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ANSPRACHE VON PAPST FRANZISKUS
A
N DIE TEILNEHMER DER VOLLVERSAMMLUNG
DER KONGREGATION FÜR DIE GLAUBENSLEHRE

Clementina-Saal
Freitag, 29. Januar 2016

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Liebe Brüder und Schwestern!

Unsere Begegnung findet zum Abschluss der Arbeiten eurer Vollversammlung statt. Ich begrüße euch herzlich und danke dem Kardinalpräfekten für seine freundlichen Worte. Wir befinden uns im Heiligen Jahr der Barmherzigkeit. Ich hoffe, dass in diesem Jubiläum alle Glieder der Kirche ihren Glauben an Jesus Christus erneuern, der das Antlitz der Barmherzigkeit des Vaters ist, der Weg, der Gott und den Menschen vereint. Daher ist die Barmherzigkeit der Stützbalken, der das Leben der Kirche trägt: Die erste Wahrheit der Kirche ist nämlich die Liebe Christi.

Wie sollte man also nicht den Wunsch haben, dass das ganze christliche Volk – Hirten und Gläubige – im Jubiläumsjahr die leiblichen und geistlichen Werke der Barmherzigkeit neu entdeckt und wieder in den Mittelpunkt stellt? Und wenn wir am Abend unseres Lebens gefragt werden, ob wir den Hungernden zu essen und den Dürstenden zu trinken gegeben haben, dann werden wir auch gefragt werden, ob wir den Menschen geholfen haben, die Zweifel zu überwinden, ob wir uns bemüht haben, die Sünder anzunehmen, sie zu ermahnen oder zurechtzuweisen, ob wir in der Lage waren, das Unwissen – vor allem in Bezug auf den christlichen Glauben und das gute Leben – zu bekämpfen. Diese Aufmerksamkeit gegenüber den Werken der Barmherzigkeit ist wichtig: Sie sind keine Frömmigkeitsübung.

Es ist die konkrete Form, in der die Christen den Geist der Barmherzigkeit vorantragen sollen. In diesen Jahren habe ich einmal eine bedeutende Bewegung in der »Aula Paolo VI« empfangen; die Audienzhalle war voll. Und ich habe das Thema der Werke der Barmherzigkeit angesprochen. Ich habe innegehalten und die Frage gestellt: »Wer von euch erinnert sich genau, welches die leiblichen und die geistlichen Werke der Barmherzigkeit sind? Wer sich daran erinnert, hebe die Hand.« Es waren nicht mehr als 20 in einer Audienzhalle mit 7000 Personen. Wir müssen die Gläubigen diese Sache, die so wichtig ist, wieder lehren.

Im Glauben und in der Nächstenliebe liegt – auf der Ebene der Erkenntnis und der Vereinigung – eine Beziehung zum Geheimnis der Liebe, die Gott selbst ist. Und auch wenn Gott in sich selbst ein Geheimnis bleibt, so ist die effektive Barmherzigkeit Gottes in Jesus zur affektiven Barmherzigkeit geworden, da er Mensch geworden ist zum Heil der Menschen. Die eurem Dikasterium anvertraute Aufgabe findet hier ihre letzte Grundlage und ihre angemessene Rechtfertigung. Denn der christliche Glaube ist nicht nur eine Erkenntnis, die im Gedächtnis bewahrt werden muss, sondern eine Wahrheit, die in der Liebe gelebt werden muss. Zusammen mit der Glaubenslehre muss daher auch die Reinheit der Sitten gewahrt werden, besonders in den schwierigsten Lebensbereichen. Zur Glaubenstreue gegenüber der Person Christi gehört daher sowohl der Akt der Vernunft als auch die sittliche Antwort auf sein Geschenk. In diesem Zusammenhang danke ich euch für all die Mühe und die Verantwortung, die ihr bei der Behandlung der Fälle des Missbrauchs Minderjähriger durch Angehörige des Klerus auf euch nehmt.

Die Sorge um die Reinheit des Glaubens und der Sitten ist eine schwierige Aufgabe. Um diese Sendung gut durchzuführen, ist ein kollegialer Einsatz wichtig. Eure Kongregation schätzt den Beitrag der Konsultoren und der Bevollmächtigten sehr, denen ich für ihre wertvolle und demütige Arbeit danken möchte; und ich ermutige euch, euer Vorgehen, die Fragen in der wöchentlichen Zusammenkunft und die wichtigsten in der Ordentlichen Versammlung oder Vollversammlung zu behandeln, weiterhin fortzusetzen.

Auf allen Ebenen des kirchlichen Lebens muss die rechtmäßige Synodalität gefördert werden. In diesem Sinne habt ihr im vergangenen Jahr zu Recht eine Zusammenkunft mit den Vertretern der Lehrkommissionen der europäischen Bischofskonferenzen organisiert, um euch einigen lehrmäßigen und pastoralen Herausforderungen kollegial zu stellen. Auf diese Weise tragt ihr dazu bei, in den Gläubigen einen neuen missionarischen Schwung und eine größere Offenheit für die transzendente Dimension des Lebens zu erwecken, ohne die Europa jenen humanistischen Geist zu verlieren droht, den es doch liebt und verteidigt. Ich lade euch ein, in einer Zeit, die einem raschen Wandel unterworfen ist und in der die Probleme zunehmend schwieriger werden, die Zusammenarbeit mit den Beratungsgremien, die den Bischofskonferenzen und den einzelnen Bischöfen in ihrem Sorgetragen für die gesunde Lehre helfen, fortzusetzen und zu vertiefen.

Ein weiterer wichtiger Beitrag, den ihr zur Erneuerung des kirchlichen Lebens leistet, ist die Untersuchung der Komplementarität der hierarchischen und charismatischen Gaben. Gemäß der Logik der Einheit in der berechtigten Verschiedenheit – diese Logik kennzeichnet jede wahre Form der Gemeinschaft im Gottesvolk – sind hierarchische und charismatische Gaben dazu bestimmt, gemeinsam für das Wohl der Kirche und der Welt zusammenzuwirken. Das Zeugnis dieser Komplementarität ist heute äußerst vordringlich und stellt einen beredten Ausdruck jener geordneten Vielfalt dar, die jedes kirchliche Gefüge ausmacht, als Abglanz der harmonischen Gemeinschaft, die im Herzen des einen und dreifaltigen Gottes lebt. Denn die Beziehung zwischen hierarchischen und charismatischen Gaben verweist auf ihre dreifaltige Wurzel, im Band zwischen dem menschgewordenen göttlichen Logos und dem Heiligen Geist, der stets Gabe des Vaters und des Sohnes ist. Gerade durch diese Wurzel, wenn sie mit Demut erkannt und angenommen wird, kann die Kirche sich zu jeder Zeit erneuern lassen als »ein Volk, das in der Einheit des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes verbunden ist«, wie der heilige Cyprian sagt (De oratione dominica, 23). Einheit und Vielfalt sind das Siegel einer Kirche, die sich, vom Geist bewegt, mit sicherem und gläubigem Schritt aufmacht zu jenen Zielen, die der auferstandene Herr ihr im Laufe der Geschichte zeigt. Hier sieht man sehr gut, dass die synodale Dynamik, wenn sie recht verstanden wird, aus der Gemeinschaft entsteht und zu einer immer volleren, tieferen und weiteren Gemeinschaft führt, im Dienst des Lebens und der Sendung des Gottesvolkes.

Liebe Brüder und Schwestern, ich versichere euch meines Gebetsgedenkens und vertraue auf euer Gebet für mich. Der Herr segne euch, und die Gottesmutter schütze euch.

 



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