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EUCHARISTIEFEIER MIT HEILIGSPRECHUNG DER SELIGEN:

GUIDO MARIA CONFORTI (1865-1931)
LUIGI GUANELLA (1842-1915)
BONIFACIA RODRÍGUEZ DE CASTRO (1837-1905)

PREDIGT VON PAPST BENEDIKT XVI.

Petersplatz
Sonntag, 23. Oktober 2011

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Verehrte Mitbrüder im Bischofs- und  im Priesteramt,
liebe Brüder und Schwestern!

Unsere heutige Sonntagsliturgie ist reich an verschiedenen Motiven des Dankes und der Bitte an Gott. Während wir heute nämlich mit der ganzen Kirche den Weltmissionssonntag feiern – ein jährliches Ereignis, das den Eifer und den Einsatz für die Mission wieder wachrufen will —, preisen wir den Herrn für drei neue Heilige: den Bischof Guido Maria Conforti, den Priester Luigi Guanella und die Ordensfrau Bonifacia Rodríguez de Castro. Mit Freude grüße ich alle Anwesenden, besonders die offiziellen Delegationen und die zahlreichen Pilger, die gekommen sind, um diese drei vorbildlichen Jünger Christi zu feiern.

Das Wort des Herrn, das vor kurzem im Evangelium erklungen ist, hat uns daran erinnert, daß das ganze göttliche Gesetz in der Liebe zusammengefaßt ist. Der Evangelist Matthäus berichtet, daß, nachdem Jesus den Sadduzäern geantwortet und sie zum Schweigen gebracht hat, die Pharisäer sich versammeln, um ihn auf die Probe zu stellen (vgl. 22,34–35). Einer dieser Gesprächspartner, ein Gesetzeslehrer, fragt ihn: »Meister, welches Gebot im Gesetz ist das wichtigste?« (V. 36). Jesus antwortet auf diese bewußte Fangfrage mit größter Einfachheit: »Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit all deinen Gedanken. Das ist das wichtigste und erste Gebot« (VV. 37–38). In der Tat besteht der vorrangige Anspruch an jeden von uns darin, daß Gott in unserem Leben gegenwärtig ist. Er muß, wie die Schrift sagt, in alle Schichten unseres Seins eindringen und sie vollständig ausfüllen: Das Herz muß ihn kennen und sich von ihm berühren lassen; und ebenso auch die Seele, unsere Willens- und Entscheidungskraft sowie der Verstand und das Denken. Dann können wir wie der hl. Paulus sagen: »Nun lebe nicht mehr ich, Christus lebt in mir« (Gal 2,20).

Sofort danach fügt Jesus etwas hinzu, wonach der Gesetzeslehrer eigentlich nicht gefragt hatte: »Ebenso wichtig ist das zweite: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst« (V. 39). Indem Jesus erklärt, daß das zweite Gebot dem ersten ähnlich ist, gibt er zu verstehen, daß die Nächstenliebe genauso wichtig wie die Gottesliebe ist. In der Tat ist die Liebe zu den Brüdern das sichtbare Zeichen, das der Christ zeigen kann, um der Welt die Gottesliebe zu bezeugen. Welch eine Fügung Gottes ist es also, daß die Kirche gerade heute allen ihren Gliedern drei neue Heilige anempfiehlt, die sich von der göttlichen Liebe haben umformen lassen und ihr ganzes Leben auf sie hin gestaltet haben. In verschiedenen Situationen und mit verschiedenen Gnadengaben haben sie den Herrn aus ganzem Herzen geliebt und den Nächsten wie sich selbst, um »so zum Vorbild für alle Gläubigen zu werden« (1 Thess 1,7).

Der eben verkündete Psalm 17 lädt dazu ein, sich vertrauensvoll in die Hände des Herrn zu überantworten, der »seinem Gesalbten Huld erwies« (V. 51). Diese innere Haltung hat den hl. Guido Maria Conforti in seinem Leben und in seinem Dienst geleitet. Seitdem er, noch als Knabe, den Widerstand des Vaters überwinden mußte, um ins Seminar einzutreten, gab er den Beweis seiner Charakterfestigkeit beim Befolgen des Willens Gottes und in völligem Einklang mit jener »caritas Christi«, die ihn durch die Betrachtung des Gekreuzigten an sich zog. Er spürte stark die dringende Notwendigkeit, diese Liebe denen zu verkünden, die diese Verkündigung noch nicht empfangen hatten. Das Motto »Caritas Christi urget nos – Die Liebe Christi drängt uns« (vgl. 2 Kor 5,14), faßt das Programm der Missionsgemeinschaft zusammen, die er im Alter von gerade dreißig Jahren ins Leben rief: eine Ordensfamilie, die sich ganz in den Dienst der Evangelisierung stellt, unter dem Patronat des großen Apostels des Ostens, des hl. Franz Xaver.

