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APOSTOLISCHE REISE
VON PAPST BENEDIKT XVI.
NACH BRASILIEN ANLÄSSLICH DER V. GENERALKONFERENZ
DES EPISKOPATS VON LATEINAMERIKA UND DER KARIBIK

VESPERGOTTESDIENST MIT DEN BISCHÖFEN BRASILIENS

ANSPRACHE VON BENEDIKT XVI.

Kathedrale da Sé, São Paulo
Freitag, 11. Mai 2007

 

Geliebte Brüder im Bischofsamt!

»Obwohl er der Sohn war, hat er durch Leiden den Gehorsam gelernt; zur Vollendung gelangt, ist er für alle, die ihm gehorchen, der Urheber des ewigen Heils geworden« (Hebr 5,8–9).

1. Der Text, den wir soeben in der kurzen Lesung der heutigen Vesper gehört haben, enthält eine tiefe Lehre. Auch in diesem Fall stellen wir fest, daß das Wort Gottes lebendig ist und schärfer als ein zweischneidiges Schwert; es dringt durch bis zur Nahtstelle der Seele, verschafft ihr Erleichterung und spornt ihre treuen Diener an (vgl. Hebr 4,12).

Ich danke Gott, daß er mir die Begegnung mit einem bedeutenden Episkopat gewährt hat, der einer der zahlenmäßig größten katholischen Bevölkerungen der Welt vorsteht. Ich grüße euch mit Empfindungen tiefer Gemeinschaft und aufrichtiger Liebe, denn ich weiß gut um die Hingabe, mit der ihr die euch anvertrauten Gemeinden begleitet. Der warmherzige Empfang durch den Herrn Pfarrer der Catedral da Sé und alle Anwesenden hat mir das Gefühl gegeben, mich hier, in diesem großen gemeinsamen Haus, das unsere Heilige Mutter, die katholische Kirche, ist, zu Hause zu fühlen.

Einen besonderen Gruß richte ich an das neue Präsidium der Nationalen Bischofskonferenz Brasiliens. Ich danke für die Worte des Vorsitzenden, Erzbischof Geraldo Lyrio Rocha, und spreche den Wunsch für eine fruchtbringende Arbeit bei der Aufgabe aus, die Gemeinschaft der Bischöfe immer mehr zu festigen und das gemeinsame pastorale Wirken auf einem Territorium von kontinentalen Ausmaßen zu fördern.

2. Brasilien empfängt mit seiner traditionellen Gastfreundschaft die Teilnehmer an der V. Konferenz des lateinamerikanischen Episkopats. Ich bringe meine Dankbarkeit für die freundliche Aufnahme von seiten seiner Mitglieder und meine tiefe Wertschätzung zum Ausdruck für die Gebete des brasilianischen Volkes um ein gutes Gelingen der Generalversammlung der Bischöfe in Aparecida.

Es handelt sich um ein großes kirchliches Ereignis, das im Bereich der missionarischen Anstrengung liegt, die Lateinamerika genau von hier, von brasilianischem Boden aus auf sich nehmen müssen wird. Deshalb wollte ich mich zuerst an euch, Bischöfe von Brasilien, wenden, als ich an jene inhaltsvollen Worte aus dem Brief an die Hebräer erinnerte: »Obwohl er der Sohn war, hat er durch Leiden den Gehorsam gelernt; zur Vollendung gelangt, ist er für alle, die ihm gehorchen, der Urheber des ewigen Heils geworden« (Hebr 5,8–9). Diese bedeutungsträchtigen Verse sprechen vom Mitleid Gottes für uns, das im Leiden seines Sohnes zum Ausdruck kommt; und sie sprechen von seinem Gehorsam, von seiner freien und bewußten Zustimmung zu den Plänen des Vaters, die im Gebet auf dem Ölberg besonders deutlich wird: »Aber nicht mein, sondern dein Wille soll geschehen« (Lk 22,42). So lehrt uns Jesus selbst, daß der wahre Weg zum Heil darin besteht, unseren Willen dem Willen Gottes anzugleichen. Genau darum bitten wir in der dritten Anrufung des Gebets des Vaterunser: der Wille Gottes geschehe »wie im Himmel so auf Erden «, denn wo der Wille Gottes herrscht, dort ist das Reich Gottes gegenwärtig. Jesus zieht uns mit seinem Willen, dem Willen des Sohnes an und führt uns auf diese Weise zum Heil. Wenn wir mit Jesus Christus dem Willen Gottes entgegengehen, öffnen wir die Welt dem Reich Gottes.

