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ANSPRACHE VON PAPST FRANZISKUS 
AN DIE MITGLIEDER DER PÄPSTLICHEN KOMMISSION
FÜR DEN SCHUTZ VON MINDERJÄHRIGEN 

Freitag, 29. April 2022

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Liebe Brüder und Schwestern,
guten Tag! Herzlich willkommen!

Ich freue mich, euch nach Abschluss eurer Vollversammlung willkommen zu heißen, und danke Kardinal O’Malley für seine einführenden Worte. Und ich danke euch allen für das Engagement in eurer Arbeit zum Schutz der Kinder, sowohl in eurem beruflichen Leben als auch im Dienst an den Gläubigen. Minderjährige und schutzbedürftige Personen sind heute auch dank eures Einsatzes in der Kirche sicherer. Ich danke euch wirklich sehr dafür. Und ich möchte dem »großen Sturkopf« dieses Anliegens danken, Kardinal O’Malley, der gegen alle Widerstände vorangeht, aber er hat die Sache vorangebracht. Danke, vielen Dank!

Dieser euch anvertraute Dienst muss mit Sorgfalt fortgesetzt werden. Die kontinuierliche Aufmerksamkeit der Kommission ist notwendig, damit die Kirche nicht nur ein sicherer Ort für Minderjährige und ein Ort der Heilung ist, sondern sich auch bei der Förderung ihrer Rechte in der ganzen Welt als absolut zuverlässig erweist. Denn es fehlt leider nicht an Situationen, in denen die Würde der Kinder bedroht ist, und das sollte allen Gläubigen und allen Menschen guten Willens Sorgen bereiten.

Zuweilen scheinen die Realität des Miss-brauchs und dessen verheerende, anhaltende Auswirkung auf das Leben der Kleinen größer zu sein als die Anstrengungen derer, die mit Liebe und Verständnis eine Antwort zu geben suchen. Der Weg zur Heilung ist lang, ist schwierig, er erfordert eine begründete Hoffnung, die Hoffnung auf den, der ans Kreuz und über das Kreuz hinaus gegangen ist. Jesus trägt als Auferstandener die Narben seiner Kreuzigung an seinem verherrlichten Leib und wird dies für immer tun. Diese Wunden sagen uns, dass Gott uns nicht rettet, indem er unser Leid »übergeht«, sondern gerade durch unsere Leiden, indem er sie mit der Kraft seiner Liebe verwandelt. Die heilende Macht des Geistes Gottes trügt nicht; die Verheißung neuen Lebens von Seiten Gottes wird nicht gebrochen. Wir müssen nur Glauben haben an den auferstandenen Jesus und unser Leben in die Wunden seines auferstandenen Leibes legen.

Missbrauch in jeder Form ist inakzeptabel. Sexueller Missbrauch von Kindern ist besonders gravierend, weil er das Leben misshandelt, das gerade erblüht. Statt sich zu entfalten, wird den missbrauchten Menschen eine zuweilen auch unauslöschliche Verletzung zugefügt. Vor Kurzem habe ich den Brief eines Vaters erhalten, dessen Sohn miss-braucht worden war und der deshalb jahrelang nicht in der Lage war, sein Zimmer zu verlassen, denn er war tagtäglich gezeichnet von den Folgen des Missbrauchs, auch in der Familie. Missbrauchte Menschen fühlen sich zuweilen wie gefangen zwischen Leben und Tod. Es handelt sich um Realitäten, die wir nicht verdrängen dürfen, wie schmerzhaft sie auch sein mögen.

Das Zeugnis der Überlebenden ist eine offene Wunde im Leib Christi, der Kirche. Ich ermahne euch, sorgfältig und mutig tätig zu sein, um diese Wunden bekanntzumachen, jene zu suchen, die daran leiden, und in diesen Menschen das Zeugnis unseres leidenden Erlösers zu erkennen. Denn die Kirche kennt den auferstandenen Herrn in dem Maße, in dem sie ihm als leidendem Gottesknecht nachfolgt. Das ist der Weg für uns alle: Bischöfe, Ordensobere, Priester, Diakone, Gottgeweihte, Katecheten, Laien. Jedes Glied der Kirche ist aufgerufen, dem eigenen Stand entsprechend Verantwortung zu übernehmen, um Missbrauch vorzubeugen und sich für Gerechtigkeit und Heilung einzusetzen.

Jetzt möchte ich euch ein Wort über eure Zukunft sagen. Mit der Apostolischen Konstitution Praedicate evangelium  – der Kardinal hat davon gesprochen – habe ich die Kommission förmlich als Teil der Römischen Kurie errichtet, im Rahmen des Dikasteriums für die Glaubenslehre (vgl. Nr. 78). Jemand mag vielleicht denken, dass dieser Zusammenhang ein Risiko für eure Denk- und Handlungsfreiheit darstellen oder vielleicht auch den Problemen, mit denen ihr euch auseinandersetzt, etwas von ihrer Bedeutung nehmen könnte. Das ist nicht meine Absicht und nicht meine Erwartung. Und ich fordere euch auf, wachsam zu sein, damit dies nicht geschieht.

