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PAPST FRANZISKUS

FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"

 

Die Stunde der zweiten Schöpfung

 Freitag, 19. Dezember 2014

 

aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 3, 16. Januar 2015

   

Um wahrhaft »Mutter« sein zu können, muss die Kirche »sich von der Neuheit Gottes überraschen lassen«, der durch das Wirken des Heiligen Geistes »alle Dinge neu macht«. Andernfalls läuft sie Gefahr, »unfruchtbar« zu werden, am »Pelagianismus« zu erkranken, am »Egoismus«, am »Machthunger«, am Wunsch, »sich der Gewissen zu bemächtigen«, was so weit geht, dass sie zur »Unternehmerin« wird. Gerade vor dieser Versuchung warnte der Papst während der heiligen Messe, die er am Freitag, 19. Dezember, in der Kapelle des Hauses Santa Marta feierte.

Die Überlegungen von Papst Franziskus waren inspiriert durch die Lesungen zum Tage: die Geburten Simsons und Johannes des Täufers, von denen im Buch der Richter (13, 2-7.24-25a) und im Lukasevangelium (1,5-25) die Rede ist. »Das Wort, über das uns die Kirche heute, kurz vor Weihnachten, nachdenken lässt, das wichtigste Wort heute, lautet ›Unfruchtbarkeit‹«, so präzisierte der Papst gleich zu Beginn. Und in der Tat »präsentiert uns« die Liturgie »diese beiden unfruchtbaren Frauen, die keine Kinder hatten, die keine Kinder haben konnten.« Der Papst erinnerte daran, dass »die Unfruchtbarkeit im Volk Israel etwas war, womit es sich schwer leben ließ: man könnte fast sagen, dass es geradezu als eine Art von Fluch betrachtet wurde, unfruchtbar zu sein, denn wenn man keine Kinder hatte, war man außerstande, das Gebot des Herrn zu erfüllen, die Erde mit neuen Lebewesen zu füllen.« Und trotzdem, so merkte er an, »kommen in der Bibel zahlreiche unfruchtbare Frauen vor, und zwar stets aus wichtigen Gründen.« Angefangen bei »unserer Mutter Sarah: sie war unfruchtbar «, aber »der Herr vollbringt das Wunder. « Und auch »die Mutter Samuels ist unfruchtbar«, auch in diesem Fall »tut der Herr ein Wunder«. Und auch »die Tochter des Jiftach ging in die Berge, um ihre Jungfräulichkeit zu beweinen, weil sie vor ihrem Tod keine Kinder haben konnte.«

Also, so erläuterte Franziskus, »war die Unfruchtbarkeit etwas Schlimmes, etwas sehr Schlimmes.« Und heute »zeigt uns« die Kirche »dieses Symbol der Unfruchtbarkeit, gerade kurz vor der Geburt Jesu, anhand einer Frau, die keine Kinder gebären kann.« Das ist »das Zeichen für eine Menschheit, die außerstande ist, einen weiteren Schritt zu gehen: viele unfruchtbare Frauen waren alt, ihr Leib war nicht mehr fruchtbar.«

Und »die Kirche will, dass wir über die unfruchtbare Menschheit nachdenken«, über die Menschheit, die »an einem Punkt angelangt ist, von dem aus es nicht mehr weiter ging.« Der Papst, der daran erinnerte, dass »das Gesetz Mose vorsah, dass ein Toter Nachkommen haben sollte, denn es war sehr wichtig, Nachkommen zu haben, Leben zu schenken«, betonte, dass »diesen unfruchtbaren Frauen ein Wunder widerfährt, ihnen wird die Gnade des Herrn zuteil und sie werden fähig dazu, ein Kind zu empfangen.« »Der Herr«, so bekräftigte er, »ist dazu imstande, aus der Unfruchtbarkeit eine neue Nachkommenschaft hervorgehen zu lassen, ein neues Leben: das ist die Botschaft für heute.« Daher  »kommt dann, wenn die Menschheit am Ende ist, wenn sie nicht mehr weitergehen kann, die Gnade und es kommt der Sohn, und es kommt das Heil.« Und so »macht diese erloschene Menschheit Platz für eine neue Schöpfung, man könnte sagen eine ›zweite Schöpfung‹«.

