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HEILIGE MESSE ZUM 400. JAHRESTAG DER HEILIGSPRECHUNG DES IGNATIUS VON LOYOLA

PREDIGT VON PAPST FRANZISKUS

Chiesa del Gesù - Roma
Samstag, 12 März 2022

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Das Evangelium von der Verklärung, das wir gerade gehört haben, erzählt von vier Handlungen Jesu. Es ist gut für uns, dem nachzugehen, was der Herr tut, um in seinen Gesten Hinweise für unseren eigenen Weg zu finden.

Das erste Verb – die erste dieser Handlungen Jesu – lautet mit sich nehmen: Jesus, so heißt es im Text, nahm Petrus, Jakobus und Johannes mit sich (vgl. Lk 9,28). Er ist es, der die Jünger mitnimmt, und er ist es, der uns in seine Nähe geholt hat. Er hat uns geliebt, erwählt und gerufen. Am Anfang steht das Geheimnis einer Gnade, einer Erwählung. Diese Entscheidung war zunächst einmal nicht unsere Entscheidung, sondern er war es, der uns gerufen hat, ohne unser Verdienst. Bevor wir unser Leben zu einem Geschenk gemacht haben, haben wir selbst ein unverdientes Geschenk erhalten: das Geschenk der Unentgeltlichkeit der Liebe Gottes. Unser Weg, liebe Brüder und Schwestern, muss jeden Tag von hier aus beginnen, von der ursprünglichen Gnade. Jesus hat mit uns gemacht, was er mit Petrus, Jakobus und Johannes gemacht hat: Er hat uns bei unserem Namen gerufen und uns mit sich genommen. Er hat uns bei der Hand genommen. Wo aber möchte er uns hinführen? Auf seinen heiligen Berg, wo er uns bereits jetzt für immer bei sich sieht, verklärt durch seine Liebe. Die Gnade führt uns dorthin, diese erste und ursprüngliche Gnade. Wenn wir also Bitterkeit und Enttäuschung erleben, wenn wir uns herabgesetzt oder unverstanden fühlen, sollten wir uns nicht in Bedauern und Nostalgie verlieren. Das sind Versuchungen, die uns auf unserem Weg lähmen, Pfade, die nirgendwo hinführen. Nehmen wir stattdessen – ausgehend von der Gnade und von unserer Berufung – unser Leben in die Hand. Und nehmen wir das Geschenk an, jeden Tag zu leben als einen Wegabschnitt auf das Ziel hin.

Er nahm Petrus, Jakobus und Johannes mit sich. Der Herr nimmt die Jünger gemeinsam mit, als Gemeinschaft. Unsere Berufung gründet in der Gemeinschaft. Um jeden Tag neu zu beginnen, müssen wir neben dem Geheimnis unserer Erwählung auch die Gnade wieder neu erleben, in die Kirche, unsere heilige hierarchische Mutter, aufgenommen worden zu sein, und für die Kirche, unsere Braut. Wir gehören zu Jesus, und wir gehören zu ihm als Gesellschaft. Lasst uns nicht müde werden, um die Kraft zu bitten, die Gemeinschaft aufzubauen und zu bewahren und Sauerteig der Brüderlichkeit für die Kirche und die Welt zu sein. Wir sind keine Solisten, die gehört werden wollen, sondern ein Chor von Brüdern. Lasst uns in kirchlicher Gesinnung der Versuchung widerstehen, persönlichen Erfolgen nachzujagen und Seilschaften zu bilden. Lasst uns nicht in einen Klerikalismus geraten, der erstarren lässt und in Ideologien, die spalten. Die Heiligen, derer wir heute gedenken, waren Säulen der Gemeinschaft. Sie erinnern uns daran, dass wir im Himmel trotz unserer Unterschiede im Charakter und in den Ansichten dazu berufen sind, zusammen zu sein. Und wenn wir dort oben für immer vereint sein werden, warum sollten wir dann nicht gleich hier unten anfangen? Machen wir uns bewusst, wie schön es ist, dass wir gemeinsam von Jesus mitgenommen, gemeinsam von Jesus berufen wurden! Dies ist das erste Verb: mit sich nehmen.

