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APOSTOLISCHE REISE VON PAPST FRANZISKUS
NACH GEORGIEN UND ASERBAIDSCHAN

(30. SEPTEMBER - 2. OKTOBER 2016)

PRESSEKONFERENZ MIT DEM HEILIGEN VATER
AUF DEM RÜCKFLUG BAKU-ROM

Sonntag, 2. Oktober 2016

[Multimedia]


 

Papst Franziskus:

Guten Abend! Vielen Dank für Ihre Arbeit, für Ihre Hilfe. Es stimmt, es war eine kurze Reise – drei Tage –, aber Sie haben viel Arbeit gehabt. Ich stehe Ihnen zur Verfügung und ich danke Ihnen sehr für die Arbeit. Fragen Sie, was Sie wollen.

Dr. Burke:

Danke, Heiliger Vater. Die erste Frage kommt aus Georgien, vom georgischen Fernsehen, von Ketevan Kardava.

Ketevan Kardava:

Vielen Dank, Heiliger Vater, für Ihre erste Reise nach Georgien. Mir war es sehr wichtig, diesen Besuch journalistisch zu dokumentieren und Ihren Besuch in meinem Land zu verfolgen. Wir Bürger von Georgien waren alle beeindruckt von ihrer Ansprache, und besonders das Foto, das Sie mit dem Patriarchen von Georgien zeigt, ist vieltausendfach durch die sozialen Kommunikationsmittel gegangen. Es war ein ermutigender Besuch für unsere wirklich sehr kleine katholische Gemeinschaft. Sehen Sie nach Ihrer Begegnung mit dem Patriarchen von Georgien Grundlagen für eine zukünftige Zusammenarbeit und einen konstruktiven Dialog zwischen Ihnen, der katholischen und der orthodoxen Kirche in Bezug auf die bestehenden doktrinellen Unterschiede? Sie haben uns gesagt, dass wir vieles gemeinsam haben, das uns eint und mehr ist, als das, was uns trennt. Ich danke Ihnen in der Erwartung Ihrer Antwort.

Papst Franziskus:

Ich habe in Georgien zwei Überraschungen erlebt. Die eine ist Georgien selbst. Nie hatte ich mir so viel Kultur, so viel Glauben, so viel Christentum vorgestellt. Es ist ein glaubendes Volk mit einer ganz alten christlichen Kultur; ein Volk, das sehr viele Märtyrer hat. Und ich habe etwas entdeckt, das ich nicht kannte: die tiefen Wurzeln dieses georgischen Glaubens.

Die zweite Überraschung war der Patriarch: Er ist ein Mann Gottes; dieser Mann hat mich zuinnerst angerührt. Nach jeder unserer Begegnungen bin ich mit tief bewegtem Herzen weggegangen und mit dem Gefühl, einen Mann Gottes getroffen zu haben. Wirklich, ein Mann Gottes… Zu dem, was uns eint und was uns trennt, möchte ich sagen: Beginnen wir nicht, die doktrinellen Dinge zu diskutieren; überlassen wir das den Theologen, die können das besser als wir. Sie diskutieren und sind tüchtig, sind gut, haben guten Willen – die Theologen auf der einen und auf der anderen Seite. Was sollen wir, das Volk, tun? Füreinander beten. Das ist äußerst wichtig: das Gebet. Und zweitens: Dinge gemeinsam tun. Da gibt es die Armen – beschäftigen wir uns gemeinsam mit den Armen. Da gibt es das und das Problem – können wir es gemeinsam angehen? Dann machen wir es gemeinsam. Da gibt es die Flüchtlinge – Tun wir gemeinsam etwas… Tun wir etwas Gutes für die anderen, und zwar gemeinsam, das können wir machen. Und das ist der Weg der Ökumene. Nicht allein der Weg der Lehre – das ist der letzte Schritt, am Ende wird man dahin kommen. Doch beginnen wir, unseren Weg gemeinsam zu gehen. Und mit gutem Willen kann man das tun. Man muss es tun. Heute muss die Ökumene betrieben werden, indem man miteinander unterwegs ist und füreinander betet. Und die Theologen mögen weiter miteinander im Gespräch bleiben und die Dinge untersuchen. Aber Georgien ist wunderbar; das ist etwas, das ich nicht erwartete – eine christliche Nation, aber bis ins Mark!

Dr. Burke:

Die zweite Frage kommt von einem deutschen Journalisten, Tassilo Forchheimer, von der deutschen Rundfunkgesellschaft ARD.

Tassilo Forchheimer:

Heiliger Vater, nachdem mit allen gesprochen wurde, die diese hässliche Geschichte zwischen Armenien und Aserbaidschan verändern können – was muss geschehen, um zu einem dauerhaften Frieden zu gelangen, der die Menschenrechte schützt? Was sind die Probleme und welche Rolle kann Eure Heiligkeit haben?

