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BOTSCHAFT VON PAPST FRANZISKUS
ZUM GRÜNDUNGSJUBILÄUM DER UNIVERSITÄT ROSTOCK

 

 

Seiner Magnifizenz Professor Wolfgang Schareck
Rektor der Universität Rostock

Heute vor 600 Jahren fand in der Marienkirche die feierliche Eröffnung der Universität Rostock statt. Gerne nehme ich dieses Jubiläum zum Anlass, um den Lehrenden und Studierenden, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und allen, die sich der Alma Mater Rostochiensis verbunden wissen und an den Feierlichkeiten zum sechshundertjährigen Bestehen teilnehmen, herzliche Segensgrüße zu übermitteln.

Mit der Bewilligung der Errichtung eines studium generale in Rostock durch meinen Vorgänger Martin V. am 13. Februar 1419 erfolgte die Gründung der ältesten Universität im Ostseeraum. Ihre herausragende Bedeutung für diese Region wird im bekannten Wort des Humanisten Peter Lindeberg vom lumen Vandaliae – gerne als »Leuchte des Nordens« wiedergegeben – besonders anschaulich. Auch heute prägt die Universität mit ihren gegenwärtig über dreizehntausend  Studierenden die Stadt. So ist die Feier dieses Jubiläums nicht nur ein dankbares Gedenken der Geschichte, sondern auch ein zuversichtliches Ausschauen auf die Zukunft, um dem bleibenden Auftrag der universitas litterarum unter neuen Herausforderungen und Aufgaben gerecht zu werden. Im Motto der Universität traditio et innovatio kommt dieses Spannungsfeld von Geschichte und Zukunft, von Erbe und Auftrag gut zum Ausdruck. Lehre und Forschung müssen ihre Wurzeln kennen, um weiterzuwachsen; sie bauen auf dem Wissen und den Errungenschaften früherer Zeiten auf, gehen jedoch zugleich weiter.

Traditio besagt alles andere als eine starre Überlieferung, sie ist lebendige Weitergabe, immer etwas Dynamisches. Mir gefällt ein Bild meines Vorgängers Benedikt XVI., dass nämlich »die Tradition nicht die Weitergabe von Dingen oder Worten, keine Ansammlung toter Dinge ist«, sondern vielmehr »der lebendige Fluss, der uns mit den Ursprüngen verbindet, […] in dem die Ursprünge stets gegenwärtig sind« (Katechese bei der Generalaudienz am 26. April 2006). In diesem lebendigen Fluss geschieht dann echte innovatio – Erneuerung, welche die Entwicklungen in den verschiedensten Bereichen aufgreift und voranbringt sowie neue Methoden begründet und vertieft, um auch heute die Welt mit ihren Fragestellungen zu durchdringen und Lösungsvorschläge anzubieten für die Menschheit, die sich zunehmend als ein Volk begreift, das ein gemeinsames Haus bewohnt (vgl. Enzyklika Laudato si, 164).

In diesem Bewusstsein, aus Tradition innovativ zu sein, setzt die Rostocker Alma Mater besonders auf die internationale und interdisziplinäre Forschung und forschungsnahe Lehre, wovon die im Jahre 2007 eingerichtete Interdisziplinäre Fakultät zeugt. Angesichts der Interdependenz der großen Zukunftsfragen braucht es heute mehr denn je eine mit Weisheit und Kreativität ausgeübte Interdisziplinarität (vgl. Apostolische Konstitution Veritatis gaudium, 4). In einem engen Dialog und einem echten Miteinander der Disziplinen ergibt sich eine Synthese des Wissens, die umfassender auf die gegenwärtigen Herausforderungen eingehen und Orientierung bieten kann. So wird in aktueller Form sichtbar, was den eigentlichen Anspruch der universitas ausmacht.

Als Raum für Begegnung und wissenschaftlichen wie menschlichen Austausch ist sie immer auf die Gesamtheit ausgerichtet und nimmt den ganzen Menschen und seine Wirklichkeit in den Blick. Darauf weist auch der alte Sinnspruch über dem Portal des Hauptgebäudes hin: doctrina multiplex – veritas una. In der gebotenen Freiheit und Vielfalt zielt alle Forschung und Lehre letztlich auf die Frage nach der Wahrheit, auf die Suche nach dem, was den Menschen und die ihn umgebende Welt wirklich ausmacht.

 


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