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JOHANNES PAUL II.

GENERALAUDIENZ

Mittwoch, 24. November 1999

   

Liebe Schwestern und Brüder!

1. Unter den Herausforderungen dieser historischen Stunde, über die der Anlaß des Großen Jubiläums uns nachzudenken anregt, habe ich im Apostolischen Schreiben Tertio millennio adveniente auf jene hingewiesen, die in Verbindung mit der Achtung der Rechte der Frau stehen (vgl. TMA, 51). Heute will ich auf einige Aspekte der schwierigen Rolle der Frau eingehen; ein Thema, zu dem ich übrigens auch schon bei anderen Gelegenheiten Stellung genommen habe. 

Die Heilige Schrift stellt die Forderung der Frau in ein besonderes Licht. Sie führt uns nämlich mit den beiden Schöpfungsberichten in den Plan Gottes fur Mann und Frau ein. 

Im ersten wird gesagt: Gott schuf  den Menschen als sein Abbild; als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie (Gen 1,27). Diese Aussage bildet den Ausgangspunkt der christlichen Anthropologie. Sie sieht die Würde des Menschen als Person in seinem als Abbild Gottes Geschaffen-Sein begründet. Zugleich sagt der Text deutlich, weder Mann noch Frau für sich allein seien Abbild des Schöpfers, sondern Mann und Frau in ihrer Gegenseitigkeit. Beide stellen in gleichem Maß das Meisterwerk Gottes dar. 

Im zweiten Schöopfungsbericht hebt die Schrift durch die Symbolik der Erschaffung der Frau aus der Rippe des Mannes hervor, daß die Menschheit in der Tat unvollkommen ist, solange nicht auch die Frau geschaffen ist (vgl. Gen 2,18.24). Sie erhalt einen Namen, der im Hebräischen schon durch wortlichen Gleichklang den Bezug zum Mann ausdruckt . Miteinander erschaffen, sind der Mann und die Frau von Gott auch füreinander gewollt (Katechismus der Katholischen Kirche, 371). Die Darstellung der Frau als eine Hilfe, die ihm entspricht  (Gen 2,18), ist nicht in dem Sinn zu verstehen, die Frau habe dem Mann zu dienen . Hilfe ist nicht gleichbedeutend mit Dienerin; zu Gott sagt der Psalmist: Meine Hilfe bist du (Ps 70,6; vgl. 115,9.10.11; 118,7; 146,5). Der Ausdruck will vielmehr besagen, da die Frau in der Lage ist, mit dem Mann zusammenzuwirken, weil sie in vollkommener Partnerschaft zueinander stehen. Die Frau ist eine andere Gestalt des Ich im gemeinsamen Menschsein. Es konstituiert sich in völliger Gleichheit der Würde von Mann und Frau. 

2. Erfreulich ist die Tatsache, da die Vertiefung des Frauseins in der Kultur der Gegenwart dazu beigetragen hat, die Frage nach dem Menschen im Hinblick auf das Füreinander-Dasein in interpersonaler Gemeinschaft zu überdenken . Die Person in ihrer Dimension der Hingabebereitschaft zu erkennen, wird heute immer mehr zu einer grundlegenden Errungenschaft, die leider oft nicht in die Praxis umgesetzt wird. Unter den vielen Angriffen auf die Menschenwürde ist daher die verbreitete Verletzung der Würde der Frau entschieden zu verurteilen, die sich im Ausbeuten ihrer Person oder ihres Korpers äußert. Jedem Handeln, das die Frau in ihrer Freiheit und in ihrem Frausein verletzt, ist energisch entgegenzutreten: dem sogenannten Sextourismus, dem Handel mit jungen Mädchen, der Massensterilisierung und allgemein jeder Form von Gewalt gegen das andere Geschlecht. 

Ein ganz anderes Verhalten erfordert das Sittengesetz, das die Würde der Frau als Person, erschaffen als Abbild eines Gottes der Gemeinschaft, verkündet! Es ist heute mehr denn je notwendig, wieder auf die biblische Anthropologie von Beziehung zurückzukommen. Sie hilft, die Identität des Menschen in seiner Beziehung zu anderen, und besonders zwischen Mann und Frau, richtig zu erkennen. Im Menschen, als beziehungsfähiges Wesen verstanden, findet sich eine Spur des Geheimnisses Gottes, offenbart in Christus als Wesenseinheit in der Gemeinschaft dreier göttlicher Personen. Im Licht dieses Geheimnisses wird die Aussage von Gaudium et spes gut verständlich, wonach der Mensch, auf Erden die einzige von Gott um ihrer selbst willen gewollte Kreatur ist, [die] sich selbst nur durch die aufrichtige Hingabe seiner selbst vollkommen finden kann (GS, 24). Die Verschiedenheit von Mann und Frau erinnert an die Forderung nach interpersonaler Gemeinschaft, und die Besinnung auf Würde und Berufung der Frau stärkt das Gemeinschaftsverständnis des Menschen (vgl. Mulieris dignitatem, 7). 

