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ANSPRACHE VON PAPST FRANZISKUS 
AN DIE PRIESTER DES KOLLEGS "SAN LUIGI DEI FRANCESI" IN ROM

Montag, 7. Juni 2021

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Liebe Brüder,

es ist mir eine große Freude, euch, die Priestergemeinschaft von San Luigi dei Francesi, willkommen zu heißen. Ich danke dem Rektor, Msgr. Laurent Bréguet, für seine freundlichen Worte.

In einer Gesellschaft, die sich durch Individualismus, durch Selbstbehauptung auszeichnet, macht ihr die Erfahrung des Zusammenlebens mit seinen alltäglichen Herausforderungen. Euer mitten in Rom gelegenes Haus kann mit seinem Lebenszeugnis den Menschen, die es besuchen, die evangeliumsgemäßen Werte einer bunt gemischten und solidarischen Brüderlichkeit vermitteln, vor allem dann, wenn jemand einen schwierigen Augenblick durchlebt. Tatsächlich sind euer brüderliches Leben und eure unterschiedlichen Verpflichtungen dazu imstande, die Treue der Liebe Gottes und seine Nähe zu vermitteln. Dies ist ein Zeichen, ein Signal.

In diesem dem heiligen Josef gewidmeten Jahr lade ich euch ein, das Antlitz dieses Mannes des Glaubens, dieses zärtlichen Vaters, eines Vorbilds der Treue und der vertrauensvollen Hingabe an Gottes Plan, neu zu entdecken. »Auch durch Josefs Besorgnis hindurch verwirklicht sich der Wille Gottes, seine Geschichte, sein Plan. So lehrt uns Josef, dass der Glaube an Gott auch bedeutet, daran zu glauben, dass dieser selbst durch unsere Ängste, unsere Zerbrechlichkeit und unsere Schwäche wirken kann« (Apostolisches Schreiben Patris corde, 2). Man darf die Schwächen nicht außer Acht lassen: sie sind ein Ort theologischer Erkenntnis. Meine Schwäche, die Schwäche eines jeden von uns ist ein locus theologicus der Begegnung mit dem Herrn. Die »Supermann«-Priester nehmen ein schlechtes Ende, alle. Der schwache Priester, der seine Schwächen kennt und mit dem Herrn darüber spricht, der wird gut enden. Gemeinsam mit Josef sind wir aufgerufen, zur Erfahrung der einfachen Akte des Willkommens, der Zärtlichkeit, des Geschenks unserer selbst zurückzukehren.

Im Leben in der Gemeinschaft besteht immer die Versuchung, kleine abgeschottete Grüppchen zu bilden, sich zu isolieren, die anderen zu kriti- sieren und schlecht über sie zu sprechen, sich den anderen überlegen zu fühlen, sich für intelligenter zu halten. Der Klatsch ist eine Angewohnheit geschlossener Gruppen, eine Angewohnheit auch von Priestern, die zu männlichen alten Jungfern werden: sie gehen, sprechen, reden schlecht [über andere]: das ist nicht hilfreich. Und das bedroht uns alle, und ist nicht in Ordnung. Man muss diese Angewohnheit aufgeben und auf die Barmherzigkeit Gottes schauen und an sie denken. Möget ihr euch gegenseitig immer freundlich empfangen wie eine Gabe. In einer Brüder- lichkeit, die in der Wahrheit, in der Aufrichtigkeit der Beziehungen und in einem Leben des Gebets gelebt wird, können wir eine Gemeinschaft bilden, in der die Luft der Freude und der Zärtlichkeit geatmet wird.

Ich ermutige euch, die kostbaren Augenblicke des Austauschs und des gemeinschaftlichen Gebets in aktiver, freudiger Teilhabe zu durchleben. Auch die Augenblicke der Unentgeltlichkeit, der unentgeltlichen Begegnung... Der Priester ist ein Mann, der im Licht des Evangeliums den Geschmack Gottes um sich herum verbreitet und den unruhigen Herzen Hoffnung vermittelt: so soll es sein. Die Studien, die ihr an den verschiedenen römischen Universitäten absolviert, bereiten euch auf eure künftigen seelsorgerischen Pflichten vor und gestatten es euch, die Wirklichkeit besser zu schätzen, in der ihr berufen seid, die Frohe Botschaft zu verkündigen. Trotzdem geht ihr nicht zur Praxis über, um Theorien anzuwenden, ohne den Kontext in Betracht zu ziehen, in dem ihr euch befindet, beziehungsweise die Menschen, die euch anvertraut sind. Ich wünsche euch, »Hirten mit dem ›Geruch der Schafe‹« zu sein (Predigt, 28. März 2013), Menschen, die es fertigbringen, mit ihren Leuten zu leben, zu la- chen und zu weinen, in einem Wort: mit ihnen zu kommunizieren. Ich mache mir Sorgen, wenn Überlegungen angestellt werden, Gedanken über das Priestertum, als sei es etwas aus der Retorte: dieser Priester, jener andere Priester... Man kann über den Priester nicht unter Ausklammerung des heiligen Volkes Gottes nachdenken. Das Weihepriestertum ist eine Folge des Taufpriester- tums des heiligen gläubigen Volkes Gottes. Das darf nicht vergessen werden. Wenn ihr an ein vom Gottesvolk isoliertes Priestertum denkt, dann ist das kein katholisches Priestertum, nein; und auch nicht kein christliches. Entkleidet euch eurer selbst, legt eure vorgefassten Vorstellungen ab, eure Träume von Größe, eure Selbstbestätigung, um Gott und die Menschen in den Mittelpunkt eurer alltäglichen Sorgen zu stellen. Um das heilige gläubige Volk Gottes in den Mittelpunkt zu stellen, muss man Hirt sein. »Nein, ich will nur ein Intellektueller sein, kein Hirt«: nun, bitte darum, in den Laienstand zurückversetzt zu werden, das wird besser für dich sein, und sei ein Intellektueller. Aber wenn du Priester bist, dann sei Hirt. Du wirst als Hirte wirken, kannst das auf vielerlei Weisen tun, aber immer mitten unter dem Volk Gottes. Das, woran Paulus seinen geliebten Jünger erinnerte: »Denke an deine Mutter, an deine Großmutter aus dem Volk, die dir den Glauben weitergegeben haben«. Der Herr sagt zu David: »Ich habe dich von der Weide und der Herde weggeholt«, von dort.