Wir Bischöfe sind berufen, diese zentrale Wahrheit kundzumachen, da wir direkt an Christus, den guten Hirten, gebunden sind. Die Sendung, die uns als Lehrer des Glaubens übertragen ist, besteht, wie der Völkerapostel schrieb, darin, in Erinnerung zu bringen, daß unser Erlöser »will, daß alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen« (1 Tim 2,4). Das und nichts anderes ist das Ziel der Kirche: die Rettung der Seelen, jeder einzelnen Seele. Darum hat der Vater seinen Sohn gesandt, und »wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch« (Joh 20,21). Hieraus entsteht der Auftrag zur Evangelisierung: »Darum geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe. Seid gewiß: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt« (Mt 28,19). Das sind einfache und erhabene Worte, in denen auf die Verpflichtung hingewiesen wird, die Wahrheit des Glaubens, die Dringlichkeit des sakramentalen Lebens und die Verheißung Christi zu verkünden, seiner Kirche immer beizustehen. Es sind dies grundlegende Wirklichkeiten, und sie beziehen sich auf die Unterweisung im Glauben und in der christlichen Moral sowie auf die Feier der Sakramente. Wo Gott und sein Wille unbekannt sind, wo es den Glauben an Jesus Christus und seine Gegenwart in den Feiern der Sakramente nicht gibt, fehlt auch das Wesentliche für die Lösung der dringenden sozialen und politischen Probleme. Die Treue zum Primat Gottes und seines Willens, der in der Gemeinschaft mit Jesus Christus erkannt und gelebt wird, ist die wesentliche Gabe, die wir Bischöfe und Priester unserem Volk zu bieten haben (vgl. Paul VI., Enzyklika Populorum progressio, 21).

3. So drängt uns das Bischofsamt zur Unterscheidung des Heilswillens bei der Suche nach einer Pastoral, die das Volk Gottes dazu erziehen soll, die transzendenten Werte in Treue zu Christus und zum Evangelium zu erkennen und anzunehmen.

Es stimmt, daß die Zeiten für die Kirche heute schwierig geworden sind und viele ihrer Söhne und Töchter sich in Bedrängnis befinden. Das soziale Leben macht Zeiten einer erschütternden Verwirrung durch. Die Heiligkeit der Ehe und der Familie wird ungestraft angegriffen, angefangen mit Zugeständnissen angesichts der Pressionen, die sich negativ auf die Gesetzgebungsprozesse auswirken können; manche Verbrechen gegen das Leben werden im Namen des Rechts auf individuelle Freiheit gerechtfertigt; das ist ein Anschlag gegen die Würde des Menschen; die Wunde der Ehescheidung und der Partnerschaften ohne Trauschein breitet sich aus. Mehr noch: Wenn im Schoß der Kirche der Wert des priesterlichen Auftrags als vollkommene Hingabe an Gott in Form des apostolischen Zölibats und als die totale Bereitschaft zum Dienst an den Seelen in Frage gestellt wird und man den ideologischen, politischen – auch parteipolitischen – Fragen den Vorzug gibt, dann beginnt die Struktur der totalen Weihe an Gott ihre tiefste Bedeutung zu verlieren. Wie sollten wir da nicht Traurigkeit in unserer Seele empfinden? Doch habt Vertrauen: Die Kirche ist heilig und makellos (vgl. Eph 5,27). Der hl. Augustinus sagte: »Die Kirche wird wanken, wenn ihr Fundament wankt; aber wird Christus etwa wanken können? Da Christus nicht wankt, wird die Kirche unversehrt bleiben bis ans Ende der Zeiten« (Enarrationes in Psalmos, 103, 2,5: PL 37,1353).