Das zweite Verb lautet hinaufsteigen. Jesus »stieg auf einen Berg« (V. 28). Der Weg Jesu führt nicht bergab, sondern nach oben. Das Licht der Verklärung erreicht einen nicht in der Ebene, sondern nach einem mühsamen Weg. Um Jesus nachzufolgen, muss man also die Ebenen der Mittelmäßigkeit und die Abhänge der Bequemlichkeit verlassen; man muss die eigenen beruhigenden Gewohnheiten ablegen, um einen Exodus zu vollziehen. Nachdem er auf den Berg gestiegen war, spricht Jesus mit Mose und Elia eben »von seinem Ende, das er in Jerusalem erfüllen sollte« (V. 31). Mose und Elia waren jeweils nach ihrem Exodus in die Wüste auf den Sinai bzw. den Horeb hinaufgestiegen (vgl. Ex 19; 1 Kön 19); nun sprechen sie mit Jesus über den endgültigen Exodus, den seines Todes und seiner Auferstehung. Brüder und Schwestern, nur der Aufstieg des Kreuzes führt zum Ziel der Herrlichkeit. Das ist der Weg: vom Kreuz zur Herrlichkeit. Die weltliche Versuchung besteht darin, die Herrlichkeit zu suchen, ohne vorher den Kreuzweg zu gehen. Wir wünschen uns bekannte, gerade und ebene Wege, aber um das Licht Jesu zu finden, müssen wir kontinuierlich aus uns herausgehen und in seiner Nachfolge hinaufsteigen. Der Herr, der, wie wir gehört haben, Abraham von Anfang an hinausgeführt hat (vgl. Gen 15,5), lädt auch uns ein, hinauszugehen und den Aufstieg zu wagen.

Für uns Jesuiten vollzieht sich dieses Hinausgehen und Hinaufsteigen auf eine besondere Weise, welche der Berg gut symbolisiert. In der Heiligen Schrift stehen die Gipfel der Berge für den Rand, die Grenze, den Übergang zwischen Erde und Himmel. Und wir sind gerufen, hinauszugehen und uns gerade dorthin zu begeben, an die Grenze zwischen Erde und Himmel, dorthin, wo der Mensch nur mit Mühe Gott begegnet; um seine mühevolle Suche und seine religiösen Zweifel zu begleiten. Dort müssen wir hin, und dazu müssen wir hinausgehen und hinaufsteigen. Während der Feind des Menschen uns davon überzeugen will, immer wieder den gleichen Schritten zu folgen, einer sterilen Wiederholung, der Bequemlichkeit, dem Altbekannten, regt der Geist Öffnung an, er schenkt Frieden ohne uns einfach in Frieden zu lassen, er sendet die Jünger bis an die äußersten Grenzen. Denken wir an Franz Xaver.

Und ich denke mir, dass man kämpfen muss, um einen solchen Weg zu gehen. Denken wir an den armen alten Abraham, dort beim Opfer, als er gegen die Geier kämpfte, die die Opfergaben fressen wollten (vgl. Gen 15,7-11). Und er verscheuchte sie mit seinem Stab. Der arme alte Mann. Betrachten wir dies: kämpfen, um diesen Weg zu verteidigen, diese unsere Weihe an den Herrn.

Die Jünger aller Zeiten stehen vor diesem Scheideweg. Und man kann es machen wie Petrus, der, während Jesus vom Exodus spricht, sagt: »Es ist gut, dass wir hier sind« (v. 33). Es besteht immer die Gefahr eines statischen Glaubens in „Parkposition“. Ich habe Angst vor einem solchen Glauben in „Parkposition“. Die Gefahr besteht darin, dass man sich für einen „guten“ Jünger hält, ohne dass man Jesus wirklich nachfolgt, dass man sich vielmehr unbeweglich und passiv verhält und, wie die drei im Evangelium, ohne es zu merken, eindöst und schläft. Auch in Gethsemane werden diese selben Jünger schlafen. Denken wir daran, liebe Brüder und Schwestern, dass es für diejenigen, die Jesus nachfolgen, jetzt nicht die Zeit ist zu schlafen, sich die Seele betäuben zu lassen, sich vom heutigen konsumorientierten und individualistischen Klima betäuben zu lassen, wonach das Leben gut ist, wenn es gut für mich ist; da wird geredet und theoretisiert, aber der Mensch aus Fleisch und Blut, unsere Brüder und Schwestern, und die Konkretheit des Evangeliums geraten aus dem Blick. Eines der Dramen unserer Zeit besteht darin, dass wir die Augen vor der Realität verschließen und uns abwenden. Möge die heilige Theresia uns helfen, aus uns selbst herauszugehen und mit Jesus auf den Berg zu steigen, damit wir erkennen, dass der Herr sich auch durch die Leiden unserer Brüder und Schwestern, die Nöte der Menschheit, die Zeichen der Zeit zu erkennen gibt. Habt keine Angst, diese Wunden zu berühren: es sind die Wunden des Herrn.