Papst Franziskus:

Zweimal, in zwei Reden, habe ich das Thema angeschnitten. In der letzten habe ich von der Rolle gesprochen, welche die Religionen spielen, um dabei zu helfen. Ich glaube, der einzige Weg ist der Dialog, der aufrichtige Dialog, ohne Heimlichkeiten, ehrlich, Auge in Auge. Die aufrichtige Verhandlung. Und wenn man nicht so weit kommen kann, muss man den Mut haben, vor ein internationales Gericht zu gehen, nach Den Haag zum Beispiel, und sich dem internationalen Urteil unterwerfen. Ich sehe keinen anderen Weg. Die Alternative ist der Krieg, und der Krieg zerstört immer, mit dem Krieg verliert man alles! Und für die Christen gibt es außerdem das Gebet: für den Frieden beten, dass die Herzen diesen Weg des Dialogs, der Verhandlung wählen oder aber ein internationales Gericht anrufen. Aber man kann solche Probleme nicht beibehalten… Denken Sie nur, dass die drei Kaukasus-Länder Probleme haben, auch Georgien: Es hat ein Problem mit Russland; das ist nicht sehr bekannt… Doch ein Problem besteht, und es kann wachsen… man weiß es nicht. Und Armenien ist ein Land ohne offene Grenzen; es hat Probleme mit Aserbaidschan. Man muss vor das internationale Gericht ziehen, wenn Dialog und Verhandlung nicht fruchten; einen anderen Weg gibt es nicht. Und das Gebet, das Gebet für den Frieden.

Dr. Burke:

Jetzt haben wir Maria Elena Ribezzo aus der Schweiz, von der Zeitschrift La Presse.

Maria Elen Ribezzo:

Grüß Gott, Heiligkeit, guten Abend. Hören Sie, gestern haben Sie von einem weltweiten Krieg gegen die Ehe gesprochen, und in diesem Krieg haben Sie sehr harte Worte gegen die Ehescheidung gebraucht: Sie haben gesagt, dass sie das Abbild Gottes beschmutzt; in den vergangenen Monaten und auch bei der Synode war dagegen von Aufnahme gegenüber den Geschiedenen die Rede. Ich möchte wissen, ob diese Ansätze miteinander vereinbar sind und in welcher Weise…

Papst Franziskus:

