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ÖFFENTLICHES ORDENTLICHES KONSISTORIUM ZUR
KREIERUNG NEUER KARDINÄLE

EUCHARISTIEFEIER MIT DEN NEUEN KARDINÄLEN

PREDIGT VON PAPST BENEDIKT XVI.

Petersdom
Hochfest Christkönig
Sonntag, 25. November 2012

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Meine Herren Kardinäle,
verehrte Mitbrüder im bischöflichen und im priesterlichen Dienst,
liebe Brüder und Schwestern!

Das heutige Hochfest Christkönig, die Krönung des liturgischen Jahres, erfährt eine Bereicherung durch die Aufnahme von sechs neuen Mitgliedern ins Kardinalskollegium, die ich traditionsgemäß eingeladen habe, an diesem Morgen in der Eucharistiefeier mit mir zu konzelebrieren. Jeden von ihnen begrüße ich aufs herzlichste und danke Kardinal James Michael Harvey für die freundlichen Worte, die er im Namen aller an mich gerichtet hat. Ich grüße die übrigen Purpurträger und alle anwesenden Bischöfe wie auch die verehrten Repräsentanten des öffentlichen Lebens, die Priester, die Ordensleute und alle Gläubigen, besonders die aus den Diözesen, welche der pastoralen Leitung der neuen Kardinäle anvertraut sind.

An diesem letzten Sonntag des liturgischen Jahres lädt uns die Kirche ein, Jesus, den Herrn, als König des Universums zu feiern. Sie ruft uns auf, den Blick in die Zukunft zu richten, oder besser: in die Tiefe, auf das letzte Ziel der Geschichte, das endgültige und ewige Reich Christi. Am Anfang, als die Welt erschaffen wurde, war er beim Vater, und er wird seine Herrschaft vollends offenbaren am Ende der Zeiten, wenn er alle Menschen richten wird. Die drei heutigen Lesungen sprechen uns von diesem Reich. In dem Abschnitt aus dem Johannesevangelium, den wir gehört haben, befindet sich Jesus in der entwürdigenden Lage des Angeklagten vor der römischen Macht. Er ist verhaftet, verspottet, verhöhnt worden, und nun hoffen seine Feinde, seine Verurteilung zum Kreuzestod zu erreichen. Sie haben ihn dem Pilatus als einen vorgestellt, der die politische Macht anstrebt, als den angeblichen König der Juden. Der römische Statthalter führt seine Untersuchung durch und fragt Jesus: »Bist du der König der Juden?« (Joh 18,33). In der Antwort auf diese Frage klärt Jesus das Wesen seines Reiches und seiner Messianität, das nicht in weltlicher Macht besteht, sondern dienende Liebe ist. Er betont, daß sein Reich keinesfalls mit irgendeinem politischen Reich verwechselt werden darf: » Mein Königtum ist nicht von dieser Welt … ist nicht von hier« (v. 36).

Es ist klar, daß Jesus keinerlei politische Ambitionen hat. Nach der Brotvermehrung wollten die Menschen ihn in ihrer Begeisterung über das Wunder ergreifen, um ihn zum König zu machen, um die römische Macht umzustürzen und so ein neues politisches Reich zu errichten, das als das sehnlich erwartete Reich Gottes angesehen worden wäre. Doch Jesus weiß, daß das Reich Gottes ganz anderer Art ist, sich nicht auf Waffen und auf Gewalt gründet. Und so ist es gerade die Brotvermehrung, die einerseits zum Zeichen seiner Messianität wird, aber andererseits einen Wendepunkt in seinem Wirken darstellt: Von jenem Moment an wird der Weg zum Kreuz immer deutlicher; dort, in der äußersten Liebestat, wird das verheißene Reich, das Reich Gottes aufleuchten. Doch die Menschenmenge begreift das nicht, sie ist enttäuscht, und Jesus zieht sich allein auf den Berg zurück, um zu beten, um mit dem Vater zu sprechen (vgl. Joh 6,1-15). Im Passionsbericht sehen wir, wie sogar die Jünger, die doch das Leben mit Jesus geteilt und seine Worte gehört hatten, an ein politisches, auch mit Hilfe von Gewalt zu errichtendes Reich dachten. In Getsemani hatte Petrus das Schwert gezogen und zu kämpfen begonnen, aber Jesus hatte ihm Einhalt geboten (vgl. Joh 18,10-11). Er will nicht mit Waffen verteidigt werden, sondern er will den Willen des Vaters bis zum letzten erfüllen und sein Reich nicht mit Waffen und Gewalt errichten, sondern mit der scheinbaren Schwachheit der Liebe, die das Leben hingibt. Das Reich Gottes ist ein völlig anderes Reich als die irdischen.

