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ERÖFFNUNG DER PASTORALTAGUNG DER DIÖZESE ROM ZUM THEMA: "KIRCHLICHE ZUGEHÖRIGKEIT UND PASTORALE MITVERANTWORUNG"

ANSPRACHE VON BENEDIKT XVI.

Basilika St. Johann im Lateran
Dienstag, 26. Mai 2009

 

Herr Kardinal,
verehrte Mitbrüder im bischöflichen und priesterlichen Dienst,
liebe Ordensmänner und Ordensfrauen,
liebe Brüder und Schwestern!

Nunmehr einem guten Brauch folgend freut es mich, auch in diesem Jahr die Pastoraltagung der Diözese zu eröffnen. Jedem von euch, die ihr hier die gesamte Diözesangemeinschaft vertretet, gilt mein herzlicher Gruß und mein aufrichtiger Dank für die Pastoralarbeit, die ihr leistet. Durch euch richte ich auch an alle Pfarreien meinen herzlichen Gruß mit den Worten des Apostels Paulus: »An alle in Rom, die von Gott geliebt sind, die berufenen Heiligen: Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus« (Röm 1,7). Ich danke dem Herrn Kardinalvikar von Herzen für die ermutigenden Worte, die er in eurem Namen an mich gerichtet hat, sowie für die Unterstützung, die er mir zusammen mit den Weihbischöfen im täglichen apostolischen Dienst gibt, in den der Herr mich als Bischof von Rom berufen hat.

Gerade wurde in Erinnerung gerufen, daß die Diözese im vergangenen Jahrzehnt ihre Aufmerksamkeit zunächst drei Jahre lang der Familie gewidmet hat und dann für die folgenden drei Jahre der Erziehung der neuen Generationen zum Glauben. Dabei wurde versucht, auf den »Erziehungsnotstand« zu antworten, der für alle eine nicht einfache Herausforderung ist. Zuletzt habt ihr euch, ebenfalls in bezug auf die Erziehung und ermutigt durch die Enzyklika Spe salvi, dem Thema der Erziehung zur Hoffnung zugewandt. Gemeinsam mit euch danke ich dem Herrn für all das Gute, das zu vollbringen er uns gewährt hat; ich denke dabei besonders an die Pfarrer und an die Priester, die bei der Leitung der ihnen anvertrauten Gemeinden keine Mühen scheuen. Auch möchte ich meine Anerkennung aussprechen bezüglich der pastoralen Entscheidung, Zeit zu investieren, um den bisher beschrittenen Weg zu überprüfen, und im Licht der gelebten Erfahrung einige grundlegende Bereiche der ordentlichen Pastoral hervorzuheben, mit dem Ziel, sie genauer zu umschreiben und besser bekannt zu machen. Grundlage für diese Aufgabe, die ihr bereits seit einigen Monaten in allen Pfarreien und in den anderen kirchlichen Wirklichkeiten durchführt, muß eine erneuerte Bewußtwerdung unseres Kirche-Seins und unserer pastoralen Mitverantwortung sein, die wahrzunehmen wir im Namen Christi alle berufen sind. Und eben auf diesen Aspekt möchte ich jetzt genauer eingehen. Das Wesen der Kirche – ein Mysterium der Gemeinschaft