Alles, was ich gestern gesagt habe, ist in Amoris laetitia zu finden – mit anderen Worten, denn gestern habe ich spontan und etwas erhitzt gesprochen – alles! Wenn von der Ehe als Vereinigung von Mann und Frau die Rede ist, so wie Gott das erschaffen hat, nämlich als sein Abbild, dann geht es um Mann und Frau. Das Abbild Gottes ist nicht der Mann, es ist der Mann mit der Frau. Zusammen. Dass sie „ein Fleisch“ werden, wenn sie sich in der Ehe vereinigen. Das ist die Wahrheit. Es stimmt, dass in dieser Kultur die Konflikte und viele Probleme nicht gut gehandhabt werden, und es gibt auch Denkweisen wie: „Heute gehe ich diese [Ehe] ein und wenn ich ihrer überdrüssig werde, schließe ich eine andere und dann eine dritte und eine vierte…“ Das ist dieser „weltweite Krieg“ gegen die Ehe, von dem Sie sprachen. Wir müssen aufpassen, dass wir diese Ideen nicht in uns eindringen lassen. Vor allem aber ist die Ehe ein Abbild Gottes, Mann und Frau in einem Fleisch. Wenn man das zerstört, „beschmutzt“ oder entstellt man das Abbild Gottes. Dann spricht die Amoris laetitia darüber, wie man mit diesen Fällen umgehen soll, wie man die verwundeten Familien behandeln soll, und dort kommt die Barmherzigkeit ins Spiel. Es gibt ein sehr schönes Gebet der Kirche, das wir in der vergangenen Woche gebetet haben. Da heißt es: „Gott, du hast die Welt wunderbar erschaffen und noch wunderbarer erneuert…“, nämlich mit der Erlösung und der Barmherzigkeit. Die verwundete Ehe, die verwundeten Paare – dort kommt die Barmherzigkeit ins Spiel. Der Grundsatz ist jener, doch die menschlichen Schwächen, die Sünden existieren, und immer hat das letzte Wort nicht die Schwachheit, hat das letzte Wort nicht die Sünde: Das letzte Wort hat die Barmherzigkeit! Ich erzähle gerne – ich weiß nicht, ob ich es schon gesagt habe, denn ich wiederhole es oft –, dass es in der Basilika St. Maria Magdalena in Vézelay ein wunderschönes Kapitell aus dem 12. Jahrhundert gibt. Im Mittelalter machte man die Katechese mit den Skulpturen der Kathedralen. Auf der einen Seite dieses Kapitells ist Judas zu sehen, der sich erhängt hat. Die Zunge hängt ihm aus dem Hals und die Augen quellen aus dem Kopf hervor. Auf der anderen Seite sieht man Jesus, den Guten Hirten, der ihn auf seine Schultern geladen hat und ihn mitnimmt. Und wenn wir das Gesicht Jesu genau betrachten, sehen wir, dass seine Lippen auf einer Seite einen traurigen Ausdruck haben, doch mit einem leichten Lächeln der „Komplizenschaft“ auf der anderen. Die hatten verstanden, was Barmherzigkeit ist! Mit Judas! Und deswegen wird in der Amoris laetitia von der Ehe, vom Fundament der Ehe gesprochen, wie es ist; dann aber wird auf die Probleme eingegangen. Wie muss man sich auf die Ehe vorbereiten, wie die Kinder erziehen… Und dann, im achten Kapitel, geht es darum, wie man die Probleme lösen soll, wenn sie auftauchen. Dafür gibt es vier Anhaltspunkte: die verwundeten Familien aufnehmen, sie begleiten, jeden Fall klärend unterscheiden und integrieren, gleichsam umarbeiten. Das wäre die Art und Weise, bei dieser „neuen Schöpfung“, bei dieser wunderbaren Erneuerung mitzuarbeiten, die der Herr mit der Erlösung vollbracht hat. Wird es so verständlich? Ja, wenn man nur einen einzelnen Teil herausnimmt, funktioniert es nicht! Mit der Amoris laetitia – das möchte ich sagen – gehen alle zum achten Kapitel. Nein, nein, man muss vom Anfang bis zum Ende lesen. Und was ist der Mittelpunkt? Nun… es hängt von jedem Einzelnen ab. Für mich ist der Mittelpunkt, der Kern der Amoris laetitia das vierte Kapitel, das für das ganze Leben nützlich ist. Doch man muss das Dokument ganz lesen, es wieder und wieder im Ganzen lesen und es im Ganzen diskutieren, es ist als Ganzes eine Einheit. Es gibt die Sünde, es gibt den Bruch, aber es gibt auch die Barmherzigkeit, die Erlösung, die Pflege. Ich habe mich dazu deutlich verständlich gemacht, nicht wahr?

Dr. Burke:

Jetzt kommt Joshua McElwee von der amerikanischen Tageszeitung National Catholic Reporter.

Joshua McElwee:

Danke, Heiliger Vater. In der Rede von gestern in Georgien haben Sie – wie in vielen anderen Ländern – über die Gender-Theorie gesprochen und gesagt, dass sie der große Feind, eine Bedrohung für die Ehe ist. Doch ich möchte fragen: Was würden Sie zu einem Menschen sagen, der jahrelang aufgrund seiner Sexualität gelitten hat und wirklich spürt, dass da ein biologisches Problem existiert; dass seine physische Erscheinung nicht mit dem übereinstimmt, was er oder sie als die eigene geschlechtliche Identität ansieht? Wie würden Sie als Hirte und Amtsträger diese Menschen begleiten?

Papst Franziskus:

