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HEILIGE MESSE FÜR DIE KONGOLESISCHE GEMEINDE IN ROM 

PREDIGT VON PAPST FRANZISKUS 

Petersdom
Sonntag, 3. Juli 2022

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Papst Franziskus : Bobóto [Frieden]

Gemeinde : Bondéko [Geschwisterlichkeit]

Papst Franziskus : Bondéko.

Gemeinde : Esengo [Freude]

»Esengo«, Freude: Das Wort Gottes, das wir gehört haben, erfüllt uns mit Freude. Warum, Brüder und Schwestern? Weil – wie Jesus im Evangelium sagt – »das Reich Gottes nahe ist« (Lk  10,11). Es ist nahe: noch nicht erreicht, teilweise verborgen, aber nahe bei uns. Und diese Nähe Gottes in Jesus, diese Nähe Gottes, die Jesus ist, ist die Quelle unserer Freude: Wir werden geliebt und sind nie allein. Doch diese Freude, die aus der Nähe Gottes kommt, schenkt zwar Frieden,  lässt uns aber nicht in Frieden. Sie schenkt uns Frieden und lässt uns nicht in Frieden, eine besondere Freude. Sie bewirkt eine Veränderung in uns: Sie erfüllt uns mit Staunen, überrascht uns, sie verändert unser Leben. Und die Begegnung mit dem Herrn ist ein ständiges Neubeginnen, ein kontinuierlicher Fortschritt. Der Herr verändert immer unser Leben.

Und so ergeht es auch den Jüngern im Evangelium: Um die Nähe Gottes zu verkünden, gehen sie in die Ferne, gehen sie in die Mission. Denn wer »Ja« sagt zu Jesus, der spürt, dass er ihn nachahmen muss, dass er so handeln muss, wie Jesus gehandelt hat, der den Himmel verließ, um uns auf Erden zu dienen, und geht aus sich selbst heraus. Wenn wir uns also fragen, was unsere Aufgabe in der Welt ist, was wir als Kirche in der Geschichte tun müssen, dann gibt uns das Evangelium eine klare Antwort: die Mission. In die Mission gehen, die Verkündigung bringen, verkünden, dass Jesus vom Vater zu uns gekommen ist.

Als Christen dürfen wir uns nicht damit begnügen, in Mittelmäßigkeit dahinzuleben. Und das ist eine Krankheit; viele Christen und auch wir alle sind dem Risiko ausgesetzt, in Mittelmäßigkeit dahinzuleben, uns mit unseren Vorteilen und Annehmlichkeiten zufrieden zu geben und in den Tag hinein zu leben. Nein, wir sind Missionare Jesu! Wir alle sind Missionare Jesu. Aber da könnte jemand einwenden: »Ich weiß nicht, wie man das macht, ich kann das nicht!« Doch auch hier erstaunt uns das Evangelium, denn es zeigt uns, wie der Herr die Jünger aussendet, ohne zu warten, bis sie bereit und gut ausgebildet sind: Sie waren noch nicht lange bei ihm, und doch sendet er sie aus. Sie hatten keine Theologie studiert, und doch sendet er sie aus. Und auch die Art und Weise, wie er sie aussendet, ist voller Überraschungen. Sehen wir uns also drei Überraschungen an, drei Dinge, die uns überraschen, drei missionarische Überraschungen, die Jesus für die Jünger bereithält und die er für einen jeden von uns bereithält, wenn wir auf ihn hören.

Die erste Überraschung: die Ausrüstung. Auf eine Missionsreise an einen unbekannten Ort muss man einige Dinge mitnehmen, sicherlich das Nötigste. Jesus aber sagt nicht, was man mitnehmen soll, sondern was man nicht mitnehmen soll: »Nehmt keinen Geldbeutel mit, keine Vorratstasche und keine Schuhe!« (V. 4). Also praktisch nichts: kein Gepäck, keine Hilfe, nichts, was Sicherheit gibt. Wir denken oft, dass unsere kirchlichen Initiativen nicht wirklich fruchten, weil es uns an Strukturen fehlt, weil es an Geld fehlt und weil es an den Mitteln fehlt: Das stimmt nicht. Jesus selbst widerlegt es. Brüder und Schwestern, vertrauen wir nicht auf den Reichtum und fürchten wir weder unsere materielle noch unsere menschliche Armut. Je freier und einfacher, kleiner und demütiger wir sind, desto mehr leitet der Heilige Geist die Mission und macht uns zu Protagonisten ihrer Wunder. Dem Heiligen Geist Raum lassen!