Das Zweite Vatikanische Konzil, das die Lehre über die Kirche, die im Laufe von 2000 Jahren herangereift ist, rein und unverkürzt weitergeben wollte, hat dieser »eine besser durchdachte Definition« gegeben, indem es vor allem ihr Wesen als Mysterium erläutert, also als eine »Wirklichkeit, die durchdrungen ist von der göttlichen Gegenwart und die daher immer neu und tiefer ergründet werden kann« (Paul VI., Eröffnungsansprache der zweiten Sitzungsperiode, 29. September 1963). Nun ist die Kirche, die im dreifaltigen Gott ihren Ursprung hat, ein Mysterium der Gemeinschaft. Als Gemeinschaft ist die Kirche nicht nur eine geistliche Wirklichkeit, sondern sie lebt sozusagen in Fleisch und Blut in der Geschichte. Das Zweite Vatikanische Konzil beschreibt sie als »gleichsam das Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit« (Lumen gentium, 1). Und das Wesen des Sakraments besteht gerade darin, daß man im Sichtbaren das Unsichtbare berührt, daß das Sichtbare und Berührbare die Tür öffnet für Gott selbst. Die Kirche, so haben wir gesagt, ist eine Gemeinschaft, eine Gemeinschaft von Personen, die durch das Wirken des Heiligen Geistes das Volk Gottes bilden, das gleichzeitig der Leib Christi ist. Denken wir ein wenig über diese beiden Schlüsselwörter nach. Der Begriff »Volk Gottes« kommt aus dem Alten Testament und hat sich dort entwickelt: Um in die Wirklichkeit der menschlichen Geschichte einzutreten, hat Gott ein bestimmtes Volk, das Volk Israel, als sein Volk auserwählt. Hinter dieser besonderen Erwählung steht der Wille, durch wenige zu den vielen zu gelangen und von den vielen zu allen. Hinter der besonderen Erwählung steht mit anderen Worten der Wille zur Universalität. Durch dieses Volk tritt Gott wirklich konkret in die Geschichte ein. Und diese Öffnung zur Universalität wurde im Kreuz und in der Auferstehung Christi verwirklicht. Am Kreuz, so sagt der hl. Paulus, riß Christus die trennende Wand nieder. Er gibt uns seinen Leib und vereint uns so in diesem seinem Leib, um uns eins werden zu lassen. In der Gemeinschaft des »Leibes Christi« werden wir alle zu einem einzigen Volk, dem Volk Gottes, wo – um noch einmal den hl. Paulus zu zitieren – alle eins sind und es keine Trennung, keinen Unterschied mehr gibt zwischen Griechen und Juden, Beschnittenen und Unbeschnittenen, Fremden, Skythen, Sklaven, Juden, sondern Christus alles und in allen ist. Er hat die trennende Wand zwischen Völkern, Rassen und Kulturen niedergerissen: Wir alle sind in Christus vereint. So sehen wir, daß die beiden Begriffe – »Volk Gottes« und »Leib Christi« – einander ergänzen und zusammen den neutestamentlichen Begriff der Kirche bilden. Und während »Volk Gottes« die Kontinuität der Kirchengeschichte zum Ausdruck bringt, bringt »Leib Christi« die Universalität zum Ausdruck, die im Kreuz und in der Auferstehung des Herrn ihren Anfang nahm. Für uns Christen ist also »Leib Christi« nicht nur ein Bild, sondern ein wahrer Begriff, weil Christus uns wirklich seinen Leib schenkt und nicht nur ein Bild. Als Auferstandener vereint Christus uns alle im Sakrament, um uns zu einem einzigen Leib zu machen. Daher ergänzen die Begriffe »Volk Gottes« und »Leib Christi« einander: In Christus werden wir wirklich das Volk Gottes. »Volk Gottes« bedeutet daher »alle«: vom Papst bis hin zum zuletzt getauften Kind. Das Erste Eucharistische Hochgebet, der sogenannte Römische Kanon, der im 4. Jahrhundert geschrieben wurde, unterscheidet zwischen Dienern – »wir, deine Diener«– und »plebs tua sancta«; wenn man also unterscheiden will, spricht man von Dienern und »plebs sancta«, während die Bezeichnung »Volk Gottes« alle zusammen in ihrem gemeinsamen Kirche-Sein zum Ausdruck bringt.

