Index   Back Top Print

[ DE ]

.

PAPST FRANZISKUS

FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"

 

Fasten heißt auf Ungerechtigkeiten verzichten

 Freitag, 20. Februar 2015

 

aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 10, 6. März 2015
 

»Gott benutzen, um Unrecht zu verbergen, ist eine sehr schwere Sünde.« Papst Franziskus sprach diese strenge Warnung vor sozialen Ungerechtigkeiten – vor allem von Arbeitgebern, die ihre Arbeiter ausbeuten – im Lauf der Frühmesse aus, die er am 20. Februar in der Kapelle Santa Marta feierte.

Der Papst ging vom Tagesgebet aus, in dem zu Beginn des Gottesdienstes die Bitte an den Herrn gerichtet worden war, »nicht auf unsere äußeren Werke [zu sehen], sondern auf unser Herz« und zu bewirken, »dass wir mit reiner Gesinnung vollbringen, was wir in diesen vierzig Tagen an Buße und Verzicht auf uns nehmen«. Das heiße, »dass das, was wir äußerlich tun, auch eine innere Entsprechung haben, dass es Früchte des Heiligen Geistes tragen soll«. Kurz, »dass diese äußerliche Observanz nicht nur Formsache ist«. Um diesen Gedanken zu veranschaulichen, führte Franziskus als Beispiel Menschen an, die sich an die Fastenregeln hielten und dabei dächten: »Heute ist Freitag und man darf kein Fleisch essen. Ich koche mir eine schöne Portion Meeresfrüchte, ein richtiges Festessen… Ich halte das Fasten ein, ich esse kein Fleisch.« »Auf diese Art und Weise« »begehst du die Sünde der Unmäßigkeit «. Im Übrigen sei genau das »der Unterschied zwischen der förmlichen Beachtung der Vorschriften und dem Eigentlichen«, von dem in der erste Lesung aus dem Buch des Propheten Jesaja (58,1-9a) die Rede sei. In diesem Abschnitt »beschwerte sich das Volk darüber, dass der Herr sein Fasten nicht bemerkte«. Seinerseits tadle der Herr das Volk, in Worten, die der Papst folgendermaßen zusammenfasste: »Seht, an euren Fast - tagen macht ihr Geschäfte und treibt alle eure Arbeiter zur Arbeit an. Obwohl ihr fastet, gibt es Streit und Zank, und ihr schlagt zu mit roher Gewalt. « Daher »ist das kein Fasten: kein Fleisch essen, aber dann all diese Dinge tun: streiten, die Arbeiter ausbeuten« und so weiter.

Auch Jesus, fügte Franziskus hinzu, »hat diese von den Pharisäern, von den Schriftgelehrten propagierte Form der Frömmigkeit verurteilt: viele Vorschriften äußerlich befolgen, aber ohne die Wahrheit des Herzens«. Tatsächlich sage der Herr: »Nennst du das ein Fasten und einen Tag, der dem Herrn gefällt? Nein, das ist ein Fasten, wie ich es liebe: die Fesseln des Unrechts lösen, die Stricke des Jochs zu entfernen, die Versklavten freizulassen, jedes Joch zu zerbrechen, an die Hungrigen dein Brot auszuteilen, die obdachlosen Armen ins Haus aufzunehmen, wenn du einen Nackten siehst, ihn zu bekleiden und dich deinen Verwandten nicht zu entziehen. Deine Gerechtigkeit geht dir voran.« Dies, so präzisierte der Papst, »ist das wahre Fasten, das nicht nur äußerlich ist, eine formelle Einhaltung des Gebots, sondern ein Fasten, das von Herzen kommt«.

Anschließend machte der Papst darauf aufmerksam, dass »auf den Gesetzestafeln« sowohl »das Gesetz der Gottesliebe und das der Nächstenliebe« geschrieben stünden und dass beide zusammenhingen. »Ich kann nicht sagen, ich halte die ersten drei Gebote… und die anderen dann ein bisschen mehr oder weniger. Nein, sie gehören zusammen: die Liebe zu Gott und die Liebe zum Nächsten sind eine Einheit, und wenn du Buße tun willst, richtig, nicht nur pro forma, dann musst du das vor Gott und auch dem Bruder, dem Nächsten gegenüber tun.« Man denke etwa an das, was der Apostel Jakobus gesagt hat: »Du magst sehr viel Glauben haben. Wenn du aber keine Werke tust, dann ist der Glaube tot. Wozu nützt er?«