So »macht dieses so wunderbare Wunder der Schöpfung Platz für ein noch viel wunderbareres Wunder: die zweite Schöpfung, wie das Tagesgebet es ausdrückt: ›erschaffen, und hast sie noch viel wunderbarer neu geschaffen‹«. Also bestehe die heutige Botschaft gerade in »dieser ›zweiten‹ Schöpfung, in dem Augenblick, wo die Erde am Ende ist: wir warten auf den ›Herrn‹, der dazu imstande ist, alles neu zu erschaffen, alle Dinge neu zu machen.« Also »warten wir auf die Neuigkeit Gottes«. Das sei im Übrigen das, was Weihnachten sei: »die Neuheit Gottes, der die Schöpfung, der alle Dinge noch viel wunderbarer neu macht.«

»Es ist seltsam«, so betonte der Papst dann, dass »in beiden Texten – sei es in jenem über die Frau des Manoach, sei es in dem über Elisabeth – vom Heiligen Geist die Rede ist, um zu erläutern, wie er das tun wird, wie das geschehen wird: ›Der Geist des Herrn begann, ihn umherzutreiben‹, so sagt man.« Und »diese ›Neu-Schöpfung‹ ist nur mit Hilfe des Geistes Gottes möglich.« Wie laute also die Botschaft? »Öffnen wir uns für den Geist Gottes. Aus eigener Kraft können wir es nicht schaffen: er ist es, der die Dinge bewirken kann.«

Dieses Thema der Unfruchtbarkeit, so sagte der Papst, »lässt mich auch an unsere Mutter, die Kirche, denken, an soviel Unfruchtbarkeit, die unsere Mutter, die Kirche, plagt, wenn unter dem Gewicht der Hoffnung auf die Gebote dieser Pelagianismus, den wir alle in unseren Knochen tragen, unfruchtbar wird: er ist überzeugt davon, gebären zu können«, aber »das kann er nicht.« Dagegen »ist die Kirche nur dann Mutter und kann Mutter werden, wenn sie sich für die Neuheit Gottes öffnet, der Kraft des Heiligen Geistes öffnet«. Das sei dann der Fall, »wenn sie zu sich selbst sagt: ›Ich tue alles, aber ich bin am Ende, ich kann nicht weitergehen‹«, und »der Heilige Geist kommt«.

Daher forderte Franziskus dazu auf, »heute für unsere Mutter, die Kirche, zu beten, für so viel Unfruchtbarkeit im Volk Gottes: Unfruchtbarkeit des Egoismus, des Machtstrebens.« Denn »die Kirche ist dann unfruchtbar, wenn sie glaubt, alles zu vermögen, sich der Gewissen der Menschen bemächtigen zu können, den Weg der Pharisäer, der Sadduzäer einschlagen zu können, und auch den Weg der Heuchelei.« Dafür müsse »gebetet « werden. Und man müsse dafür sorgen, dass »dieses Weihnachten« auch »unsere Kirche öffne für die Gabe Gottes«, dass sie dazu imstande sei, sich »überraschen zu lassen vom Heiligen Geist«: eine Kirche, »die Kinder haben möge, die Mutter sei«.

Statt dessen, so bekräftigte der Papst, »denke ich sehr oft, dass die Kirche an einigen Orten weniger Mutter ist als vielmehr Unternehmerin«. Daher, so schloss er, »bitten wir den Herrn angesichts dieser Geschichte der Unfruchtbarkeit des Volkes Gottes und der unzähligen Geschichten aus der Kirchengeschichte, die die Kirche unfruchtbar gemacht haben, heute, angesichts der Krippe, um die Gnade der Fruchtbarkeit für die Kirche.« Um die Gnade, dass »die Kirche an allererster Stelle eine Mutter sei wie Maria: eine Mutter!«

 



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