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PAPST FRANZISKUS

FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"

 

Versteinerte Herzen

 Donnerstag, 12. März 2015

 

aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 14, 3. April 2015

 

Kein Kompromiss: Entweder lassen wir uns »von der Barmherzigkeit Gottes« lieben, oder wir wählen den »Weg der Heuchelei« und tun das, was wir wollen, und lassen es dabei zu, dass unser Herz immer mehr »verhärtet«. Die Geschichte der Beziehung zwischen Gott und dem Menschen, von den Zeiten Abels bis zu unseren Tagen stand, im Mittelpunkt der Betrachtungen von Papst Franziskus bei der heiligen Messe am Donnerstag, 12. März.

Der Papst ging vom Antwortpsalm aus – »Verhärtet nicht euer Herz!« – und fragte sich: »Warum geschieht dies?« Um dies verständlich zu machen, stützte er sich vor allem auf die erste Lesung aus dem Buch des Propheten Jeremia (7,23- 28), in der sozusagen eine Zusammenfassung der »Geschichte Gottes« gegeben wird. Aber was bedeutet es, so könnte man sich fragen, dass »Gott eine Geschichte hat«? Wie ist dies möglich, da doch »Gott ewig ist«? Das ist wahr, erklärte Franziskus, »doch da Gott in einen Dialog mit seinem Volk getreten ist, ist er in die Geschichte eingetreten«.

Die Geschichte Gottes mit seinem Volk »ist eine traurige Geschichte«, da »Gott alles gegeben hat« und im Gegenzug »nur Hässliches empfing«. Der Herr hatte gesagt: »Hört auf meine Stimme, dann will ich euer Gott sein, und ihr sollt mein Volk sein. Geht in allem den Weg, den ich euch befehle, damit es euch gut geht.« Dies war der Weg der Glückseligkeit, »aber sie hörten nicht und neigten ihm ihr Ohr nicht zu«, im Gegenteil, »sie folgten hartnäckig den Eingebungen und Trieben ihres bösen Herzens«: sie wollten also »das Wort Gottes nicht hören«. Diese Entscheidung, so der Papst, hat die ganze Geschichte des Volkes Gottes gekennzeichnet: »Denken wir an die Ermordung, an den Tod Abels, der von seinem Bruder getötet wurde, vom durch Neid böse gewordenen Herzen.« Obwohl jedoch das Volk ständig dem Herrn »den Rücken gezeigt hat«, erkläre dieser: »Ich bin nicht müde geworden.« Und »in eifriger Sorge« sendet er die Propheten. Aber wieder haben die Menschen nicht gehört. Vielmehr sei in der Schrift zu lesen: »Sie blieben hartnäckig und trieben es noch schlimmer als ihre Väter.« Und so »hat sich die Lage des Volkes Gottes von Generation zu Generation verschlechtert«.

Der Herr sagt zu Jeremia: »Auch wenn du ihnen alle diese Worte sagst, werden sie nicht auf dich hören. Wenn du sie rufst, werden sie dir nicht antworten. Sag ihnen also: Dies ist das Volk, das nicht auf die Stimme des Herrn, seines Gottes, hörte und sich nicht erziehen ließ. Und dann, so hob der Papst hervor, fügt er ein »schreckliches« Wort hinzu: »Die Treue ist dahin. Ihr seid kein treues Volk.« Es scheine hier, kommentierte Franziskus, als weine Gott: »Ich habe dich so sehr geliebt, ich habe dir so viel gegeben und du… alles gegen mich.« Ein Weinen, das an die Tränen Jesu erinnere, »als er auf Jerusalem blickte«. Im übrigen, erklärte der Papst, »war im Herzen Jesu diese ganze Geschichte, wo die Treue dahin war«.

Eine Geschichte der Untreue, die »unsere persönliche Geschichte« betrifft, da »wir unseren Willen tun«. Indem wir aber so handeln, folgen wir auf dem Weg des Lebens dem Weg der Verhärtung: das Herz verhärtet, es versteinert. Das Wort des Herrn findet kein Gehör. Das Volk entfernt sich. Aus diesem Grund, so sagte der Papst, »können wir uns an diesem Tag in der Fastenzeit fragen: Höre ich auf die Stimme des Herrn oder tue ich, was ich will, was mir gefällt?« Der Rat des Antwortpsalms – »Verhärtet nicht euer Herz!« – findet sich »viele Male in der Bibel«, wo zur Erklärung der »Untreue des Volkes« oft »die Gestalt der Ehebrecherin« benutzt wird.

