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PAPST FRANZISKUS

FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"
 

Unverfrorenheit

Dienstag, 11. Oktober 2016
 

(aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 43, 28. Oktober 2016)

 

»Frömmigkeit des schönen Scheins« oder »der Weg der Demut«? In der Frühmesse am 11. Oktober, die Papst Franziskus in Santa Marta feierte, wies er auf eine Entscheidung hin, die für das Leben jedes Christen grundlegend ist. Denn auch wenn man »Gutes tut«, kann man einen gefährlichen Fehler machen: sich selbst in den Vordergrund stellen und nicht »die Erlösung, die Jesus uns geschenkt hat«. Ziel ist, »unsere innere Freiheit « geltend zu machen, indem wir uns der Welt so zeigen, wie wir in unserem Herzen wirklich sind, ohne oberflächliche, schlaue, rein äußerliche »Make-up«-Aktionen.

Die Meditation des Papstes ging vom Begriff der Freiheit aus. Angeregt wurde er dazu von der ersten Lesung (Gal 5,1-6), in der der Apostel Paulus die Gläubigen auffordert, »fest zu bleiben und sich nicht von neuem das Joch der Knechtschaft auflegen zu lassen, das heißt frei zu sein: frei in der Frömmigkeit, frei in der Anbetung Gottes«. Das sei die erste Lehre: »Niemals die Freiheit verlieren. « Aber welche Freiheit? Der Papst erläuterte: »Die christliche Freiheit kommt allein aus der Gnade Jesu Christi, nicht aus unseren Werken, nicht aus unseren sogenannten ›Rechtfertigungen‹, sondern allein aus der Gerechtigkeit, die der Herr Jesus Christus uns geschenkt hat und mit der er uns neugeschaffen hat«, eine Gerechtigkeit, die »vom Kreuz kommt«.

Dieses Thema unterstreiche auch der Evangeliumsabschnitt (Lk 11,37-41), in dem Jesus einen Pharisäer, einen Schriftgelehrten, tadelt. »Dieser Pharisäer lädt Jesus zum Essen ein und Jesus nimmt nicht die Waschungen vor, das heißt er wäscht sich nicht die Hände«: er halte damit jene Praktiken nicht ein, »die im alten Gesetz Brauch waren«. Auf einen gewissen Protest hin, habe der Herr gesagt: »Ihr [Pharisäer] haltet zwar Becher und Teller außen sauber, innen aber seid ihr voll Raubgier und Bosheit.« Ein Gedanke, den Jesus »im Evangelium oftmals wiederholt«, wenn er gewisse Leute mit klaren Worten warne: »Euer Inneres ist schlecht, es ist nicht gerecht, es ist nicht frei. Ihr seid Sklaven, weil ihr die Gerechtigkeit, die von Gott kommt, nicht angenommen habt«, nämlich »die Gerechtigkeit, die Jesus uns geschenkt hat«.

An anderer Stelle sei zu lesen, dass Jesus zum Gebet auffordere und auch lehre, wie man dies tun müsse: »In deinem Zimmer, damit niemand dich sieht. So wird es nur dein Vater im Himmel sehen.« Man solle also »nicht beten, um aufzufallen «, damit man gesehen werde, wie jener Pharisäer, der – wie im Evangelium stehe – vor dem Altar des Tempels stand und sagte: »Gott, danke, Herr, dass ich kein Sünder bin.« Wer dies getan habe, so Franziskus, sei wirklich »unverfroren« gewesen »und hat sich nicht geschämt«. Um bestimmten Haltungen entgegenzuwirken, gebe Jesus einen Rat, den der Papst folgendermaßen zusammenfasste: »Wenn ihr Gutes tut und Almosen gebt, dann tut das nicht, damit man euch bewundert. Deine rechte Hand soll nicht wissen, was deine linke tut. Tut es im Verborgenen. Und wenn ihr Buße tut, fastet, dann hütet euch bitte vor der Traurigkeit. Macht kein trauriges Gesicht, damit alle wissen, dass ihr Buße tut.«

Kurz gesagt: Was wichtig ist, das »ist die Freiheit, die uns die Erlösung geschenkt hat, die uns die Liebe geschenkt hat, die uns die Neu-Schöpfung durch den Vater geschenkt hat«. Das sei eine innere Freiheit, die dazu führe, »das Gute im Verborgenen zu tun, ohne es vor sich herposaunen zu lassen«. Denn »der Weg der wahren Frömmigkeit ist der Weg, den Jesus gegangen ist: Demut, Demütigung« – so sehr, dass Jesus »sich selbst erniedrigte, sich selbst entäußerte«, unterstrich Franziskus mit den Worten aus dem Philipperbrief des heiligen Paulus. »Das ist der einzige Weg, wie wir Egoismus, Gier, Hochmut, Eitelkeit, Weltlichkeit überwinden.« Dem stehe die Haltung jener entgegen, die Jesus tadle: »Menschen, die einer ›Make-up-Frömmigkeit‹ folgen: äußerer Schein, auffallen, so tun als ob, aber im eigenen Inneren…« Der Papst unterstrich, dass Jesus für sie »ein sehr eindringliches Bild« verwende: »Ihr seid übertünchte Gräber, außen schön, aber innen voller Totengebein und Moder.« Jesus dagegen lade uns ein, »das Gute mit Demut zu tun«, weil man sonst einen gefährlichen Fehler mache: »Du kannst sehr viel Gutes tun, alles, was du willst, aber wenn du das nicht demütig tust, wie Jesus es uns lehrt, dann nützt dieses Gute nichts, weil es etwas Gutes ist, das aus dir selbst kommt, aus deiner Selbstsicherheit, nicht aus der Erlösung, die Jesus dir geschenkt hat.« Franziskus fügte hinzu, dass diese Erlösung »auf dem Weg der Demut und der Demütigungen« geschehe, denn »ohne Demütigungen kommt man nicht zur Demut«, so dass wir »Jesus am Kreuz gedemütigt sehen«.

Der Papst schloss seine Predigt mit der Aufforderung: »Bitten wir den Herrn, dass wir nicht müde werden, diesen Weg zu gehen, nicht müde werden, diese Schein-Frömmigkeit zurückzuweisen, die Frömmigkeit des Gesehen-Werdens, des So-tun-als-ob…« Dagegen müsse man sich bemühen, »in aller Stille voranzugehen, indem man Gutes tut, und zwar unentgeltlich und umsonst, wie auch wir unsere innere Freiheit umsonst empfangen haben«.


 



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