Nach dem Konzil hat diese ekklesiologische Lehre große Annahme gefunden, und durch Gottes Gnade sind viele gute Früchte in der christlichen Gemeinschaft herangereift. Wir müssen jedoch auch bedenken, daß die Rezeption dieser Lehre in der Praxis und demzufolge ihre Übernahme in das kirchliche Bewußtsein nicht immer und überall ohne Schwierigkeiten und einer richtigen Auslegung entsprechend erfolgt sind. Wie ich in der Ansprache an die Römische Kurie vom 22. Dezember 2005 gesagt habe, wollte eine Interpretationsrichtung unter Berufung auf einen angeblichen »Konzilsgeist« eine Diskontinuität, ja sogar einen Gegensatz zwischen der Kirche vor und der Kirche nach dem Konzil einführen. Dabei wurden manchmal die Grenzen überschritten, die objektiv zwischen dem hierarchischen Dienstamt und der Verantwortung der Laien in der Kirche bestehen. Besonders der Begriff »Volk Gottes« wurde von einigen rein soziologisch ausgelegt, in fast ausschließlich horizontaler Form und unter Ausschluß des vertikalen Bezugs zu Gott. Diese Auffassung steht in offenem Gegensatz zum Buchstaben und zum Geist des Konzils, das keinen Bruch, keine andere Kirche wollte, sondern eine wahre und tiefe Erneuerung, in der Kontinuität des einen Subjekts Kirche, das mit der Zeit wächst und sich entfaltet, dabei aber stets dasselbe eine Subjekt des pilgernden Volkes Gottes bleibt.

Zweitens muß eingeräumt werden, daß die Wiedererweckung geistlicher und pastoraler Kräfte im Laufe dieser Jahre nicht immer den erwünschten Zuwachs und die erwünschte Entwicklung hervorgebracht hat. In einigen kirchlichen Gemeinschaften läßt sich nämlich feststellen, daß auf eine Periode des Eifers und des Aufbruchs eine Zeit gefolgt ist, in der die Bemühungen nachließen, sich eine gewisse Müdigkeit einstellte, man manchmal fast an einen toten Punkt gelangte, in der auch Widerstand herrschte und ein Widerspruch zwischen der Konzilslehre und verschiedenen Ideen, die im Namen des Konzils formuliert wurden, in Wirklichkeit aber zu seinem Geist und seinem Buchstaben im Gegensatz stehen. Auch aus diesem Grund widmete sich die Ordentliche Versammlung der Bischofssynode im Jahre 1987 dem Thema der Berufung und Sendung der Laien in der Kirche und in der Welt. Das zeigt uns, daß die großartigen Texte, die das Konzil den Laien gewidmet hat, im Bewußtsein der Katholiken und in der pastoralen Praxis noch nicht ausreichend umgesetzt und verwirklicht worden waren. Einerseits besteht immer noch die Tendenz, die Kirche einseitig mit der Hierarchie gleichzusetzen und die gemeinsame Verantwortung, die gemeinsame Sendung des Volkes Gottes, das wir alle in Christus sind, zu vergessen. Andererseits gibt es auch weiterhin noch die Tendenz, das Volk Gottes so zu verstehen wie ich gerade gesagt habe: einer rein soziologischen oder politischen Auffassung entsprechend, unter Vernachlässigung der Neuheit und des Besonderen jenes Volkes, das erst in Gemeinschaft mit Christus zum Volk wird.