Zuerst einmal: Ich habe in meinem Leben als Priester, als Bischof – auch als Papst – Menschen mit homosexueller Tendenz und auch solche, die ihre Homosexualität praktizierten, begleitet. Ich habe sie begleitet, sie dem Herrn näher gebracht – einige sind dazu nicht fähig, aber ich habe sie begleitet – und nie habe ich jemanden im Stich gelassen. Das ist es, was man tun muss. Man muss die Menschen begleiten, wie Jesus sie begleitet. Wenn jemand, der in dieser Lage ist, vor Jesus tritt, wird dieser ihm sicher nicht sagen: „Pack dich fort, denn du bist homosexuell!“ Nein. Was ich gesagt habe, betrifft jene Gemeinheit, die man heute mit der Indoktrinierung der Gender-Theorie begeht. Mir erzählte ein französischer Familienvater, dass bei Tisch mit den Kindern gesprochen wurde – er katholisch, die Frau katholisch, die Kinder katholisch, allerdings oberflächlich katholisch, aber katholisch – und er seinen zehnjährigen Sohn fragte: „Und du, was willst du werden, wenn du groß bist?“ – „Ein Mädchen!“ Und der Vater entdeckte, dass in den Schulbüchern die Gender-Theorie gelehrt wurde. Und das ist gegen die Natur. Man muss da unterscheiden: Es ist etwas anderes, ob jemand diese Tendenz, diese Option hat – und es gibt auch solche, die das Geschlecht wechseln –, oder ob in den Schulen in dieser Richtung gelehrt wird, um die Mentalität zu verändern. So etwas nenne ich „ideologische Kolonialisierungen“. Im vergangenen Jahr habe ich den Brief eines Spaniers erhalten, der mir seine Kindheitsgeschichte erzählte. Er war ein Mädchen und hat sehr gelitten, weil er sich als Junge empfand, physisch aber ein Mädchen war. Er hat das seiner Mutter erzählt, als er bereits 22 Jahre alt war, und ihr gesagt, er wolle einen chirurgischen Eingriff machen lassen usw. Und die Mutter hat ihn gebeten, das nicht zu tun, solange sie noch lebe. Sie war schon alt und ist dann bald gestorben. Dann hat er sich operieren lassen. Er ist Angestellter in einem Ministerium in einer Stadt in Spanien. Er ist zum Bischof gegangen und der Bischof hat ihn intensiv begleitet – ein guter Bischof: er „vergeudete“ Zeit, um diesen Mann zu begleiten. Dann hat der Mann geheiratet. Er hat seine zivile Identität geändert, hat geheiratet und mir in seinem Brief geschrieben, dass es für ihn ein großer Trost wäre, wenn er mit seiner Frau kommen könnte – er, der zuerst eine Frau, jetzt aber ein Mann war. Und ich habe sie empfangen. Sie waren sehr froh. In dem Viertel, wo er wohnte, gab es einen alten, achtzigjährigen Priester, den ehemaligen Pfarrer, der die Pfarrei aufgegeben hatte und dort in der Gemeinde seinen Dienst für die Schwestern tat… Und es gab den neuen [Pfarrer]. Wenn der neue ihn sah, beschimpfte er ihn auf offener Straße: „Du kommst in die Hölle!“ Als er [dagegen] dem alten begegnete, sagte dieser: „Seit wann bist du nicht zur Beichte gegangen? Komm, komm, damit ich deine Beichte höre und du zur Kommunion gehen kannst!“ – Verstanden? Das Leben ist das Leben, und man muss die Dinge nehmen, wie sie sind. Sünde ist Sünde. Die Tendenzen oder hormonelle Gleichgewichtsstörungen verursachen viele Probleme, und wir müssen aufpassen, dass wir nicht sagen: „Ist alles das Gleiche, lassen wir‘s uns wohl sein!“ Nein, das nicht. Aber jeder Fall muss aufgenommen, begleitet, untersucht, klärend unterschieden und integriert werden. Das ist es, was Jesus heute tun würde. Bitte sagen Sie nicht: „Der Papst heiligt die Trans!“ Bitte sehr! Denn ich sehe schon die Titel der Zeitungen vor mir… Nein, nein. Gibt es noch irgendeinen Zweifel über das, was ich gesagt habe? Ich möchte unmissverständlich sein. Es ist ein Problem der Moral. Es ist ein Problem. Es ist ein menschliches Problem. Und man muss es lösen, so gut man kann, immer mit der Barmherzigkeit Gottes, mit der Wahrheit – wie wir im Fall der Ehe gesagt haben, indem man die Amoris laetitia ganz liest, aber immer so, immer mit offenem Herzen. Und vergessen Sie nicht jenes Kapitell von Vézelay: es ist sehr, sehr schön. 

Dr. Burke:

Danke, Heiliger Vater, jetzt kommt Gianni Cardinale vom Avvenire.

Gianni Cardinale:

Zwei Fragen: eine persönliche und eine allgemeine. Die persönliche, sozusagen mit meinem Namen verbundene, lautet: Wann werden Sie die neuen Kardinäle kreieren und nach welchen Kriterien werden Sie sich bei der Wahl richten? Die zweite, sagen wir seriösere und die Allgemeinheit betreffende Frage stelle ich als Italiener: Wann werden Sie die vom Erdbeben betroffene Bevölkerung besuchen und wie wird sich dieser Besuch gestalten?

Papst Franziskus:

Was die zweite betrifft, so sind mir drei mögliche Termine vorgeschlagen worden. Zwei sind Kalendertage, an die ich mich nicht genau erinnere; an den dritten erinnere ich mich gut: es ist der erste Adventssonntag. Ich habe gesagt, dass ich nach der Rückkehr das Datum festlege – es sind drei, ich muss wählen. Und ich werde den Besuch in privater Form machen, allein, als Priester, als Bischof, als Papst. Aber allein. So möchte ich es machen. Und ich möchte den Menschen nahe sein. Doch ich weiß noch nicht, wie.