Zu den Problemen, die eurer pastoralen Sorge Kummer bereiten, gehört zweifellos das Problem der Katholiken, die das kirchliche Leben aufgeben. Es scheint klar, daß die Hauptursache für dieses Problem unter anderem auf das Fehlen einer Evangelisierung zurückzuführen ist, in der Christus und seine Kirche im Zentrum jeder Erklärung stehen. Die Menschen, die für den aggressiven Proselytismus der Sekten, der zu Recht Anlaß zur Sorge gibt, am verwundbarsten sind und die nicht in der Lage sind, dem Ansturm des Agnostizismus, des Relativismus und Laizismus standzuhalten, sind in der Regel Getaufte, die nicht genügend im Evangelium unterwiesen wurden und leicht zu beeinflussen sind, weil sie einen zerbrechlichen Glauben haben, der manchmal verworren, schwankend und naiv ist, auch wenn sie eine angeborene Religiosität bewahren. In der Enzyklika Deus caritas est habe ich daran erinnert, daß »am Anfang des Christseins nicht ein ethischer Entschluß steht oder eine große Idee, sondern die Begegnung mit einem Ereignis, mit einer Person, die unserem Leben einen neuen Horizont und damit seine entscheidende Richtung gibt« (Nr. 1). Es ist daher notwendig, die apostolische Arbeit als eine echte Mission innerhalb der Herde, die die katholische Kirche in Brasilien bildet, dadurch in Gang zu bringen, daß man eine methodische und intensive Evangelisierung mit Blick auf ein persönliches und gemeinschaftliches Festhalten an Christus fördert. Es geht in der Tat darum, keine Mühen zu scheuen, um auf die Suche nach den Katholiken zu gehen, die sich entfernt haben, und nach jenen, die wenig oder nichts von Jesus Christus wissen; das muß durch eine Pastoral der Aufnahme geschehen, die ihnen hilft, die Kirche als einen bevorzugten Ort der Begegnung mit Gott kennenzulernen, sowie durch einen von ständiger Katechese begleiteten Weg.

Erforderlich ist, kurz gesagt, eine Mission der Evangelisierung, die alle lebendigen Energien dieser immensen Herde hinzuziehen soll. Ich denke daher an die Priester, an die Ordensmänner, an die Ordensfrauen und an die Laien, die sich oftmals unter ungeheuren Schwierigkeiten für die Verbreitung der Wahrheit des Evangeliums aufopfern. Viele von ihnen arbeiten aktiv in den Vereinigungen, in den Bewegungen und in anderen neuen kirchlichen Gruppierungen mit, die in Gemeinschaft mit ihren Bischöfen und in Übereinstimmung mit den diözesanen Richtlinien ihren spirituellen, erzieherischen und missionarischen Reichtum als wertvolle Erfahrung und als Angebot eines christlichen Lebens in das Herz der Kirche einbringen.