Liebe Brüder und Schwestern, jetzt stellt sich die Frage: An welchem Punkt befindet sich unsere Diözese Rom? In welchem Maße wird die pastorale Mitverantwortung aller, besonders der Laien, anerkannt und gefördert? In den vergangenen Jahrhunderten hat die christliche Gemeinde durch das großherzige Zeugnis vieler Getaufter, die ihr Leben der Erziehung der neuen Generationen zum Glauben, der Pflege der Kranken und der Unterstützung der Armen gewidmet haben, den Einwohnern von Rom das Evangelium verkündet. Diese Sendung ist heute uns anvertraut, in verschiedenen Situationen, in einer Stadt, in der nicht wenige Getaufte dem Weg der Kirche nicht mehr folgen und diejenigen, die keine Christen sind, die Schönheit unseres Glaubens nicht kennen. Die Diözesansynode, die auf Wunsch meines geliebten Vorgängers Johannes Paul II. einberufen wurde, war eine wirkliche »receptio« der Konzilslehre, und das »Synodenbuch« hat die Diözese dazu verpflichtet, immer mehr zur lebendigen und tätigen Kirche mitten in der Stadt zu werden, durch das koordinierte und verantwortungsbewußte Handeln aller ihrer Glieder. Dann folgte in Vorbereitung auf das Große Jubiläum des Jahres 2000 die Stadtmission, durch die unsere kirchlichen Gemeinschaften sich der Tatsache bewußt werden konnten, daß der Evangelisierungsauftrag nicht nur einige, sondern alle Getauften betrifft. Sie war eine heilsame Erfahrung, die dazu beigetragen hat, in den Pfarreien, in den Ordensgemeinschaften, in den Vereinigungen und in den Bewegungen das Bewußtsein der Zugehörigkeit zum einen Volk Gottes heranreifen zu lassen, das – nach den Worten des Apostels Petrus – Gottes besonderes Eigentum wurde, damit es seine großen Taten verkündet (vgl. 1 Petr 2,9). Und dafür wollen wir an diesem Abend danken.

Es liegt jedoch noch ein langer Weg vor uns. Zu viele Getaufte fühlen sich nicht der kirchlichen Gemeinschaft zugehörig, leben am Rande von ihr und wenden sich nur bei bestimmten Anlässen an die Pfarreien, um religiöse Dienste zu erhalten. Unter den Einwohnern der einzelnen Pfarreien, auch unter denen, die sich zum katholischen Glauben bekennen, gibt es immer noch verhältnismäßig wenige Laien, die sich bereitwillig zur Arbeit in den verschiedenen apostolischen Bereichen zur Verfügung stellen. Gewiß gibt es viele Schwierigkeiten kultureller und sozialer Natur, aber treu dem Gebot des Herrn können wir uns nicht darauf beschränken, das Bestehende zu bewahren. Im Vertrauen auf die Gnade des Geistes, die der auferstandene Christus uns zugesagt hat, müssen wir den Weg mit erneuerter Kraft wieder aufnehmen. Welche Wege können wir beschreiten? Zunächst müssen wir uns wieder um eine sorgfältigere und gewissenhaftere Ausbildung bemühen, die die Sicht der Kirche vermittelt, von der ich gesprochen habe, und zwar sowohl von seiten der Priester als auch der Ordensleute und der Laien, um immer besser zu verstehen, was die Kirche ist, das Volk Gottes im Leib Christi. Gleichzeitig ist es notwendig, den pastoralen Ansatz zu verbessern, um unter Achtung der Berufungen und der Rollen der geweihten Personen und der Laien die Mitverantwortung aller Glieder des Volkes Gottes schrittweise zu fördern. Dazu bedarf es einer Änderung der Mentalität besonders in bezug auf die Laien, die nicht mehr nur als »Mitarbeiter« des Klerus betrachtet werden dürfen, sondern als wirklich »mitverantwortlich « für das Sein und Handeln der Kirche erkannt werden müssen, um die Festigung eines reifen und engagierten Laienstandes zu fördern. Das gemeinsame Bewußtsein aller Getauften, Kirche zu sein, vermindert nicht die Verantwortung der Pfarrer. Es ist eure Aufgabe, liebe Pfarrer, das geistliche und apostolische Wachstum aller zu unterstützen, die sich bereits unermüdlich in den Pfarreien einsetzen: Sie sind das Herzstück der Gemeinde, das für die anderen zum Sauerteig wird. Damit diese Gemeinden, auch wenn sie manchmal zahlenmäßig klein sind, nicht ihre Identität und ihre Kraft verlieren, es ist nötig, sie zum betenden Hören auf das Wort Gottes zu erziehen, durch die Praxis der lectio divina, die von der kürzlich abgehaltenen Bischofssynode inständig gewünscht wurde. Nähren wir uns wirklich vom Hören, von der Betrachtung des Wortes Gottes. Unsere Gemeinden dürfen nie das Bewußtsein verlieren, daß sie »Kirche« sind, denn Christus, das ewige Wort des Vaters, ruft sie zusammen und macht sie zu seinem Volk. Der Glaube ist nämlich einerseits eine zutiefst persönliche Beziehung zu Gott, aber er besitzt auch ein wesentliches gemeinschaftliches Element, und diese beiden Dimensionen lassen sich nicht voneinander trennen. So können auch die Jugendlichen die Schönheit und die Freude erfahren, Kirche zu sein und sich als Kirche zu fühlen. Sie sind am stärksten dem zunehmenden Individualismus der gegenwärtigen Kultur ausgesetzt, deren unvermeidliche Folge die Schwächung der zwischenmenschlichen Beziehungen und des Zusammengehörigkeitsgefühls ist. Im Glauben an Gott sind wir im Leib Christi vereint und werden alle im selben Leib eins. So können wir, gerade durch den tiefen Glauben, auch die Gemeinschaft untereinander erfahren und die Einsamkeit des Individualismus überwinden.

