotz seiner geringen Bildung erkannte er, wo das Wesentliche seines Glaubens lag. Glauben bedeutete für ihn, sich frei und aus Liebe dem göttlichen Willen zu unterwerfen. Ganz vom Geheimnis Jesu eingenommen hat er die Glückseligkeit des reinen Herzens erlebt, die Glückseligkeit der persönlichen Ehrlichkeit. Dank dieser Einfachheit wurde es vielen ermöglicht, Gott zu sehen. Er ließ das Oratorium »Saint Joseph du Mont Royal« errichten, wo er als treuer Guardian bis zu seinem Tod im Jahr 1937 lebte. Er war Zeuge zahlreicher Heilungen und Bekehrungen. »Versucht nicht, den Prüfungen aus dem Weg zu gehen«, sagte er, »bittet vielmehr um die Gnade, sie gut zu ertragen.« Für ihn sprach alles von Gott und seiner Gegenwart. Mögen wir seinem Beispiel folgend Gott mit Einfachheit suchen und erkennen, daß er mitten in unserem Leben stets gegenwärtig ist! Das Beispiel von Br. André möge das christliche Leben Kanadas inspirieren!

Wird der Menschensohn, wenn er kommt, um den Erwählten Gerechtigkeit zu bringen, auf der Erde Glauben vorfinden? (vgl. Lk 18,18). Heute können wir mit Erleichterung und in aller Deutlichkeit sagen: Ja, wenn wir auf Gestalten wie Mutter Cándida María de Jesús Cipitria y Barriola blicken. Jene Frau einfacher Herkunft mit einem Herzen, in das Gott sein Siegel eingeprägt hatte und das sie sehr bald unter der Anleitung der Jesuiten, die ihre geistlichen Begleiter waren, zum festen Entschluß führte, »nur für Gott« zu leben. Eine Entscheidung, die sie treu eingehalten hat, wie sie selbst in Erinnerung ruft, als sie im Sterben lag. Sie lebte für Gott und das, was er am meisten fordert: zu allen zu kommen, allen die unerschütterliche Hoffnung zu bringen, vor allem jenen, die ihrer am meisten bedürfen. »Wo kein Platz für die Armen ist, da ist auch keiner für mich«, sagte die neue Heilige, die mit geringen Mitteln andere Schwestern dazu führte, Christus zu folgen und sich der Erziehung und der Förderung der Frau zu widmen. So entstanden die »Töchter Jesu« (Hijas de Jesus), die heute in ihrer Gründerin ein sehr hohes Vorbild des Lebens, das es nachzuahmen gilt, und eine leidenschaftliche Sendung haben, die in zahlreichen Ländern fortzusetzen ist, in die sie der Geist und die Anliegen des Apostolats von Mutter Cándida geführt haben.

»Erinnere dich, wer deine Lehrer waren – von ihnen kannst du die Weisheit lernen, die zur Erlösung durch den Glauben an Jesus Christus führt.« Über viele Jahre hinweg sind zahllose junge Menschen in ganz Australien mit Lehrern gesegnet worden, die durch das mutige und heiligmäßige Beispiel an Eifer, Ausdauer und Gebet von Schwester Mary MacKillop inspiriert worden sind. Sie widmete sich als junge Frau auf dem schwierigen und anspruchsvollen Gebiet des ländlichen Australiens der Erziehung der Armen und veranlaßte andere Frauen dazu, sich ihr in der ersten Frauenkongregation des Landes anzuschließen. Sie war offen für die Nöte der jungen Menschen, die ihr Vertrauen in sie setzten, ohne Ansehen von sozialem Stand und Vermögen, und sorgte sich um die intellektuelle wie auch um die spirituelle Bildung. Trotz vieler Herausforderungen schenkten ihre Gebete zum hl. Josef und ihre unermüdliche Verehrung des Heiligsten Herzens Jesu, dem sie ihre neue Kongregation widmete, dieser heiligen Frau die notwendigen Gnaden, um Gott und der Kirche treu zu bleiben. Durch ihre Fürsprache mögen ihre Nachfolger heute weiterhin Gott und der Kirche mit Glauben und Demut dienen!

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts berief der Herr in Kampanien, Süditalien, eine junge Grundschullehrerin, Giulia Salzano, und machte sie zu einer Apostelin der christlichen Erziehung, Gründerin der Kongregation der »Herz-Jesu Schwestern für die Katechese« (Congregatio Sororum Doctrinae Christianae Institutricum a SS. Corde Iesu). Mutter Giulia verstand gut die große Bedeutung der Katechese in der Kirche; sie vereinte die pädagogische Erfahrung mit dem geistlichen Eifer, widmete sich ihr voll Großherzigkeit und Intelligenz und trug so zur Ausbildung von Menschen jeden Alters und jeder sozialen Schicht bei. Ihren Mitschwestern sagte sie oft, daß sie bis zur letzten Stunde ihres Lebens Katechismusunterricht halten wolle, womit sie mit ihrem ganzen Sein zeigte, daß – »weil Gott uns geschaffen hat, um ihn in diesem Leben zu kennen, zu lieben und ihm zu dienen« – nichts dieser Aufgabe vorangestellt werden durfte. Das Beispiel und die Fürsprache der hl. Giulia Salzano mögen die Kirche in ihrer immerwährenden Aufgabe stützen, Christus zu verkündigen und echtes christliches Bewußtsein zu bilden.

Die hl. Battista Camilla Varano, eine Klarissin aus dem 15. Jahrhundert, bezeugte zutiefst den im Evangelium gründenden Sinn des Lebens, und sie tat dies insbesondere durch ihr beharrliches Gebet. Im Alter von 23 Jahren trat sie in das Kloster von Urbino ein und reihte sich als Protagonistin in jene breite Reformbewegung der weiblichen franziskanischen Spiritualität ein, die das Charisma der hl. Klara von Assisi in Fülle neu zu beleben suchte. Sie förderte neue Klostergründungen in Camerino, wo sie mehrmals zur Äbtissin gewählt wurde, sowie in Fermo und San Severino. Das Leben der hl. Battista, das völlig in die Tiefen Gottes eingetaucht war, war ein ständiger Aufstieg im Leben der Vollkommenheit, mit einer heldenhaften Liebe zu Gott und zum Nächsten. Sie war von großen Leiden und mystischen Tröstungen gezeichnet; sie hatte nämlich beschlossen, wie sie selbst schreibt, »in das Heiligste Herz Jesu einzutreten und im Ozean seiner bittersten Leiden zu ertrinken«. In einer Zeit, in der die Kirche von einem Verfall der Sitten gezeichnet war, schlug sie entschlossen den Weg der Buße und des Gebets ein, beseelt von dem glühenden Wunsch nach der Erneuerung des mystischen Leibes Christi.

Liebe Brüder und Schwestern, danken wir dem Herrn für das Geschenk der Heiligkeit, das in der Kirche aufleuchtet und heute durch das Antlitz dieser unserer Brüder und Schwestern scheint. Jesus lädt auch einen jeden von uns ein, ihm nachzufolgen, um Erben des ewigen Lebens zu werden. Lassen wir uns von diesen leuchtenden Beispielen anziehen, lassen wir uns von ihren Lehren leiten, damit unser Dasein ein Loblied auf Gott sei. Diese Gnade mögen uns die Jungfrau Maria und die Fürsprache der sechs neuen Heiligen erwirken, die wir heute voll Freude verehren. Amen.

 

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