Index   Back Top Print

[ DE  - EN  - ES  - FR  - IT  - PT ]

HEILIGE MESSE ZUM WEIHETAG DER BASILIKA ST. JOHANN IM LATERAN 

PREDIGT VON PAPST FRANZISKUS

Lateranbasilika
Samstag, 9. November 2019

[Multimedia]


 

Gebet

Homilie


Vor einer in den Boden eingelassenen Gedenktafel sprach der Papst im Beisein von Mitgliedern der Hilfsbewegung »ATD Quarto Mondo« folgendes Gebet für die Opfer von Armut und Elend:

 

Für die Millionen von Kindern, die, von quälendem Hunger geplagt, ihr Lächeln verloren haben, aber trotzdem lieben wollen.

Für die Millionen junger Menschen, die keinen Grund sehen, warum sie glauben oder leben sollten, und die vergeblich eine Zukunft in dieser sinnlosen Welt suchen.

Wir bitten dich, Vater,

sende Arbeiter für deine Ernte.

Für die Millionen von Männern, Frauen, Kindern, deren Herzen stark sind, um zu kämpfen; deren Geist sich gegen das ihnen auferlegte ungerechte Schicksal auflehnt; deren Mut das Recht auf unermessliche Würde einfordert.

Wir bitten dich, Vater, sende Arbeiter für deine Ernte.

Für die Millionen von Kindern, Frauen und Männern, die nicht verfluchen, sondern lieben und beten, arbeiten und sich vereinen wollen, damit ein solidarisches Land entsteht.

Ein Land, unser Land, in dem jeder sein Bestes gibt, bevor er stirbt.

Wir bitten dich, Vater, sende Arbeiter für deine Ernte. Damit alle, die beten, bei Gott Gehör finden und von Ihm die Kraft erhalten, das Elend aus der Menschheit zu tilgen, die nach Seinem Bild geschaffen ist. Wir bitten dich, Vater, sende Arbeiter für deine Ernte.


Homilie

 

Heute Abend, bei dieser Liturgiefeier zum Fest der Weihe, möchte ich dem Wort Gottes drei Verse entnehmen, um sie euch mitzugeben, damit ihr sie zum Gegenstand der Meditation und des Gebetes machen könnt.

Der erste ist, so empfinde ich es, an alle gerichtet, an die ganze Diözesangemeinschaft von Rom. Es ist der Vers aus dem Antwortpsalm: »Eines Stromes Arme erfreuen die Gottesstadt« (46,5). Die Christen, die in dieser Stadt wohnen, sind wie der Strom, der aus dem Tempel hervorquillt: Sie bringen ein Wort des Lebens und der Hoffnung, das die Wüsten der Herzen fruchtbar machen kann, wie der in der Vision Ezechiels beschriebene Fluss (vgl. Kap. 47) die Wüste der Áraba fruchtbar und das salzige und leblose Wasser des Toten Meeres gesund macht. Wichtig ist, dass der Fluss aus dem Tempel kommt und in unwirtliches Gelände fließt. Die Stadt kann sich nur freuen, wenn sie sieht, dass die Christen freudige Verkünder werden, entschlossen, mit den anderen die Schätze des Wortes Gottes zu teilen und sich für das Gemeinwohl einzusetzen. Das Terrain, das zur ewigen Trockenheit bestimmt schien, offenbart ein außergewöhnliches Potenzial: Es wird zu einem Garten voll immergrüner Bäume, Blätter und Früchte mit heilenden Kräften. Ezechiel erklärt den Grund für diese übergroße Fruchtbarkeit: »Denn ihre Wasser kommen aus dem Heiligtum« (47,12). Gott ist das Geheimnis dieser Kraft neuen Lebens!

Der Herr möge sich freuen, wenn er sieht, dass wir in Bewegung sind, bereit, mit dem Herzen auf seine Armen zu hören, die zu ihm rufen. Möge die Mutter Kirche von Rom den Trost erfahren können, erneut den Gehorsam und den Mut ihrer Kinder zu sehen, die erfüllt sind von Begeisterung über diese neue Zeit der Evangelisierung. Den anderen begegnen, einen Dialog mit ihnen führen, ihnen demütig, unentgeltlich und mit der Armut des Herzens zuhören… Ich lade euch ein, all dies nicht als beschwerliche Anstrengung zu leben, sondern mit geistlicher Leichtigkeit: Statt sich von Versagensängsten überwältigen zu lassen, ist es wichtiger, den Blick zu weiten, um die Gegenwart und das Handeln Gottes in der Stadt wahrzunehmen. Es ist eine Kontemplation, die aus der Liebe geboren wird.