3. Gerade diese gemeinschaftsorientierte Haltung, auf die das Frausein stark hinweist, macht es möglich, die Vaterschaft Gottes zu überdenken und jene formalen Vorstellungen patriarchalischen Gehabes zu vermeiden, die nicht ohne Grund in einigen Strömungen der zeitgenössischen Literatur deutlich beanstandet werden. Es geht darum, das Antlitz des Vaters innerhalb des Geheimnisses Gottes als Dreifaltigkeit, also vollkommene Einheit in der Verschiedenheit, zu erkennen. Die Gestalt des Vaters wiederum ist neu zu bedenken in ihrer Beziehung zum Sohn, der von Ewigkeit her auf ihn in der Gemeinschaft des Heiligen Geistes ausgerichtet ist (vgl. Joh 1,1). Auch muß betont werden, da der Sohn Gottes in der Fülle der Zeit Mensch wurde, geboren von der Jungfrau Maria (vgl. Gal 4,4). Das wirft ein Licht auch auf das Frauliche: Maria wird nämlich als das von Gott gewollte Vorbild der Frau vorgestellt. In Ihr und durch Sie ist das geschehen, was in der ganzen Menschheitsgeschichte das Größte ist. Die Vaterschaft von Gott-Vater ist nicht nur auf Gott-Sohn im ewigen Geheimnis bezogen, sondern auch auf seine Menschwerdung im Schoß einer Frau. Wenn Gott-Vater, der den Sohn von Ewigkeit her zeugt, eine Frau, Maria, auserwählt, um ihn in der Welt zu zeugen, und sie auf diese Weise zur Theotokos, Gottesmutter, macht, so ist das nicht ohne Bedeutung für das Verständnis der Würde der Frau im Plan Gottes. 

4. Die Verkündigung der Vaterschaft Gottes im Evangelium ist daher weit davon entfernt, die Würde und Aufgabe der Frau zu schmälern. Es bietet vielmehr Gewähr für das, was das Frauliche  menschlich symbolisiert, nämlich den Menschen annehmen, fur ihn sorgen, ihm das Leben geben. Denn das alles ist in der Tat auf transzendente Weise verwurzelt im Geheimnis des ewigen göttlichen Zeugens. Die Vaterschaft Gottes ist sicher vollkommen geistlich. Und doch ist sie Ausdruck jener ewigen, der Dreifaltigkeit eigenen Gegenseitigkeit und Relationalität, die Ursprung jeder Vater- und Mutterschaft ist und den gemeinsamen Reichtum des Mann- und Frauseins begründet. 

Das Nachdenken über die Rolle und Aufgabe der Frau paßt also gut in dieses dem Vater gewidmete Jahr. Es spornt uns zu einem noch entschlosseneren Einsatz an, damit der Frau in Kirche und Gesellschaft der ganze Raum zuerkannt wird, der ihr gebührt. 


In unserer Themenreihe zur Vorbereitung auf das Große Jubiläum des Jahres 2000 möchte ich heute über die Achtung der Rechte der Frau zu Euch sprechen.

Bereits in den beiden Schöpfungsberichten der Heiligen Schrift wird festgestellt, daß der Mann und die Frau, in ihrer gegenseitigen Ergänzung als Bild und Gleichnis Gottes erschaffen worden sind. Auf dieser Feststellung ruht die christliche Sicht des Menschen. Mann und Frau ergänzen sich gegenseitig, sie haben beide die gleiche Würde.

Wir müssen also Mann und Frau immer in Beziehung zueinander betrachten: Ob Mann oder Frau, wir sind auf ein “Du” hin ausgerichtet. Diese Wahrheit muß aber noch mehr und in vielerlei Hinsicht umgesetzt werden. Es gibt zu viele Angriffe auf die Würde des Menschen. Besonders gilt dies für die Würde der Frau.

Das Nachdenken über Rolle und Sendung der Frau muß unseren Einsatz dafür stärken, daß der Frau ihre eigene Stellung in Kirche und Gesellschaft zuerkannt wird.

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Sehr herzlich grüße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher. Eine große Freude ist es mir, unter Euch eine Gruppe von Priestern aus dem Erzbistum Köln willkommen zu heißen, die ihr 40-jähriges Weihejubiläum feiern. Gott begleite mit seiner väterlichen Führung weiterhin Euer seelsorgliches Wirken. Gern erteile ich den hier Anwesenden und allen, die mit uns über Radio Vatikan oder das Fernsehen verbunden sind, den Apostolischen Segen.

   



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