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HEILIGE MESSE ZUM WELTMISSIONSSONNTAG

PAPSTMESSE

PREDIGT VON PAPST FRANZISKUS

Petersdom
29. Sonntag im Jahreskreis, 20. Oktober 2019

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Aus den eben gehörten Lesungen möchte ich drei Worte herausgreifen: ein Substantiv, ein Verb und ein Adjektiv. Das Substantiv ist der Berg: Jesaja spricht davon und prophezeit einen Berg des Herrn, hoch über den Hügeln, zu dem alle Nationen strömen werden (vgl. Jes 2,2). Von einem Berg ist dann auch im Evangelium die Rede, denn Jesus nennt den Jüngern nach seiner Auferstehung einen Berg in Galiläa als Treffpunkt, gerade in Galiläa, das von vielen verschiedenen Völkern bewohnt wird, das »heidnische Galiläa« (Mt 4,15). Kurz gesagt, es scheint, dass der Berg der Ort ist, an dem Gott die ganze Menschheit treffen möchte. Es ist der Ort der Begegnung mit uns. Das zeigt die Bibel vom Sinai über den Karmel bis hin zu Jesus, der die Seligpreisungen auf einem Berg verkündet, der auf dem Berg Tabor verklärt wird, sein Leben auf dem Kalvarienberg hingegeben hat und vom Ölberg aus zum Himmel aufgefahren ist. Der Berg, der Ort der großen Begegnungen zwischen Gott und Mensch, ist auch der Ort, an dem Jesus viele Stunden im Gebet verbrachte (vgl. Mk 6,46) und dabei Erde und Himmel, uns – seine Brüder und Schwestern – mit dem Vater vereinte.

Was sagt uns der Berg? Dass wir dazu berufen sind, Gott und den anderen näher zu kommen: Gott, dem Allerhöchsten, nähern wir uns im Schweigen und im Gebet und entfliehen damit dem Smog von Klatsch und Tratsch. Wir nähern uns aber auch den anderen, die vom Berg aus in einer anderen Perspektive erscheinen, aus der Perspektive Gottes, der alle Nationen ruft: Von oben betrachtet können die anderen in ihrer Gesamtheit wahrgenommen werden, und wir entdecken, dass die Harmonie der Schönheit nur vom Ganzen her sichtbar wird. Der Berg erinnert uns daran, dass Brüder und Schwestern nicht selektiert, sondern „umarmt“ gehören – in den Blick genommen und vor allem ins Leben einbezogen. Der Berg verbindet Gott und die Brüder und Schwestern in einer einzigen Umarmung, in der Umarmung des Gebets. Der Berg führt uns hinauf, weg von vielen materiellen Dingen, die vergehen; er lädt uns ein, das Wesentliche wieder zu entdecken, das, was bleibt: Gott und unsere Brüder und Schwestern. Die Mission beginnt auf dem Berg: Dort entdeckt man, was zählt. Inmitten dieses Missionsmonats wollen wir uns fragen: Was zählt für mich im Leben? Zu welchen Gipfeln bin ich unterwegs?

Ein Verb begleitet das Substantiv Berg: hinaufsteigen. Jesaja ermuntert uns: »Auf, wir ziehen hinauf zum Berg des Herrn« (2,3). Wir sind nicht dazu geboren, unten stehen zu bleiben und uns mit flachen Dingen zufrieden zu geben. Wir sind geboren, um die Höhen zu erreichen, um Gott und unseren Brüdern und Schwestern zu begegnen. Aber dazu müssen wir hinaufsteigen: Wir müssen ein horizontales Leben hinter uns lassen, gegen die Schwerkraft des Egoismus kämpfen, einen Exodus aus unserem eigenen Selbst vollziehen. Ein Aufstieg kostet also Mühe, aber es ist die einzige Möglichkeit, alles besser zu sehen. Es ist wie beim Bergwandern, wo man auch erst oben die schönste Aussicht hat und versteht, dass man sie ohne diesen ständig aufsteigenden Pfad nicht erlangt hätte.

Und wie das Erklimmen eines Berges nicht gut möglich ist, wenn man mit Dingen belastet ist, so muss man auch im Leben ablegen, was nicht gebraucht wird. Das ist auch das Geheimnis der Mission: um aufzubrechen muss man loslassen, um zu verkündigen muss man verzichten. Die glaubwürdige Verkündigung besteht nicht aus schönen Worten, sondern aus einem guten Leben: einem Leben im Dienst, das auf viele materielle Dinge verzichten kann, die das Herz klein, gleichgültig und in sich verschlossen machen; einem Leben, das sich von dem Unnützen, das das Herz überflutet, löst und Zeit für Gott und die anderen findet. Wir können uns fragen: Wie läuft mein Aufstieg? Kann ich auf das schwere und nutzlose Gepäck der Welt verzichten, um auf den Berg des Herrn hinaufzusteigen? Ist mein Weg ein solcher Aufstieg oder verfolge ich dabei eher meine eigenen ehrgeizigen Ziele?

