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PAPST FRANZISKUS

FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"

 

Philipp Neri und das Huhn

Donnerstag, 12. Mai 2016

 

aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 22, 3. Juni 2016

 

Ein kräftiger »Biss auf die Zunge«, wenn wir versucht sind, schlecht über andere zu reden. Denn gerade die »von Zwietracht«), wie man in Argentinien die Menschen nennt, die Gerüchte in Umlauf bringen, sind negative Zeugnisse für das Christentum und verursachen auch Spaltungen innerhalb der Kirche. Papst Franziskus warnte im Verlauf der Messe, die er am Donnerstag, 12. Mai, in der Kapelle des Hauses Santa Marta feierte, vor dieser Verhaltensweise, die leider auch in kirchlichen Kreisen weit verbreitet sei.

»Jesus betet: ›Er erhob seine Augen zum Himmel und betete‹«, so berichtet Johannes im Tagesevangelium (17,20-26). Und Franziskus machte unverzüglich darauf aufmerksam, dass »Jesus für alle betete, nicht etwa nur für die Jünger, die mit ihm zu Tische saßen, sondern für alle«. Tatsächlich schreibe Johannes, der die Worte Jesu wiedergebe: »ich bitte nicht nur für diese hier, sondern auch für alle, die durch ihr Wort an mich glauben.« Das bedeute, so bekräftigte der Papst, dass Christus »für uns betet: er hat für mich gebetet, für dich, für dich, für dich, für jeden Einzelnen von uns«. Und er habe keineswegs damit aufgehört: »Jesus fährt im Himmel damit fort, als Fürsprecher«. Es sei wichtig, zu verstehen, »worum Jesus den Vater in diesem Augenblick bittet: ›Alle sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein‹«. Tatsächlich »glaubt und betet er für die Einheit, die Einheit der Gläubigen, die Einheit der christlichen Gemeinschaften«. Er denke aber an »eine Einheit wie jene, die er mit dem Vater hat und der Vater mit ihm: eine vollkommene Einheit «. Und so beende er, wie im Johannesevangelium berichtet wird, das Gebet folgendermaßen: »damit die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast«. Aus diesem Grunde sei »die Einheit der christlichen Gemeinschaften« und »der christlichen Familien« das »Zeugnis für die Tatsache, dass der Vater Jesus gesandt hat«.

Franziskus sagte, dass er sich dessen bewusst sei, dass »etwas vom Schwierigsten überhaupt ist, zur Einheit in einer christlichen Gemeinschaft, einer Pfarrgemeinde, einem Bistum, einer christlichen Institution, einer christlichen Familie zu gelangen«. Leider, so betonte er, »treibt uns unsere Geschichte, die Geschichte der Kirche, sehr oft die Schamröte ins Gesicht: wir haben Kriege gegen unsere christlichen Brüder geführt, denken wir etwa an einen davon, an den Dreißigjährigen Krieg«. Jesus hingegen »sagt etwas völlig anderes: ›Wenn die Christen untereinander Krieg führen, so deshalb, weil der Vater Jesus nicht gesandt hat, weil es kein Zeugnis gibt‹«. Was uns anbelange, so sagte der Papst, so »müssen wir den Herrn dieser Geschichte wegen inbrünstig um Verzeihung bitten; eine Geschichte, in der es oft zu Spaltungen kam, und zwar keineswegs nur in der Vergangenheit, sondern auch heutzutage«. Und »die Welt sieht, dass wir gespalten sind, und sagt: ›sollen sie sich doch erst mal untereinander einigen, dann werden wir sehen, was soll das heißen: Jesus ist auferstanden und lebt, und seine Jünger können sich nicht einigen?‹«

»Noch nicht einmal beim Osterfest gibt es Einheit! «, legte der Papst nach. Deshalb habe »einst ein katholischer Christ einen Christen der Ostkirche gefragt, der seinerseits auch Katholik gewesen sei: ›Mein Christus wird übermorgen auferstehen – und wann wird es der deine tun?‹« Es ende damit, dass »die Welt nicht glaubt«. An diesem Punkt stellte sich der Papst die Frage, wie es zu »den Kirchenspaltungen« komme. Und die Antwort erfolgte in Form der Aufforderung, für den Augenblick »diese große Spaltung zwischen den christlichen Kirchen« zu vergessen und beispielsweise direkt in »unsere Pfarrgemeinden« zu gehen. Franziskus machte darauf aufmerksam, dass das Problem darin bestehe, dass »der Teufel aus Neid in die Welt gekommen ist, wie die Bibel sagt, es war der Neid des Teufels, der der Sünde Zugang zur Welt verschafft hat«. Daher »gibt es den Egoismus, denn ich will mehr sein als der andere, und sehr oft – ich wage zu sagen, dass das in unseren Gemeinschaften, Pfarreien, Institutionen, Bistümern fast schon die Regel ist – finden wir uns wieder mit starken Spaltungen, die gerade bei den Eifersüchteleien, beim Neid ihren Ausgang nehmen, und das führt dazu, dass einer schlecht über den anderen spricht, es wird viel getratscht«. Und der Papst gestand, indem er sich auf eine in den Pfarreien weitverbreitete Art zu denken berief, die »in meinem Land sehr verbreitet ist«: »Ich habe einmal in einem Stadtviertel etwas sagen hören: ›Ich gehe nicht in die Kirche, weil – schau diese Frau da, die geht jeden Morgen zur Messe, geht zur Kommunion und dann geht sie nach Hause, um schlecht über andere zu sprechen: ich gehe lieber nicht hin, als so ein Christ zu sein wie diese Klatschbase«. Und er fuhr fort: »In meiner Heimat nennt man solche Leute ›zizzaniere‹, sie säen Zwietracht [»zizzania«], sie spalten, sie trennen die Menschen, und in solchen Fällen beginnen die Spaltungen mit spitzer Zunge aus Neid, Eifersucht und auch aus Engstirnigkeit«. Dieser »Engstirnigkeit «, die dazu führt, dass man Urteile fällt: »Nein, die Lehre ist diese und fertig«.

