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EUCHARISTIEFEIER MIT HEILIGSPRECHUNGEN VON VIER SELIGEN

PREDIGT VON JOHANNES PAUL II.

V. Sonntag der Osterzeit, 18. Mai 2003

    

1. »Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht« (Joh 15,5; vgl. Ruf vor dem Evangelium). Die Worte, die Jesus gegen Ende des Letzten Abendmahls an die Apostel richtet, stellen auch für uns, seine Jünger des dritten Jahrtausends, eine ergreifende Einladung dar. Nur wer tief innerlich mit Ihm verbunden bleibt – gleichsam verwachsen mit Ihm wie die Rebe mit dem Weinstock – erhält den Lebenssaft seiner Gnade. Nur wer in Gemeinschaft mit Gott lebt, bringt reiche Früchte der Gerechtigkeit und Heiligkeit hervor.

Zeugen dieser grundlegenden Wahrheit des Evangeliums sind die Heiligen, die ich zu meiner großen Freude an diesem fünften Sonntag der Osterzeit zur Ehre der Altäre erheben kann. Zwei von ihnen stammen aus Polen: Jósef Sebastian Pelczar, Bischof und Gründer der Kongregation der Dienerinnen des Allerheiligsten Herzens Jesu, und Ursula Ledóchowska, Jungfrau und Gründerin der Ursulinen vom Heiligsten Herzen Jesu im Todeskampf. Die beiden anderen Heiligen waren Italienerinnen: Maria De Mattias, Jungfrau und Gründerin der Kongregation der Anbeterinnen des Kostbaren Blutes, und Virginia Centurione Bracelli, Laienchristin und Gründerin der Schwesternkongregationen der »Suore di Nostra Signora del Rifugio in Monte Calvario« und der »Suore Figlie di Nostra Signora al Monte Calvario«. [Nach diesen Worten auf italienisch fuhr der Papst auf polnisch fort:]

2. »Die Vollkommenheit ist wie jene Stadt aus dem Buch der Offenbarung (vgl. Offb 21) mit den zwölf Türen, die sich auf alle Teile der Welt hin öffnen, als Zeichen dafür, daß die Menschen jeder Nation, jedes sozialen Standes und jedes Alters hindurchgehen können. […] Kein Stand und kein Alter stellen ein Hindernis dar für ein Leben in Vollkommenheit, denn Gott achtet nicht auf das Äußere […], sondern auf die Seele […], und er fordert von uns nur das, was wir zu geben vermögen. « Mit diesen Worten brachte unser neuer Heiliger Jósef Sebastian Pelczar seinen Glauben an die universale Berufung zur Heiligkeit zum Ausdruck. Von dieser Überzeugung beseelt, führte er sein Leben als Priester, Professor und Bischof. Er strebte nach Heiligkeit und führte auch seine Mitmenschen zu ihr hin. Er war einsatzfreudig in allem, handelte dabei aber so, daß in seinem Dienst Christus selbst der Meister war.  

Sein Lebensmotto lautete: »Alles für das Heiligste Herz Jesu durch die unbefleckten Hände der Seligen Jungfrau Maria.« Dieses Leitwort formte seine geistige Gestalt, deren Hauptmerkmal darin bestand, durch Maria sich selbst, sein Leben und sein Amt Christus anzuvertrauen.

Er verstand seine Hingabe an Christus vor allem als Antwort auf dessen Liebe, die im Sakrament der Eucharistie enthalten ist und offenbar wird. Er sagte: »Jeder Mensch muß ins Staunen geraten bei dem Gedanken, daß der Herr Jesus, der auf dem Thron der Herrlichkeit zum Vater gehen sollte, statt dessen mit den Menschen auf Erden blieb. Seine Liebe erfand dieses Wunder aller Wunder, als er das Allerheiligste Sakrament einsetzte.« Unaufhörlich weckte er in sich und in den Mitmenschen dieses gläubige Staunen, das ihn auch zu Maria führte. Als sachkundiger Theologe konnte er nicht umhin, in Maria die Frau zu sehen, die »im Mysterium der Menschwerdung […] auch den eucharistischen Glauben der Kirche vorweggenommen [hat]«; sie trug das fleischgewordene Wort in ihrem Schoß und wurde »in gewisser Weise zum ›Tabernakel‹ – dem ersten ›Tabernakel‹ der Geschichte« (vgl. Ecclesia de Eucharistia, 55). An sie wandte der hl. Jósef Sebastian Pelczar sich mit kindlicher Hingabe und mit jener Liebe, die ihm in seinem Vaterhaus entgegengebracht wurde. Auch seine Mitmenschen regte er zu dieser Liebe an. Der von ihm gegründeten Kongregation der Dienerinnen des Allerheiligsten Herzens Jesu hat er einst geschrieben: »Einer der sehnlichsten Wünsche des Heiligsten Herzens Jesu ist, daß seine Allerseligste Mutter von allen verehrt und geliebt werde, zum einen, weil der Herr selbst sie grenzenlos liebt, und zum anderen, weil er sie zur Mutter aller Menschen machte, daß sie mit ihrer Milde auch jene zu sich ziehen möge, die dem heiligen Kreuz aus dem Weg gehen, und sie zum Göttlichen Herzen führe.«

