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APOSTOLISCHE REISE
IN DEN LIBANON
(14.-16. SEPTEMBER 2012)

 

PRESSEKONFERENZ MIT PAPST  BENEDIKT XVI.
AUF DEM FLUG IN DEN LIBANON


 Freitag, 14. September 2012

 

Pater Lombardi: Eure Heiligkeit, herzlich willkommen und danke, daß Sie hier bei uns sind. Die Journalisten im Gefolge sind etwas mehr als 50, gehören verschiedenen Sprachen und Nationalitäten an. Natürlich sind es viele Hunderte, vielleicht Tausende, die Sie hingegen im Libanon erwarten. Alle widmen dieser Reise große Aufmerksamkeit, da sie um die Anforderungen und um ihre Tragweite wissen. Wir sind Ihnen dankbar, daß Sie bei uns sind, um anspruchsvolle Fragen zu beantworten, welche die Journalisten selber in den vergangenen Tagen formuliert haben. Die ersten beiden Fragen stelle ich auf französisch. Der Heilige Vater beantwortet sie auf französisch als die mehr oder weniger offizielle Sprache dieser Reise und die anderen drei auf italienisch.

Heiliger Vater, in diese Tage fallen Jahrestage schrecklicher Ereignisse, wie etwa der 11. September oder das Massaker von Sabra und Chatila. Hinter den Grenzen des Libanon findet ein blutiger Bürgerkrieg statt, und wir sehen auch, daß in anderen Ländern die Gefahr der Gewalt immer gegenwärtig ist. Heiliger Vater, mit welchen Gefühlen treten Sie diese Reise an? Waren Sie versucht, wegen der unsicheren Lage auf diese Reise zu verzichten, oder hat Ihnen jemand geraten, davon zurückzutreten?

Heiliger Vater: Liebe Freunde, für diese Gelegenheit, mit Ihnen sprechen zu können, bin ich sehr froh und dankbar. Ich kann sagen, daß mir niemand geraten hat, auf diese Reise zu verzichten, und daß ich meinerseits niemals diese Möglichkeit in Betracht gezogen habe, da ich weiß, daß, wenn eine Situation schwieriger wird, es um so nötiger ist, ein Zeichen der Brüderlichkeit, der Ermutigung und der Solidarität zu setzen. Und so ist das die Bedeutung meiner Reise: zum Dialog, zum Frieden gegen die Gewalt einzuladen, gemeinsam weiter nach Lösungen der Probleme zu suchen. Meine Gefühle auf dieser Reise sind daher vor allem Gefühle der Dankbarkeit, in diesem Augenblick dieses große Land besuchen zu können. Dieses Land ist – wie es Papst Johannes Paul II. gesagt hat – eine vielfache Botschaft in dieser Region der Begegnung und des Ursprungs der drei abrahamitischen Religionen. Ich bin vor allem dem Herrn dankbar, der mir die Möglichkeit gegeben hat; ich danke allen Einrichtungen und Menschen, die dazu beigetragen haben und beitragen. Und ich danke den vielen Menschen, die mich im Gebet begleiten. Unter diesem Schutz des Gebets und der Zusammenarbeit bin ich glücklich und sicher, daß wir einen echten Dienst zum Wohl der Menschen und für den Frieden tun können.

Pater Lombardi: Danke, Heiliger Vater. Eine große Zahl von Katholiken ist beunruhigt angesichts der Zunahme des Fundamentalismus in verschiedenen Regionen der Welt und angesichts der Angriffe, der viele Christen zum Opfer fallen. Wie kann die Kirche in diesem schwierigen und oft blutigen Kontext dem Gebot zum Dialog mit dem Islam entsprechen, auf den Sie mehrmals gedrungen haben?

Heiliger Vater: Der Fundamentalismus ist immer eine Verfälschung der Religion. Er widerspricht dem Wesen der Religion, die versöhnen und den Frieden Gottes in der Welt schaffen will. Daher ist es die Aufgabe der Kirche und der Religionen, sich zu reinigen; eine große Reinigung der Religion von dieser Versuchung ist immer notwendig. Unsere Aufgabe ist es, die Gewissen hell zu machen und zu reinigen und klar zu machen, daß jeder Mensch ein Abbild Gottes ist. Und wir müssen im anderen nicht nur sein Anderssein respektieren, sondern im Anderssein das wirkliche gemeinsame Wesen unsere Gottebenbildlichkeit, und den anderen als Abbild Gottes behandeln. Daher muß die Grundbotschaft der Religion gegen die Gewalt sein, die wie der Fundamentalismus eine Verfälschung ist, und sie muß die Gewissen bilden, erhellen und reinigen, um diese fähig zu machen für den Dialog, die Versöhnung und den Frieden.

Pater Lombardi: Fahren wir auf italienisch fort. Im Zusammenhang mit der Welle des Wunsches nach Demokratie, die in vielen Ländern des Nahen Ostens mit dem sogenannten „arabischen Frühling“ in Bewegung gekommen ist, und angesichts der gesellschaftlichen Realität, daß in den meisten dieser Länder die Christen eine Minderheit darstellen, besteht da nicht die Gefahr einer unvermeidbaren Spannung zwischen der Herrschaft der Mehrheit und dem Überleben des Christentums?