Der Papst erinnerte in diesem Zusammenhang daran, dass der Apostel Jakobus im dritten Kapitel seines Briefes sage: »Wenn wir den Pferden den Zaum anlegen, lenken wir damit das ganze Tier. Oder denkt an die Schiffe: der Steuermann lenkt sie mit einem ganz kleinen Steuer«, und wir brächten es nicht fertig, die Zunge zu zügeln? Denn die Zunge, so schreibe Jakobus, »ist nur ein kleines Körperglied und rühmt sich doch großer Dinge«. Und »es ist wahr«, so bestätigte Franziskus, die Zunge »ist dazu imstande, eine Familie, eine Gemeinschaft, eine Gesellschaft zu zerstören; Hass, Krieg und Neid zu säen«. Und er wiederholte die Worte des Gebetes Jesu: »Heiliger Vater, ich bitte nicht nur für diese hier, sondern auch für alle, die durch ihr Wort an mich glauben. Alle sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin.« Aber »welch großer Abstand« bestehe doch zwischen dem Gebet Jesu und dem Leben »einer christlichen Gemeinschaft, die daran gewöhnt ist, zu tratschen«. Und das sei »der Grund dafür, dass Jesus für uns zum Vater betet«.

Daraus leitete er die Aufforderung ab, »den Herrn um die Gnade zu bitten, dass er uns die Kraft schenke, damit es in unseren Gemeinschaften solche Dinge nicht gebe«. Aber, so der Papst, »Jesus sagt uns, wie wir weitermachen sollen, wenn wir uns nicht einigen können oder wenn uns etwas an unserem Gegenüber nicht gefällt: ›Ruf ihn an, sprich mit ihm!‹ Und wenn dein Gesprächspartner ›nicht kapiert oder nicht kapieren will, dann ruf einen Zeugen und gib den Vermittler ab«. Jesus habe uns diesen Stil »gelehrt«. Aber »es ist bequemer, zu tratschen und den Ruf des anderen zu ruinieren«.

Um seine Reflexionen noch nachdrücklicher zu machen, erzählte Franziskus eine Anekdote aus dem Leben des heiligen Philipp Neri. »Eine Frau ging zur Beichte und beichtete, dass sie getratscht habe.« Aber »der Heilige, der ein fröhlicher, guter, großzügiger Mensch war, sagt zu ihr: ›Gute Frau, als Buße erlege ich dir, bevor ich dir die Absolution erteile, auf: geh nach Hause, nimm ein Huhn, rupfe es und geh dann durch dein Stadtviertel und übersähe es mit den Hühnerfedern, und dann komm zurück.« Am nächsten Tag, so fuhr Franziskus in seiner Erzählung fort, »kam die Frau wieder: ›Ich habe es getan, Vater, erteilen Sie mir die Absolution?‹« Die Antwort des heiligen Philipp Neri sei vielsagend gewesen: »Nein, es fehlt noch etwas, gute Frau, geh durch das Viertel und sammle alle Federn wieder auf«, denn »es ist wie mit dem Tratsch: man beschmutzt den anderen«. Tatsächlich, so fügte der Papst hinzu, »zerstört einer, der tratscht, den guten Ruf, zerstört das Leben, und sehr oft tut er das ohne Grund, ohne sich an die Wahrheit zu halten«. Deshalb habe »Jesus für uns gebetet, für uns alle, die hier sind und für unsere Gemeinschaften, für unsere Pfarreien, für unsere Diözesen, damit ›sie eins seien‹«.

Abschließend forderte der Papst dazu auf, den Herrn darum zu bitten, »dass er uns die Gnade gewähre «, denn »die Kraft des Teufels ist sehr, sehr groß, wie auch die der Sünde, die uns immer dazu drängt, es zur Spaltung kommen zu lassen!« Tatsächlich müsse man sich an den Herrn wenden, damit er »uns die Gnade schenke, damit er uns die Gabe schenke, die Einheit schafft: den Heiligen Geist«, so fuhr der Papst fort. Er setzte hinzu, dass er hoffe, »dass er uns diese Gabe schenke, die Harmonie schafft, denn Er ist die Harmonie, die Herrlichkeit in unseren Gemeinschaften «. Und dass »er uns den Frieden schenke, aber zusammen mit der Einheit«. Daher »bitten wir um die Gnade der Einheit für alle Christen, die große Gnade und auch um die kleine Gnade jedes einzelnen Tages für unsere Gemeinschaften, für unsere Familien«. Und auch um »die Gnade, uns auf die Zunge zu beißen!«

 



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