Und das ist der Grund, warum ein Vertreter der Macht wie Pilatus angesichts eines wehrlosen, gebrechlichen, erniedrigten Menschen wie Jesus verwundert ist – verwundert, weil er von einem Reich, von Dienern reden hört. Und er stellt eine Frage, die ihm wohl paradox erscheint: »Also bist du doch ein König?« Was für eine Art König kann ein Mann in diesem Zustand sein? Doch Jesus bejaht: »Du sagst es, ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, daß ich für die Wahrheit Zeugnis ablege. Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört auf meine Stimme« (18,37). Jesus spricht von einem König, von einem Reich, aber er bezieht sich dabei nicht auf die Herrschaft, sondern auf die Wahrheit. Pilatus versteht nicht: Kann es eine Macht geben, die man nicht mit menschlichen Mitteln erreicht? Eine Macht, die nicht der Logik der Herrschaft und der Gewalt entspricht? Jesus ist gekommen, um ein neues Königtum zu offenbaren und zu bringen: das Königtum Gottes; er ist gekommen, um Zeugnis abzulegen für die Wahrheit eines Gottes, der die Liebe ist (vgl. 1 Joh 4,8.16) und der ein Reich der Gerechtigkeit, der Liebe und des Friedens errichten will (vgl. Präfation). Wer für die Liebe offen ist, hört dieses Zeugnis und nimmt es im Glauben an, um in das Reich Gottes einzutreten.

Diese Sicht finden wir in der ersten Lesung wieder, die wir gehört haben. Der Prophet Daniel kündigt die Macht einer geheimnisvollen Gestalt zwischen Himmel und Erde an: »Da kam mit den Wolken des Himmels einer wie ein Menschensohn. Er gelangte bis zu dem Hochbetagten und wurde vor ihn geführt. Ihm wurden Herrschaft, Würde und Königtum gegeben. Alle Völker, Nationen und Sprachen müssen ihm dienen. Seine Herrschaft ist eine ewige, unvergängliche Herrschaft. Sein Reich geht niemals unter« (7,13-14). Es sind Worte, die einen König vor Augen führen, der von Meer zu Meer, bis an die Enden der Erde herrscht, mit einer absoluten Macht, die nie gebrochen werden wird. Diese Vision des Propheten, eine messianische Vision, wird durch Christus erhellt und findet in ihm ihre Verwirklichung: Die Macht des wahren Messias – eine Macht, die niemals untergeht und niemals vernichtet wird – ist nicht die Macht der Reiche der Erde, die entstehen und vergehen, sondern die der Wahrheit und der Liebe. Damit verstehen wir, daß das Königtum, das Jesus in den Gleichnissen angekündigt und vor dem römischen Statthalter unverhüllt und ausdrücklich offenbart hat, das Königtum der Wahrheit ist, das einzige, das allen Dingen ihr Licht und ihre Größe verleiht.

In der zweiten Lesung sagt der Autor der Geheimen Offenbarung, daß auch wir am Königtum Christi teilhaben. In dem Zuruf an den, »der uns liebt und uns von unseren Sünden erlöst hat durch sein Blut«, erklärt er: »Er hat uns zu einem Reich gemacht und zu Priestern vor Gott, seinem Vater« (vgl. 1,5-6). Auch hier ist deutlich, daß es sich um ein Reich handelt, das auf das Verhältnis zu Gott, zur Wahrheit, gegründet ist, und nicht um ein politisches Reich. Durch sein Opfer hat Jesus uns den Weg zu einer tiefen Beziehung zu Gott eröffnet: In ihm sind wir wirkliche Söhne und Töchter geworden, haben wir somit Anteil erhalten an seinem Königtum über die Welt. Jünger Jesu zu sein bedeutet also, sich nicht von der weltlichen Logik der Macht faszinieren zu lassen, sondern das Licht der Wahrheit und der Liebe Gottes in die Welt zu tragen. Der Autor der Geheimen Offenbarung weitet dann den Blick aus auf die Wiederkunft Jesu, wenn er kommt, um die Menschen zu richten und für immer das göttliche Reich einzusetzen, und er erinnert uns daran, daß die Umkehr als Antwort auf die göttliche Gnade die Bedingung für die Errichtung dieses Reiches ist (vgl. 1,7). Das ist eine eindringliche Aufforderung an alle und an jeden, sich immer neu zum Reich Gottes zu bekehren, dazu, daß Gott – die Wahrheit schlechthin – in unserem Leben herrsche. Darum beten wir täglich im »Vater unser« mit den Worten: »Dein Reich komme«, was soviel bedeutet, wie zu Jesus zu sagen: Herr, gib, daß wir dein sind, lebe in uns, sammle die verstreute und leidende Menschheit, damit in dir alles dem Vater der Barmherzigkeit und der Liebe unterworfen sei.

Euch, liebe, verehrte Mitbrüder im Kardinalskollegium – in besonderer Weise denke ich an die gestern kreierten Kardinäle – wird diese anspruchsvolle Verantwortung aufgetragen: Zeugnis zu geben für das Reich Gottes, für die Wahrheit. Das bedeutet, gegenüber den Interessen der Welt und ihrer Mächte immer den Vorrang Gottes und seines Willens hervortreten zu lassen. Ahmt Jesus nach, der in der vom Evangelium beschriebenen Erniedrigung vor Pilatus seine Herrlichkeit hat aufleuchten lassen: die Herrlichkeit, bis zum äußersten zu lieben und das eigene Leben für die geliebten Menschen hinzugeben. Das ist die Offenbarung der Reiches Jesu. Und darum wollen wir, ein Herz und eine Seele, miteinander beten: »Adveniat regnum tuum«. Amen.

 

 

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