Liebe Brüder im priesterlichen Dienst, ich lade euch ein, stets weite Horizonte zu haben, zu träumen, eine Kirche zu träumen, die ganz im Dienst aufgeht, eine brüderliche und solidarische Welt. Und dafür habt ihr als Protagonisten euren Beitrag zu leisten. Habt keine Angst, zu wagen, zu riskieren, voranzugehen, denn ihr vermögt alles durch Christus, der euch stärkt (vgl. Phil 4,13). Mit Ihm könnt ihr Apostel der Freude sein, indem ihr in euch die Dankbarkeit hegt und pflegt, den Brüdern und der Kirche zu Diensten zu stehen. Und Hand in Hand mit der Freude geht auch der Sinn für Humor. Ein Priester, der keinen Sinn für Humor hat, gefällt nicht, da stimmt etwas nicht. Ahmt jene großen Priester nach, die über die anderen, über sich selbst und auch über ihren eige- nen Schatten lachen können: der Sinn für Humor ist eine der Eigenschaften der Heiligkeit, wie ich in dem Apostolischen Schreiben über den Ruf zur Heiligkeit, Gaudete et exsultate, geschrieben habe. Und hegt und pflegt in euch die Dankbarkeit dafür, im Dienst der Brüder und der Kirche zu stehen. Als Priester seid ihr »gesalbt mit dem Öl der Freude, um mit dem Öl der Freude zu salben« (Predigt, 17. April 2014). Und nur dadurch, dass ihr in Christus verwurzelt bleibt, könnt ihr die Erfahrung einer Freude machen, die euch dazu drängt, die Herzen zu erobern. Die priesterliche Freude ist die Quelle eures Wirkens als Missionare eurer Zeit.

Schließlich lade ich euch ein, die Dankbarkeit zu pflegen. Dankbarkeit dem Herrn gegenüber für das, was ihr gegenseitig füreinander seid. Bei all euren Begrenztheiten, den Schwächen, den Nöten ist da doch immer ein Blick der Liebe, der auf euch ruht und euch Vertrauen einflößt. Die Dankbarkeit »ist immer eine ›mächtige Waffe‹« (Schreiben an die Priester zum 160. Todestag des Pfarrers von Ars, 4. August 2019), die uns gestattet, die Flamme der Hoffnung in Augenblicken der Entmutigung, der Einsamkeit und der Prüfung am brennen zu halten.

Ich empfehle einen jeden von euch, eure Angehörigen, das Personal eures Hauses wie auch die Gemeindemitglieder von San Luigi dei Francesi der Fürsprache der Jungfrau Maria und dem Schutz des heiligen Ludwig an. Ich segne euch von Herzen, und bitte euch, nicht zu vergessen, für mich zu beten, weil ich dessen bedarf. Dieses Amt ist alles andere als einfach. Und in den Büchern zur Spiritualität gibt es ein Kapitel – in einigen Büchern, aber denken wir an den heiligen Alfons Maria von Liguori und viele andere –, ein Kapitel zu dem Thema und dann ein Beispiel, und einige sagen: »Wo der Beweis geführt wird, habe ich es mit einem Beispiel gesagt«, und führen ein Beispiel für ein Leben an.

Heute, bevor ihr hereingekommen seid, hat mir P. Landousies gesagt, dass er Ende Juni dieses Amt hier in der Kurie verlassen wird: Er ist lange Zeit mein Übersetzer für Französisch gewesen. Aber ich möchte seine Persönlichkeit kurz zu- sammenfassen. Er ist ein Vorbild. Ich habe in ihm das Zeugnis für einen glücklichen Priester gefunden, für einen kohärenten Priester, einen Priester, der imstande war, mit bereits seliggesprochenen Märtyrern zu leben – von denen er jeden einzelnen kannte –, und auch mit einer Krankheit zu leben, bei der man nicht wusste, womit man es zu tun hatte, mit demselben Frieden, mit demselben Zeugnis. Und ich nütze diese [Gelegenheit] ganz öffentlich, auch vor dem Osservatore Romano, vor allen, um ihm für sein Zeugnis zu danken, das mir oftmals gut getan hat. Mir hat diese Seins- weise gut getan. Er geht weg, aber er geht, um in Marseille seelsorgerisch tätig zu sein, und er wird viel Gutes tun mit dieser seiner Fähigkeit, jeder mann freundlich zu empfangen. Hier aber lässt er den Wohlgeruch Christi zurück, den Wohlgeruch eines Priesters, eines tüchtigen Priesters. So sage ich ihm vor euch Dank, danke für alles, was du getan hast!

 

 



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