In diesem angestrengten Bemühen um die Evangelisierung zeichnet sich die kirchliche Gemeinschaft durch pastorale Initiativen aus, vor allem durch die Entsendung ihrer Missionare, Laien und Ordensleute, in die Häuser an der Peripherie der Städte und im Landesinneren, die im Geist des Verständnisses und einfühlsamer Liebe mit allen in Dialog zu treten versuchen. Wenn jedoch die Menschen, denen ihr begegnet, in Armut leben, muß man ihnen helfen, so wie es die ersten christlichen Gemeinden getan haben, indem man Solidarität übt, damit sie sich wirklich geliebt fühlen. Die arme Bevölkerung an den Rändern der Großstädte oder auf dem Land muß die Nähe der Kirche spüren, sei es als Hilfe für die dringendsten Bedürfnisse, sei es in der Verteidigung ihrer Rechte und in der gemeinsamen Förderung einer Gesellschaft, die auf Gerechtigkeit und Frieden gegründet ist. Die Armen sind die ersten Adressaten des Evangeliums, und der Bischof muß – nach dem Bild des guten Hirten – besonders darauf achten, den göttlichen Balsam des Glaubens anzubieten, ohne das »materielle Brot« zu vernachlässigen. Wie ich in der Enzyklika Deus caritas est hervorheben konnte, »kann die Kirche den Liebesdienst so wenig ausfallen lassen wie Sakrament und Wort« (Nr. 22).

Dem sakramentalen Leben, besonders in Form der Beichte und der Eucharistie, kommt hier größte Bedeutung zu. Euch Bischöfen obliegt die wichtige Aufgabe, die Teilnahme der Gläubigen am eucharistischen Leben und am Sakrament der Versöhnung zu gewährleisten. Ihr müßt darüber wachen, daß das Bekenntnis und die Lossprechung der Sünden gewöhnlich individuell geschieht, da die Sünde ein zutiefst personales Geschehen ist (vgl. Johannes Paul II., Nachsynodales Apostol. Schreiben Reconciliatio et paenitentia, 31, III). Allein physische oder moralische Unmöglichkeit enthebt den Gläubigen von dieser Form der Beichte; in diesem Fall kann die Versöhnung auch auf andere Weisen erlangt werden (vgl. CIC, can. 960; vgl. Kompendium des Katechismus der Katholischen Kirche, 311). Es ist daher angebracht, den Priestern die Praxis der großzügigen Bereitschaft einzuprägen, die Gläubigen, die das Sakrament der Barmherzigkeit Gottes empfangen wollen, immer anzunehmen (vgl. Johannes Paul II., Apost. Schreiben Misericordia Dei, 2).

4. Von Christus her in alle Missionsbereiche aufbrechen, in Jesus die Liebe und das Heil wiederentdecken, das uns der Vater durch den Heiligen Geist schenkt: Das ist der Kern, die Wurzel der bischöflichen Sendung, die den Bischof zum Hauptverantwortlichen für die Katechese in der Diözese macht. Ihm obliegt die oberste Leitung der Katechese; er muß sich dazu mit kompetenten und vertrauenswürdigen Mitarbeitern umgeben. Es ist daher selbstverständlich, daß seine Katecheten nicht lediglich Übermittler von Glaubenserfahrungen sind, sondern – unter der Leitung des Bischofs – authentische Boten der offenbarten Wahrheiten sein müssen. Der Glaube ist ein vom Heiligen Geist gesteuerter Weg, der sich in zwei Worten ausdrücken läßt: Umkehr und Nachfolge. Diese zwei Schlüsselworte der christlichen Tradition weisen mit aller Klarheit darauf hin, daß der Glaube an Christus eine Lebensgestaltung beinhaltet, die auf das doppelte Gebot der Gottes- und der Nächstenliebe gegründet ist; und die zwei Worte bringen auch die soziale Dimension des Lebens zum Ausdruck.