Wenn ich Jósef Sebastian Pelczar zur Ehre der Altäre erhebe, bitte ich, daß durch seine Fürsprache der Glanz seiner Heiligkeit für die Dienerinnen des Allerheiligsten Herzens Jesu, für die Kirche von Przemysl und für alle Gläubigen Polens und der Welt eine Ermutigung zu dieser Liebe zu Christus und seiner Mutter sei.

3. Die hl. Ursula Ledóchowska betrachtete ihr ganzes Leben lang treu und liebevoll das Antlitz Christi, ihres Bräutigams. Besonders fühlte sie sich dem Christus im Todeskampf verbunden. Diese Verbundenheit erfüllte sie mit außergewöhnlichem Eifer bei der Verkündigung der Frohen Botschaft von der Liebe Gottes durch Worte und Werke. Sie übermittelte die Frohbotschaft vor allem den Kindern und Jugendlichen, aber auch den Bedürftigen, den Armen, Verlassenen und Einsamen. An alle wandte sie sich mit der Sprache der Liebe, die von guten Werken begleitet wurde. Mit der Botschaft der Liebe Gottes zog sie durch Rußland, Skandinavien, Frankreich und Italien. Zu ihrer Zeit war sie eine Wegbereiterin der Neuevangelisierung, und durch ihr Leben und Wirken stellte sie die Aktualität, Kreativität und Wirksamkeit der Liebe des Evangeliums unter Beweis.

Auch sie schöpfte aus der Liebe zur Eucharistie die nötige Inspiration und Kraft für ihr bedeutendes Evangelisierungswerk. Sie schrieb: »Ich muß meinen Nächsten lieben, wie Jesus mich geliebt hat. Nehmt und eßt… Verzehrt meine Kräfte, sie stehen euch zur Verfügung […]. Nehmt und eßt meine Fähigkeiten, mein Talent […], mein Herz, damit es mit seiner Liebe euer Dasein erwärme und erhelle […]. Nehmt und verzehrt meine Zeit, sie soll euch gehören. […] Ich bin euer, so wie Jesus in der Hostie mein ist.« Hört man in diesen Worten etwa nicht den Widerhall der Hingabe, mit der Christus sich im Abendmahlssaal den Jüngern aller Zeiten dargebracht hat?

Als sie die Kongregation der Ursulinen vom Heiligsten Herzen Jesu im Todeskampf gründete, vermittelte sie ihr diesen Geist. »Das Allerheiligste Sakrament« – so schrieb sie – »ist die Sonne unseres Lebens, unser Schatz, unsere Freude, unser ein und alles auf dieser Welt. […] Liebt Jesus im Tabernakel! Euer Herz soll stets bei ihm bleiben, auch wenn ihr körperlich bei der Arbeit seid. Dort ist Jesus, den wir leidenschaftlich und mit ganzem Herzen lieben müssen. Und wenn wir ihn nicht lieben können, so sollen wir wenigstens wünschen, ihn zu lieben – ihn immer mehr zu lieben.«

Im Lichte dieser eucharistischen Liebe vermochte die hl. Ursula in allen Dingen ein Zeichen der Zeit zu erkennen, um Gott sowie den Brüdern und Schwestern zu dienen. Sie wußte, daß für den Gläubigen jedes Ereignis, auch das geringste, zur Gelegenheit für die Verwirklichung der Pläne Gottes werden kann. Das Normale wurde durch sie außergewöhnlich; dem Alltäglichen verlieh sie Beständigkeit; das Banale machte sie heilig.