Heiliger Vater: An sich, würde ich sagen, ist der „arabische Frühling“ eine positive Sache: Es ist ein Wunsch nach mehr Demokratie, größerer Freiheit, größerer Zusammenarbeit, nach einer neuen arabischen Identität. Dieser Ruf nach Freiheit, der von einer jungen Generation kommt, die über eine größere kulturelle und berufliche Bildung verfügt und eine stärkere Teilnahme am politischen, am gesellschaftlichen Leben wünscht, ist ein Fortschritt, eine sehr positive Sache, die gerade auch von uns Christen begrüßt wird. Natürlich wissen wir aus der Geschichte der Revolutionen, daß der so wichtige und positive Ruf nach Freiheit immer in Gefahr ist, einen Aspekt zu vergessen, eine grundlegende Dimension der Freiheit, nämlich die Toleranz gegenüber dem anderen; die Tatsache, daß die menschliche Freiheit immer eine gemeinsame Freiheit ist, die nur in Teilhabe und Solidarität, im Miteinander und unter bestimmten Regeln wachsen kann. Dies ist stets die Gefahr, auch in der gegenwärtigen Situation. Wir alle müssen das Mögliche tun, damit der Begriff der Freiheit, der Wunsch nach Freiheit in die richtige Richtung geht und nicht die Toleranz, das Miteinander, die Versöhnung als grundlegende Elemente der Freiheit vergißt. So schließt – denke ich – auch die neue arabische Identität ebenso die Erneuerung des jahrhundertlangen und tausendjährigen Miteinanders von Christen und Arabern mit ein. Denn gerade gemeinsam, in der Toleranz von Mehrheit und Minderheit, haben sie diese Länder aufgebaut, und sie können nicht anders als zusammenleben. Daher denke ich, daß es wichtig ist, das positive Element in diesen Bewegungen zu sehen und unseren Teil zu leisten, damit die Freiheit richtig verstanden wird und einem größeren Dialog entspricht und nicht der Herrschaft eines gegen die anderen.

Pater Lombardi: Heiliger Vater, in Syrien – wie vor einiger Zeit im Irak – sehen sich viele Christen gezwungen, schweren Herzens ihr Land zu verlassen. Was will die katholische Kirche tun oder sagen, um in dieser Situation zu helfen und das Verschwinden der Christen in Syrien und in anderen Ländern des Nahen Ostens einzudämmen?

Heiliger Vater: Zunächst muß ich sagen, daß nicht nur Christen flüchten, sondern auch Muslime. Natürlich ist die Gefahr, daß die Christen sich entfernen und ihre Präsenz in diesen Ländern verloren geht, groß, und wir müssen das Mögliche tun und ihnen helfen zu bleiben. Die wesentliche Hilfe wäre das Ende des Krieges, der Gewalt: diese verursacht die Flucht. Daher ist der erste Schritt, alles Mögliche zu tun, damit die Gewalt aufhört und wirklich eine Möglichkeit geschaffen wird, auch in Zukunft zusammen zu bleiben. Was können wir gegen den Krieg tun? Wir sagen natürlich immer, die Botschaft des Friedens zu verbreiten, deutlich zu machen, daß die Gewalt nie ein Problem löst, und die Kräfte des Friedens zu stärken. Hier ist die Arbeit der Journalisten wichtig, die sehr helfen können, um zu zeigen, wie die Gewalt zerstört, nicht aufbaut, keinem nützt. Dann, würde ich sagen, vielleicht Gesten der Christenheit, Gebetstage in den Anliegen des Nahen Ostens für Christen und Muslime sowie Möglichkeiten des Dialogs und von Lösungen aufzeigen. Ich würde auch sagen, daß endlich die Einfuhr von Waffen aufhören muß, denn ohne die Einfuhr von Waffen könnte der Krieg nicht weitergehen. Anstatt Waffen einzuführen, was eine schwere Sünde ist, sollten wir Ideen des Friedens, der Kreativität einführen; Lösungen suchen, jeden in seinem Anderssein anzunehmen. Wir müssen also in der Welt die Achtung der Religionen untereinander sichtbar machen, die Achtung des Menschen als Geschöpf Gottes, die Nächstenliebe als grundlegend für alle Religionen. In diesem Sinn also helfen mit allen möglichen Gesten, mit auch materiellen Hilfen, daß der Krieg und die Gewalt aufhören und alle ihr Land wieder aufbauen können.

Pater Lombardi: Heiliger Vater, Sie bringen ein Apostolisches Schreiben mit, das an alle Christen im Nahen Osten gerichtet ist. Heute sind sie eine leidende Bevölkerung. Sehen Sie neben dem Gebet und der Gesinnung der Solidarität konkrete Schritte, welche die Kirchen und die Katholiken im Westen, besonders in Europa und Amerika, setzen können, um die Glaubensgeschwister im Nahen Osten zu unterstützen?

Heiliger Vater: Ich meine, daß wir Einfluß auf die öffentliche Meinung und auf die Politiker ausüben müssen, sich wirklich – mit allen Kräften, mit allen Mitteln, mit echter Kreativität – für den Frieden, gegen die Gewalt einzusetzen. Niemand darf auf Vorteile aus der Gewalt hoffen, alle müssen ihren Beitrag leisten. In diesem Sinn ist von unserer Seite Mahn-, Bildungs- und Läuterungsarbeit notwendig. Ferner sollen auch unsere karitativen Organisationen auf materielle Weise helfen und alles tun. Wir haben Organisationen wie die Grabesritter, an sich nur für das Heilige Land, aber ähnliche Organisationen könnten in diesen Ländern materiell, politisch, menschlich helfen. Nochmals möchte ich sagen, daß sichtbare Gesten der Solidarität, öffentliche Gebetstage und ähnliches die öffentliche Meinung darauf aufmerksam machen können, echte Faktoren sein können. Wir sind davon überzeugt, daß das Gebet wirkt; wenn es mit großem Vertrauen und Glauben geschieht, wird es seine Wirkung haben.

 



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