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ANSPRACHE VON PAPST FRANZISKUS
AN DIE MITGLIEDER DES VERBANDS
DER AUSLANDSPRESSE IN ITALIEN

Clementina-Saal
Samstag, 18. Mai 2019

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Liebe Brüder und Schwestern!

Gerne begrüße ich euch zusammen mit euren Angehörigen, nachdem vor wenigen Tagen in vielen Ländern der Welttag der Sozialen Kommunikationsmittel begangen wurde. Ich danke der scheidenden Präsidentin, Frau Esma Çakir, und der neuen Präsidentin, Frau Patricia Thomas, für die Worte, die sie an mich gerichtet haben. Ich möchte euch zuallererst sagen, dass ich eure Arbeit schätze; die Kirche schätzt euch, auch wenn ihr den Finger auf die Wunde legt, und vielleicht ist die Wunde in der kirchlichen Gemeinschaft.

Eure Arbeit ist wertvoll, denn sie trägt zur Suche nach der Wahrheit bei, und allein die Wahrheit macht uns frei. In diesem Zusammenhang möchte ich euch die Worte wiederholen, die der heilige Johannes Paul II. sagte, als er vor einunddreißig Jahren den Sitz eurer Vereinigung besuchte: »Die Kirche steht auf eurer Seite. Ob ihr Christen seid oder nicht, in der Kirche werdet ihr immer die rechte Achtung für eure Arbeit und die Anerkennung der Pressefreiheit finden« (17. Januar 1988).

Eure Rolle ist unverzichtbar, und dies erlegt euch auch eine große Verantwortung auf: es verlangt von euch besondere Sorgfalt für die Worte, die ihr in euren Artikeln verwendet, für die Bilder, die ihr in euren Sendungen übertragt, für alles, was ihr in den sozialen Medien teilt. Deshalb wiederhole ich euch heute eine Mahnung, die im digitalen Zeitalter für alle gilt: Wie Benedikt XVI. sagte, »[haben] die Massenmedien die Tendenz, dass wir uns immer als ›Zuschauer‹ fühlen, als beträfe das Böse nur die anderen und als könnten gewisse Dinge uns nie geschehen. Dagegen sind wir alle ›Mitwirkende‹, und unser Verhalten beeinflusst die anderen im Guten wie im Bösen« (Ansprache auf dem Spanischen Platz, 8. Dezember 2009). Ich ermahne euch daher, wahrheitsgetreu und gerecht zu arbeiten, damit die Kommunikation wirklich ein Werkzeug ist, um aufzubauen und nicht um zu zerstören; um einander zu begegnen, nicht um aufeinanderzuprallen; um in einen Dialog zu treten, nicht um Selbstgespräche zu führen; um Orientierung zu geben, nicht um zu desorientieren; um sich zu verstehen, nicht um sich misszuverstehen; um in Frieden zu gehen, nicht um Hass zu säen; um jenen eine Stimme zu verleihen, die keine Stimme haben, nicht um das Megaphon für diejenigen zu sein, die am lautesten schreien.

Ich war beeindruckt von den vielen Hinweisen auf die Demut, die in der Ansprache eurer Präsidentin vorkamen – schließlich befindet sich euer Sitz ja in der Via dell’Umiltà! Die Demut ist eine wesentliche Tugend für das spirituelle Leben; aber ich würde sagen, dass sie auch ein grundlegendes Element eures Berufs sein kann. Jemand von euch könnte mir sagen: »Pater, in unserer Arbeit gibt es andere Eigenschaften, die zählen: Professionalität, Kompetenz, historisches Gedächtnis, Neugier, die Fähigkeit zum Schreiben, die Kunst, die richtigen Fragen zu stellen, Schnelligkeit, wenn es darum geht, etwas zusammenzufassen, das Vermögen, der breiten Öffentlichkeit verständlich zu machen, was geschieht… «. Auf jeden Fall. Und dennoch kann die Demut der Schlussstein eurer Tätigkeit sein. Jeder von uns weiß, wie schwierig die Suche nach der Wahrheit ist und wie viel Demut sie erfordert. Und um wie viel einfacher es ist, sich nicht zu viele Fragen zu stellen, sich mit den ersten Antworten zufriedenzugeben, zu vereinfachen, an der Oberfläche, beim Anschein zu bleiben; sich mit vorgefertigten Lösungen zufriedenzugeben, die die Mühe der Arbeit des Nachforschens nicht kennen, das die Komplexität des realen Lebens abzubilden vermag. Die Demut, nicht alles vorher zu wissen, ist das, was die Nachforschung antreibt. Die Anmaßung, alles bereits zu wissen, ist das, was sie blockiert. Demütige Journalisten will nicht heißen mittelmäßige, sondern vielmehr Journalisten, die sich bewusst sind, dass man durch einen Artikel, einen Tweet, eine Live-Sendung im Fernsehen oder im Radio etwas Gutes zu tun vermag, aber auch, wenn man nicht vorsichtig und gewissenhaft ist, dem Nächsten und manchmal auch ganzen Gemeinschaften Schaden zufügen kann. Ich denke zum Beispiel daran, wie bestimmte »herausgeschrieene« Titel eine falsche Darstellung der Wirklichkeit erzeugen können. Eine Berichtigung ist immer dann erforderlich, wenn man einen Fehler begeht, aber das reicht nicht aus, um die Würde wiederherzustellen, insbesondere in einer Zeit, in der sich eine falsche Information über das Internet bis zu dem Punkt verbreiten kann, dass sie authentisch erscheint. Aus diesem Grund solltet ihr Journalisten stets die Macht des euch zur Verfügung stehenden Instruments berücksichtigen und der Versuchung widerstehen, unzureichend überprüfte Nachrichten zu veröffentlichen.

