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PAPST FRANZISKUS

GENERALAUDIENZ

Mittwoch, 28. September 2016

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Katechese. 31. Die Vergebung auf dem Kreuz (vgl. Lk 23,39-43)

Liebe Brüder und Schwestern,
guten Tag!

Die Worte, die Jesus bei seiner Passion ausspricht, finden ihren Höhepunkt in der Vergebung. Jesus vergibt: »Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun« (Lk 23,34). Es sind nicht nur Worte, denn sie werden konkret in die Tat umgesetzt durch die Vergebung, die dem »guten Schächer« geschenkt wird, der neben ihm hing. Der heilige Lukas berichtet von zwei Verbrechern, die mit Jesus gekreuzigt werden und sich in unterschiedlichen Haltungen an ihn wenden.

Der erste verhöhnt ihn, so wie alle Leute ihn verhöhnen und wie die führenden Männer des Volkes es tun, aber dieser arme Mann sagt von Verzweiflung getrieben: »Bist du denn nicht der Messias? Dann hilf dir selbst und auch uns!« (Lk 23,39). Dieser Schrei bezeugt die Angst des Menschen vor dem Geheimnis des Todes und das tragische Bewusstsein, dass nur Gott die befreiende Antwort sein kann: Daher ist es unvorstellbar, dass der Messias, der Gesandte Gottes, am Kreuz hängen kann, ohne etwas zu tun, um sich zu retten. Und das verstanden sie nicht. Sie verstanden das Geheimnis des Opfers Jesu nicht. Jesus dagegen hat uns gerettet, indem er am Kreuz blieb. Wir alle wissen, dass es nicht einfach ist, »am Kreuz zu bleiben«, an unseren täglichen kleinen Kreuzen. Er ist an diesem großen Kreuz, in diesem großen Leiden geblieben und hat uns dort gerettet; dort hat er uns seine Allmacht gezeigt, und dort hat er uns vergeben. Dort vollzieht sich seine Hingabe aus Liebe und entspringt für immer unser Heil. Indem er am Kreuz stirbt, unschuldig zwischen zwei Kriminellen, bezeugt er, dass Gottes Heil jeden Menschen in jeder Lage, auch der negativsten und schmerzlichsten, erreichen kann. Gottes Heil ist für alle, niemand ist davon ausgeschlossen. Es wird allen angeboten.

Daher ist das Jubiläumsjahr eine Zeit der Gnade und der Barmherzigkeit für alle, Gute und Böse, Gesunde und Leidende. Denkt an jenes Gleichnis, das Jesus erzählt, über das Hochzeitsfest eines Sohnes eines Mächtigen der Erde: Als die Eingeladenen nicht hingehen wollten, sagt er zu seinen Dienern: »Geht also hinaus auf die Straßen und ladet alle, die ihr trefft, zur Hochzeit ein« (Mt 22,9). Wir alle sind eingeladen: Gute und Böse. Die Kirche ist nicht nur für die Guten da oder für jene, die gut zu sein scheinen oder die meinen, gut zu sein; die Kirche ist für alle da, und vorzugsweise auch für die Bösen, denn die Kirche ist Barmherzigkeit. Und diese Zeit der Gnade und der Barmherzigkeit erinnert uns daran, dass nichts uns scheiden kann von der Liebe Christi (vgl. Röm 8,39)! Allen, die an ein Krankenhausbett gefesselt sind, die hinter Gefängnismauern verschlossen leben, die in einem Krieg gefangen sind, sage ich: Schaut auf den Gekreuzigten. Gott ist bei euch, er bleibt bei euch am Kreuz, und allen bietet er sich als Retter an, uns allen. Zu euch, die ihr sehr leidet, sage ich: Jesus wurde für euch, für uns, für alle gekreuzigt. Lasst die Kraft des Evangeliums in euer Herz eindringen und euch trösten, euch Hoffnung schenken und die innere Gewissheit, dass keiner von seiner Vergebung ausgeschlossen ist. Aber ihr fragt mich vielleicht: »Aber sagen Sie mir, Vater: Hat jemand, der sehr schlimme Dinge im Leben getan hat, die Möglichkeit, dass ihm vergeben wird?« – »Ja, wirklich: Keiner ist von der Vergebung Gottes ausgeschlossen. Er muss sich nur reumütig Jesus nähern, mit dem Wunsch, von ihm umarmt zu werden.«

Das war der erste Verbrecher. Der andere ist der sogenannte »gute Schächer«. Seine Worte sind ein wunderbares Vorbild der Reue, eine geballte Katechese, um zu lernen, Jesus um Vergebung zu bitten. Zunächst wendet er sich an seinen Gefährten: »Nicht einmal du fürchtest Gott? Dich hat doch das gleiche Urteil getroffen« (Lk 23,40). So hebt er den Ausgangspunkt der Reue hervor: die Gottesfurcht. Aber nicht die Angst vor Gott, nein: die kindliche Gottesfurcht. Das ist keine Angst, sondern jene Achtung, die man Gott entgegenbringen muss, weil er Gott ist. Es ist eine kindliche Achtung, weil er der Vater ist. Der gute Schächer ruft die Grundhaltung in Erinnerung, die zum Vertrauen auf Gott hin öffnet: das Bewusstsein von seiner Allmacht und seiner unendlichen Güte. Diese vertrauensvolle Achtung hilft dabei, Raum zu schaffen für Gott und sich seiner Barmherzigkeit anzuvertrauen.

