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PAPST FRANZISKUS

FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"

  

Angst vor der Auferstehung

 Freitag, 19. September 2014

 

aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 40, 3. Oktober  2014

 

Die christliche Identität vollendet sich für uns erst in der Auferstehung, die wie ein »Erwachen« sein wird. Aus diesem Grund lud Papst Franziskus ein, »beim Herrn zu bleiben«, mit ihm zu gehen als seine Jünger, damit die Auferstehung bereits hier und jetzt beginnen kann. Aber »ohne die Angst vor der Verwandlung, die unseren Körper am Ende unseres christlichen Weges erwartet«.

Der Papst behandelte dieses Thema – das Wesen der Auferstehung – in seiner Predigt in der Frühmesse vom 19. September, die er in der Kapelle des Hauses Santa Marta feierte. Er ging dabei von der ersten Lesung aus, die dem ersten Korintherbrief (15,12-20) des heiligen Paulus entnommen war. Der Apostel, so schickte er gleich voraus, »muss eine für jene Zeit schwierige Korrektur vornehmen: und zwar im Hinblick auf die Auferstehung«. Tatsächlich »glaubten die Christen in der Tat, dass Christus auferstanden sei, dass er gegangen sei, dass sein Auftrag erfüllt worden sei, dass er uns vom Himmel aus beistehe, uns begleite«; aber »die damit verbundene Konsequenz, dass auch wir auferstehen werden«, sei ihnen »nicht so klar gewesen«.

In Wirklichkeit, so bekräftigte Franziskus, »stellten sie es sich anders vor: Ja, die Toten sind gerechtfertigt, sie kommen nicht in die Hölle – sehr schön! –, aber sie gehen dann ein bisschen in den Kosmos ein, in die Luft, irgendwo dorthin, die Seele vor Gott: aber nur die Seele«. Aber »sie verstanden die Auferstehung nicht, sie konnten sie sich nicht vorstellen«: also dass »auch wir auferstehen werden«.

»Es gibt einen heftigen Widerstand«, merkte der Papst an, und zwar »bereits von Anfang an«. So sei »Petrus selbst, der Jesus auf dem Berg Tabor in seiner Verklärung gesehen hatte, am Auferstehungsmorgen zum Grab geeilt«, in der Überzeugung, der Leib des Herrn sei entwendet worden. Und dies sei geschehen, weil »sie sich eine reale Auferstehung nicht vorstellen konnten«: ihre »theologische« Vision, so erläuterte der Papst, »endete beim Triumph«. Deshalb »sagen sie dann am Tag der Himmelfahrt: Aber sag mir doch, Herr, wirst du nun die Befreiung des Reiches Israel vornehmen?« »Sie verstanden diesen unseren Übergang vom Tod zum Leben, der in der Auferstehung erfolgt, nicht«, so bekräftigte der Bischof von Rom. »Noch nicht einmal Maria Magdalena, die den Herrn sehr liebte«, habe ihn verstanden. Und so habe auch sie gedacht: »Sie haben seinen Leib gestohlen!« Kurz, die Jünger verstanden weder »die Auferstehung Jesu noch die der Christen«. Schließlich hätten sie ausschließlich »die Auferstehung Jesu« akzeptiert, »weil sie sie gesehen haben; die Auferstehung der Christen aber wurde nicht so verstanden«. Sie seien davon überzeugt gewesen, dass »wir in den Himmel gehen, aber ohne seltsame Begleiterscheinungen« etwa dieser Art: »die Toten werden auferweckt«.

Dasselbe geschehe übrigens auch, »als Paulus nach Athen geht und anfängt«, über die Auferstehung »zu reden: die griechischen Weisen, die Philosophen, erschraken«, so der Papst. Es gehe darum, dass wenn »die Auferstehung Christi ein Wunder ist, etwas, das vielleicht Erschrecken auslöst, die Auferstehung der Christen ein Ärgernis ist: sie können sie nicht verstehen!« Und »deshalb stellt Paulus diese klare Überlegung an: Wenn Christus auferweckt wurde, wie können dann einige von euch behaupten, dass es keine Auferweckung von den Toten gebe? Wenn Christus auferstanden ist, dann werden auch die Toten wieder auferstehen.«

»Es gibt einen Widerstand gegen die Verwandlung«, so bemerkte der Papst, »einen Widerstand dagegen, dass das Wirken des Heiligen Geistes, den wir in der Taufe empfangen haben, uns bis um Schluss, bis zur Auferstehung verwandelt. « Und »wenn wir über dieses Thema sprechen, dann lauten unsere Worte: Aber ich möchte in den Himmel, ich will nicht in die Hölle kommen!« Trotzdem »bleiben wir hier stehen«. Und »keiner von uns sagt: ich werde wie Christus auferstehen!«