Die Wahrheit setzt eine klare Kenntnis der Botschaft Jesu voraus, die dank einer verständlichen inkulturierten Sprache vermittelt wird, die aber unbedingt der Vorlage des Evangeliums treu bleiben muß. Dringlich ist in der heutigen Zeit eine angemessene Kenntnis des Glaubens, wie er im Katechismus der Katholischen Kirche mit seinem Kompendium gut zusammengefaßt ist. Zur Katechese gehört wesentlich auch die Erziehung zu den persönlichen und sozialen Tugenden des Christen sowie die Erziehung zu sozialer Verantwortung. Eben weil Glaube, Leben und Feier der Heiligen Liturgie als Quelle des Glaubens und des Lebens voneinander untrennbar sind, ist eine korrektere Anwendung der Prinzipien des II. Vatikanischen Konzils zur Liturgie der Kirche einschließlich der im Direktorium für die Bischöfe enthaltenen Verfügungen (vgl. Nr. 145–151) notwendig, dies mit der Absicht, der Liturgie ihren heiligen Charakter zurückzuerstatten. Mit dieser Zielsetzung wollte mein ehrwürdiger Vorgänger auf dem Stuhl Petri, Johannes Paul II., »einen deutlichen Appell aussprechen, daß in der Eucharistiefeier die liturgischen Normen mit großer Treue beachtet werden… Die Liturgie ist niemals Privatbesitz von irgend jemandem, weder des Zelebranten, noch der Gemeinschaft, in der die heiligen Geheimnisse gefeiert werden« (Enzyklika Ecclesia de Eucharistia, 52). Den Gehorsam gegenüber den liturgischen Normen von seiten der Bischöfe als »Leiter des liturgischen Lebens der Kirche« wiederentdecken und wertschätzen bedeutet, von der Kirche selbst, der einen und universalen, die den Vorsitz in der Liebe hat, Zeugnis abzulegen.

5. Es gilt, einen qualitativen Sprung im christlichen Leben des Volkes zu machen, damit es seinen Glauben rein und klar bezeugen kann. Dieser Glaube, der in der Liturgie und in der Liebe gefeiert und miteinander geteilt wird, nährt und stärkt die Gemeinde der Jünger des Herrn, während er sie als missionarische und prophetische Kirche aufbaut. Der brasilianische Episkopat besitzt eine Struktur von großer Tragweite, deren Statuten kürzlich revidiert worden sind, damit ihre bessere Umsetzung und eine ausschließlichere Hingabe an das Wohl der Kirche erreicht werden. Der Papst ist nach Brasilien gekommen mit dem Wunsch, daß auf Grund des Wortes Gottes alle ehrwürdigen Brüder im Bischofsamt Urheber des ewigen Heils für alle sein sollen, die Christus gehorchen (vgl. Hebr 5,9). Wir Bischöfe müssen angesichts der Verpflichtung, die wir als Nachfolger der Apostel übernommen haben, treue Diener des Wortes sein, ohne verkürzende Auffassungen oder Verwirrungen in der Sendung, die uns aufgetragen ist. Es reicht nicht, die Realität vom persönlichen Glauben ausgehend zu betrachten; es ist nötig, mit dem Evangelium in der Hand und im echten Erbe der Apostolischen Tradition verankert zu arbeiten, ohne von rationalistischen Ideologien motivierte Interpretationen.

So »liegt es in den Teilkirchen in der Verantwortung des Bischofs, das Wort Gottes zu bewahren und auszulegen und mit Autorität zu beurteilen, was sich als dem Wort Gottes entsprechend bzw. nicht entsprechend erweist« (Kongregation für die Glaubenslehre, Instruktion über die kirchliche Berufung des Theologen, 19). Er wird als Lehrer des Glaubens und der Lehre auf die Mitarbeit des Theologen zählen können, der »in seiner Hingabe an den Dienst der Wahrheit, um seiner Funktion treu zu bleiben, dem eigentlichen Auftrag des Lehramtes Rechnung tragen und mit ihm zusammenarbeiten muß« (ebd., Nr. 20). Die Verpflichtung, das Glaubensgut zu bewahren und seine Einheit zu erhalten, erfordert strenge Wachsamkeit, so daß es »bewahrt und getreu weitergegeben wird und die Sonderpositionen in der Unversehrtheit des Evangeliums Christi vereinheitlicht werden« (Direktorium für den Hirtendienst der Bischöfe, 126).