Zur Frage nach den Kardinälen: Die Kriterien werden die gleichen sein wie bei den anderen beiden Konsistorien. Sie mehr oder weniger überall [auszusuchen], denn die Kirche ist überall in der Welt. Ja, vielleicht… ich bin noch dabei, die Namen zu prüfen, aber vielleicht werden drei aus einem Kontinent sein, zwei aus einem anderen… oder… einer von hier und einer von da, einer aus einem Land… aber es ist noch ungewiss. Die Liste ist lang, aber es gibt nur dreizehn Plätze. Und man muss darauf achten, ein Gleichgewicht herzustellen. Mir gefällt es, wenn man am Kardinalskollegium die Universalität der Kirche erkennt: nicht nur das sozusagen „europäische Zentrum“, sondern das „Überall“, die fünf Kontinente, wenn es möglich ist.

Gianni Cardinale:

Gibt es schon ein Datum?

Papst Franziskus:

Nein, denn ich muss mich mit der Liste beschäftigen und das Datum festlegen. Es kann zum Jahresende sein; es kann zu Beginn des folgenden Jahres sein. In Bezug auf das Jahresende gibt es das Problem des Heiligen Jahres, doch das kann man lösen… Oder zu Beginn des folgenden Jahres. Aber es wird bald sein.

Dr. Burke:

Danke, Heiliger Vater. Jetzt kommt Aura Miguel von Radio Renascença aus Portugal.

Aura Miguel:

Heiliger Vater, guten Abend. Meine Frage betrifft ihren Terminplan für Reisen außerhalb Italiens, an drei Orte. Sie haben in diesen Tagen schon zu den Argentiniern gesagt, dass Ihr Terminkalender sehr voll ist, und sie haben von Afrika und Asien gesprochen: Können wir erfahren, um welche Länder es sich handelt? Und hier ist auch ein Kollege aus Kolumbien, der Sie natürlich in Kolumbien erwartet, und ich in Portugal: Wir erwarten Sie! Wie wird es konkret in Portugal sein? Am 12. und 13. [Mai]? Lissabon und Fatima?

Papst Franziskus:

Mit Sicherheit – nach dem aktuellen Stand – werde ich nach Portugal gehen, und nur nach Fatima. Bis heute. Warum? Es gibt da ein Problem: In diesem Heiligen Jahr sind die Ad limina-Besuche [der Bischöfe] ausgesetzt worden, und so muss ich im nächsten Jahr die von diesem und die vom kommenden Jahr empfangen. Und da gibt es wenig Platz für die Reisen. Aber nach Portugal werde ich gehen. Fast sicher auch nach Indien und Bangladesch. Nach Afrika… der Ort ist noch nicht sicher entschieden. Es hängt alles einerseits vom Klima ab – in welchem Monat [zu reisen]; wenn es nach Nordwest-Afrika geht, ist es etwas anderes, als wenn es nach Südwest-Afrika geht – und andererseits hängt es auch von der politischen Situation und von den Kriegen ab… Aber es werden Möglichkeiten für Afrika untersucht. Für Amerika… Ich habe gesagt, wenn der Friedensprozess [in Kolumbien] - falls er gelingt, möchte ich hingehen –, wenn alles „absolut hieb- und stichfest“ ist, d. h. wenn alles – falls er durch die Volksabstimmung bestätigt wird – völlig sicher ist, so dass kein Rückzieher mehr möglich ist, die Welt also auf internationaler Ebene darin übereinstimmt, dass kein Einspruch mehr eingelegt werden kann und die Sache restlos abgeschlossen ist, dann könnte ich dort hingehen. Doch wenn die Sache unbeständig ist… Alles hängt davon ab, was das Volk sagen wird. Das Volk ist souverän. Wir sind daran gewöhnt, mehr auf die demokratischen Formen zu schauen, als auf die Souveränität des Volkes, und beides muss zusammengehen. Es ist zum Beispiel in einigen Kontinenten zur Gewohnheit geworden, dass derjenige, der an der Regierung ist, wenn seine zweite Amtsperiode zu Ende geht, versucht, die Verfassung zu ändern, um eine dritte möglich zu machen. Und das bedeutet, die sogenannte Demokratie überzubewerten, gegen die Souveränität des Volkes, die in der Verfassung steht. Alles hängt davon ab. Und der Friedensprozess wird heute zum Teil durch die Stimme des Volkes gelöst: Es ist souverän. Was das Volk sagen wird, muss m. E. getan werden.

Aura Miguel:

Fatima wird am 12. und 13. [Mai] sein?

Papst Franziskus:

Bis jetzt am 13. Aber es kann sein… ich weiß nicht.

Dr. Burke:

Danke, Heiliger Vater. Jetzt kommt Jean-Marie Guénois von Le Figaro.