Wenn der Berg uns an das Wesentliche erinnert – Gott und die Brüder und Schwestern – und das Verb „hinaufsteigen“ daran, wie man dorthin gelangt, hat ein drittes Wort heute den stärksten Klang. Es ist das Adjektiv alle, das die Lesungen dominiert: »alle Nationen«, sagte Jesaja (2,2); »alle Völker« wiederholten wir im Psalm; Gott will, »dass alle Menschen gerettet werden«, schreibt Paulus (1 Tim 2,4); »geht und macht alle Völker zu meinen Jüngern«, fordert Jesus im Evangelium (Mt 28,19). Beharrlich wiederholt der Herr dieses alle. Er weiß, dass wir eigensinnig bei „mein“ und „unser“ bleiben: meine Sachen, unser Volk, unsere Gemeinschaft ..., und er wird nie müde, immer wieder „alle“ zu sagen. Alle, weil niemand von seinem Herzen, von seinem Heil ausgeschlossen ist; alle, damit unser Herz die menschlichen Zollschranken übersteigt, die Kleinlichkeiten, die auf Egoismus basieren, der Gott nicht gefällt. Alle, denn jeder einzelne ist ein kostbarer Schatz, und der Sinn des Lebens besteht darin, diesen Schatz anderen weiterzugeben. Das also ist die Mission: den Berg hinaufsteigen, um für alle zu beten, und den Berg hinabsteigen, um sich allen zum Geschenk zu machen.

Hinauf- und hinabsteigen: Der Christ ist also immer in Bewegung, im Aufbruch. Geht: so lautet in der Tat der Imperativ Jesu im Evangelium. Jeden Tag treffen wir auf viele Menschen, aber – so können wir uns fragen – gehen wir auf die Menschen zu, die wir treffen? Folgen wir der Einladung Jesu oder kümmern wir uns nur um unsere eigenen Angelegenheiten? Jeder erwartet etwas von den anderen, der Christ geht auf die anderen zu. Der Zeuge Jesu hat keinen Anspruch auf die Anerkennung der anderen, doch er schuldet denen Liebe, die den Herrn nicht kennen. Der Zeuge Jesu geht allen entgegen, nicht nur den Seinen, nicht nur innerhalb seines Grüppchens. Jesus sagt auch zu dir: „Geh, verpass’ nicht die Gelegenheit, Zeugnis abzulegen! Bruder, Schwester, der Herr erwartet von dir das Zeugnis, das niemand an deiner Stelle geben kann. »Hoffentlich kannst du erkennen, was dieses Wort ist, diese Botschaft Jesu, die Gott der Welt mit deinem Leben sagen will […] damit deine wertvolle Sendung nicht scheitert« (Apostolisches Schreiben Gaudete et exsultate, 24).

Welche Anweisungen gibt uns der Herr für dieses Zugehen auf alle? Eine einzige, sehr einfache: Macht sie zu Jüngern. Aber Vorsicht: zu seinen Jüngern, nicht zu unseren. Die Kirche verkündet nur dann in guter Weise das Evangelium, wenn sie als Jüngerin lebt. Und Jünger folgen dem Meister jeden Tag und teilen mit anderen die Freude der Jüngerschaft – nicht indem man erobert, Zwang ausübt, Proselyten macht, sondern Zeugnis gibt, indem man sich als Jünger unter Jüngern auf die gleiche Ebene begibt und in Liebe die Liebe schenkt, die wir empfangen haben. Dies ist die Mission: denen reine Luft aus der Höhe geben, die im Smog der Welt versinken; der Welt den Frieden bringen, der uns jedes Mal, wenn wir im Gebet Jesus auf dem Berg begegnen, mit Freude erfüllt; mit unserem Leben und auch in Worten zeigen, dass Gott jeden liebt und niemanden je aufgibt.

Liebe Brüder und Schwestern, jeder von uns hat, jeder von uns „ist eine Mission auf dieser Erde“ (vgl. Apostolisches Schreiben Evangelii Gaudium, 273). Wir sind hier, um Zeugnis zu geben, zu segnen, zu trösten, aufzurichten und die Schönheit Jesu zu vermitteln. Hab Mut, er erwartet viel von dir! Der Herr sorgt sich um diejenigen, die noch nicht wissen, dass sie vom Vater geliebte Kinder sind, seine Brüder und Schwestern, für die er sein Leben hingegeben und denen er den Heiligen Geist gesandt hat. Willst du diese Sorge Jesu beruhigen? Dann geh mit Liebe auf alle zu, denn dein Leben ist eine kostbare Mission: keine Last, die man ertragen muss, sondern ein Geschenk, das es weiterzugeben gilt. Nur Mut und keine Angst: Lasst uns auf alle zugehen!

 



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