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PAPST FRANZISKUS

FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"

  

Ich habe die Zwiebel geschält

 Donnerstag, 25. September 2014

 

aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 41, 10. Oktober  2014

 

Es gibt viele Christen, »die sich aufplustern« und an Eitelkeit erkrankt sind, die »leben um Aufsehen zu erregen und gesehen zu werden«. So verwandeln sie ihr Leben letztendlich in eine »Seifenblase«, schön, aber flüchtig, indem sie zu stark geschminkt herumlaufen und dabei vielleicht auch einen guten Eindruck machen wollen, weil sie mit »Schecks für die Werke der Kirche« wedeln oder darauf hinweisen, dass sie »mit dem und dem Bischof verwandt sind«. Aber auf diese Weise leben sie ein Leben voller Lügen und betrügen auch sich selbst. Was dagegen zählt, ist »die Wahrheit, die konkrete Realität des Evangeliums «. Mit dieser »vielleicht etwas grausamen, aber wahren« Ermutigung, forderte der Papst die Christen auf, nur auf ihr »Leben mit dem Herrn« zu blicken, »ohne es an die große Glocke zu hängen«.

In der Frühmesse vom 25. September, die der Papst in Santa Marta feierte, kommentierte er den bekannten Abschnitt aus dem Buch Kohelet – »Windhauch, das ist alles Windhauch« –, der in der Tageslesung vorgelegt wird. Er wies darauf hin, dass dieser Text nicht so »pessimistisch« sei, wie es den Anschein haben könnte. Dagegen enthalte er »die Wahrheit« und sage uns, dass »alles vergeht, und wenn du nicht etwas Dauerhaftes hast, dann wirst auch du vergehen, so wie alle Dinge«.

Der Abschnitt aus der Heiligen Schrift, so erklärte Franziskus, »beginnt mit einem Schlüsselwort: Windhauch«. In der Tat könne »das Leben eines Menschen, der viel Gutes tut, ein intensives Leben sein«. Aber auf der anderen Seite »gibt es auch die Versuchung«, es zu einem Leben der Eitelkeiten zu machen und »für jene Dinge zu leben,  die keinen Bestand haben, die vergänglich sind«. Im Grunde bestehe die Versuchung darin: »Leben, um aufzufallen, um gesehen zu werden. Und das geschieht nicht nur unter den Heiden, sondern auch unter Gläubigen, unter Christen.« Dagegen, so unterstrich der Papst, »weise Jesus die Eitlen scharf zurecht, jene, die angeben«.

So »sagt er zu den Schriftgelehrten, dass sie nicht in kostbaren Gewändern über die Plätze spazieren sollen: es schienen Fürsten zu sein!« Und Jesus habe sie gemahnt: »Das ist es, was euch gefällt, und nicht die Wahrheit.« Und der Herr, der andere »scharf zurechtwies«, habe weiter zu den Eitlen gesagt: »Wenn du betest, dann zeige dich bitte nicht. Du sollst nicht beten, damit man dich dabei sieht.« Und er empfahl auch, beim Gebet keine wer weiß wie besonderen Gewänder zu tragen. Jesus schlage praktisch das entgegengesetzte Verhalten vor: »Bete im Verborgenen, geh in deine Kammer – du und der Herr – und lass dich nicht sehen.« Und weiter: »Wenn du den Armen hilfst oder ein Almosen gibst, dann lass es bitte nicht vor dir herposaunen! Tu es im Verborgenen! Der Vater sieht es, das reicht.«

Aber, so bekräftigte der Papst, der Eitle macht sich Gedanken dieser Art: »Ich spende diesen Scheck hier für die Werke der Kirche«, und so lasse ich den Scheck sehen. Und vielleicht »betrügt er die Kirche dann an anderer Stelle«. Gerade das sei die Vorgehensweise des Eitlen, der letztlich »dafür lebt, gesehen zu werden«. Und Menschen dieser Art sage der Herr ganz ausdrücklich: »Wenn du fastest, dann spiele bitte nicht den Melancholiker, zeige kein trauriges Gesicht, nur damit alle darauf aufmerksam werden, dass du fastest. Faste freudig! Tu freudig Buße«, und zwar so, »dass keiner es merkt«.

Franziskus warnte also vor der Versuchung der »Eitelkeit, die darin besteht, so zu leben, dass man gesehen wird, zu leben, um gesehen zu werden«. Er gab zu: »Vielleicht ist das ein bisschen grausam, was ich da sage, aber es ist die Wahrheit.« Denn »die Christen, die leben, um aufzufallen, aus Eitelkeit, sind wie Pfauen: sie schlagen Rad!« Und sie sagen: »Aber ich bin ein Christ, ich bin mit diesem Priester, mit jener Ordensfrau, mit dem Bischof da verwandt. Ich komme aus einer christlichen Familie. Wir sind alle ordentliche Leute.« Was hingegen zähle, so erläuterte Franziskus, sei nicht, dass man sich einer Sache rühme. Wichtig sei einzig und allein »dein Leben mit dem Herrn«. Franziskus regte die Gläubigen an, sich hierzu selbst einige Fragen zu stellen: »Wie betest du? Wie steht es in deinem Leben um die Werke der Barmherzigkeit? Besuchst du die Kranken?« Kurz, man müsse direkt zum Kern vordringen, »die Wirklichkeit« anschauen. Und »das ist der Grund dafür, dass Jesus uns sagt, dass wir unser Haus, also unser christliches Leben, auf dem Felsen, auf der Wahrheit errichten sollen«.

