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PAPST FRANZISKUS

FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"
 

Die Osteoporose der Seele

Donnerstag, 22. September 2016

 

(aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 41, 14. Oktober 2016)

 

Neben Habgier und Hochmut ist die Eitelkeit eine der »Wurzeln aller Übel« im Herzen jedes Menschen. Das für unsere Zeit charakteristische atemlose Wettrennen, »um vorzutäuschen, vorzuspiegeln, aufzufallen« führt zu nichts, »es bringt uns keinen wahren Gewinn« und hinterlässt Unruhe in der Seele.

Die »vanitas vanitatum« aus dem Buch Kohelet (1,2-11), dem die erste Lesung entnommen war, stand im Mittelpunkt der Meditation, die Franziskus in der Frühmesse am 22. September im Haus Santa Marta hielt. Zunächst ging der Papst kurz auf die sorgenvolle Unruhe des Tetrarchen Herodes ein, die im Lukasevangelium (9,7-9) beschrieben werde. Der Herrscher »war beunruhigt«, weil jener Jesus, von dem alle redeten, »für ihn wie eine Bedrohung war«. Einige hätten gedacht, er sei Johannes, aber Herodes fragte sich: »Johannes habe ich selbst enthaupten lassen. Wer ist dann dieser Mann, von dem man mir solche Dinge erzählt?« Diese Besorgnis, so Franziskus, ähnele der seines Vaters Herodes des Großen, der »erschrak«, als die Sterndeuter kamen, um Jesus anzubeten.

Der Papst erläuterte, dass es in unserer Seele »zwei Arten von Besorgnis geben könne: die gute Sorge, die die Unruhe des Heiligen Geistes ist, die uns der Heilige Geist einflößt und die bewirkt, dass die Seele unruhig ist, um Gutes zu tun, um Fortschritte zu machen. Daneben gibt es auch die schlechte Unruhe, die einem schlechten Gewissen entspringt.« Letzteres habe die beiden Herrscher und Zeitgenossen Jesu gekennzeichnet: »Sie hatten ein schlechtes Gewissen und waren deshalb besorgt, weil sie schlimme Dinge getan und keinen Frieden hatten, so dass ihnen jedes Ereignis als Bedrohung erschien.« Im Übrigen sei ihre Art, Probleme zu lösen, stets das Töten gewesen, sie seien »über Leichen gegangen«.

Wer wie sie »Böses tut«, habe ein »schlechtes Gewissen und kann nicht im Frieden leben«: die Unruhe quäle sie und sie lebten »mit einem beständigen Juckreiz, einer Nesselsucht gleich, die sie nicht in Frieden lässt«. Dieser inneren Wirklichkeit wandte der Papst seine Aufmerksamkeit zu: »Jene Menschen haben Böses getan, aber das Böse hat immer dieselbe Wurzel, jedes Böse: Habgier, Eitelkeit und Hochmut.« Alle drei »lassen deinem Gewissen keinen Frieden«, alle verhinderten, dass man in »die gesunde Unruhe des Heiligen Geistes« spüre und »führten zu einem Leben voller Unruhe, Sorge und Angst«.

Angeregt von der ersten Lesung sprach der Papst über die Eitelkeit: »Windhauch, Windhauch, […], das ist alles Windhauch.« Der im Buch Kohelet verwendete Ausdruck könne »etwas pessimistisch« scheinen, auch wenn in Wirklichkeit »nicht alles so ist: es gibt auch gute Menschen«. Aber der Text wolle »die uns so vertraute Versuchung unterstreichen, die auch die erste Versuchung unserer Stammeltern war: sein wollen wie Gott«. Denn die Eitelkeit »bläht uns auf«. Aber »sie hat kein langes Leben, weil sie wie eine Seifenblase ist« und niemals einen »wahren Gewinn« bringt. Und doch mühe der Mensch sich ab, »um vorzutäuschen, vorzuspiegeln, aufzufallen «. Einfach gesagt: »Eitelkeit bedeutet, das eigene Leben zu verfälschen. Und das macht die Seele krank, weil jemand sein Leben herausputzt, um aufzufallen und etwas vorzuspiegeln. Alles was er tut, tut er, um vorzutäuschen, aus Eitelkeit.

Aber was gewinnt er am Schluss?« Um diese innere Wirklichkeit besser verständlich zu machen, gebrauchte der Papst einige Bilder: »Eitelkeit ist wie eine ›Osteoporose‹ der Seele: von außen scheinen die Knochen in Ordnung zu sein, aber innen sind sie ganz kaputt.« Und weiter: »Eitelkeit führt uns zum Betrug, so wie die Betrüger die Karten zinken, um zu gewinnen. Und dann ist dieser Sieg vorgetäuscht, er ist nicht echt. Das ist die Eitelkeit: leben, um vorzutäuschen; leben, um so zu tun als ob; leben, um aufzufallen. Und das versetzt die Seele in Unruhe.«

Der Papst verwies in diesem Zusammenhang auf den heiligen Bernhard, der sich mit einem »fast zu harten Wort« an den Eitlen gewandt habe: »Dank daran, was du sein wirst. Du wirst den Würmern eine Mahlzeit sein.« Wie um zu sagen: »All dieses Herausputzen deines Lebens ist eine Lüge, weil du ein Fraß der Würmer werden und nichts sein wirst.« Aber »worin liegt die Kraft der Eitelkeit?«, fragte sich Franziskus. »Vom Hochmut zum Schlechten getrieben« wolle man nicht zulassen, »dass man seinen Fehler sieht«, sondern neige dazu, »alles zuzudecken«. Es sei wahr, dass es sehr viele »heilige Menschen« gebe. Aber genauso wahr sei es, dass es Menschen gebe, von denen man denke: »Was für ein guter Mensch! Er geht jeden Sonntag in die Messe. Er spendet großzügig der Kirche.« Und dabei übersehe man die »Osteoporose«, die »Korruption in seinem Inneren«. Im Übrigen bestehe die Eitelkeit gerade darin: »Sie lässt dich scheinbar mit dem Gesicht eines Heiligenbildchens auftreten, während die Wahrheit in deinem Inneren ganz anders aussieht.«

Angesichts dessen stellte der Papst abschließend die Frage: »Worin liegt unsere Kraft und Sicherheit, unsere Zuflucht?« Auch die Antwort darauf sei in den Texten der Liturgie zu finden, denn im Antwortpsalm sei zu lesen: »Herr, du bist unsere Zuflucht von Geschlecht zu Geschlecht. « Und im Ruf vor dem Evangelium werde an die Worte Jesu erinnert: »Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben.« Das, so der Papst, »ist die Wahrheit, nicht der Schwindel der Eitelkeit«. Es sei wichtig den Herrn zu bitten, »dass er uns von diesen drei Wurzeln aller Übel befreien möge: Gier, Eitelkeit und Hochmut. Aber vor allem von der Eitelkeit, die uns so sehr schadet.«

 



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