Franziskus erinnerte zum Beispiel an den berühmten Abschnitt aus dem 16. Kapitel des Buchs Ezechiel: »Eine einzige Geschichte eines Ehebruchs: das ist deine Geschichte. Du, Volk, bist mir gegenüber untreu gewesen, du bist ein ehebrecherisches Volk«. Oder auch die vielen Male, die Jesus »die Jünger wegen dieses verhärteten Herzens tadelt«, wie er dies bei den Emmausjüngern tat: »Begreift ihr denn nicht? Wie schwer fällt es euch, alles zu glauben, was die Propheten gesagt haben!«

Das böse Herz, erklärte der Papst und rief in Erinnerung, dass »wir alle ein Stückchen davon haben«, »lässt uns die Liebe Gottes nicht begreifen. Wir wollen frei sein«, doch »mit einer Freiheit, die uns am Ende zu Sklaven macht, und nicht mit jener Freiheit der Liebe, die uns der Herr anbietet«. Das geschehe auch in den Institutionen, unterstrich der Papst: zum Beispiel »heilt Jesus einen Menschen, doch das Herz dieser Gesetzeslehrer, dieser Priester, dieses Rechtssystems war so hart, sie suchten immer nach Entschuldigungen  «. Und so sagten sie: »Aber du treibst die Dämonen im Namen des Teufels aus. Du bist ein teuflischer Hexer.« So sind es die Legalisten, »die meinen, dass das Glaubensleben allein von den Gesetzen geregelt wird, die sie aufstellen«. Für sie »benutzt Jesus jenes Wort: Heuchler, weiß getünchte Gräber, schön anzusehen von außen, von innen aber voller Verwesung und Heuchelei«.

Leider, so Franziskus, »ist dasselbe in der Geschichte der Kirche geschehen«. Denken wir »an die arme Jeanne d’Arc: heute ist sie eine Heilige. Die Ärmste: Diese Doktoren haben sie bei lebendigem Leib verbrannt, weil sie sagten, dass sie eine Häretikerin sei.« Oder zeitlich etwas näher bei uns: »Denken wir an den seligen Rosmini. Alle seine Bücher standen auf dem Index. Sie durften nicht gelesen werden, es war Sünde, sie zu lesen. Heute ist er selig.« Dazu unterstrich der Papst, dass »der Herr in der Geschichte Gottes mit seinem Volk die Propheten schickte, um ihm zu sagen, dass er sein Volk liebt«. Und »in der Kirche schickt der Herr die Heiligen«. Sie sind es, die »das Leben der Kirche voranbringen: es sind die Heiligen. Nicht die Mächtigen, nicht die Heuchler.« Es sind »der heilige Mann, die heilige Frau, das heilige Kind, der heilige Jugendliche, der heilige Priester, die heilige Schwester, der heilige Bischof…«: jene also, »die kein verhärtetes Herz haben«, sondern »immer für das Wort der Liebe des Herrn offen sind«, jene, die »keine Angst haben, sich von der Barmherzigkeit Gottes liebkosen zu lassen. Daher sind die Heiligen Männer und Frauen, die all das Elend, das menschliche Elend verstehen und das Volk aus der Nähe begleiten. Sie verachten das Volk nicht.«

Gegenüber diesem Volk, »das die Treue verloren hat«, ist der Herr deutlich: »Wer nicht für mich ist, der ist gegen mich.« Jemand könnte fragen: »Doch – wird es da keinen Weg des Kompromisses geben, ein wenig hier, ein wenig dort?« »Nein«, bekräftigte der Papst, »entweder bist du auf dem Weg der Liebe, oder du bist auf dem Weg der Heuchelei. Entweder lässt du dich von der Barmherzigkeit Gottes lieben, oder du tust, was du willst, nach deinem Herzen, das immer mehr verhärtet, jedes Mal, auf diesem Weg.« Es gibt »keinen dritten Weg des Kompromisses: entweder bist du heilig oder du schlägst den anderen Weg ein«. Und wer »nicht mit dem Herrn sammelt «, »lässt die Dinge nicht nur sein«, sondern »schlimmer: er zerstreut, er zerstört. Er ist ein Verderber. Er ist ein Verdorbener, der verdirbt.«

Aufgrund dieser Untreue »weinte Jesus wegen Jerusalem« und »wegen einem jeden von uns«. Im 23. Kapitel des Matthäusevangeliums, erinnerte der Papst abschließend, ist eine »schreckliche Verfluchung« gegen jene »Verantwortlichen « zu lesen, »die ein verhärtetes Herz haben und das Herz des Volkes verhärten wollen«. Jesus sagt: »So wird all das unschuldige Blut über sie kommen, angefangen beim Blut Abels. Sie werden die Schuld an vielem unschuldigen Blut tragen, das durch ihre Bosheit, ihre Heuchelei, ihr verdorbenes, verhärtetes, versteinertes Herz vergossen wurde.«



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