Das also ist die enorme Verantwortung, die ihr für die Aus- und Weiterbildung des Volkes, besonders eurer Priester und Ordensleute, übernehmt. Sie sind eure treuen Mitarbeiter. Ich weiß, mit wieviel Einsatz ihr versucht, die neuen Priester- und Ordensberufungen auszubilden. Die theologische Ausbildung und die Ausbildung in den kirchlichen Disziplinen verlangt eine ständige Aktualisierung, aber immer im Einklang mit dem authentischen Lehramt der Kirche.

Ich appelliere an euren priesterlichen Eifer und an das Bewußtsein der Unterscheidung der Berufungen, auch um die spirituelle, psychischaffektive, intellektuelle und pastorale Dimension bei den reifen und für den Dienst in der Kirche bereiten jungen Menschen vervollkommnen zu können. Eine gute und ständige geistliche Begleitung ist unerläßlich, um die menschliche Reifung zu fördern, sie vermeidet das Risiko von Verirrungen auf dem Gebiet der Sexualität. Haltet euch immer vor Augen, daß der priesterliche Zölibat eine Gabe ist, »welche die Kirche erhalten hat und bewahren will, da sie davon überzeugt ist, daß er für sie selbst und für die Welt ein hohes Gut ist« (Direktorium für Dienst und Leben der Priester, 57).

Ich möchte eurer Sorge auch die Ordensgemeinschaften empfehlen, die sich in das Leben eurer Diözese eingliedern. Sie bieten einen wertvollen Beitrag, denn »es gibt verschiedene Gnadengaben, aber nur den einen Geist« (1 Kor 12,4). Die Kirche muß ihre Freude und Wertschätzung für all das bekunden, was die Ordensleute an den Universitäten, in den Schulen, in den Krankenhäusern und anderen Werken und Einrichtungen leisten.

6. Ich kenne die Dynamik eurer Versammlungen und das Bemühen, die verschiedenen Pastoralpläne so festzulegen, daß sie der Ausbildung des Klerus und der Mitarbeiter in der Seelsorge Vorrangstellung geben. Einige von euch haben Bewegungen der Evangelisierung gefördert, um die Gruppierung der Gläubigen in einer bestimmten Aktionslinie zu erleichtern. Der Nachfolger Petri zählt auf euch, daß eure Ausbildung immer auf der Spiritualität der Gemeinschaft mit dem Stuhl Petri und der Treue zu ihm beruht, um zu gewährleisten, daß das Wirken des Geistes nicht vergeblich ist. Die Unversehrtheit des Glaubens zusammen mit der kirchlichen Disziplin nämlich ist und wird immer ein Thema sein, das euch allen Aufmerksamkeit und Engagement abverlangt, vor allem wenn es darum geht, die Konsequenzen daraus zu ziehen, daß es »nur einen Glauben und nur eine Taufe« gibt.

Wie ihr wißt, gibt es unter den verschiedenen Dokumenten, die sich mit der Einheit der Christen befassen, das Direktorium für den Ökumenismus, das vom Päpstlichen Rat zur Förderung der Einheit der Christen veröffentlicht wurde. Der Ökumenismus, das heißt die Suche nach der Einheit der Christen, wird in unserer Zeit, in der sich die Begegnung der Kulturen und die Herausforderung des Säkularismus ereignen, zu einer immer dringlicheren Aufgabe der katholischen Kirche. Infolge des vermehrten Auftretens immer neuer christlicher Denominationen und vor allem angesichts gewisser Formen eines häufig aggressiven Proselytismus wird das ökumenische Engagement zu einer komplexen Arbeit. Unverzichtbar ist in einem derartigen Kontext eine gute Ausbildung in Geschichte und christlicher Lehre, die zur notwendigen Unterscheidung befähigt und hilft, die spezifische Identität jeder einzelnen Gemeinschaft, die trennenden Elemente und jene, die auf dem Weg zur Herstellung der Einheit hilfreich sind, zu verstehen. Der große gemeinsame Bereich der Zusammenarbeit sollte die Verteidigung der von der biblischen Tradition überlieferten sittlichen Grundwerte gegen ihre Zerstörung in einer relativistischen und konsumistischen Kultur sein; und zudem der Glaube an den Schöpfergott und an Jesus Christus, seinen Mensch gewordenen Sohn. Darüber hinaus gilt immer das Prinzip der brüderlichen Liebe und der Suche nach Verständnis und gegenseitiger Annäherung; aber es geht auch um die Verteidigung des Glaubens unseres Volkes, indem wir es in der freudigen Gewißheit bestärken, daß »unica Christi Ecclesia… subsistit in Ecclesia catholica, a Successore Petri et Episcopis in eius communione gubernata« (daß »die einzige Kirche Christi … verwirklicht [ist] in der katholischen Kirche, die vom Nachfolger Petri und von den Bischöfen in Gemeinschaft mit ihm geleitet wird«; Lumen gentium, 8).