In einer Zeit, in der viele dazu neigen, alles und jeden vorab zu verurteilen, hilft die Demut auch dem Journalisten, sich nicht von Hast beherrschen zu lassen, zu versuchen, einzuhalten, die Zeit zu finden, die zum Verstehen notwendig ist. Die Demut bringt uns der Realität und den anderen mit der Haltung des Verstehens näher. Der demütige Journalist versucht, die Fakten korrekt in ihrer Gesamtheit zu kennen, bevor er sie berichtet und kommentiert. Er nährt kein »Übermaß an Slogans […], die das Denken auslöschen, statt es in Gang zu setzen« (Ansprache an die Leiter und Mitarbeiter des Fernsehsenders TV 2000, 15. Dezember 2014). Er konstruiert keine Stereotypen. Er gibt sich nicht mit den bequemen Vorstellungen zufrieden, die »einzelne Menschen so [darstellen] als seien sie in der Lage, alle Probleme zu lösen, oder im Gegenteil als Sündenböcke, auf die jede Verantwortung abgewälzt wird« (ebd.).

In einer Zeit, in der viele insbesondere, aber nicht nur in den sozialen Medien eine gewalttätige und abwertende Sprache verwenden, mit Worten, die Menschen verletzen und bisweilen zerstören, geht es vielmehr darum, die Sprache abzuwägen und, wie euer heiliger Schutzpatron Franz von Sales in der Philothea – Anleitung zum frommen Leben sagte, das Wort zu verwenden wie das Messer in der Hand des Chirurgen (vgl. Teil III, Kapitel XXIX). In einer Zeit von zu vielen feindseligen Worten, in der es für viele zur Gewohnheit geworden ist, schlecht von den anderen zu reden und die Menschen zu klassifizieren, muss man sich immer in Erinnerung rufen, dass jeder Mensch seine unantastbare Würde hat, die ihm niemals weggenommen werden kann. In einer Zeit, in der viele falsche Nachrichten (»Fakenews «) verbreiten, hindert dich die Demut daran, das verdorbene Essen der Fehlinformation zu verkaufen, und sie lädt dich ein, das gute Brot der Wahrheit anzubieten. Der demütige Journalist ist ein freier Journalist. Frei von Konditionierungen. Frei von Vorurteilen und deshalb mutig. Die Freiheit erfordert Mut! Ich habe mit Schmerz die Statistiken über eure Kollegen gehört, die getötet worden sind, während sie mutig und hingebungsvoll ihre Arbeit in vielen Ländern taten, um darüber zu informieren, was während der Kriege und der dramatischen Situationen geschieht, die so viele unserer Brüder und Schwestern auf der Welt erleben. Die Presse- und Meinungsfreiheit ist ein wichtiger Indikator für den Gesundheitszustand eines Landes. Vergessen wir nicht, dass in den Diktaturen eine der ersten Maßnahmen, die sie ergreifen, darin besteht, die Pressefreiheit zu beseitigen oder »zu verschleiern«, nicht zuzulassen, dass die Presse frei ist. »Wir brauchen einen freien Journalismus, der im Dienst des Wahren, Guten und Gerechten steht; ein Journalismus, der hilft, die Kultur der Begegnung aufzubauen« (Tweet von @Pontifex_de, 3. Mai 2019). Wir brauchen Journalisten, die auf der Seite der Opfer stehen, auf der Seite der Verfolgten, auf der Seite der Ausgeschlossenen, der Weggeworfenen und Diskriminierten.