Das Wort ruft die Gemeinschaft zusammen, und die Eucharistie macht sie zu einem Leib. Der hl. Paulus schreibt: »Ein Brot ist es. Darum sind wir viele ein Leib; denn wir alle haben teil an dem einen Brot« (1 Kor 10,17). Die Kirche ist also nicht das Resultat einer Summe von Individuen, sondern die Einheit jener, die von dem einen Wort Gottes und von dem einen Brot des Lebens genährt werden. Die Gemeinschaft und die Einheit der Kirche, die aus der Eucharistie entstehen, sind eine Wirklichkeit, die wir uns immer mehr zu Bewußtsein bringen müssen, auch beim Empfang der heiligen Kommunion. Wir müssen uns immer stärker bewußt werden, daß wir in die Einheit mit Christus eintreten und so unter uns eins werden. Wir müssen immer wieder lernen, diese Einheit zu wahren und sie gegen Rivalitäten, Streit und Eifersüchteleien, die innerhalb der kirchlichen Gemeinschaften und zwischen ihnen entstehen können, zu verteidigen. Ich richte eine Bitte vor allem an die Bewegungen und Gemeinschaften, die nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil entstanden sind und die auch in unserer Diözese ein wertvolles Geschenk sind, für das wir dem Herrn stets danken müssen: Ich möchte sie bitten – und ich wiederhole: sie sind ein Geschenk –, stets dafür zu sorgen, daß ihre Mitglieder durch Unterweisung dahin geführt werden, ein wirkliches Zugehörigkeitsgefühl zur Pfarrgemeinde zu entwickeln. Der Mittelpunkt des Lebens der Pfarrei ist wie gesagt die Eucharistie und insbesondere die sonntägliche Feier. Wenn die Einheit der Kirche aus der Begegnung mit dem Herrn erwächst, dann ist es nicht nebensächlich, die Anbetung und die Eucharistiefeier mit großer Sorgfalt zu gestalten, damit alle, die daran teilnehmen, die Schönheit des Geheimnisses Christi erfahren können. Die Schönheit der Liturgie »ist nicht nur bloßer Ästhetizismus, sondern eine Art und Weise, wie die Wahrheit der Liebe Gottes in Christus uns erreicht, uns fasziniert, uns begeistert« (Sacramentum caritatis, 35); daher ist es wichtig, daß die Eucharistiefeier durch die sakramentalen Zeichen das göttliche Leben offenbart und vermittelt und den Männern und Frauen dieser Stadt das wahre Antlitz der Kirche zeigt.