In diesem Sinn wird man auf dem Weg zu einem offenen ökumenischen Dialog durch die Vermittlung des Nationalen Rates der Christlichen Kirchen vorangehen, wobei man sich zum vollen Respekt der anderen religiösen Bekenntnisse verpflichtet, die den Wunsch haben, mit der katholischen Kirche in Brasilien in Kontakt zu bleiben.

7. Keine Neuigkeit ist in der Tat die Feststellung, daß euer Land ein historisches Defizit an sozialer Entwicklung aufweist, dessen extreme Spuren die breite Masse von Brasilianern sind, die im Elend leben, sowie eine Ungleichheit in der Verteilung des Einkommens, die ein sehr hohes Niveau erreicht. Euch, ehrwürdige Brüder, obliegt es als Hierarchie des Volkes Gottes, die Suche nach neuen und von christlichem Geist erfüllten Lösungen zu fördern. Eine Sicht der Wirtschaft und der sozialen Probleme aus dem Blickwinkel der Soziallehre der Kirche läßt uns die Dinge immer unter dem Gesichtspunkt der Menschenwürde betrachten, die über das bloße Spiel der wirtschaftlichen Faktoren hinausgeht. Man muß daher unermüdlich für die Bildung der Politiker arbeiten, wie auch für die aller Brasilianer, die eine bestimmte, sei es große oder geringe Entscheidungsgewalt haben, und allgemein für die Bildung aller Mitglieder der Gesellschaft, so daß sie ihre eigene Verantwortung voll wahrnehmen und der Wirtschaft ein menschliches und solidarisches Gesicht geben können.

Es ist dringend nötig, in den politischen und unternehmerischen Schichten einen echten Geist der Authentizität und Rechtschaffenheit heranzubilden. Diejenigen, die eine Führungsrolle in der Gesellschaft übernehmen, müssen versuchen, die direkten und indirekten, die kurzund langfristigen sozialen Folgen ihrer Entscheidungen vorauszusehen, wobei sie nach Kriterien zur Maximierung des Gemeinwohls handeln, statt den persönlichen Profit zu suchen.

8. Wenn es Gott gefällt, liebe Brüder, werden wir andere Gelegenheiten finden, um die Fragen zu vertiefen, die unsere gemeinsame Hirtensorge auf den Plan rufen. Diesmal wollte ich natürlich nicht in erschöpfender Weise die wichtigsten Themen darlegen, die Gegenstand meiner Überlegungen als Bischof der Universalkirche sind. Ich teile euch meine liebevolle Ermutigung mit, die zugleich eine brüderliche und aufrichtige Bitte ist: Daß ihr, wie ihr es schon tut, weiterhin immer in Eintracht arbeitet, indem ihr als euer Fundament eine Gemeinschaft habt, die in der Eucharistie ihren Höhepunkt und ihre unerschöpfliche Quelle hat. Ich vertraue euch der Heiligen Maria, Mutter Christi und Mutter der Kirche, an, während ich einem jeden von euch und euren Gemeinden von Herzen den Apostolischen Segen erteile.

Danke!

 

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