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ANSPRACHE VON PAPST FRANZISKUS
AN DIE TEILNEHMER EINER INTERNATIONALEN KONFERENZ ÜBER DEN
FORTSCHRITT DER REGENERATIVEN MEDIZIN
UND IHRE KULTURELLEN IMPLIKATIONEN

Aula Paolo VI
Freitag, 29. April 2016

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Liebe Freunde!

Herzlich heiße ich Sie alle willkommen. Ich danke Kardinal Gianfranco Ravasi für seine an mich gerichteten Worte und vor allem für die Organisation dieses Treffens zum schwierigen Problem der seltenen Krankheiten im aktuellen soziokulturellen Kontext. Auf dem Weg Ihrer Reflexionen bringen Sie bei der Suche nach möglichen Therapien Professionalität und hoch spezialisierte Kompetenzen ein, ohne dabei weder die ethischen und anthropologischen, die sozialen und kulturellen Fragen noch das komplexe Problem des Zugangs zur medizinischen Behandlung für die von seltenen Krankheiten Betroffenen zu vernachlässigen. Denn diesen Patienten wird häufig nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt, weil kein substanzieller wirtschaftlicher Ertrag aus den zu ihren Gunsten getätigten Investitionen abzusehen ist. In meinem Dienst begegne ich ständig Menschen, die an den sogenannten »seltenen« Krankheiten leiden. Denn diese Krankheiten betreffen Abermillionen Menschen in der ganzen Welt und verursachen Leid und Sorgen auch bei jenen, die sich ihrer in unterschiedlicher Weise annehmen, angefangen bei den Familienangehörigen.

Ihr Treffen erhält aus der Perspektive des Außerordentlichen Jubiläums der Barmherzigkeit eine noch tiefere Bedeutung, denn »die Barmherzigkeit ist das grundlegende Gesetz, das im Herzen eines jeden Menschen ruht und den Blick bestimmt, wenn er aufrichtig auf den Bruder und die Schwester schaut, die ihm auf dem Weg des Lebens begegnen« (Misericordiae vultus, 2). Anlass zur Hoffnung gibt die Tatsache, dass in dieses Projekt unterschiedliche Personen und Institutionen aus verschiedenen Kulturen, Gesellschaften und Religionen einbezogen sind, die eine ausgeprägte Sensibilität gegenüber den Kranken vereint. Nachdenken möchte ich hier, wenn auch nur in aller Kürze, über drei Aspekte des Engagements von Seiten des Päpstlichen Rats für die Kultur und der mit ihm zusammenarbeitenden Institutionen: der Vatikanischen Stiftung Wissenschaft und Glaube (STOQ) und der Stiftung Stem for Life, die sich gemeinsam mit vielen anderen dieser Initiative anschließen.

Der erste Aspekt ist die »Sensibilisierung«. Es ist grundlegend wichtig, in der Gesellschaft ein größeres Mitgefühl zu fördern, damit niemand gegenüber den Hilferufen des Nächsten gleichgültig bleibt, einschließlich wenn dieser an einer seltenen Krankheit leidet. Wir wissen, dass es zuweilen unmöglich ist, schnelle Lösungen für komplexe Krankheitsbilder zu finden, was man aber immer tun kann, ist, diesen Menschen, die sich oft im Stich gelassen und vernachlässigt fühlen, mit aufmerksamer Sorge entgegenzukommen. Menschliches Feingefühl sollte universal sein, gegenüber allen, unabhängig von religiösen Überzeugungen, sozialer Stellung oder kulturellem Hintergrund.

Das zweite Wort, das Sie auf Ihrem Weg begleitet, ist »Forschung«, gesehen unter dem Blickwinkel zweier untrennbarer Bedeutungsebenen: die Ausbildung und die wissenschaftliche Studie im eigentlichen Sinn. Heute spüren wir mehr denn je die dringende Notwendigkeit einer Ausbildung, die neben der Heranreifung der intellektuellen Fähigkeiten der Studenten eine angemessene menschliche Formung und höchstes professionelles Niveau gewährleistet. Aus dieser pädagogischen Perspektive erweist es sich im Bereich der Bio- und Medizinwissenschaften als notwendig, interdisziplinäre Studiengänge anzubieten, die der menschlichen Formung mit einer grundlegenden Bezugnahme auf die Ethik einen wichtigen Platz einräumt. Denn auch die Forschung erfordert sowohl im akademischen als auch im industriellen Bereich eine kontinuierliche Aufmerksamkeit für moralische Fragen, um ein Instrument des Lebensschutzes und des Schutzes der Menschenwürde zu sein. So müssen Ausbildung und Forschung unter die Perspektive des Dienstes an hohen Werten wie Solidarität, Großherzigkeit, Unentgeltlichkeit, Wissensaustausch, Achtung des menschlichen Lebens und geschwisterliche, uneigennützige Liebe gestellt werden.

Der dritte Aspekt, dem ich meine Aufmerksamkeit widmen möchte, ist: »den Zugang zu medizinischer Behandlung gewährleisten«. Im Apostolischen Schreiben Evangelii gaudium habe ich die Bedeutung der Fortschritte der Menschheit in diesem historischen Augenblick unterstrichen und als Beispiel das »Gebiet der Gesundheit, der Erziehung und der Kommunikation« (Nr. 52) erwähnt. Doch ebenso habe ich entschieden betont, dass man sich »einer Wirtschaft der Ausschließung und der Disparität der Einkommen« (ebd., 53) widersetzen muss, der viele zum Opfer fallen, wenn der Profitmechanismus über den Wert des menschlichen Lebens triumphiert.

Das ist der Grund, warum der Globalisierung der Gleichgültigkeit die Globalisierung des Mitgefühls entgegengesetzt werden muss. Wir sind aufgerufen, das Problem der seltenen Krankheiten weltweit bekannt zu machen, in die adäquate Ausbildung zu investieren, die Ressourcen für die Forschung zu verstärken, eine Anpassung der Gesetzgebung und einen ökonomischen Paradigmenwechsel zu fördern, damit der Mensch im Mittelpunkt steht.

Dann wird es dank eines auf verschiedenen Ebenen und in unterschiedlichen Sektoren koordinierten Einsatzes möglich, nicht nur Lösungen für die Leiden zu finden, die unsere kranken Brüder und Schwestern quälen, sondern ihnen auch den Zugang zu medizinischer Behandlung zu gewährleisten. Ich möchte Sie daher ermutigen, diese Werte zu pflegen, die bereits Teil Ihres vor einigen Jahren begonnenen akademischen und kulturellen Programms sind, welches eine wachsende Zahl von Menschen und Institutionen in der Welt einbezieht. Mögen Sie in diesem Jubiläumsjahr qualifizierte und großherzige Mitarbeiter der Barmherzigkeit des Vaters sein. Ich begleite und segne Sie auf Ihrem Weg. Und ich bitte Sie, für mich zu beten. Danke.

 



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