Das geistliche und apostolische Wachstum der Gemeinschaft führt diese auch dazu, durch überzeugtes missionarisches Handeln ihr Wachsen zu fördern. Bemüht euch daher, wie zu Zeiten der Stadtmission in jeder Pfarrei kleine Gruppen oder Hauskreise zu bilden, in denen die Gläubigen Christus und sein Wort verkündigen – Orte, an denen es möglich ist, den Glauben zu erfahren, die Nächstenliebe zu üben, der Hoffnung eine Struktur zu geben. Wenn die großen Stadtpfarreien so in eine wachsende Zahl kleiner Gemeinschaften unterteilt werden, wird ein größerer Missionsradius ermöglicht, der die Dichte der Bevölkerung sowie ihr oft sehr unterschiedliches soziales und kulturelles Erscheinungsbild in Betracht zieht. Es wäre wichtig, diese pastorale Methode auch an den Arbeitsplätzen wirksam zur Anwendung zu bringen. Hier muß die Evangelisierung heute in Form einer Pastoral stattfinden, die das Umfeld berücksichtigt, denn aufgrund der hohen sozialen Mobilität verbringt die Bevölkerung einen großen Teil des Tages am Arbeitsplatz.

Schließlich darf auch das Zeugnis der Nächstenliebe nicht vergessen werden, das die Herzen vereint und zur kirchlichen Zugehörigkeit hin öffnet. Auf die Frage, wie der Erfolg des Christentums in den ersten Jahrhunderten zu erklären ist, der Aufstieg einer vermeintlichen jüdischen Sekte zur Reichsreligion, antworten die Historiker, daß besonders die Erfahrung der christlichen Nächstenliebe die Welt überzeugt hat. Die Nächstenliebe zu leben ist die vorrangige Form der Mission. Das verkündigte und gelebte Wort wird dann glaubwürdig, wenn es zur Solidarität und zum Teilen wird, zu Gesten, die das Antlitz Christi als wahren Freund des Menschen zeigen. Das stille, tägliche Zeugnis der Nächstenliebe, das die Pfarreien dank des Engagements vieler gläubiger Laien geben, möge auch weiterhin immer mehr Verbreitung finden, damit die Notleidenden die Nähe der Kirche spüren und die Liebe des barmherzigen Vaters erfahren. Seid also »barmherzige Samariter«, bereit, die materiellen und geistlichen Wunden eurer Brüder zu heilen. Die Diakone, die durch die Weihe Christus, dem Knecht, gleichförmig geworden sind, können einen nützlichen Dienst leisten, indem sie eine erneuerte Aufmerksamkeit gegenüber alten und neuen Formen der Armut fördern. Darüber hinaus denke ich an die Jugendlichen: Meine Lieben, ich lade euch ein, eure Begeisterung und Kreativität in den Dienst Christi und des Evangeliums zu stellen und zu Aposteln eurer Altersgenossen zu werden, bereit, dem Herrn großherzig zu antworten, wenn er euch beruft, ihm aus nächster Nähe nachzufolgen, im Priestertum oder im geweihten Leben.

Liebe Brüder und Schwestern, die Zukunft des Christentums und der Kirche in Rom hängt auch vom Engagement und vom Zeugnis eines jeden von uns ab. Dafür erbitte ich die mütterliche Fürsprache der allerseligsten Jungfrau Maria, die in der Basilika »Santa Maria Maggiore« seit Jahrhunderten als »Salus populi romani« verehrt wird. Wie sie mit den Aposteln im Abendmahlssaal das Pfingstereignis erwartete, so möge sie auch bei uns sein und uns ermutigen, der Zukunft mit Vertrauen entgegenzusehen. Mit diesen Empfindungen danke ich euch für eure unermüdliche Arbeit und erteile allen von Herzen einen besonderen Apostolischen Segen.

 

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