Die Kommission für den Schutz der Minderjährigen ist beim Dikasterium eingerichtet, das mit dem sexuellen Missbrauch durch Mitglieder des Klerus befasst ist. Zugleich habe ich eure Leitung und euer Personal unterschieden von dem des Dikasteriums, und ihr werdet euch weiterhin durch euren delegierten Präsidenten direkt auf mich beziehen. Sie ist dort, weil man keine Kommission einrichten konnte, die als »Satellit« unterwegs ist, ohne an ein Organigramm gebunden zu sein. Sie ist dort, aber mit einem eigenen, vom Papst ernannten Präsidenten. Ich wünsche, dass ihr die besten Methoden vorschlagt, damit die Kirche die Minderjährigen und schutzbedürftigen Personen schützt und den Überlebenden bei der Heilung hilft, unter Berücksichtigung der Tatsache, dass Gerechtigkeit und Prävention einander ergänzen. Denn euer Dienst stellt eine pro-aktive und vorausschauende Perspektive der besten Praktiken und Vorgehensweisen zur Verfügung, die in der ganzen Kirche verwirklicht werden können.

Wichtiges wurde in dieser Hinsicht an vielen Orten begonnen, aber es bleibt noch viel zu tun. Die Apostolische Konstitution bedeutet einen Neuanfang. [Sie stellt euch] in das Organigramm der Kurie in jenem Dikasterium, aber unabhängig, mit einem vom Papst ernannten Präsidenten. Unabhängig. Es ist eure Aufgabe, die Reichweite dieser Mission so zu vergrößern, dass der Schutz und die Sorge für Menschen, die Missbrauch erlitten haben, in jedem Bereich des kirchlichen Lebens zur Norm wird. Eure enge Zusammenarbeit mit dem Dikasterium für die Glaubenslehre und mit anderen Dikasterien soll eure Arbeit bereichern wie auch eure Arbeit die der Kurie und der Ortskirchen bereichern soll. Wie dies auf wirksamste Weise geschehen kann, das überlasse ich der Kommission und dem Dikasterium, den Dikasterien. Durch die Zusammenarbeit werden diese die Pflicht der Kirche, diejenigen zu schützen, für die sie Verantwortung trägt, in die konkrete Praxis umsetzen. Diese Pflicht ist gegründet auf die Auffassung vom Menschen in seiner ihm wesentlich innewohnenden Würde, mit besonderer Aufmerksamkeit für die Schutzbedürftigsten. Das Engagement auf der Ebene der Weltkirche und der Teilkirchen realisiert, den jeweiligen Kompetenzen entsprechend, den Plan des Schutzes, der Heilung und der Gerechtigkeit.

Die ausgestreuten Samen beginnen, gute Früchte zu tragen. Die Zahlen des Miss-brauchs von Minderjährigen durch Kleriker ist seit einigen Jahren rückläufig in jenen Teilen der Welt, wo es zuverlässige Daten und Quellen gibt. Ich möchte, dass ihr jährlich einen Bericht über die Initiativen der Kirche zum Schutz der Minderjährigen und der schutzbedürftigen Erwachsenen erstellt. Dies mag zu Anfang schwierig sein, aber ich bitte euch, dort anzufangen, wo es notwendig sein wird, damit man über das, was geschieht, und über das, was sich ändern muss, einen zuverlässigen Bericht bereitstellen kann, so dass die zuständigen Behörden handeln können. Dieser Bericht wird ein Faktor der Transparenz und Rechenschaftspflicht sein und – so hoffe ich – ein klares Feedback hinsichtlich unserer Fortschritte in diesem Einsatz. Wenn es keine Fortschritte geben sollte, würden die Gläubigen weiter das Vertrauen in ihre Hirten verlieren, was die Verkündigung und das Zeugnis für das Evangelium immer schwieriger werden ließe.

Doch gibt es auch unmittelbarere Notlagen, bei deren Bewältigung die Kommission helfen kann, vor allem für das Wohl und die Pastoral jener Menschen, die Missbrauch erlitten haben. Ich habe mit Interesse die Modalitäten verfolgt, mit denen die Kommission von Beginn ihres Bestehens an Orte des Zuhörens und der Begegnung mit Opfern und Überlebenden bereitgestellt hat. Ihr wart eine große Hilfe bei meiner pastoralen Sendung gegenüber denjenigen, die sich aufgrund ihrer schmerzhaften Erfahrungen an mich gewandt haben. Daher fordere ich euch auf, den Bischofskonferenzen zu helfen – und das ist sehr wichtig: helfen und wachsam sein im Dialog mit den Bischofskonferenzen –, entsprechende Zentren zu schaffen, wo Menschen, die Missbrauch erlitten haben und ihre Familienangehörigen, Aufnahme und Gehör finden und wo sie auf einem Weg der Heilung und der Gerechtigkeit begleitet werden können, wie es das Motu proprio Vos estis lux mundi  (vgl. Art. 2) aufzeigt. Diese Verpflichtung wird auch Ausdruck des synodalen Charakters der Kirche, der Gemeinschaft, der Subsidiarität sein. Vergesst nicht das Treffen, das wir vor fast drei Jahren mit den Präsidenten der Bischofskonferenzen abgehalten haben. Sie müssen die Kommissionen und alle Mittel einrichten, die Prozesse voranzubringen, sich mit allen euch zur Verfügung stehenden Methoden um die missbrauchten Menschen zu kümmern, und auch in Bezug auf die Miss-brauchstäter, wie sie zu bestrafen sind. Und ihr müsst über all dies wachen. Denkt daran, bitte.

Liebe Brüder und Schwestern, ich danke euch von Herzen für all die Arbeit, die ihr getan habt. Ich bete für euch und bitte euch, für mich zu beten, denn diese Arbeit ist nicht leicht. Danke! Möge Gott seinen Segen weiterhin auf euch herabkommen lassen. Gott segne euch, danke



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