Euch Priestern möchte ich einen Vers aus der zweiten Lesung widmen, aus dem ersten Brief an die Korinther: »Denn einen anderen Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist: Jesus Christus« (3,11). Das ist eure Aufgabe, die Herzmitte eurer Sendung: der Gemeinde helfen, stets zu Füßen des Herrn zu verweilen, um sein Wort zu hören; sie fernzuhalten von jeder Weltlichkeit, faulen Kompromissen; das Fundament und die heilige Wurzel des geistlichen Baues zu bewahren; sie gegen reißende Wölfe zu verteidigen, gegen diejenigen, die sie vom Weg des Evangeliums abbringen wollen. Wie Paulus seid auch ihr »weise Baumeister« (vgl. 3,10), weise, weil ihr sehr gut wisst: Jegliche andere Idee oder Wirklichkeit, die wir anstelle des Evangeliums als Fundament der Kirche legen wollten, könnte uns vielleicht mehr Erfolg garantieren, vielleicht unmittelbare Befriedigung verschaffen, aber es würde unweigerlich den Einsturz, den Einsturz des gesamten geistlichen Baus mit sich bringen! Seit ich Bischof von Rom bin, habe ich viele von euch, liebe Priester, näher kennengelernt: Ich habe den Glauben und die Liebe zum Herrn bewundert, die Nähe zu den Menschen und die Großherzigkeit bei der Sorge um die Armen. Ihr kennt die Stadtviertel wie niemand sonst und bewahrt in eurem Herzen die Gesichter, das Lächeln und die Tränen vieler Menschen. Ihr habt ideologische Auseinandersetzungen und persönlichen Protagonismus hinter euch gelassen, um dem Raum zu geben, was Gott von euch will. Der Realismus dessen, der mit beiden Beinen auf der Erde steht und weiß, »wie die Dinge in dieser Welt laufen«, hat euch nicht daran gehindert, mit dem Herrn nach Hohem zu streben und große Träume zu haben. Gott segne euch. Möge die Vertrautheit mit Ihm der wahrste Lohn sein für all das Gute, das ihr täglich tut. Und zuletzt ein Vers für euch, die Mitglieder der Pastoralteams, die ihr hier seid, um eine besondere Beauftragung durch den Bischof zu empfangen.

Ich konnte nicht anders, als es aus dem Evangelium zu wählen (Joh 2,13-22), wo Jesus sich göttlich provokativ verhält. Um die Abstumpfung der Menschen zu erschüttern und sie zu einem radikalen Wandel zu bewegen, handelt Gott zuweilen auf drastische Weise, um in der Situation einen Umbruch zu bewirken. Jesus möchte durch sein Handeln einen Kurswechsel, eine Wende hervorrufen. Denselben Stil hatten viele Heilige: Gewisse für die menschliche Logik unverständliche Verhaltensweisen waren die Frucht einer vom Heiligen Geist geweckten Intuition, sie sollten die Zeitgenossen provozieren und ihnen helfen zu verstehen, dass »meine Gedanken nicht eure Gedanken sind«, wie Gott durch den Propheten Jesaja sagt (55,8).

Um die heutige Episode aus dem Evangelium richtig zu verstehen, muss man ein wichtiges Detail betonen. Die Verkäufer befinden sich im Hof der Heiden, dem für Nicht-Juden zugänglichen Ort. Genau dieser Hof war in einen Markt verwandelt worden. Aber Gott will, dass sein Tempel ein Haus des Gebetes für alle Völker sei (vgl. Jes 56,7). Daher die Entscheidung Jesu, die Tische der Geldwechsler umzustürzen und die Tiere hinauszutreiben. Diese Reinigung des Heiligtums war notwendig, damit Israel seine Berufung wiederentdecken konnte: Licht zu sein für alle Völker, ein kleines Volk, auserwählt, um dem Heil zu dienen, das Gott allen schenken will. Jesus weiß, dass diese Provokation ihn teuer zu stehen kommen wird. Und als man ihn fragt: »Welches Zeichen lässt du uns sehen, dass du dies tun darfst?« (V. 18), antwortet der Herr: »Reißt diesen Tempel nieder und in drei Tagen werde ich ihn wieder aufrichten« (V.19). Und das ist genau der Vers, den ich euch, den Pastoralteams, heute Abend mitgeben möchte. Euch ist die Aufgabe anvertraut, euren Gemeinden und den pastoralen Mitarbeitern zu helfen, alle Bewohner der Stadt zu erreichen, indem ihr neue Wege findet, um denen zu begegnen, die dem Glauben und der Kirche fernstehen. Bei diesem Dienst aber tragt ihr in euch das Bewusstsein, das Vertrauen: Es gibt kein menschliches Herz, in dem Christus nicht neu geboren werden will und kann.

In unserem Leben als Sünder geschieht es uns häufig, dass wir uns vom Herrn entfernen und den Heiligen Geist auslöschen. Wir zerstören den Tempel Gottes, der ein jeder von uns ist. Und doch ist dies niemals eine endgültige Situation: Dem Herrn reichen drei Tage, um seinen Tempel in uns wieder aufzurichten! Niemand, wie sehr er auch vom Bösen verletzt sein mag, ist auf dieser Erde dazu verurteilt, für immer von Gott getrennt zu sein. Auf häufig geheimnisvolle, aber reale Weise weckt der Herr in den Herzen neuen Hoffnungsschimmer, Sehnsucht nach Wahrheit, nach dem Guten und der Schönheit, die der Evangelisierung den Weg bereiten. Zuweilen mag man auf Misstrauen und Feindseligkeit treffen: Wir dürfen uns nicht blockieren lassen, sondern müssen die Überzeugung bewahren, dass Gott drei Tage ausreichen, um seinen Sohn im Herzen des Menschen aufzuerwecken.

Das ist die Geschichte von einigen unter uns: Tiefe Bekehrungen, die eine Frucht des unvorhersehbaren Wirkens der Gnade sind! Ich denke an das Zweite Vatikanische Konzil: »Da nämlich Christus für alle gestorben ist und da es in Wahrheit nur eine letzte Berufung des Menschen gibt, die göttliche, müssen wir festhalten, dass der Heilige Geist allen die Möglichkeit anbietet, diesem österlichen Geheimnis in einer Gott bekannten Weise verbunden zu sein« (Pastoralkonstitution Gaudium et spes, 22). Möge der Herr es uns schenken, dies zu erfahren bei unserer Evangelisierungstätigkeit. Mögen wir im Glauben an das österliche Geheimnis wachsen und an seinem »Eifer« für unser Haus teilhaben. Guten Weg!

 



Copyright © Dicastero per la Comunicazione - Libreria Editrice Vaticana