Dann erklärt der gute Schächer die Unschuld Jesu und bekennt offen seine eigene Schuld: »Uns geschieht recht, wir erhalten den Lohn für unsere Taten; dieser aber hat nichts Unrechtes getan« (Lk 23,41). Jesus ist also dort am Kreuz, um bei den Schuldigen zu sein: Durch diese Nähe schenkt er ihnen das Heil. Was für die führenden Männer und für den ersten Verbrecher, für jene, die dort waren und Jesus verhöhnten, ein Skandal ist, ist dagegen die Grundlage seines Glaubens. Und so wird der gute Schächer zum Zeugen der Gnade. Das Unvorstellbare ist geschehen: Gott hat mich so sehr geliebt, dass er am Kreuz für mich gestorben ist. Schon der Glaube dieses Mannes ist Frucht der Gnade Christi: Seine Augen schauen im Gekreuzigten die Liebe Gottes zu ihm, dem armen Sünder. Es stimmt, er war ein Räuber, er hatte das ganze Leben lang geraubt. Aber am Ende bereute er, was er getan hatte, und indem er auf Jesus schaute, der so gut und barmherzig ist, konnte er sich den Himmel rauben: Er ist ein guter Räuber!

Schließlich wendet sich der gute Schächer direkt an Jesus und bittet ihn um seine Hilfe: »Jesus, denk an mich, wenn du in dein Reich kommst« (Lk 23,42). Er nennt ihn beim Namen, »Jesus«, voll Vertrauen, und so bekennt er das, was jener Name bedeutet: »Der Herr heilt.« Das bedeutet der Name »Jesus«. Jener Mann bittet Jesus, an ihn zu denken. Wie viel Zärtlichkeit liegt in diesem Ausdruck, wie viel Menschlichkeit! Es ist das Bedürfnis des Menschen, nicht verlassen zu werden, dass Gott ihm stets nah sein möge. Auf diese Weise wird ein zum Tode Verurteilter zum Modell des Christen, der sich Jesus anvertraut, und auch zum Modell der Kirche, die in der Liturgie oft den Herrn anruft, indem sie sagt: »Gedenke… Gedenke deiner Liebe.«

Während der gute Schächer in der Zukunftsform spricht – »wenn du in dein Reich kommst« –, lässt die Antwort Jesu nicht auf sich warten. Er spricht in der Gegenwartsform: »Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein« (V. 43). In der Stunde des Kreuzes erreicht das Heil Christi seinen Höhepunkt; und seine Verheißung an den guten Schächer offenbart die Erfüllung seiner Sendung: die Sünder zu erlösen. Zu Beginn seines Wirkens, in der Synagoge von Nazaret, hatte Jesus »den Gefangenen die Entlassung« verkündet (Lk 4,18); in Jericho, im Haus des öffentlichen Sünders Zachäus, hatte er erklärt: »Der Menschensohn « – also er selbst – »ist gekommen, um zu suchen und zu retten, was verloren ist« (Lk 19,10). Am Kreuz bestätigt die letzte Tat die Verwirklichung dieses Heilsplans. Vom Anfang bis zum Ende hat er sich als Barmherzigkeit offenbart, hat er sich als endgültige und unwiederholbare Menschwerdung der Liebe des Vaters offenbart. Jesus ist wirklich das Gesicht der Barmherzigkeit des Vaters. Und der gute Schächer hat ihn beim Namen gerufen: »Jesus«. Es ist eine kurze Anrufung, und wir alle können sie den Tag hindurch oft wiederholen: »Jesus«. »Jesus«, ganz einfach. Tut dies den ganzen Tag hindurch.

* * *

Ein herzliches Willkommen allen Pilgern deutscher Sprache, vor allem den vielen Jugendlichen. Besonders grüße ich die Seminaristen der Diözesen Graz-Seckau und Gurk-Klagenfurt sowie die Schülerinnen der Maria-Ward-Mädchenrealschule aus München. Liebe Freunde, schauen wir auf Jesus und entdecken wir immer mehr die Schönheit der Barmherzigkeit des Herrn! Gott segne euch alle.

 



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