»Auch für uns«, so fuhr Franziskus fort, »ist es schwer, das zu verstehen. Und zwar sehr schwer.« Es sei viel leichter, sich eine Art von »kosmischem Pantheismus« vorzustellen und zu denken: »Nun, wir werden in der Kontemplation sein, dort, in der Welt, die Welt wird verwandelt werden.« Es gebe also »den Widerstand dagegen, verwandelt zu werden, was der Ausdruck ist, dessen sich Paulus bedient: ›Wir werden verwandelt werden. Unser Leib wird verwandelt werden.‹« Ein Widerstand, der ganz »menschlich« sei, wie der Papst zugab. Schließlich sei es so, dass »wenn ein Mann oder eine Frau sich einem chirurgischen Eingriff unterziehen müssen, er oder sie große Angst haben, weil man ihnen etwas entfernen oder etwas einsetzen wird: sie werden verwandelt, um es einmal so auszudrücken.

Eine kleine Angst…« Aber, so präzisierte er, »mit der Auferstehung werden wir alle verwandelt werden«. »Das ist die Zukunft, die uns erwartet«, so bekräftigte Franziskus, »und das bringt uns dazu, der Verwandlung unseres Körpers sehr viel Widerstand entgegenzusetzen«, aber »einen Widerstand auch gegen die christliche Identität«. Und er fügte hinzu: »Vielleicht haben wir keine so große Angst vor der Apokalypse des Bösen, des Antichristen, die zuvor erfolgen wird; vielleicht haben wir davor nicht so viel Angst. Vielleicht haben wir keine große Angst vor der Stimme des Erzengels oder vor dem Schall der Posaune: ja, es wird der Sieg des Herrn sein.« Und doch hätten wir »Angst vor unserer Auferstehung: wir alle werden verwandelt werden«. Und »diese Verwandlung stellt das Ende unseres christlichen Weges dar«.

»Diese Versuchung, nicht an die Auferstehung der Toten zu glauben«, so erläuterte der Papst, »entstand bereits in der Urkirche, in den ersten Tagen der Kirche. Paulus muss ungefähr im Jahr 50 n. Chr. diesen Sachverhalt den Thessalonichern auseinandersetzen und ein oder zweimal zu ihnen sprechen.« Und »am Ende spricht er, um sie zu trösten, um sie zu ermutigen, einen der hoffnungsvollsten Sätze, die im Neuen Testament enthalten sind: ›Am Ende werden wir bei ihm sein.‹« Und dieses »Beim-Herrn-Sein« werde so sein, »mit unserem Leib und mit unserer Seele«. Das sei unsere »christliche Identität: beim Herrn sein«. Eine Aussage, die, wie der Papst betonte, gewiss »keine Neuigkeit« sei. Ja, »es ist das erste, was man über die ersten Jünger sagt«. Tatsächlich »sagt das Evangelium an der Stelle, wo Johannes der Täufer Jesus als das Lamm Gottes bezeichnet und die beiden Jünger ihn begleiten: ›Sie blieben jenen Tag bei ihm.‹«

»Wir werden auferstehen, um beim Herrn zu bleiben«, wiederholte der Papst, »und die Auferstehung beginnt hier, als Jünger, wenn wir beim Herrn bleiben, wenn wir mit dem Herrn gehen. Das ist der Weg zur Auferstehung. Und wenn wir daran gewöhnt sind, beim Herrn zu sein, dann rückt diese Angst vor der Verwandlung unseres Leibes in weite Ferne.«

In Wirklichkeit werde »die Auferstehung wie ein Erwachen sein«, erklärte Franziskus, wobei er die Worte des 17. Psalms wiederholte: »Ich aber … will mich satt sehen an deiner Gestalt, wenn ich erwache.« Auch »Ijob sagt uns: ›Meine Augen werden ihn sehen.‹ Nicht geistlich: mit meinem Leib, mit meinen verwandelten Augen.« Aus diesem Grund dürfe man keine »Angst vor der christlichen Identität haben«, die »nicht mit einem Triumph in der Zeit endet, die nicht mit einer schönen Mission endet«. Denn »die christliche Identität erfüllt sich mit der Auferstehung unserer Leiber, mit unserer Auferstehung: Dort ist das Ende, um uns am Bild des Herrn zu sättigen.«

Deshalb sei, wie der Papst bekräftigte, »die christliche Identität ein Weg, auf dem man beim Herrn ist, wie jene beiden Jünger, die den ganzen Abend über beim Herrn blieben«. So »ist auch unser ganzes Leben dazu berufen, beim Herrn zu bleiben, um dann, nach der Stimme des Erzengels, nach dem Schall der Posaune, ganz beim Herrn zu bleiben«. Und in diesem Kontext wollte der Papst abschließend daran erinnern, dass wiederum der heilige Paulus im Brief an die Thessalonicher »diesen Gedankengang mit dem folgenden Satz abschließt: ›Trösten wir uns mit dieser Wahrheit.‹«

 



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