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PAPST FRANZISKUS

FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"

 

Christen? Schon, aber...  

Dienstag, 24. März 2015

 

aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 16, 17. April 2015

 

Wie viele Menschen behaupten von sich, Christen zu sein, akzeptieren aber den »Stil« nicht, in dem Gott uns retten will? Es sind jene Menschen, die Papst Franziskus als »Christen schon, aber…« bezeichnet hat, die außerstande seien, zu verstehen, dass die Erlösung den Weg über das Kreuz nimmt. Und Jesus am Kreuz, so erläuterte der Papst in der Predigt der heiligen Messe, die er am Dienstag, 24. März, in Santa Marta feierte, sei genau »der Mittelpunkt der Botschaft der heutigen Tagesliturgie«.

Im Evangelientext nach Johannes (8,21-30) sagt Jesus: »Wenn ihr den Menschensohn erhöht habt…«, und er erinnert, während er seinen Tod am Kreuz ankündigt, an die Kupferschlange, die Mose an einer Fahnenstange aufhängen ließ, »um die Israeliten in der Wüste zu heilen« und von der in der ersten Lesung aus dem Buch Numeri (21,4-9) die Rede sei. Das Volk Gottes, das in Ägypten in der Gefangenschaft gewesen sei, so erläuterte der Papst, sei befreit worden: »Sie hatten wirklich Wunder gesehen. Und als sie Angst gehabt hatten, im Augenblick der Verfolgung durch den Pharao, als sie am Roten Meer angelangt waren, da hatten sie das Wunder gesehen«, das Gott für sie getan habe. Der »Weg in die Freiheit« habe also voller Freude angefangen. Die Israeliten »waren zufrieden«, weil sie »von den Fesseln der Knechtschaft befreit waren«, zufrieden, weil »sie die Verheißung eines sehr guten Landes, eines Landes, das nur für sie bestimmt war, mit sich nahmen« und weil »keiner von ihnen gestorben war« auf dem ersten Teil der Reise. Auch die Frauen seien zufrieden gewesen, weil sie »den Schmuck der ägyptischen Frauen« mitgenommen hätten.

Aber an einem bestimmten Punkt, so fuhr der Papst fort, in jenem Augenblick, als »der Weg immer länger wurde«, habe das Volk die Reise nicht mehr ertragen und »ermüdete«. Es habe deshalb angefangen, sich »gegen Gott und gegen Mose« aufzulehnen, wobei es gesagt habe: »Warum habt ihr uns aus Ägypten heraufgeführt? Etwa damit wir in der Wüste sterben?« Es habe angefangen, »zu lästern: sie redeten schlecht über Gott und über Mose«, indem sie gesagt hätten: »Es gibt weder Brot noch Wasser. Dieser elenden Nahrung des Manna sind wir überdrüssig.« Das bedeute, die Israeliten »waren der Hilfe Gottes, einer Gabe Gottes überdrüssig. Und so verwandelt sich die anfängliche Freude über die Befreiung in Traurigkeit, in Murren«.

Höchstwahrscheinlich wäre ihnen »ein Zauberer « lieber gewesen, der sie »mit dem Zauberstab « hätte befreien sollen, und nicht ein Gott, der sie auf Wanderschaft schickte und dafür sorgte, dass sie »auf eine bestimmte Weise die Rettung  verdienen mussten« oder »dass sie sie zumindest zum Teil erst verdienen mussten«. In der Heiligen Schrift begegne man »einem unzufriedenen Volk« und, so merkte Franziskus an, »abfällig zu reden ist ein Ausweg aus dieser Unzufriedenheit«. Unzufrieden, wie sie gewesen seien, »ließen sie ihren Gefühlen freien Lauf, aber sie merkten nicht, dass sie mit diesem Verhalten ihre eigene Seele vergifteten«. Das sei der Grund für das Kommen der Giftschlangen, denn »in diesem Augenblick hatte das Volk eine vergiftete Seele, genau so wie das Gift der Schlangen«.

