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EUCHARISTIEFEIER IM PETERSDOM AM HOCHFEST DER 
GOTTESMUTTER MARIA UND XXV. WELTFRIEDENSTAG

PREDIGT DES HL. VATERS JOHANNES PAUL II.

1. Januar 2002


1. "Gruß Dir, heilige Mutter, du hast den König geboren, der in Ewigkeit herrscht über Himmel und Erde"
(Eröffnungsvers). 

Mit diesem alten Gruß richtet sich die Kirche heute, am achten Tag nach Weihnachten und ersten Tag des Jahres 2002, an die allerseligste Jungfrau Maria und ruft sie als Mutter Gottes an. 

Der ewige Sohn des Vaters nahm in ihr unser Fleisch an und wurde durch sie zum »Sohn Davids und Sohn Abrahams« (Mt 1, 1). Daher ist Maria seine wahre Mutter: »Theotòkos«, die Mutter Gottes! 

Wenn Jesus das Leben ist, dann ist Maria die Mutter des Lebens.
Wenn Jesus die Hoffnung ist, dann ist Maria die Mutter der Hoffnung. 
Wenn Jesus der Friede ist, dann ist Maria die Mutter des Friedens, die Mutter des Friedensfürsten. 

Da wir nun das neue Jahr beginnen, bitten wir diese heilige Mutter um ihren Segen. Bitten wir sie, uns Jesus zu schenken, unseren vollkommenen Segen, in dem der Vater ein für alle Mal die Geschichte gesegnet hat, indem er sie zur Heilsgeschichte werden ließ. 

2. »Gruß dir, heilige Mutter!« Unter dem mütterlichen Blick Mariens findet der heutige Weltfriedenstag statt. Wir wollen nachdenken über den Frieden in einer Atmosphäre weitverbreiteter Besorgnis angesichts der jüngsten dramatischen Ereignisse, die die Welt erschüttert haben. Auch wenn es nach rein menschlichen Maßstäben schwierig erscheinen mag, mit Optimismus in die Zukunft zu blicken, dürfen wir dennoch nicht der Versuchung der Mutlosigkeit erliegen. Vielmehr sollen wir uns mutig für den Frieden einsetzen in der festen Gewißheit, daß das Böse nicht überhand nehmen wird. 

Das Licht und die Hoffnung für unseren Einsatz erhalten wir von Christus. Das Kind, das in Betlehem geboren wurde, ist das ewige Wort des Vaters, das zu unserem Heil Fleisch geworden ist, es ist der »Gott-mit-uns«, der das Geheimnis des wahren Friedens mit sich bringt. Es ist der Fürst des Friedens

3. Mit diesen Empfindungen richte ich meinen ehrerbietigen Gruß an die beim Hl. Stuhl akkreditierten Herren Botschafter, die an dieser festlichen Feier teilnehmen wollten. Von Herzen grüße ich den Präsidenten des Päpstlichen Rats für Gerechtigkeit und Frieden, Kardinal François Xavier Nguyên Van Thuân, und all seine Mitarbeiter. Ihnen gilt unser Dank für die Anstrengungen, die sie unternommen haben, um eine alljährliche Botschaft zur Feier des Weltfriedenstages zu verbreiten, die in diesem Jahr das Thema »Kein Friede ohne Gerechtigkeit – keine Gerechtigkeit ohne Vergebung« behandelt. 

Gerechtigkeit und Vergebung: Dies sind die beiden »Grundpfeiler« des Friedens, auf die ich besonders aufmerksam machen wollte. Zwischen Gerechtigkeit und Vergebung gibt es keinen Gegensatz, sondern sie ergänzen einander, da sie beide von wesentlicher Bedeutung für die Förderung des Friedens sind. Dieser bedeutet nämlich weit mehr als eine vorübergehende Einstellung von Feindseligkeiten: Er ist eine tiefgreifende Heilung der in den Herzen blutenden Wunden (vgl. Botschaft zum Weltfriedenstag, 3). Allein die Vergebung kann die Rachsucht überwinden und das Herz für eine wahre und dauerhafte Versöhnung zwischen den Völkern öffnen.

4. Richten wir den Blick heute auf das Kind, das Maria im Arm hält. In ihm erkennen wir denjenigen, in dem sich Barmherzigkeit und Wahrheit begegnen, Gerechtigkeit und Friede sich küssen (vgl. Ps 85, 11). In ihm beten wir den wahren Messias an, in dem Gott – zu unserem Heil – Wahrheit und Barmherzigkeit, Gerechtigkeit und Vergebung miteinander verbunden hat. 

Im Namen Gottes richte ich erneut meinen eindringlichen Aufruf an alle, Glaubende und Nichtglaubende, damit das Zweierpaar »Gerechtigkeit und Vergebung« stets die Beziehungen zwischen den Einzelpersonen, den gesellschaftlichen Gruppen und Völkern bestimmen möge.

Dieser Appell ergeht in besonderer Weise an all jene, die an Gott glauben, vor allem an die drei großen abrahamitischen Religionen Judentum, Christentum und Islam, die dazu berufen sind, immer ihre feste und entschlossene Ablehnung der Gewalt zu verkünden. Niemand darf – aus keinem Grund – im Namen des einen und barmherzigen Gottes töten. Gott ist das Leben und die Quelle des Lebens. An ihn zu glauben bedeutet, für seine Barmherzigkeit und Vergebung Zeugnis abzulegen und jedweden Mißbrauch seines heiligen Namens zurückzuweisen. 

Aus verschiedenen Teilen der Welt erhebt sich der sehnsuchtsvolle Ruf nach Frieden; er erhebt sich besonders aus jenem Land, das Gott durch seinen Bund und seine Menschwerdung gesegnet hat und das wir daher »Heiliges Land« nennen. Aus jenem Land schreit die »Stimme des Blutes« zu Gott (vgl. Gen 4, 10); das Blut, das von Brüdern vergossen wird, die sich auf denselben Patriarchen Abraham berufen; sie sind – wie jeder Mensch – Kinder desselben himmlischen Vaters. 

5. »Gruß dir, heilige Mutter!« Jungfrau, Tochter Sions, wie sehr muß dein Mutterherz unter diesem Blut leiden! 

Das Kind, das du an deine Brust drückst, trägt einen Namen, der den Völkern der biblischen Religion lieb und teuer ist: »Jesus«, was so viel bedeutet wie »Gott rettet«. So nannte der Erzengel ihn, bevor er in deinem Schoß empfangen wurde (vgl. Lk 2, 21). Im Antlitz des neugeborenen Messias erkennen wir das Angesicht deiner verunglimpften und ausgenutzten Söhne und Töchter. Wir erkennen in ihm vor allem das Angesicht der Kinder, gleich, welcher Rasse, Nation und Kultur sie angehören. O Maria, für sie und für ihre Zukunft erbitten wir von dir, die vom Haß verhärteten Herzen zu erweichen, damit sie sich der Liebe öffnen und damit endlich die Vergebung an die Stelle der Rache tritt. 

Erwirke, o Mutter, daß die Wahrheit der Aussage »Es gibt keinen Frieden ohne Gerechtigkeit, es gibt keine Gerechtigkeit ohne Vergebung« sich in die Herzen aller Menschen einpräge. Die Menschenfamilie wird so jenen Frieden finden können, der der Begegnung zwischen Gerechtigkeit und Barmherzigkeit entspringt. 

Heilige Mutter, Mutter des Friedensfürsten, steh uns bei! 
Mutter der Menschheit und Königin des Friedens, bitte für uns! 

 

 

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