Für Christus ist die grundlegende Ausrüstung eine andere: der Bruder. Das ist seltsam. »Er sandte sie zu zweit vor sich her«  (V. 1), heißt es im Evangelium. Nicht allein, nicht auf sich selbst gestellt, immer mit dem Bruder an ihrer Seite. Niemals ohne den Bruder, denn es gibt keine Mission ohne Gemeinschaft. Es gibt nur dann eine fruchtbare Verkündigung, wenn man sich um die anderen kümmert. Wir müssen uns also fragen: Denke ich als Christ eher daran, was mir fehlt, um gut zu leben, oder denke ich daran, meinen Brüdern und Schwestern nahe zu sein, mich um sie zu kümmern?

Und hier kommen wir zur zweiten Überraschung der Mission: der Botschaft. Es ist logisch, sich vorzustellen, dass die Jünger zur Vorbereitung auf die Verkündigung lernen müssen, was sie sagen sollen, dass sie die Inhalte der Botschaft gründlich studieren sowie überzeugende, gut durchdachte Reden vorbereiten sollten. Das ist wahr. Auch ich tue das. Aber Jesus gibt ihnen stattdessen nur zwei kurze Sätze mit auf den Weg. Der erste scheint sogar überflüssig zu sein, da es sich um einen Gruß handelt: »Wenn ihr in ein Haus kommt, so sagt als Erstes: Friede diesem Haus!« (V. 5). Das heißt, der Herr verlangt, dass sie an jedem Ort als Boten des Friedens auftreten sollen. Ein Christ bringt immer Frieden. Ein Christ setzt sich dafür ein, dass der Friede an diesen Ort kommt. Das ist das Unterscheidungsmerkmal: Der Christ ist ein Träger des Friedens, weil Christus der Friede ist. Daran erkennen wir,  ob wir ihm gehören. Wenn wir hingegen Klatsch und Misstrauen verbreiten, Spaltungen verursachen, die Gemeinschaft behindern und unsere Zugehörigkeit über alles stellen, handeln wir nicht im Namen Jesu. Wer Ressentiments und Hass schürt, über andere hinweggeht, arbeitet nicht für Jesus, bringt keinen Frieden. Lasst uns heute, liebe Brüder und Schwestern, für Frieden und Versöhnung in eurer Heimat, in der Demokratischen Republik Kongo, beten, die so sehr verwundet und ausgebeutet wird. Schließen wir uns den Gottesdiensten an, die im Land in diesem Anliegen gefeiert werden, und beten wir, dass die Christen Zeugen des Friedens sein mögen: Zeugen, die in der Lage sind, weder Groll noch Rachegefühle zu hegen; die die Versuchung überwinden, zu denken, dass Versöhnung nicht möglich ist und die auch jede ungesunde Bindung an die eigene Gruppe überwinden, die zur Verachtung der anderen führt.

Bruder, Schwester: der Friede beginnt bei uns, er beginnt bei dir und bei mir, bei einem jeden von uns, im Herzen eines jeden von uns. Wenn du seinen Frieden lebst, dann kommt Jesus – und deine Familie, deine Gesellschaft verändert sich. Sie verändern sich, wenn zuallererst dein eigenes Herz nicht voller Krieg ist, nicht mit Groll und Wut bewaffnet ist, nicht gespalten ist, nicht doppelzüngig ist, nicht falsch ist. Ruhe und Ordnung in dein Herz bringen, die Gier bekämpfen, Hass und Groll auslöschen, Korruption meiden, Betrug und Gerissenheit entsagen: das ist der Anfang des Friedens. Wir möchten immer sanftmütige, gute und friedliche Menschen treffen, angefangen bei unseren Verwandten und Nachbarn. Aber Jesus sagt: »Bring du den Frieden in dein Zuhause, beginne du damit, deine Frau zu ehren und sie von Herzen zu lieben sowie deine Kinder, die älteren Menschen und deinen Nächsten zu achten und dich um sie zu kümmern. Bruder und Schwester, bitte lebe in Frieden, entfache den Frieden und der Friede wird in deinem Haus, in deiner Kirche, in deinem Land wohnen.«