Jean-Marie Guénois:

Danke, Heiliger Vater. Eine Frage zu den Reisen: Warum haben Sie in Ihrer Antwort nicht über China gesprochen? Und was sind die Gründe, warum Sie nicht als Papst ein Flugticket nach Peking haben können? Hat es Gründe innerhalb der chinesischen Kirche? Hat es Gründe in Problemen zwischen der chinesischen Kirche und der chinesischen Regierung oder Gründe, Probleme zwischen dem Vatikan und der chinesischen Regierung? Und – wenn Sie erlauben – eine kürzlich aufgekommene Frage, denn vor ein paar Stunden hat Erzbischof Lebrun von Rouen verkündet, dass Sie die Vollmacht zur Einleitung des Seligsprechungsprozesses von Pater Hamel erteilt haben, ohne die Regel der fünfjährigen Wartezeit zu berücksichtigen. Warum haben Sie diese Entscheidung getroffen? Danke.

Papst Franziskus:

Zu diesem letzten Punkt: Ich habe mit Kardinal Amato [Präfekt der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse] gesprochen; wir werden Untersuchungen anstellen und er wird die endgültige Entscheidung bekanntgeben. Doch die Absicht besteht, in dieser Richtung zu verfahren: die notwendigen Nachforschungen anzustellen und zu sehen, ob sich ein solches Vorgehen rechtfertigen lässt.

Jean-Marie Guénois:

Er hat verkündet, dass der Seligsprechungsprozess eröffnet worden ist.

Papst Franziskus:

Nein: dass Zeugnisse gesucht werden müssen, um den Prozess zu eröffnen. Die Zeugnisse nicht zu verlieren, das ist sehr wichtig: die frischen Zeugnisse, das, was die Leute gesehen haben. Denn später kommt es vor, dass im Laufe der Zeit der eine oder andere stirbt, der eine oder andere etwas vergisst… Eine lateinische Maxime lautet: ne pereant probationes.

China – Sie kennen die Geschichte Chinas und der Kirche gut: der patriotischen Kirche, der Untergrundkirche… Aber wir stehen in guten Beziehungen, es wird geprüft, man spricht miteinander, es gibt Arbeitskommissionen… Ich bin optimistisch. Ich glaube, dass die Vatikanischen Museen eine Ausstellung in China gemacht haben, die Chinesen werden eine im Vatikan machen… Es gibt viele Professoren, die gehen, um an chinesischen Universitäten zu lehren, viele Schwestern, viele Priester, die dort gut arbeiten können. Die Beziehungen zwischen dem Vatikan und China müssen in einem Bericht festgehalten werden, und daran wird gearbeitet, langsam Schritt für Schritt… Die langsam vorangebrachten Dinge gehen immer gut, die eiligen nicht. Das chinesische Volk genießt meine höchste Wertschätzung. Vorgestern gab es zum Beispiel in der [Päpstlichen] Akademie der Wissenschaften ein – ich glaube zweitätiges – Symposium über die Laudato si’ und dort gab es eine chinesische Delegation des Präsidenten. Und der chinesische Präsident hat mir ein Geschenk übersendet. Es bestehen gute Beziehungen.

Jean-Marie Guénois:

Der Papst wird die Reise machen?

Papst Franziskus:

Oh, es würde mir gefallen… aber ich denke, jetzt noch nicht.

Dr. Burke:

Danke. Ist noch Zeit für eine weitere Frage? Ja? Juan Vicente Boo von der spanischen Tageszeigung ABC.

Juan Vicente Boo:

Danke, Heiliger Vater. In der spanischen Sprachgruppe haben wir gesehen, dass der Gewinner des Friedensnobelpreises am kommenden 7. Oktober verkündet wird. Es gibt über 300 Anwärter – zum Beispiel die Bevölkerung von Lesbos für das, was sie für die Flüchtlinge getan hat. Oder die Weißhelme von Syrien, diese Freiwilligen, die die Menschen nach den Bombardierungen aus den Trümmern ziehen: 60.000 haben sie geborgen, 132 von ihnen haben das mit dem eigenen Leben bezahlt. Oder auch der Präsident Santos von Kolumbien und der Kommandant Timoschenko von der FARC, die das Friedensabkommen unterzeichnet haben. Und viele andere. So lautet nun die Frage: Wer ist Ihr Lieblingskandidat oder welches sind die Personen oder die Organisationen, die für ihre Arbeit für den Frieden mehr Anerkennung verdienen? Danke.