Wenn die hl. Ursula heute zum Vorbild der Heiligkeit für alle Glaubenden erhoben wird, so geschieht dies, damit ihr Charisma von den Menschen aufgenommen werden kann, die im Namen der Liebe zu Christus und zur Kirche das Evangelium in der heutigen Welt wirksam bezeugen wollen. Wir alle können von ihr lernen, wie sich mit Christus eine menschlichere Welt aufbauen läßt – eine Welt, in der Werte wie Gerechtigkeit, Freiheit, Solidarität und Frieden in immer größerem Maße Wirklichkeit werden. Von ihr können wir lernen, wie man das »neue« Gebot der Liebe jeden Tag in die Tat umsetzen kann. [Johannes Paul II. sprach danach wieder auf italienisch:]

4. »Und das ist sein Gebot: Wir sollen […] glauben und einander lieben« (1 Joh 3,23). Der Apostel Johannes ermahnt uns, die grenzenlose Liebe Gottes anzunehmen, der zum Heil der Welt seinen eingeborenen Sohn hingegeben hat (vgl. Joh 3,16). Diese Liebe kam auf erhabenste Weise zum Ausdruck, als Christus sein Blut als »unermeßliches Lösegeld der Befreiung« für die Menschheit vergossen hat. Vom Geheimnis des Kreuzes war Maria De Mattias zutiefst ergriffen, und sie stellte das Institut der Anbeterinnen des Kostbaren Blutes unter das »Banner des Göttlichen Blutes«. Die Liebe zum gekreuzigten Christus wurde in ihr zur Hingabe an die Seelen und zum bescheidenen Dienst an den Brüder und Schwestern, an den »geliebten Nächsten«, wie sie zu sagen pflegte. »Wir wollen« – so lautete ihre Aufforderung – »gerne leiden aus Liebe zu Jesus, der aus tiefer Liebe sein Blut für uns vergossen hat. Wir wollen uns bemühen, Seelen für den Himmel zu gewinnen.«

Diese Botschaft vertraut die hl. Maria De Mattias am heutigen Tag ihren geistigen Söhnen und Töchtern an, und sie fordert uns alle auf, dem Lamm, das für uns geopfert wurde, bis zur Hingabe des Lebens nachzufolgen.

5. Eben diese Liebe stärkte auch Virginia Centurione Bracelli. Der Einladung des Apostels Johannes folgend, wollte sie nicht nur »mit Wort« oder »Zunge«, sondern »in Tat und Wahrheit« lieben (vgl. 1 Joh 3,18). Sie ließ ihre adlige Herkunft außer acht und widmete sich mit außerordentlichem apostolischem Eifer der Betreuung der Geringsten. Der Erfolg ihres Apostolats ergab sich aus ihrer bedingungslosen Treue gegenüber dem Willen Gottes, die sich aus ständiger Kontemplation und gehorsamem Hören des Gotteswortes nährte.

Sie war in Christus verliebt und daher bereit, sich ihren Brüdern und Schwestern hinzuschenken. Die hl. Virginia Centurione Bracelli hinterläßt der Kirche das Zeugnis einer einfachen und fruchtbringenden Heiligkeit. Ihr Beispiel mutiger Treue zum Evangelium übt weiterhin eine starke Faszination auch auf die Menschen unserer Zeit aus. Die Heilige pflegte zu sagen: Wenn man Gott als einziges Ziel hat, dann »weicht jeder Widerstand, und alle Schwierigkeiten werden überwunden « (Positio, 86).

6. »Bleibt in mir!« Im Abendmahlssaal hat Jesus diese Einladung mehrfach wiederholt, und der hl. Jósef Sebastian Pelczar, die hl. Ursula Ledóchowska, die hl. Maria De Mattias und die hl. Virginia Centurione Bracelli haben sie vertrauensvoll und bereitwillig angenommen. Diese dringliche und liebevolle Einladung ist an alle Gläubigen gerichtet. »Wenn ihr in mir bleibt« – so versichert uns der Herr – »und wenn meine Worte in euch bleiben, dann bittet um alles, was ihr wollt: Ihr werdet es erhalten« (Joh 15,7).

Möge jeder von uns die Wirksamkeit dieser Verheißung Jesu in seinem Leben erfahren!

Dabei helfe uns Maria, die Königin der Heiligen und Vorbild vollkommener Gemeinschaft mit ihrem göttlichen Sohn. Sie lehre uns, mit Jesus wie die Reben mit dem Weinstock »verwachsen« zu bleiben und uns nie von seiner Liebe zu trennen. In der Tat vermögen wir nichts ohne ihn, denn unser Leben ist Christus, der in der Kirche und in der Welt lebt und wirkt. Heute und in Ewigkeit.

Amen.

 

 

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