Jesus stieg auf den Berg, sagt das Evangelium, »um zu beten« (V. 28). Dies ist das dritte Verb, beten. Und »während er betete«, so der Text weiter, »veränderte sich das Aussehen seines Gesichtes« (V. 29). Die Verklärung entspringt dem Gebet. Fragen wir uns, vielleicht nach vielen Jahren im Dienst, welche Bedeutung das Beten heute für uns hat – welche Bedeutung es heute für mich hat. Vielleicht haben uns die Macht der Gewohnheit und eine gewisse Ritualisierung dazu verleitet zu glauben, dass das Gebet den Menschen und die Geschichte nicht verändert. Und doch verwandelt das Gebet die Wirklichkeit. Es ist aktive Mission, beständige Fürbitte. Es bedeutet nicht Entfernung von der Welt, sondern Veränderung der Welt. Beten heißt, den Puls der aktuellen Ereignisse vor Gott zu bringen, damit sich sein Blick auf die Geschichte weit öffnet. Welche Bedeutung hat das Beten für uns?

Und es ist gut für uns, wenn wir uns heute fragen, ob das Gebet uns in diese Verwandlung mithineinnimmt, ob es ein neues Licht auf die Menschen wirft und die Lebensumstände erhellt. Denn wenn das Gebet lebendig ist, hebt es einen „innerlich aus den Angeln“, es belebt das Feuer der Mission, es entfacht die Freude neu, es fordert uns immer wieder heraus, uns vom Hilferuf der Welt aufrütteln zu lassen. Fragen wir uns: Wie bringen wir den aktuellen Krieg in unserem Gebet vor Gott? Und denken wir an das Gebet des heiligen Philipp Neri, das sein Herz weit machte und ihn dazu bewegte, den Jugendlichen von der Straße die Türen zu öffnen. Oder an den heiligen Isidor, der auf den Feldern betete und die bäuerliche Arbeit in sein Gebet hineinnahm.

Jeden Tag unsere persönliche Berufung und unsere gemeinschaftliche Geschichte in die Hand nehmen; zu den von Gott gezeigten Grenzen hinaufsteigen, indem wir aus uns herausgehen; beten, um die Welt, in der wir leben, zu verändern. Schließlich gibt es noch ein viertes Verb, das im letzten Vers des heutigen Evangeliums vorkommt: „Jesus blieb allein zurück“ (vgl. V. 36). Er blieb, als alles vorübergegangen war und allein das „Vermächtnis“ des himmlischen Vaters noch nachklang: »Auf ihn sollt ihr hören« (V. 35). Das Evangelium endet damit, dass es uns wieder zum Wesentlichen zurückbringt. Wir sind oft versucht, in der Kirche und in der Welt, im geistlichen Bereich wie in der Gesellschaft, viele sekundäre Bedürfnisse als primär zu betrachten. Es ist eine alltägliche Versuchung, viele zweitrangige Bedürfnisse an die erste Stelle treten zu lassen. Mit anderen Worten: wir laufen Gefahr, uns auf Bräuche, Gewohnheiten und Traditionen zu konzentrieren, die unser Herz an das Vergängliche binden und uns das vergessen lassen, was bleibt. Wie wichtig ist die Bildung des Herzens, damit es unterscheiden kann, was Gott entspricht und bleibt, von dem, was der Welt entspricht und vergeht!

Liebe Brüder und Schwestern, möge unser heiliger Vater Ignatius uns helfen, die Gabe der Unterscheidung zu bewahren, unser kostbares Erbe, diesen Schatz, der zu allen Zeiten der Kirche und der Welt zukommen soll. Er befähigt uns, „alles neu zu sehen in Christus“. Er ist für uns selbst wie auch für die Kirche wesentlich, damit, wie Peter Faber schrieb, alles Gute, was man je tun, denken oder anordnen wird, vom guten Geist angeregt werde und nicht vom bösen (vgl. Memorial, Paris 1959, Nr. 51). Amen.

 



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