Der hl. Guido Maria wurde berufen, diesen apostolischen Eifer im Dienst als Bischof zu leben, zunächst in Ravenna und dann in Parma: Er widmete sich mit ganzer Kraft dem Heil der Seelen, die ihm anvertraut waren, vor allem denjenigen, die sich vom Weg des Herrn entfernt hatten. Sein Leben war von vielen und auch schweren Prüfungen gekennzeichnet. Er verstand es, jede Situation mit Ergebenheit zu bejahen und sie als Hinweis auf den Weg anzunehmen, der ihm von der göttlichen Vorsehung vorgezeichnet worden war. Er verstand es, in allen Umständen – auch in demütigenden Niederlagen – den Plan Gottes zu erkennen, der ihn zum Aufbau seines Reiches führte, vor allem durch die Selbstverleugnung und durch die tägliche Annahme seines Willens, mit einer immer vertrauensvolleren Hingabe. Er erfuhr und bezeugte selbst zuerst das, was er seine Missionare lehrte, nämlich daß die Vollkommenheit im Tun des Willens Gottes nach dem Vorbild des gekreuzigten Christus besteht.

Der hl. Guido Maria Conforti richtete seinen inneren Blick fest auf das Kreuz, das ihn sanft an sich zog. Bei seiner Betrachtung sah er den Horizont der ganzen Welt weit aufgehen; er erblickte den »dringenden«, im Herzen jedes Menschen verborgenen Wunsch, die Verkündigung jener einzigen Liebe, die rettet, zu empfangen und aufzunehmen. Das menschliche und geistliche Zeugnis des hl. Luigi Guanella ist ein besonderes Gnadengeschenk für die ganze Kirche. Während seines irdischen Lebens lebte er mutig und entschieden das Evangelium der Liebe, das »wichtigste Gebot«, an das das Wort Gottes uns auch heute erinnert hat. Dank der tiefen und beständigen Vereinigung mit Christus, in der Betrachtung seiner Liebe, wurde Don Guanella, geführt von der göttlichen Vorsehung, zum Gefährten und Meister, zum Trost und zur Ermutigung der Ärmsten und Schwächsten. Die Liebe Gottes weckte in ihm den Wunsch nach dem Wohl der ihm anvertrauten Menschen, in der Konkretheit des täglichen Lebens. Er legte besonderes Augenmerk auf den Weg eines jeden, achtete dabei die Zeiten des Wachstums und pflegte im Herzen die Hoffnung, daß jeder Mensch, geschaffen als Bild und Gleichnis Gottes, durch die Erfahrung der Freude, von ihm – dem Vater aller – geliebt zu sein, aus sich selbst das Beste herausholen und es den anderen geben kann. Wir wollen heute den Herrn preisen und ihm danken, daß er uns in Luigi Guanella einen Propheten und Apostel der Liebe geschenkt hat. In seinem Zeugnis, das so reich an Menschlichkeit und Aufmerksamkeit für die Geringsten ist, erkennen wir ein leuchtendes Zeichen der Gegenwart und des Heilshandelns Gottes: Der Gott, der – wie es in der ersten Lesung heißt – den Fremden, die Witwe, die Waise und den Armen verteidigt, der den eigenen Mantel und die einzige Decke, die er hat, um sich nachts zu bedecken, als Pfand abgeben muß (vgl. Ex 22,20–26).

Dieser neue Heilige möge für alle und besonders für die Mitglieder der von ihm gegründeten Kongregationen ein Vorbild der tiefen und fruchtbaren Synthese von Kontemplation und Aktion sein, so wie er sie selbst vorgelebt und praktiziert hat. Wir können sein ganzes menschliches und geistliches Leben zusammenfassen in den letzten Worten, die er auf seinem Sterbebett ausgesprochen hat: »in caritate Christi – in der Liebe Christi«. Die Liebe Christi ist es, die das Leben jedes Menschen erleuchtet und die offenbart, wie man durch die Hingabe seiner selbst an den anderen nichts verliert, sondern die wahre Glückseligkeit in vollkommener Weise verwirklicht. Der hl. Luigi Guanella möge für uns erwirken, daß wir in der Freundschaft mit dem Herrn wachsen, um in unserer Zeit Überbringer der Fülle der Liebe Gottes zu sein und das Leben in all seinen Phasen und Situationen zu fördern, so daß die menschliche Gesellschaft immer mehr zur Familie der Kinder Gottes wird.