»Die Eitlen« hingegen »bauen ihr Haus auf Sand, und dieses Haus stürzt ein, dieses christliche Leben stürzt ein, rutscht weg, weil es außerstande ist, den Versuchungen zu widerstehen«. Der Papst wies darauf hin, dass »viele Christen« heute nur lebten, »um in Erscheinung zu treten«. »Ihr Leben erinnert an eine Seifenblase«, die »schön ist, in allen Farben schillert, aber nur eine Sekunde lang vorhält« und dann platzt. »Auch wenn wir einige Grabmäler anschauen«, so fuhr er fort, »sehen wir, dass es sich dabei um Eitelkeit handelt, denn die Wahrheit ist, dass wir in die nackte Erde zurückkehren, wie es der Diener Gottes Paul VI. formulierte.« Im Übrigen »erwartet uns die nackte Erde, das ist unsere letzte Wahrheit«. Aber, so fügte der Papst hinzu: »Soll ich mich, bis es soweit ist, brüsten oder soll ich etwas tun? Tue ich Gutes? Suche ich Gott? Bete ich?« Daher solle man auf »Dinge, die Bestand haben « setzen. »Die Eitelkeit« hingegen »ist lügnerisch, voller Phantasiegebilde, sie macht sich etwas vor, sie täuscht den Eitlen: Zuerst täuscht er vor, etwas zu sein, aber schließlich glaubt er selbst an das, was er sagt. Er glaubt daran, der Ärmste.«

Genau das sei es dem Tetrarchen Herodes widerfahren, so erläuterte der Papst unter Verweis auf den in der Liturgie verlesenen Abschnitt aus dem Lukasevangelium (9,7-9): »Als Jesus in Erscheinung trat, war er innerlich erschüttert. Er dachte in seinen Hirngespinsten bei sich: ›Kann das Johannes sein, den ich selbst habe enthaupten lassen? Oder sollte es ein anderer sein?‹« Die Reaktion des Herodes zeige uns, dass »die Eitelkeit eine böse Unruhe sät, sie beraubt einen des Friedens«. Kurz, die Eitelkeit »gleicht jenen Menschen, die sich zu stark schminken und dann Angst haben, in den Regen zu kommen, und dass all die Schminke herunterläuft.« Deshalb »schenkt uns die Eitelkeit keinen Frieden: nur die Wahrheit schenkt uns Frieden.«

Also, empfahl Franziskus, »denken wir heute an die Ratschläge Jesu, unser Leben auf Fels zu bauen. Er ist der Fels. Jesus ist der einzige Fels!« Aber »denken wir an diesen Vorschlag des Teufels, des Satans, der auch Jesus in der Wüste mit Eitelkeit hat in Versuchung führen wollen«, indem er ihm vorschlug: »Komm mit mir, gehen wir hinauf zum Tempel, geben wir ein Schauspiel: du stürzt dich hinab, dann werden alle an dich glauben!« Der Teufel habe Jesus wahrlich »die Eitelkeit auf einem Silbertablett« serviert.

Aus all diesen Gründen, so bekräftigte der Papst, sei die Eitelkeit »eine sehr schwere geistliche Krankheit.« Es sei bedeutsam, so fügte er hinzu, dass »die ägyptischen Wüstenväter sagten, dass die Eitelkeit eine Versuchung sei, gegen die wir unser ganzes Leben lang ankämpfen müssten, denn sie kehre immer wieder, um uns der Wahrheit zu berauben.« Und »um dies verständlich zu machen, sagten sie: Sie ist wie eine Zwiebel, du nimmst sie und beginnst, sie zu schälen.

Und du schälst die Eitelkeit heute ab, und ein bisschen morgen«, und das gehe so weiter »das ganze Leben lang. Man schält immer weiter die Eitelkeit ab, um sie zu besiegen.« So »bist du am Ende zufrieden: ich habe die Eitelkeit abgeschält, ich habe die Zwiebel geschält. Aber ihr Geruch bleibt an deinen Händen haften.«

Franziskus schloss seine Gedanken mit einem Gebet ab, in dem er für alle »vom Herrn die Gnade« erbat, »nicht eitel zu sein«, sondern »wahr zu sein, in der Wahrheit der Wirklichkeit und des Evangeliums«.

 



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