Papst Franziskus:

Es gibt so viele Menschen, die leben, um Krieg zu führen, um Waffenhandel zu betreiben, um zu töten, so viele. Aber es gibt auch viele Menschen, die für den Frieden arbeiten, sehr, sehr viele. Ich wüsste niemanden zu nennen. Unter so vielen Menschen, die heute für den Frieden arbeiten, auszuwählen, das ist sehr schwierig. Sie haben einige von ihnen erwähnt und es gibt noch viel mehr. Aber es gibt immer die Sorge, einen Friedenspreis zu verleihen… Ich wünsche mir, dass es auf internationaler Ebene – abgesehen vom Friedensnobelpreis – auch ein Gedenken, eine Anerkennung, eine Erklärung geben möge in Bezug auf die Kinder, die Menschen mit Behinderungen, die Minderjährigen, all die Menschen aus der Zivilbevölkerung, die unter den Bomben zu Tode gekommen sind. Ich denke, das ist eine Sünde! Eine Sünde gegen Jesus Christus, denn das „Fleisch“ jener Kinder, jener Kranken, jener wehrlosen Alten ist das Fleisch Christi. Es wäre nötig, dass die Menschheit etwas über die Opfer der Kriege sagte. Von denen, die Frieden stiften, hat Jesus in seinen Seligpreisungen gesagt, dass sie selig sind: » Selig, die Frieden stiften «. Aber über die Opfer der Kriege müssen wir etwas sagen und sie uns zu Bewusstsein bringen! Dass man auf ein Kinderkrankenhaus eine Bombe abwirft und dreißig, vierzig von ihnen sterben… oder auf eine Schule… Das ist eine Tragödie unserer Zeit.

Dr. Burke:

Danke, Heiliger Vater. Der Nächste ist John Jeremiah Sullivan vom New York Times Magazine; es ist seine erste Reise.

John Jeremiah Sullivan:

Heiliger Vater, wie Sie wissen, nähern sich die Vereinigten Staaten dem Ende einer langen und sehr hässlichen Präsidentschafts-Wahlkampagne, die in der Welt sehr viel Aufsehen erregt hat. Viele amerikanische Katholiken und verantwortungsbewusste Menschen haben Schwierigkeiten in der Wahl zwischen zwei Kandidaten, von denen einer von einigen Aspekten der Lehre der Kirche abrückt und der andere Erklärungen abgegeben hat, die Einwanderer und religiöse Minderheiten verunglimpfen. Welchen Rat würden Sie den Gläubigen in Amerika geben? Und zu welcher Klugheit würden Sie sie im kommenden Monat aufrufen, wenn die Wahlen stattfinden?

Papst Franziskus:

Sie stellen mir eine Frage, in der Sie eine schwierige Wahl beschreiben, weil es Ihrer Meinung nach beim einen wie beim anderen Schwierigkeiten gibt. Während eines Wahlkampfs sage ich nie ein Wort. Das Volk ist souverän; nur eines sage ich: Prüfe genau die Vorschläge, bete und wähle entsprechend deinem Gewissen! Dann wende ich mich von diesem Problem ab und gehe zu einer „Fiktion“, denn ich möchte nicht über das konkrete Problem sprechen. Wenn es geschieht, dass es in irgendeinem Land zwei, drei, vier Kandidaten gibt, die sich alle als nicht befriedigend erweisen, dann bedeutet dies, dass das politische Leben jenes Landes vielleicht zu sehr politisiert ist, aber nicht sehr viel politische Kultur besitzt. Und eine der Aufgaben der Kirche und der Lehre in den Fakultäten ist, politische Kultur zu vermitteln. Es gibt Länder – ich denke an Lateinamerika – die zu sehr politisiert sind, aber keine politische Kultur besitzen: Man gehört dieser oder jener oder jener anderen Partei an, aber nur gefühlsmäßig und ohne klare Vorstellungen von den Grundlagen und den jeweiligen Programmen zu haben.

Dr. Burke:

Danke, Heiliger Vater. Jetzt kommt Caroline Pigozzi

Caroline Pigozzi:

Heiligkeit, guten Abend. Diese Frage konnte ich Ihnen vorher nicht stellen: Ist das geschichtliche Zeugnis Ihrer Meinung nach wichtiger als das Testament eines Papstes? Zur Erläuterung: Papst Wojtyła hatte in seinem Testament verfügt, dass viele Dokumente und viele Briefe verbrannt werden sollten, die dann aber in einem Buch erschienen sind. Will das heißen, dass der Wille eines Papstes eventuell nicht respektiert wird? Ich möchte wissen, wie Sie darüber denken. Die zweite Frage ist dann einfacher: Ich möchte wissen, durch welches Wunder Sie, die Sie wöchentlich Tausenden von Menschen die Hand geben, noch keine Sehnenentzündung haben. Wie machen Sie das? Präsident Chirac reichte die Hand, er klebte sich ein Pflaster auf…

Papst Franziskus:

Ich spüre noch keine Sehnenentzündungen… Zur ersten Frage. Sie sagen: ein Papst, der Papiere, Briefe verbrennen lässt… Das ist das Recht jedes Menschen; er hat das Recht, das zu tun, bevor er stirbt.