In der zweiten Lesung haben wir einen Abschnitt aus dem Ersten Brief an die Thessalonicher gehört, einen Text, in dem das Bild der Handarbeit verwendet wird, um das Evangelisierungswerk zu beschreiben, und der in gewisser Weise auch auf die Tugenden der hl. Bonifacia Rodríguez de Castro zutrifft. Zu der Zeit, als der hl. Paulus diesen Brief schreibt, muß er mit eigener Hände Arbeit für seinen Lebensunterhalt aufkommen. Aus seinem Sprachgebrauch und den von ihm verwendeten Beispielen wird ersichtlich, daß er von seiner Werkstatt aus seinen Dienst der Verkündigung leistet und dort den ersten Jüngern begegnet.

Von eben dieser Eingebung war auch die hl. Bonifacia beseelt, die es von Anfang an verstand, ihre Nachfolge Jesu Christi mit der täglichen Arbeit zu verbinden. Die Arbeit, der sie von Kindesbeinen an nachging, war für sie nicht nur ein Mittel, um niemandem zur Last zu fallen, sondern sie gab ihr auch die nötige Freiheit zur Verwirklichung ihrer Berufung und bot ihr zugleich die Möglichkeit, andere Frauen für ihr Werk zu gewinnen und auszubilden. Sie konnten in ihrer Werkstatt Gott begegnen und seinen liebevollen Ruf hören, wobei sie über ihren eigenen Lebensentwurf nachdenken und sich auf seine konkrete Umsetzung vorbereiten konnten. So entstand in evangeliumsgemäßer Demut und Einfachheit die Kongregation der Dienerinnen des hl. Joseph, die gemäß dem Vorbild der Familie von Nazaret eine Schule des christlichen Lebens darstellt. Der Apostel merkt ferner in seinem Brief an, daß seine Liebe zur Gemeinde Anstrengungen und Mühsal mit sich bringt, denn es bedeutet letztlich, die Hingabe Christi für die Menschen nachzuahmen, ohne sich eine Gegenleistung zu erwarten und ohne nach anderen Dingen Ausschau zu halten als dem Wohlgefallen Gottes. Auch Mutter Bonifacia, die sich freudig ihrem Apostolat widmet und die ersten Früchte ihrer Bemühungen zu ernten beginnt, durchlebt diese Erfahrung der Verlassenheit, der Zurückweisung von seiten ihrer Gefährtinnen, und gerade darin erkennt sie eine neue Dimension der Nachfolge Christi: das Kreuz.

Mit hoffnungsvoller Entschlossenheit nimmt sie es auf sich und bringt ihr eigenes Leben für die Einheit des aus ihren Händen entstandenen Werkes dar. Die neue Heilige steht vor uns als vollkommenes Beispiel, in dem sich das Werk Gottes widerspiegelt. Dieser Widerschein lädt ihre geistlichen Töchter, die Dienerinnen des hl. Joseph, und auch uns alle ein, ihr Zeugnis mit der Freude des Heiligen Geistes aufzunehmen. Dabei sollen wir ohne Furcht vor Widerständen überall die Frohe Botschaft vom Himmelreich verbreiten. Wir wollen uns ihrer Fürsprache anvertrauen und zu Gott beten für alle Arbeiter, vor allem für jene, die einfache und oft unterbewertete Berufe ausüben, daß sie im Rahmen ihrer täglichen Tätigkeit, die freundschaftliche Hand Gottes entdecken und Zeugnis für seine Liebe ablegen, indem sie ihre Mühen zu einem Lobgesang an den Schöpfer werden lassen.

»Ich will dich lieben, Herr, meine Stärke.« So haben wir, liebe Brüder und Schwestern, im Antwortpsalm ausgerufen. Die drei neuen Heiligen sind ein vielsagendes Zeichen einer solchen leidenschaftlichen Liebe zu Gott. Lassen wir uns von ihrem Beispiel anziehen; lassen wir uns von ihren Unterweisungen führen, damit unser ganzes Leben zu einem Zeugnis der wahren Liebe zu Gott und zum Nächsten wird.

Diese Gnade erwirke uns die Jungfrau Maria, die Königin der Heiligen, und auch die Fürsprache des hl. Guido Maria Conforti, des hl. Luigi Guanella und der hl. Bonifacia Rodríguez de Castro. Amen.

   

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