Nach dem Friedensgruß beschränkt sich der Rest der den Jüngern anvertrauten Botschaft auf die wenigen Worte, mit denen wir begonnen haben und die Jesus zweimal wiederholt: »Das Reich Gottes ist euch nahe! […] Das Reich Gottes ist nahe« (V. 9.11). Die Nähe Gottes zu verkünden, die sein Stil ist. Der Stil Gottes ist klar: Nähe, Mitleid und Zärtlichkeit. Das ist der Stil Gottes. Die Nähe Gottes zu verkünden: das ist das Wesentliche. Hoffnung und Umkehr kommen von hier: aus dem Glauben, dass Gott nahe ist und über uns wacht: Er ist unser aller Vater, der will, dass wir alle Brüder und Schwestern sind. Wenn wir in diesem Blick leben, dann wird die Welt kein Schlachtfeld mehr sein, sondern ein Garten des Friedens. Und dann ist auch die Geschichte kein Wettlauf mehr um den ersten Platz, sondern eine gemeinsame Pilgerreise. All dies – und das dürfen wir nicht vergessen – erfordert keine großen Reden, sondern wenige Worte und viel Zeugnis. Wir sollten uns also fragen: Sehen die Menschen, die mir begegnen, in mir einen Zeugen des Friedens und der Nähe Gottes – oder einen aufgeregten, zornigen, ungeduldigen, streitlustigen Menschen? Zeige ich Jesus oder verberge ich ihn hinter diesen kriegerischen Haltungen?

Nach der Ausrüstung und der Botschaft bezieht sich die dritte Überraschung der Mission auf unseren Stil. Jesus fordert die Seinen auf, in die Welt zu gehen »wie Schafe mitten unter die Wölfe«  (V. 3). Der gesunde Menschenverstand der Welt sagt uns das Gegenteil: »Setz dich durch, versuch immer, die anderen zu übertreffen!« Christus dagegen will, dass wir Schafe sind und keine Wölfe. Das bedeutet nicht, naiv zu sein – bitte nicht! –, sondern jeden Instinkt der Vorherrschaft und Unterdrückung, der Gier und des Besitzens zu verabscheuen. Wer wie ein Schaf lebt, greift nicht an, ist nicht gefräßig: Er bleibt in der Herde, bei den anderen, und findet Geborgenheit bei seinem Hirten – nicht in Gewalt oder Arroganz, nicht in der Gier nach Geld und Besitz, die auch in der Demokratischen Republik Kongo so viel Unheil anrichten. Der Jünger Jesu lehnt Gewalt ab, er tut niemandem weh – er ist ein friedlicher Mensch –, er liebt alle. Und wenn er den Eindruck hat, damit nicht weiterzukommen, dann schaut er auf seinen Hirten: Jesus, das Lamm Gottes, das auf diese Weise über die Welt gesiegt hat, am Kreuz. Fragen wir uns also noch einmal: Lebe ich wie ein Schaf – wie Jesus – oder wie ein Wolf, wie es der Geist der Welt lehrt, dieser Geist, der den Krieg fortsetzt? Jener Geist, der Kriege führt, der zerstört.

Der Herr helfe uns, heute Missionare zu sein, indem wir mit unseren Brüdern und Schwestern auf dem Weg sind, den Frieden und die Nähe Gottes auf den Lippen und die Sanftmut und Güte Jesu im Herzen, des Lammes, das die Sünden der Welt hinwegnimmt.

Papst Franziskus : Moto azalí na matói ma koyóka [Wer Ohren hat zu hören…]

Gemeinde : Ayóka [Der höre!]

Papst Franziskus : Moto azalí na motéma mwa kondíma [Wer ein Herz hat zuzustimmen…]

Gemeinde : Andima [Der stimme zu!]



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