Dasselbe treffe auch auf »mein christliches Leben« zu, kommentierte Franziskus. Und denen, die ihr Gewissen beruhigen wollten und versicherten: »Ich bin ein guter Katholik, Vater, ich mag das sehr… Ich gehe immer zur Messe, jeden Sonntag, ich gehe zur Kommunion…«, antwortete der Papst: »Gut. Und wie steht es um deine Beziehung zu deinen Angestellten? Bezahlst du sie schwarz? Zahlst du ihnen den gerechten Lohn? Zahlst du Rentenbeiträge für sie? Krankenkasse und Sozialleistungen?« Leider gebe es viele »gläubige Männer und Frauen, die die Gesetzestafeln aufteilen: ›Ja, das befolge ich‹. ›Aber gibst du Almosen?‹ ›Ja, ich schicke immer einen Scheck an die Kirche‹. – ›Gut. Aber deiner eigenen Kirche, bei dir zuhause, denen gegenüber, die von dir abhängig sind – seien es nun deine Kinder, die Großeltern, die Angestellten –, bist du ihnen gegenüber großzügig, bist du gerecht?‹« Tatsächlich, so stellte Franziskus fest, könne man nicht der Kirche Spenden zukommen lassen auf Kosten der Angestellten, denen gegenüber man ungerecht sei. Und genau das sage der Prophet Jesaja: »Der ist kein guter Christ, der den von ihm abhängigen Menschen gegenüber nicht gerecht ist.« Und auch derjenige nicht, »der nicht auf etwas ihm selbst Notwendiges verzichtet, um es einem anderen zu geben, der es braucht«. Daher »ist der Weg der Fastenzeit ein zweifacher Weg: hin zu Gott und zum Nächsten«. Und er müsse »wirklich sein, nicht nur formal«. Franziskus bekräftigte, dass es nicht nur darum ginge, »Freitags kein Fleisch zu essen«, also »eine Kleinigkeit zu tun« und dann zuzulassen, dass »der Egoismus, die Ausbeutung des Nächsten, das über die Armen Hinwegsehen zunimmt«. Man müsse einen Qualitätssprung tun, indem man vor allem an diejenigen dächte, die weniger hätten als man selbst.

Der Papst erläuterte dies, wobei er sich an alle Gläubigen wandte: »Wie ist es um deine Gesundheit bestellt, du guter Christ?« – »Gott sei Dank gut; aber wenn nötig, dann gehe ich ins Krankenhaus, und da ich in einer Krankenkasse bin, werde ich unverzüglich untersucht und man gibt mir die erforderlichen Arzneien.« – »Das ist eine gute Sache, danke dem Herrn. Aber sag, hast du an die gedacht, die keine solche Sozialversicherung für das Krankenhaus haben und die, wenn sie hinkommen, sechs, sieben, acht Stunden warten müssen?« Das sei keine Übertreibung, räumte Franziskus ein und erzählte, dass ihm eine derartige Erfahrung von einer Frau berichtet worden sei, die in den vergangenen Tagen geschlagene acht Stunden auf eine dringende Untersuchung habe warten müssen. Der Papst erinnerte an alle Menschen, »die hier in Rom auf diese Art leben: Kinder und Alte, die nicht die Möglichkeit haben, sich von einem Arzt untersuchen zu lassen«. Und »die Fastenzeit dient« gerade dazu, »an sie zu denken«, um uns zu fragen, was wir für diese Menschen tun könnten: »Aber, Vater, es gibt doch Krankenhäuser«. – »Ja, aber du musst dort acht Stunden warten, und dann geben sie dir einen Termin für die folgende Woche.« Dagegen, so machte er klar, müsse man sich gerade um Menschen kümmern, die bedürftig sind, und sich fragen: »Was kann ich für diese Menschen tun? Wie wird deine Fastenzeit aussehen? « – »Gott sei Dank habe ich eine Familie, die die Gebote einhalten, wir haben keine Probleme…« »Aber ist in dieser Fastenzeit noch Platz in deinem Herzen für jene Menschen, die die Gebote nicht eingehalten haben? Die Fehler begangen haben und im Gefängnis sind?« – »Nun, mit diesen Leuten habe ich nichts…« – »Aber wenn du nicht im Gefängnis bist, dann deshalb, weil der Herr dir dabei geholfen hat, nicht zu straucheln. Gibt es einen Platz in deinem Herzen für die Häftlinge? Betest du für sie, dass der Herr ihnen helfen möge, ihr Leben zu ändern?« Abschließend bat Franziskus den Herrn, »unseren Weg in der Fastenzeit« zu begleiten und zu bewirken, dass »die äußerliche Befolgung der Gebote Ausdruck einer tiefen Erneuerung des Geistes « sei.

 



Copyright © Dicastero per la Comunicazione - Libreria Editrice Vaticana