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PAPST FRANZISKUS

FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTAE"

 

Freies Denken

Freitag, 29. November 2013

aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 49, 6. Dezember 2013

 

Am Morgen des 29. November sprach Papst Franziskus in der heiligen Messe in Santa Marta die Aufforderung aus, »christlich zu denken«, weil »ein Christ nicht nur mit dem Kopf, sondern auch mit dem Herzen und mit dem Geist, der in ihm wohnt, denkt«. Der Papst machte darauf aufmerksam, dass dies eine besonders aktuelle Aufforderung sei in einem sozialen Kontext, in dem sich zunehmend »ein schwaches Denken, ein vereinheitlichtes Denken, ein Denken »pret-à-porter« breitmache.

Der Bischof von Rom bezog seine Überlegungen auf den in der Liturgiefeier verlesenen Abschnitt aus dem Lukasevangelium (21,29-33), in dem der Herr »die Jünger anhand einfacher Beispiele verstehen lehrt, was geschieht«. In diesem Fall fordere Jesus dazu auf, »den Feigenbaum und die anderen Bäume« anzusehen, da man an den treibenden Blättern erkennen könne, dass der Sommer nahe sei. In anderen Situationen bediene sich der Herr analoger Beispiele, um jene Pharisäer zu tadeln, die die »Zeichen der Zeit« nicht verstehen wollten; jene, die »die Spur Gottes in der Geschichte«, in der Geschichte des Volkes Israel, in der Geschichte des menschlichen Herzens, »in der Geschichte der Menschheit« nicht sähen.

Dem Heiligen Vater zufolge bestehe die Lehre darin, dass »Jesus uns in ganz einfachen Worten dazu ermutigt, nachzudenken, um zu verstehen«. Und es sei ein Aufforderung dazu, »nicht nur mit dem Kopf«, sondern auch »mit dem Herzen, mit dem Geist«, mit unserem ganzen Selbst zu denken. Gerade das sei unter »christlich denken« zu verstehen, um »die Zeichen der Zeit verstehen« zu können. Und diejenigen, die sie nicht verstünden, wie etwa im Fall der Jünger von Emmaus, würden von Christus als »unverständig und trägen Herzens« bezeichnet. Denn, so erläuterte der Papst, wer »die Dinge Gottes nicht versteht, ist so jemand«, unverständig und begriffsstutzig, während »der Herr will, dass wir verstehen, was in unserem Herzen, in unserem Leben, in der Welt, in der Geschichte vorgeht«; und dass wir verstehen, »was das, was jetzt geschieht, bedeutet «. In der Tat könnten wir aus den Antworten auf diese Fragen »die Zeichen der Zeit« ablesen.

Und doch geschehe es nicht immer auf diese Art. Ein Feind liege im Hinterhalt. Es sei »der Geist der Welt«, der »uns andere Angebote macht«. Denn »er will nicht, dass wir Volk sind, er will, dass wir Masse sind. Ohne Nachdenken und ohne Freiheit.« Kurz, der Geist der Welt dränge uns in Richtung »einer Gleichmacherei, aber ohne jenen Geist, der die Gestalt eines Volkes ausmacht«. Er behandle uns, »als besäßen wir kein Denkvermögen, wie Menschen, die nicht frei sind.« In diesem Zusammenhang erläuterte Papst Franziskus ganz ausdrücklich die verborgenen Überzeugungsstrategien: eine bestimmte Denkweise solle den Menschen aufgezwungen werden, deshalb »macht man Werbung für diese Denkweise« und »man muss auf diese Weise denken«. Das »ist das vereinheitlichte Denken, das gleichgeschaltete Denken, das schwache Denken«; leider ein »sehr weit verbreitetes« Denken, kommentierte der Bischof von Rom.

Praktisch »will der Geist der Welt nicht, dass wir uns vor Gott fragen: Warum geschieht das?« Und um uns von den wesentlichen Fragen abzulenken, »schlägt er uns ein Denken pret-à-porter vor, das unserem Geschmack entspricht: ich denke, wie es mir gefällt«. Mit dieser Art zu denken ist der Geist der Welt »zufrieden«. Was er »nicht will, ist dagegen das, was Jesus von uns fordert: freies Denken, das Denken eines Mannes und einer Frau, die Teil des Volkes Gottes sind«. Im übrigen »war Erlösung gerade dies: ein Volk zu werden, das Volk Gottes. Freiheit zu haben.« Denn »Jesus fordert von uns, dass wir frei denken, dass wir denken, um zu verstehen, was geschieht«.

Sicher, so warnte Papst Franziskus, können wir nicht alles alleine tun: Wir brauchen die Hilfe des Herrn, wir brauchen den Heiligen Geist, um die Zeichen der Zeit zu verstehen.« In der Tat sei es gerade der Heilige Geist, der uns »die Einsicht schenkt, um zu verstehen«. Es handle sich um ein persönliches Geschenk an jeden Menschen, kraft dessen »ich verstehen muss, warum mir dies geschieht« und »was der Weg ist, den der Herr« für mein Leben will. Hieraus leite sich die abschließende Aufforderung ab, »den Herrn um die Gnade zu bitten, dass er uns seinen Geist der Einsicht sende«, damit »wir kein schwaches Denken, kein gleichgeschaltetes Denken, kein nur unserem Geschmack entsprechendes Denken haben«, sondern »ausschließlich ein Denken, das Gott gemäß ist«.

Und »mit diesem Denken – des Verstandes, des Herzens und der Seele –, das eine Gabe des Geistes ist«, sollten wir uns bemühen, zu verstehen, »was die Dinge bedeuten, um die Zeichen der Zeit gut zu verstehen«.

 

 



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