Auch Jesus spreche über genau diese Verhaltensweise, diese »Art, unzufrieden, unbefriedigt zu sein«. Bezugnehmend auf eine Stelle, die im Matthäusevangelium (11,17) und im Lukasevangelium (7,32) wiedergegeben ist, sagte der Papst: »Wenn Jesus über diese Verhaltensweise spricht, dann sagt er: ›Aber wer kann euch verstehen? Ihr seid wie jene Kinder auf dem Marktplatz: Wir haben für euch auf der Flöte gespielt, und ihr habt  nicht getanzt; wir haben Klagelieder gesungen, und ihr habt euch nicht an die Brust geschlagen. Aber seid ihr denn mit nichts zufrieden?‹« Das Problem sei demnach »nicht die Rettung, die Befreiung gewesen«, denn »das wollten alle«; das Problem sei »der Stil Gottes« gewesen: »Gottes Tanzmusik gefiel nicht, Gottes Klagelieder gefielen nicht genug, um sich an die Brust zu schlagen. « »Was also wollten sie?« Der Papst erläuterte: Sie hätten sich verhalten wollen »nach ihrem eigenen Gutdünken«, sie hätten sich »ihren eigenen Heilsweg auswählen wollen«. Aber dieser Weg habe »nirgendwohin geführt«.

Eine Einstellung, der wir auch heute noch begegnen würden. Auch, so fragte sich Franziskus, »unter Christen«, wenn sie »etwas giftig sind« vor lauter Unzufriedenheit? Man höre: »Ja, wahrhaftig, Gott ist gut, aber manche Christen? Schon, aber…« Das seien diejenigen, so erläuterte er, »die nicht so weit kommen, ihr Herz zu öffnen für Gottes Erlösung« und die »immer Bedingungen stellen«; jene Leute, die sagten: »Ja, schon, ja, ich möchte gerettet werden, aber auf diesem Wege!« Auf diese Weise »wird das Herz vergiftet«. Das sei das Herz der »lauen Christen«, die stets etwas hätten, über das sie sich beschweren müssten: »›Aber warum hat mir der Herr das angetan?‹ – ›Aber er hat dich gerettet, er hat dir die Tür geöffnet, er hat dir viele Sünden vergeben‹ … ›Ja, schon, das ist wahr, aber …‹« Gerade so habe der Israelit in der Wüste gesagt: »Ich hätte gerne Wasser und Brot, das, was ich mag, nicht diese so leichte Nahrung. Ich habe es satt.« Und auch wir »sagen sehr oft, dass wir des Stils Gottes überdrüssig sind«.

Franziskus betonte: »Gottes Gabe nicht anzunehmen, wenn sie in seinem Stile ist, das ist die Sünde; das ist das Gift; das vergiftet uns die Seele, beraubt uns der Freude, hindert daran, weiterzugehen.« Und »wie löst der Herr dieses Problem? Mit dem Gift, mit der Sünde selbst«: das heiße, dass »er selbst das Gift, die Sünde auf sich nimmt und erhöht wird«. Dadurch heile »diese Lauheit der Seele, dieses nur zur Hälfte Christen sein«, dieses »Christ schon, aber …« sein. Die Heilung, so erläuterte der Papst, erfolge nur dann, wenn man »das Kreuz betrachtet«, wenn man Gott betrachte, der unsere Sünden auf sich nehme: »Meine Schuld ist dort.« »Wie viele Christen sterben « dagegen »in der Wüste ihrer Traurigkeit, ihres Gemunkels, ihrer Ablehnung von Gottes Stil.«

Dies müsse Gegenstand der Reflexion eines jeden Christen sein: Während Gott »uns erlöst und uns zeigt, wie er uns rettet«, sei ich »außerstande, ein wenig einen Weg zu erdulden, der mir nicht übermäßig zusagt«. Das sei »jener Egoismus, den Jesus seiner Generation vorwarf«, die über Johannes den Täufer gesagt habe: »Aber nein, er war von einem Dämon besessen.« Und als der Menschensohn gekommen sei, hätte sie ihn als einen »Fresser« und einen »Säufer« bezeichnet. »Aber wer kann euch verstehen?«, habe der Papst gefragt und hinzugefügt: »Auch mich, mit meinen geistlichen Launen angesichts des Heils, das Gott mir schenkt, wer kann mich verstehen?«

Die Aufforderung an die Gläubigen lautete dementsprechend: »Betrachten wir die Schlange, das Gift dort im Körper Christi, das Gift aller Sünden der Welt, und bitten wir um die Gnade, die schwierigen Augenblicke zu akzeptieren; den göttlichen Stil des Heils zu akzeptieren; auch diese so leichte Kost zu akzeptieren, über die sich die Juden beschwerten«: also die Gnade, »die Wege zu akzeptieren, auf denen mich der Herr weiterbringen will«. Franziskus schloss, indem er der Hoffnung Ausdruck verlieh, dass die Karwoche »uns dazu verhelfe, diese Versuchung zu besiegen, ›Christen schon, aber…‹ zu sein«.

 



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