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ANSPRACHE VON BENEDIKT XVI.
AN DEN NEUEN BOTSCHAFTER DES KÖNIGREICHS MAROKKO
BEIM HL. STUHL, ALI ACHOUR*

Montag, 20. Februar 2006

 

Herr Botschafter!

Ich freue mich, Eure Exzellenz anläßlich der Überreichung Ihres Beglaubigungsschreibens als außerordentlicher und bevollmächtigter Botschafter Marokkos beim Heiligen Stuhl zu begrüßen.

Ich danke Ihnen für die liebenswürdigen Worte, die Sie an mich gerichtet haben, und für die freundlichen Grüße, die Seine Majestät König Mohammed VI. mir durch Sie übermitteln ließ. Indem ich noch einmal meine Wertschätzung für die traditionelle Gastfreundschaft und Verständigung ausspreche, die seit langer Zeit die Beziehungen des Königreiches Marokko zur katholischen Kirche kennzeichnet, wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie meinerseits Seine Majestät meiner herzlichen Wünsche für seine Person sowie für das Glück und Wohlergehen des edlen marokkanischen Volkes versichern würden. Fortschritte in Richtung einer demokratischen Zukunft

Herr Botschafter, Sie haben mir von den Bemühungen berichtet, die von Ihrem Land, das eben den 50. Jahrestag seiner Unabhängigkeit begangen hat, unternommen werden, um Fortschritte in Richtung einer modernen, demokratischen und gedeihlichen Zukunft zu machen.

Man kann sich nur freuen über diese Fortschritte, die allen Marokkanern ein Leben in Sicherheit und Würde ermöglichen sollen, so daß jeder aktiv am gesellschaftlichen und politischen Leben des Landes teilnehmen kann. Eine echte Demokratie erfordert nämlich einen Konsens über eine Reihe von Grundwerten, wie die transzendente Würde der menschlichen Person, die Achtung der Menschenrechte, das »Gemeinwohl« als Ziel und Kriterium für die Regelung des politischen Lebens (vgl. Kompendium der Soziallehre der Kirche, 407).

Andererseits soll eine, schon vor mehreren Jahren begonnene, immer engere Zusammenarbeit zwischen den Anrainerländern des Mittelmeeres sich mit Entschlossenheit und Ausdauer nicht nur den Fragen der Sicherheit und des Friedens in der Region stellen, sondern sich auch des Problems der Entwicklung der Gesellschaften und der einzelnen Menschen annehmen und sich dabei neu der Pflicht zu Solidarität und Gerechtigkeit bewußt werden. Deshalb ist der Mittelmeerraum mehr denn je dazu berufen, ein Ort der Begegnung und des Dialogs zwischen den Völkern und zwischen den Kulturen zu sein.

Unter den schwerwiegenden Problemen, welche die Anrainerländer des Mittelmeeres zu bewältigen haben, stellt das Phänomen der Migration einen komplexen Tatbestand in den Beziehungen zwischen den Staaten dar. Die Migranten aus benachteiligten Regionen klopfen auf der Suche nach besseren Lebensbedingungen in immer größerer Zahl an die Türen Europas, was eine ständig wachsende Zahl von ihnen in die Illegalität führt und mitunter Situationen schafft, die die Würde und Sicherheit der Menschen ernsthaft in Frage stellen.

Genauso müssen die Institutionen der Aufnahme- bzw. der Transitländer dafür sorgen, die Migranten nicht als Ware oder bloße Arbeitskräfte zu betrachten und ihre Grundrechte und ihre menschliche Würde zu achten. Die schwierige Situation so vieler Ausländer sollte die Solidarität zwischen den betroffenen Staaten fördern, um zur Entwicklung der Herkunftsländer der Migranten beizutragen.

Diese Probleme können nämlich nicht von der nationalen Politik im Alleingang gelöst werden. Durch eine immer intensivere Zusammenarbeit zwischen allen betroffenen Ländern wird die Suche nach Lösungen für diese leidvollen Situationen wirksame Fortschritte machen.

Herr Botschafter, Sie haben den Beitrag Ihres Landes zur Stärkung des Dialogs zwischen den Zivilisationen, Kulturen und Religionen hervorgehoben. In der internationalen Lage, die wir gegenwärtig erleben, ist die katholische Kirche ihrerseits davon überzeugt, daß es zur Förderung des Friedens und der Verständigung zwischen den Völkern und zwischen den Menschen notwendig und dringend geboten ist, die Religionen und ihre Symbole zu respektieren; die Gläubigen dürfen nicht zur Zielscheibe von Provokationen werden, die ihre Einstellung und ihre religiösen Gefühle verletzen.

Intoleranz und Gewalt jedoch lassen sich niemals als Antwort auf Beleidigungen rechtfertigen, denn solche Reaktionen sind mit den unantastbaren Grundsätzen der Religion nicht vereinbar. Man kann deshalb das Vorgehen jener Menschen, die bewußt die Verletzung religiöser Gefühle ausnutzen, um zu Gewalttaten anzustiften, nur beklagen; und das um so mehr, als es hier um Ziele geht, die mit der Religion nichts zu tun haben.

Für die Gläubigen sowie für alle Menschen guten Willens ist der einzige Weg, der zu Frieden und Brüderlichkeit führen kann, die Überzeugungen und religiösen Ausdrucksformen des anderen zu respektieren, damit durch gegenseitigen Respekt in allen Gesellschaften für jeden einzelnen die Ausübung der von ihm frei gewählten Religion wirklich sichergestellt ist. Durch Ihre Vermittlung,

Herr Botschafter, möchte ich auch einen herzlichen Gruß an die Mitglieder der katholischen Gemeinschaft in Marokko und ihre Hirten richten. Möge es ihnen ein Herzensanliegen sein, ihre christliche Berufung mit Freude zu leben, indem sie immer hochherziger und in fruchtbarer Zusammenarbeit mit allen Zeugnis geben von der Liebe Gottes zu allen Menschen!

In diesem Augenblick, wo Eure Exzellenz Ihr hohes Amt beim Heiligen Stuhl antreten, spreche ich Ihnen meine besten Wünsche für die vornehme Aufgabe aus, die Sie erwartet. Bei meinen Mitarbeitern werden Sie stets das aufmerksame Entgegenkommen und das freundliche Verständnis finden, dessen Sie bedürfen.

Auf Eure Exzellenz, auf Ihre Familie, auf Ihre Mitarbeiter, auf das marokkanische Volk und seine Verantwortlichen rufe ich von ganzem Herzen den reichen Segen des Allerhöchsten herab.


*L'Osservatore Romano n. 9 p. 7.

 

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