Caroline Pigozzi:

Doch bei Papst Wojtyła ist das nicht respektiert worden… es hat dieses Buch gegeben…

Papst Franziskus:

Ah, das… Wer das nicht respektiert hat, wird schuldig sein, ich weiß es nicht; ich kenne den Fall nicht genau. Doch jeder Mensch, wenn er sagt: „Das muss vernichtet werden“, dann tut er das, weil es da etwas Konkretes gibt. Aber vielleicht gibt es woanders eine Kopie und er wusste das nicht… Doch es ist das Recht eines jeden Menschen, sein Testament so zu machen, wie er will.

Caroline Pigozzi:)

Auch des Papstes, aber er ist nicht respektiert worden.

Papst Franziskus:

Es gibt so viele Menschen, deren Testament nicht respektiert wurde…

Caroline Pigozzi:

Aber der Papst ist wichtiger.

Papst Franziskus:

Nein. Der Papst ist ein armer Sünder wie die anderen. Danke.

Dr. Burke:

Der Papst hat gesagt, dass noch für eine Frage Platz ist, aber es steht niemand auf meiner Liste.

Indessen möchte ich sagen, dass er heute [am Ende der Messe in Baku] auf eine Frage geantwortet hat, nämlich warum er diese Reisen an Orte macht, wo es nur ganz wenige Katholiken gibt; und das hat uns gefallen. Auch wir meinen nicht, dass wir Zeit vergeuden: Wir machen diese kurzen, aber intensiven Reisen. Doch wenn Sie einmal eine lange und erholsame machen wollen, dann können wir auch das tun…

Papst Franziskus:

Nein…

Nach der ersten Reise, die nach Albanien ging, sagte man mir: „Warum haben Sie als Ziel Ihrer ersten Europa-Reise Albanien gewählt? Ein Land, das nicht zur Europäischen Union gehört?“ Danach bin ich nach Sarajewo, nach Bosnien-Herzegowina gegangen, das auch nicht in der Europäischen Union ist. Das erste Land der Europäischen Union, in das ich gereist bin, war Griechenland, die Insel Lesbos – das erste. Es war das erste. Warum in diese Länder reisen? Diese drei sind Kaukasus-Länder. Die drei Präsidenten sind in den Vatikan gekommen, um mich einzuladen. Und mit Nachdruck. Und alle drei [Länder] haben ein unterschiedliches religiöses Verhalten: Die Armenier sind stolz – und das, ohne zu beleidigen – auf ihr „Armeniertum“; sie haben eine Geschichte und sie sind in großer Mehrheit Christen, fast alle apostolische Christen, außerdem katholische Christen und eine kleine Anzahl evangelischer Christen, wenige. Georgien ist ein christliches Land, ganz und gar christlich, aber orthodox – die Katholiken sind wenige, eine Gruppe. Aserbaidschan ist hingegen ein Land, das, glaube ich, zu 96-97 Prozent muslimisch ist. Ich weiß nicht, wie viele Einwohner es hat, denn ich habe von zwei Millionen gesprochen, aber ich glaube, es sind zwanzig…

[Antwort eines Journalisten: „Ungefähr zehn.“]

Papst Franziskus:

…ungefähr zehn, aha. Ungefähr zehn Millionen. Die Katholiken sind höchsten 600: eine winzige Schar. Und ich, warum gehe ich dorthin? Für die Katholiken. Um an die Peripherie zu einer katholischen Gemeinde zu gehen, die wirklich am Rande liegt, winzig ist. Und heute in der Messe habe ich gesagt, dass mich das an die „Randgemeinde“ von Jerusalem erinnerte, die im Abendmahlssaal eingeschlossen auf den Heiligen Geist wartete, in der Erwartung, wachsen und hinausgehen zu können… Sie ist klein sie ist nicht verfolgt, nein, denn in Aserbaidschan herrscht eine große Achtung gegenüber der Religion, eine große Religionsfreiheit. Das ist wahr; ich habe es heute in der Ansprache erwähnt. Und auch diese drei Länder sind „Rand“-Länder – wie Albanien und Bosnien-Herzegowina…Und ich habe dort gesagt: Die Realität versteht und sieht man besser von den Peripherien als vom Zentrum aus. Und darum wähle ich, dorthin zu gehen. Das schließt aber nicht die Möglichkeit aus, in ein großes Land zu reisen wie Portugal, Frankreich; ich weiß nicht… wir werden sehen.

Vielen Dank für Ihre Arbeit. Ruhen Sie jetzt ein wenig aus. Ein angenehmes Abendessen! Danke. Und beten Sie für mich!

 

 



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