Es bedarf euer und eurer Arbeit als Hilfe dazu, viele Leidenssituationen nicht zu vergessen, die oft nicht im Rampenlicht stehen oder dies nur für einen Moment tun, um dann in die Finsternis der Gleichgültigkeit zurückkehren. Eine Frage, die mir einer von euch vor kurzem gestellt hat, kommt mir in den Sinn und in die Erinnerung: »Was halten Sie von vergessenen Kriegen?« Aber welche vergessenen Kriege? Die Kriege, die noch andauern, aber die die Menschen vergessen, sie stehen in den Zeitungen und Medien nicht auf der Tagesordnung. Passt auf: die Wirklichkeit nicht vergessen, weil jetzt »das Dringliche « vorbei ist. Nein, die Wirklichkeit geht weiter, wir machen weiter. Das ist ein guter Dienst. Konkret: die Kriege, die von der Gesellschaft vergessen wurden, aber noch andauern. Deshalb möchte ich euch für das danken, was ihr tut. Weil ihr uns helft, die Leben nicht zu vergessen, die erstickt werden, bevor sie überhaupt geboren wurden; diejenigen, die, sobald sie gerade geboren werden, durch Hunger, durch Not, durch mangelnde Fürsorge, durch Kriege ausgelöscht werden; die Leben der Kindersoldaten, die Leben von misshandelten Kindern. Ihr helft uns, so viele Frauen und Männer nicht zu vergessen, die wegen ihres Glaubens oder ihrer ethnischen Zugehörigkeit verfolgt werden. Ich erlaube mir eine Frage: Wer spricht heute über die Rohingya? Wer spricht heute über die Jesiden? Ihr helft uns, nicht zu vergessen, dass die Menschen, die durch Katastrophen, Kriege, Terrorismus, Hunger und Durst gezwungen wurden, ihr Land zu verlassen, keine Zahl sind, sondern ein Gesicht, eine Geschichte, ein Verlangen nach Glück. Eure Präsidentin hat von den Migranten gesprochen: Wir dürfen dieses Mittelmeer nicht vergessen, das sich in einen Friedhof verwandelt.

Der demütige und freie Journalist versucht, das Gute zu erzählen, auch wenn es öfter das Böse ist, das eine Nachricht wert ist. Was mich in meinem Dienst als Bischof immer getröstet hat, ist die Entdeckung, wie viel Gutes unter uns ist, wie viele Menschen sich selbst – auch heldenhaft – aufopfern, um einem Elternteil oder einem kranken Kind beizustehen, wie viele Menschen sich im täglichen Dienst für andere engagieren, wie viele die Hände ausstrecken, anstatt sich abzuwenden. Ich bitte euch, erzählt auch diesen Teil der Wirklichkeit weiter, der – Gott sei es gedankt – immer noch am weitesten verbreitet ist: die Wirklichkeit derer, die sich nicht der Gleichgültigkeit ergeben, derer, die nicht vor Ungerechtigkeit fliehen, sondern geduldig in der Stille aufbauen. Es gibt einen Ozean des Guten, der im Schatten liegt und es verdient, bekannt zu werden, und der unserer Hoffnung Kraft schenkt. Wenn es darum geht, dies zu erzählen, sind es die Frauen, die sehr aufmerksam sind, und ich freue mich zu sehen, dass der Beitrag von Frauen in eurer Vereinigung voll anerkannt wird. Frauen sehen besser und verstehen besser, weil sie besser spüren.

Abschließend möchte ich euch versichern, dass ich das Engagement schätze, mit dem ihr eure Arbeit tut, die, so im Geist des Dienens gelebt, zu einer Mission wird. Während meiner Apostolischen Reisen kann ich die Mühe erkennen, die mit eurer Arbeit verbunden ist. Ihr lebt außerdem weit weg von euren Herkunftsländern und ihr findet euch als Spiegel des Landes vor, in dem ihr arbeitet, ihr versteht es dabei, dessen positive und negative Aspekte zu erfassen. Ich lade euch ein, ein Spiegel zu sein, der Hoffnung zu reflektieren, Hoffnung zu säen weiß. Und ich wünsche euch, demütige und freie Männer und Frauen zu sein, die jene sind, die eine gute Spur in der Geschichte hinterlassen. Ich danke euch für diese Begegnung. Ich segne euch, eure Lieben und eure Arbeit. Und auch ihr: bitte betet für mich. Und ich möchte allen den Segen erteilen. Ich weiß, dass nicht alle von euch gläubig sind, und deshalb werde ich den Segen in der Stille erteilen, für alle. Gott segne alle, er segne das Herz aller. Amen.

 



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